Liebeschaos! Teas Sprechstunde von Dornentanz ================================================================================ Kapitel 6: Dissoziative Identitätsstörung (II) ---------------------------------------------- Ryou nahm den Kaffee, nippte daran, und stellte ihn auf Teas (nun leeren) Nachttisch ab. „Dankeschön“, er hatte sich etwas gefangen, und die Tränen von den Wangen gewischt. Verlegen sah er zu Boden. „Bitte entschuldige, wegen eben. Das war wirklich total übertrieben. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.“ Er lachte unsicher, genau das Lachen, das sonst Tea von sich gab. Tea schenkte ihm einen langen Augenaufschlag. „Nein, das macht doch nichts. Ich verstehe, wie es ist, wenn man einsam ist, sogar sehr gut. Vielleicht...“ Sie rückte näher an ihn heran, und stellte die Kaffeetasse auf den Nachttisch, wo auch seine schon stand. „...vielleicht brauchen wir ja auch beide jemanden, damit wir nicht mehr so einsam sind?“, hauchte sie. Ryou schluckte, und starrte sie irritiert an. „Ahm, was genau-“ Tea ließ ihn nicht ausreden. Sie beugte sich zu ihm herüber und legte ihre Lippen auf seine. Sie fühlten sich genauso weich an, wie sie aussahen. Wenn sie schon den Pharao nicht haben konnte – jemand Verletzliches und Einfühlsames wie Ryou würde ihr sicher nicht wehtun. Und hatte sie nicht auch jemanden verdient, der sie liebte und begehrte? War der Kuss anfangs noch zart und vorsichtig gewesen, änderte sich dies von einer Sekunde auf die andere. Ryou packte Tea an der Hüfte und zog sie so eng an sich, wie es nur ging, ihr Herz machte einen kleinen Satz, und schlug dann schneller als vorher. Seine Hand vergrub sich in ihren braunen Haaren und zog daran, so dass sie den Kopf zurückbiegen musste. Tea hatte kaum mehr Kontrolle darüber, was mit ihr geschah. Sie wollte protestieren, und ein scharfer Schmerz schoss durch ihre Unterlippe. Hatte er sie gebissen? Tea schnappte nach Luft und legte ihre Hände gegen seine Schultern, versuchte, ihn von sich zu schieben. „R-ryou, äh...“ Seine Finger umklammerten ihr Handgelenk, und Tea stöhnte vor Schmerz auf. „Nicht Ryou, Schätzchen.“, knurrte er. Teas Herz flirrte noch immer, dieses Mal jedoch vor Angst. Bakura grinste. „Man erntet was man sät. Das wolltest du doch, oder?“ „N-nein“, stotterte Tea. „Lass mich sofort los, oder ich schreie.“ Er lachte leise. „Ja, warum nicht, ich hör das gerne. Und wenn ich mich richtig erinnere, hast du deine Zimmertür von innen abgeschlossen. Also musst du dir keine Sorgen machen, dass wir gestört werden, egal wie laut du wirst.“ Teas fühlte sich wie paralysiert, als ihr klar wurde, dass er Recht hatte. „Was ist denn?“, zischte Bakura. „Ich habe mich nicht verändert. Es sind die gleichen Lippen, die du eben noch küssen wolltest. Oder ging es nur darum, dass Ryou ein Schwächling ist, den du dir zurechtbiegen kannst, wie du willst?“ Obwohl sie geglaubt hatte, dass das nicht möglich sei, wurde ihr Kopf noch heißer als zuvor. „Noch ein eifersüchtiger Geist, der seine zweite Seele für sich allein behalten will?“ Tea zerrte an Bakuras Handgelenk, und dieser entschied sich großmütig, sie frei zu geben. Sie rückte hastig weg, und stand auf, um Abstand zwischen sich und den Grabräuber zu bringen. Der legte den Kopf in den Nacken und streckte sich. „Was heißt denn hier 'noch ein'? Das ist ja hochinteressant.“ Tea biss sich auf die Zunge. Soviel zur Schweigepflicht. „Das heißt nicht – was auch immer du da hineininterpretierst.“ „Ich habe mir fast gedacht, dass es eine gute Idee von Ryou ist, zu dir zu kommen. Jetzt gibst du mir diesen äußerst interessanten Hinweis – und es ist immer gut seine Feinde zu kennen. Dieses Wissen kann man nutzen. Und davor dieser Kuss.