Drei Ansichten von Psychopath (einer Klassenfahrt) ================================================================================ Kapitel 3: 1c ------------- Lehrer zu sein und mit einer komplett neu zusammengestellten Schulklasse eine Klassenfahrt zu machen, war die Idee meiner besseren Hälfte. Und ich musste mit, weil: „Wie könnte ich ohne dich auch nur irgendwo hinfahren? *chu*“ Seine Pläne und wahnsinnigen Ideen waren immer seltsam und unsinnig. Am Ende war es jedoch immer der scheinbar einzig richtige Weg. Wenn es nach mir gegangen wäre, wären wir auch mit der Bahn gefahren und den restlichen Weg mit einem Bus. Stattdessen fuhren wir stundenlang in einem stinkenden Bus mit lauten Gören, bei denen es zum Glück ausreichte, wenn man sie ermahnte, sie sollten dies und jenes lassen. Die Pause war zu lang und der Wind ließ schnell vergessen, dass die Sonne uns eigentlich wärmen sollte. Ich sehnte mich danach, an unser Ziel zu gelangen. Und vor den Gören konnte ich nicht einmal ansatzweise richtig mit meiner besseren Hälfte reden. Denn diese lief umher und versuchte zu motivieren, zu begeistern und zu trösten. Ich sah meine Aufgabe eher darin, dafür zu sorgen, dass niemand einen unerlaubten Abflug machte. Was nicht passierte, sodass ich mir das Gähnen nur schwer verkneifen konnte. Nichts ist schlimmer als ein offensichtlich müder oder gelangweilter Lehrer. Unsere Fahrt endete endlich; meine Arbeit aber nicht. Es wurden Lose gezogen, die getauscht wurden, weil die Bälger sich nicht dem Zufall unterwerfen wollten. In den einzelnen Hütten die Betten zu verteilen, war meiner Meinung nach überflüssig, sodass ich diese Aufgabe nicht ernst nahm, sie aber erledigte und mich dann in das Zimmer verkroch, das – laut Information des Eigentümers – meines sein sollte. Dieses Zimmer hielt eine Überraschung für mich bereit: ein Einzelbett. Theoretisch sollten Lehrer nicht die Nacht in demselben Zimmer verbinden, besonders wenn die Schulklasse voller pubertärer Kinder ist, die nachts nichts besseres zu tun haben, als dumme Spielchen zu spielen, bei denen jeder jeden küssen oder umarmen muss. Solche Spiele waren mir glücklicherweise immer erspart geblieben. Solche Spielchen mussten aber überwacht werden. Ich würde mitten in der Nacht aufstehen und in jede Hütte schauen und überprüfen müssen, ob die Brut schläft oder unerlaubt wach ist. Ich konnte mir schöneres vorstellen. Ganz abgesehen von den nicht erlaubten Ausflügen bei Nacht. Personen zu erwischen, die im Dunkeln umher schleichen, weil sie es lustig oder spannend finden, erfordert mehr Anstrengung, als ich aufzubringen bereit war. Erst einmal sah ich davon ab, mein Bett zu beziehen. Schließlich sollte meine bessere Hälfte mir sagen, was es mit diesem Einzelbett auf sich hatte und ob ich dort wirklich schlafen musste. Ich stellte mich vor mein Zimmer, das nur durch einen langen Flur von der Küche und dem Speisesaals getrennt war. Vermutlich um heimliche Fressattacken überwachen zu können. Ich wartete nicht lange, da konnte ich schon sehen, wie Erwin den Flur entlang ging. Als er mich sah, winkte er mir lächelnd zu. Meine Antwort darauf: „Soll ich wirklich hier schlafen?“ „Stimmt etwas nicht mit dem Zimmer?“ „Sieh selbst.“ Bei mir angekommen, streckte er den Kopf ins Zimmer, sah sich um und wandte sich dann an mich: „Es ist doch sauber.“ „Ich sagte nicht, es sei dreckig. Sieh genau hin. Mir ist sofort aufgefallen, dass dort etwas nicht stimmt.“ Er sah noch einmal nach und ich konnte sein Gehirn schon fast denken hören. „Ich komm nicht drauf. Erzähle es mir.“ Ich zeigte auf das Bett. „Das ist mein Problem.“ „Milben?“ „NEIN! Igitt. Jetzt ist es mehr als unmöglich, hier zu schlafen.“ „Hier gibt es kein Ungeziefer. Ich habe extra verlangt, dass die Matratze komplett neu sein muss und habe sie sogar aus eigener Tasche bezahlt. Dasselbe gilt für Decke und Kissen.“ Er schien mein Problem nicht zu verstehen, was mich beleidigte. Wenn er keinen Wert darauf legte, sich ein Zimmer mit mir zu teilen, dann sollte es eben so sein. Stumm ging ich in das Zimmer und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Leider hatte sie kein Schloss, sodass er sie einfach wieder öffnete. „Sag mir, was nicht stimmt.“ „Wo schläfst du?“ „Nebenan. Ebenfalls mit neuer Matratze, neuem Kopfkissen und neuer Decke. Ich hätte niemals gedacht, dass dieser Sauberkeitsfimmel abfärben würde. Wieso?“ „Hast du auch ein Einzelbett?“ „Für Lehrer gibt es nur Einzelbetten. Es darf keine Romantik unter Aufsichtspersonen geben.“ „Geh deinen Kram auspacken und die Teufelsbrut beim Essen beaufsichtigen und ihnen alles erklären. Bis ich hier alles so sauber habe, dass ich es hier aushalte, dauert es eine Weile.“ Er schien ein wenig beleidigt zu sein, als er ging. Im Normalfall hätte ich wohl ein schlechtes Gewissen bekommen. In diesem Moment schien es mir nicht notwendig, immerhin hatte er es verbockt, uns ein Doppelbett zu organisieren. Das Zimmer war sauberer als ich dachte, sodass ich beim Abendessen doch dabei sein konnte. Vorzugsweise hätte ich mich an denselben Tisch wie Erwin gesetzt. Jedoch saß er bereits und dort war kein Platz mehr frei. Ich setzte mich an einen anderen Tisch und konnte die Schüler verstummen hören, als ich mich näherte. Obwohl sie sich vermutlich nicht kannten und sehr verschieden waren, waren sie sich wohl einig, dass sie mit mir am Tisch das große Los gezogen hatten. Das Essen verlief ruhig. Das Gekochte selbst war ungenießbar. Die Vorbildfunktion hat sich in diesem Punkt als Fluch herausgestellt. Etwas Ekelhaftes mit einer Miene zu essen, als würde es ganz normal schmecken, war schwieriger als gedacht. Trotzdem meisterte ich diese Herausforderung, schickte drei Leute in die Küche zum Abwasch und den Rest ins Bett. Die Unglückspilze mit Abwaschdienst beschwerten sich nicht, ihr Gesicht sprach jedoch Bände. Als sie fertig waren, wurden sie von Erwin mit einem freundlichen Lächeln ins Bett geschickt. Dann waren wir allein in dem Speisesaal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)