Liebeschaos! Teas Sprechstunde von Dornentanz ================================================================================ Kapitel 10: Präokkupiert-verstrickte Bindungseinstellung -------------------------------------------------------- Es gab keinen Zentimeter ihres Körpers, der nicht schmerzte. Ihre Hände waren fast taub, als wäre schon länger kein Blut durch sie hindurchgeflossen. Ihr Rücken tat so weh, als habe ihr jemand mehrfach kräftig hineingetreten, und ihr Schädel schien rundherum entzündet zu sein. Was war überhaupt geschehen? Gerade eben hatte sie noch vor dem Fernseher gesessen, ihr Deck sortiert und nebenbei ihre Lieblingsserie geschaut, und nun war Mai – ja, wo eigentlich? Stöhnend öffnete sie die Augen. Es umgab sie Halbdunkel, aber sie konnte ein paar Regale in dem schwachen Mondlicht erkennen, dass durch Oberlichter hereinfiel. Wahrscheinlich eine Lagerhalle, denn die Decke war ein ganzes Stück weit über ihr, und sie konnte die gegenüberliegende Wand nicht sehen. Sie wollte sich bewegen und ihre schmerzenden Arme entlasten, aber die waren links und rechts von ihr gefesselt. Mai keuchte. Diese Körperhaltung... aufrecht stehend und mit ausgestreckten Armen gefesselt... Das kam ihr schrecklich bekannt vor. Ihr Herz raste, und kalter Schweiß trat auf ihre Stirn. Sie wollte schreien, aber außer ersticktem Krächzen wollte nichts aus ihrer Kehle hervordringen. „Mai?“, hörte sie eine Stimme hinter sich. Eine Gestalt in schwarzem Umhang trat in ihr Sichtfeld, die Kapuze weit ins Gesicht gezogen. Mais Augen weiteten sich. Der Unbekannte zog die Kapuze vom Gesicht. Es war Marik. Mai schrie wie am Spieß. Sie riss und zerrte an ihrem Fesseln und wünschte nichts anderes, als aus diesem Alptraum zu erwachen. War sie wieder im Reich der Schatten? Allein, nur in Gesellschaft ihres Peinigers und schlimmsten Alptraums? Dieses mal für den Rest ihres Lebens? Marik hob beruhigend die Hände. „Es ist alles in Ordnung, nur keine Sorge. Ich habe dich nur erst einmal gefesselt, damit wir in Ruhe reden können.“ Hinter sich hörte Mai jemanden aufstöhnen. Eine zweite Person trat in ihr Sichtfeld, die ihr bekannt vorkam. War das nicht einer von Yugis Freunden? Dieser Ryou oder doch der Typ, der im Battle City Turnier mit den Schicksalstafeln gespielt hatte? Die zwei sahen sich einfach verdammt ähnlich. „Marik, was muss passieren, damit du einsiehst, dass das dein zweiter schlechter Plan ist?“, fragte Bakura. „Still! Gib ihr doch erst einmal Zeit, sich an alles zu gewöhnen.“, giftete Marik zurück. „Ich verstehe ja“, sagte Bakura. „Das es schwer ist, wenn man sein ganzes Leben in einem verlassenen Grab verbracht hat, Gefühle und Gedanken anderer Menschen zu verstehen. Aber selbst dir sollte klar sein, dass sich kein normaler Mensch an diese Situation gewöhnen kann.“ Mai zitterte. Sie verstand nichts von dem, was da vor sich ging. Wollten die sie töten? Oder jemanden erpressen, der ihr nahestand? Oder machten sie sich einfach nur einen Spaß daraus, sie noch etwas zu verwirren, bevor Marik ihre Seele verbannte? „Bitte, lasst mich runter. Ich tue alles...“, schluchzte sie. „Sag doch nicht so etwas!“, sagte Marik gebieterisch. „Die Königin an meiner Seite muss stark sein. Genau wie du es bist.“ Bakura vergrub das Gesicht in den Händen. „Zeitverschwendung...“, murmelte er. Mai hörte auf zu schluchzen, und sah Marik ängstlich an. „Ich verstehe das nicht. Was wollt ihr von mir?“ „Mai Valentine.“ Marik breitete theatralisch die Hände aus und streckte den Milleniumsstab von sich. Bakura warf ihm einen gierigen Blick zu. „Ich habe dich auserwählt!“, erklärte der Grabwächter. „Was ist ein Pharao, so mächtig und ehrfurchtgebietend er auch sein mag, ohne eine Königin an seiner Seite? Darum habe ich dich hierhergebeten, damit wir von nun an gemeinsam daran arbeiten können, die mächtigsten Herrscher der Welt zu werden!“ Bakura hustete, und wiederholte zynisch: „Hergebeten...“ „Was?“, fragte Mai. In ihrem Kopf wirbelten die Worte, die sie eben von Marik gehört hatte, wild durcheinander, ohne, dass sie ihnen einen Sinn zuordnen konnte. Sie spürte, dass Tränen über ihre Wange liefen, und ihre Arme drohten von schlimmen Muskelkrämpfen heimgesucht zu werden, so angespannt war sie. „Ich habe nichts getan, und ich schwöre, ich werde dir nicht in die Quere kommen. Ich liefere dir auch Yugi aus, oder was immer du willst, aber bitte, bitte tu mir das nicht an!