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. Tea fiel es schwer, ihm in die Augen zu blicken. Noch eben waren sie sanftmütig und unschuldig gewesen, jetzt voller Verachtung und Rachsucht. „Aber davon hatten wir ja immerhin beide was, nicht wahr, Liebes? Das Angebot steht. Ich erzähle es auch niemandem.“ Für einen Moment – einen ganz kurzen, winzigen Moment, zog Tea es in Erwägung. Dann schüttelte sie den Kopf und schämte sich dafür. Bakura grinste breit, als könne man ihr jeden einzelnen Gedanken von der Stirn ablesen. „Tut mir leid. Wenn du etwas Langfristiges suchst, das ist nichts für mich. Ich frage mich nur, warum du den armen Ryou missbrauchen musst. Wenn du dir einen naiven Vollidioten suchen willst, nimm doch gleich Yugi. Der hechelt dir doch schon lange hinterher.“ Er trat hinter Tea, und drehte sie zu ihrem Spiegel herum. Sein Kinn legte er auf ihre Schulter. Nicht ohne sie festzuhalten, aber Tea merkte, dass er sie nur aufziehen wollte, was ihr Glück war. „Oder hast du Ryou geküsst, weil du dich nach der Gefahr sehnst? Hat ganz schön lange gedauert, bis du dich gewehrt hast.“ Tea verschränkte die Arme, versuchte aber nicht mehr, wegzulaufen. Bakura würde verschwinden, wenn es ihm passte, und dagegen konnte sie nichts ausrichten. Außer, sie wollte es riskieren, von Yami in einem halbdemolierten Zimmer und mit verstubbelten Haaren Arm in Arm mit Bakura erwischt zu werden. „Das ist absolut lächerlich. Wir beide – in 1000 Jahren nicht.“ „Ich bin es gewohnt, in solchen Zeitdimensionen zu rechnen. Allerdings habe ich keine Lust auf irgendwelche Überredungsversuche, da habe ich Wichtigeres zu tun. Der Plan steht an oberster Stelle. Schlimm genug, dass ich die ständigen Gedanken von Ryou ertragen muss, dieser ganze Gefühlsquatsch.“ Er lachte gehässig. Tea fragte sich, was in Ryou gefahren war, dass er sich nach der Nähe von diesem Monster sehnte. Da erschien ihr Yamis Eifersucht gleich deutlich nachvollziehbarer. „Ganz egal, wie lange du schon in deinem Milleniumsring warst. Sogar du hast Gefühle, auch wenn du dir das nicht eingestehen willst. Und du magst Ryou. Sonst hättest du ihn damals nicht auf dem Luftschiff gerettet.“ Sie zwängte sich von ihm vorbei, um einmal mehr Abstand zwischen sich zu bringen. Bakura lachte verächtlich. „Die einzigen Menschen, denen ich Wertschätzung entgegenbringe, sind die, die mir helfen, die restlichen Milleniumsgegenstände zu bekommen. Also fühle dich geehrt. Du gehörst jetzt in diese Kategorie, seit du die Geheimnisse deiner Freunde ausplauderst.“ Tea biss sich auf die Lippen. Sie versuchte sich abzulenken, indem sie die in Fetzen gerissene Gardine ordentlich zusammenlegte. „Dann solltest du dich wohl vielleicht besser mit Marik zusammentun, als mich zu belästigen.“, murmelte sie leise vor sich hin. Bakura war verdächtig still. So, als könnte er ihre genuschelten Worte verstanden haben. Tea drehte sich hastig zu ihm um. Auch er stand reglos da, und sah mit nachdenklich zusammengekniffenen Augen auf den Boden. „Marik... Yugi und der Pharao...“ Tea konnte regelrecht sehen, wie ihm ein Licht aufging. Nicht gut. „Tea...“, grollte Bakura. „Du bist wirklich die Beste.“ Mit wenigen Schritten ging er zum Fenster und riss es auf. Seine Haare und sein Hemd wehten im leichten Frühlingswind. Der Milleniumsring klirrte leise. Tea stand steif und ängstlich da, und fragte sich, was genau sie angerichtet hatte. Bakura kehrte noch einmal zurück, ging auf sie zu, und gab ihr einen Kuss. „Und sag bescheid, solltest du es dir anders überlegen.“ Dann schwang er sich aus dem Fenster, und war verschwunden, als Tea ihm nachblicken wollte. „Verdammte Scheiße!“ So viel zum Thema reibungsloser Ablauf. Sie kaute auf ihrem Daumennagel herum, und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Eigentlich müsste sie Yami und Yugi warnen, aber wie genau sollte sie erklären, was gerade passiert war? Außerdem war sie immer noch ziemlich beleidigt wegen der Sache mit Kaiba. Aber deshalb konnte sie ihre Freunde nicht blind in die nächstbeste Gefahr hineinlaufen lassen. Sie schloss die Zimmertür auf und ging rüber zu Yugis Zimmer. Dieses mal dachte sie daran, erst anzuklopfen. Hinter der Tür Rascheln; dann war es der Pharao, der ihr nur einen spaltbreit öffnete. „Wir sind gerade mitten im Duell“, erklärte er. Einen Augenblick lang überlegte Tea, ob sie fragen sollte, was für ein Duell das genau war, ließ es dann aber doch bleiben. „Ich würde euch nicht stören wenn es nicht wichtig wäre“, sagte sie kleinlaut. Jetzt musterte er sie genauer und runzelte beunruhigt die Stirn. „Was ist denn mit deinen Haaren passiert?“ Verdammt, da war ja noch was gewesen. Hastig strich sie sich die Haare glatt, und machte dann eine wegwerfende Handbewegung. „Ich muss mit dir und Yugi sprechen. Es ist für euch beide wichtig.“ „Was dauert denn da so lange?“, schnarrte Kaiba. „Merkst du nicht, dass wir beschäftigt sind?“ Yami schloss die Tür, und öffnete sie wenige Sekunden später wieder. Deutlich schlechter gelaunt und mit Puzzle um den Hals. „Bakura ist bei mir eingebrochen.“ „Warum hast du mich nicht gerufen?“, fragte Yami. Tea verzog das Gesicht. „Ich- ähm... Die Zimmertür war abgeschlossen. Und er – er hat mich – bedroht.“ Yami sah sie zweifelnd an. „Dein Lippenstift ist verschmiert.“ Tea machte ein paar Schritte rückwärts, und ballte dann die Hände zu Fäusten. „Was willst du damit sagen?“ „Ja, genau“, sagte Yami – nein, jetzt war es Yugi, der die Kontrolle über seinen Körper übernommen hatte. „Das ist lächerlich.“ Offensichtlich lauschte er der Stimme des Pharaos, die für Tea nicht zu hören war. „Ich habe noch nie etwas so Schwachsinniges gehört. Warum sollte Tea das tun?“ Wieder schwieg er, und Tea überlegte fieberhaft, wie sie es schaffen konnte, die Stimme des Pharaos in Yugis Kopf zum Verstummen zu bringen. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, Yugi das Puzzle vom Kopf zu reißen, aber das hätte ihre Vertrauenswürdigkeit auch nicht unbedingt in die Höhe schnellen lassen. „Eifersüchtig? Wieso sollte sie eifersüchtig sein?“ Yugi fuhr herum. „Was macht denn Kaiba hier?“ Sein Mund öffnete sich empört. „Und wa- Was ist hier überhaupt los?“ Ohne weiter auf Tea zu achten schloss er die Zimmertür. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Was für ein Tag. Wenn sie nicht bald ein bisschen Ruhe bekam würde ihr Gehirn sicher einen Kurzschluss erleiden. Sie ging in ihr Zimmer zurück. Bakura und Marik – sie hatten bisher reines Glück gehabt, dass diese zwei nicht zusammengearbeitet hatten. Marik hatte seine Handlanger überall und ein anscheinend unbegrenztes Budget – nur war er glücklicherweise nicht in der Lage, einen vernünftigen Plan aufzustellen. Bakura war allein, dafür aber unberechenbar, und auch wenn Tea nicht genau wusste, was er vorhatte, glaubte sie zu spüren, dass hinter seinen Plänen deutlich mehr steckte. Keine gute Kombination. Allerdings - was sollte Bakura schon in der Zeit anstellen, in der sie schlief? Ein paar Stunden, nicht mehr. Da konnte nicht viel passieren. Kraftlos ließ sie sich auf ihr Bett sinken, auf dem heute schon so viele verschiedene Menschen gesessen hatten, und zog sich das Kuriboh-Kissen über das Gesicht, um die Frühlingssonne auszusperren. Nur Sekunden später war sie eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)