“, flehte sie. Marik sah verlegen aus. „Ähm. Das ist gut. Siehst du, Bakura? Es läuft alles nach Plan. Sie ist bereit, auf meiner Seite zu kämpfen, wie ich es gesagt habe. Und es ist ja auch gut, wenn sie Respekt vor mir hat. Es hat also alles funktioniert.“ Bakura zog einen Stuhl aus den Schatten hervor, und stellte ihn seitlich von Mai und Marik auf, um sich darauf zu setzen. „Wirklich, Marik. Es fehlt nur noch Popcorn. Bitte, unterhalte mich weiter, während ich mir etwas Sinnvolles überlege.“ „Etwas Sinnvolles!“, äffte Marik ihn nach. „So sinnvoll, wie dieser Blödsinn, Yugi zu benutzen, um den Pharao zu beseitigen? Warum sollte das funktionieren? Du glaubst doch nicht, dass der Pharao sich für diesen jämmerlichen Wurm interessiert, mit dem er sich einen Körper teilen muss! Das ist vollkommen absurd.“ „Ist es nicht“, sagte Bakura genervt. „Ich habe es von Tea erfahren, warum sollte sie lügen? Das ist doch vollkommen logisch, wenn man so lange jede Sekunde seines Lebens teilt.“ Marik grinste fies. „Ja, ich kann mir vorstellen, dass ausgerechnet du diese Geschichte sofort geglaubt hast, so wie du an deinem Wirt hängst. Man könnte ja fast meinen...“ Bakura fletschte die Zähne. „Bist du eifersüchtig, oder was?“ Marik zog die äußere Hülle vom Milleniumsstab, so dass die scharfe, goldene Klinge darunter zum Vorschein kam. Mai kreischte. „Stoooooop! Haltet die Klappe!“ Ihr Blick klebte an einem Schatten, der dunkler war als das Halbdunkel der Lagerhalle. Langsam schritt er auf die kleine Gruppe zu. Marik und Bakura sahen zuerst zu ihr auf, und folgten dann ihrem Blick, bis der Unbekannte schließlich in das Licht der über ihnen schwebenden Lampe trat. „Yugi...“, flüsterte Mai. Wieder rollten ihr Tränen über das Gesicht. „Gott sei Dank bist du gekommen. Du musst...“ Er ließ sie nicht ausreden. „Marik. Tea hat mir erzählt, was du planst.“ Bakura schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und es sah aus, als wolle der Grabräuber dem Grabwächter augenblicklich an die Gurgel gehen. „Großartig!“ Mai blinzelte irritiert. Warum trug Yugi sein Milleniumspuzzle in der Hand, statt um den Hals? Normalerweise würde er es doch nie abnehmen? „Du musst mir helfen, bitte...“, jammerte sie, obwohl sie wusste, wie würdelos sie klingen musste. Yugi kniff die Augen zusammen, und sah finster zu ihr auf. So konnte Yugi gar nicht gucken. Es musste dieser andere Yugi sein, der in der Doma immer der namenlose Pharao genannt wurde. Aber letztendlich war es vollkommen egal. Beide hatten ihr schon aus der Patsche geholfen. „Mai, halt bitte die Klappe. Es geht hier einmal nicht um dich, oder um irgendjemand anderen, den ich wieder einmal retten soll oder muss“, sagte der Pharao. Mais Augen weiteten sich verblüffte. „Es geht jetzt einmal um mich!“ Wieder wandte er sich Marik zu. „Du musst dir keine Umstände machen. Ich bin hierhergekommen, um mich mit dir zu duellieren. Ein Spiel der Schatten. Der Verlierer wird nicht aus dem Reich der Schatten zurückkehren, und auch keine andere Seele, die in seinem Körper wohnt.“ Er hielt das Milleniumspuzzle in die Höhe. Marik sah unsicher aus. „Moment – das heißt, du setzt nicht nur deine, sondern auch die Seele deines Partners aufs Spiel, obwohl ich dich weder in eine Falle gelockt, noch dich erpresst habe? Willst du mir eine Falle stellen?“ Er wandte sich an Bakura und zischte: „Soviel zu deiner Theorie.“ „Marik...“, murmelte der Pharao leise. „Du wirst dieses Spiel gewinnen. Das Reich der Schatten erscheint mir im Moment wie der beste Ort, an dem wir sein können – Yugi und ich.“ Bakura setzte dazu an, etwas zu sagen, dass ganz sicher nicht allzu freundlich gewesen wäre. Dann jedoch veränderte sich sein Gesichtsausdruck, als würde ihn irgendetwas furchtbar anstrengen. Mai wusste nicht mehr, was sie sagen oder an wen sie sich wenden sollte. Sie hing hier, von zwei Verrückten gekidnapped und gefesselt, aber es schien niemanden zu interessieren. Sie musste tatsächlich im Reich der Schatten sein, denn sie wurde genauso ignoriert wie damals von ihren Freunden. Letztendlich blieb sie eben doch immer allein. „Wartet!“, eine Stimme erschallte aus der Nähe des Eingangs, die Mai mehr als bekannt vorkam. „Tea?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)