Mistress of Death von Phiare (Herrin über den Tod) ================================================================================ Kapitel 1: Herrin über den Tod ------------------------------ MISSTRESS OF DEATH Kapitel 1: 1 Ich erinnere mich lediglich an diese eiserne Kälte, die mir unaufhaltsam über die Haut gekrochen war, bevor ich in gewohnter Umgebung und in den Armen eines Mannes - meines Mannes, aufgewacht war. Eine Erklärung für das, was mir in letzter Zeit so oft wiederfahren war, fand ich zunächst nicht. Selbst diese würde es wohl kaum geben, wenn ich mit jemanden darüber redete. Das redete ich mir zumindest ein. Denn in Wirklichkeit hatte ich Angst. Angst vor der Wahrheit. Angst vor dem Wahnsinn, der ´auf der anderen Seite´ auf mich warten und die Gelegenheit ergreifen würde, mir den Gar auszumachen. Auch, wenn ich bis jetzt noch überhaupt nicht wusste, was oder wer davon profitieren könnte, war ich mir fast schon sicher, dass es neben diesen liebevollen Lichtern in der kalten Dunkelheit weitaus mehr geben musste, als nur das, was man mir zeigte. Diesen Gedanken jedoch erst einmal bei Seite schiebend schlug ich die Augen auf und starrte in das tränennasse, fassungslose Gesicht meines Mannes, meines Gefährten Rio. Meiner trockenen Kehle entfuhr ein seltsamer Laut. Ich konnte nicht auf Anhieb etwas sagen, zu sehr irritierte mich der Anblick dessen, was ich vor mir sah. Abgesehen von den Blut auf seinen Lippen, die er sich vermutlich mit den spitzen Fangzähnen in seinem Schockzustand zerbissen haben musste. “Dylan...”, hauchte er mit rauer, kehliger Stimme. Ich wusste zunächst nicht wirklich, wo mir der Kopf stand. Ich hatte nur geschlafen, auch wenn meine Haut unerklärlicher Weise eiskalt und bläulich angelaufen war. Oh, mein Gott, Moment mal. War ich etwa tot? Warum konnte meine Hauttemperatur unter die Normalgrenze sinken, wenn die äußeren Umstände doch ganz andere waren? Mühevoll richtete ich mich auf. Der Kopf schmerzte mir schwer, während Rio meiner Geste folgte und noch immer völlig in Tränen aufgelöst war. “Was ist passiert?”, fragte ich ihn von seinem Anblick irritiert, bevor Rio sich letztendlich über mich beugte und meinen Oberkörper in seine glühende Wärme zog. “Dein Herz hat plötzlich einfach aufgehört zu schlagen.”, flüsterte er mit einem Hauch gegen meinen Hals. Sein Körper vibrierte an meinem und sein Herzschlag übertönte beinahe meinen eigenen, sodass mir förmlich ein Schauder über den Rücken lief. Ich verstand plötzlich nichts mehr. Weder das, was er mir gesagt hatte, noch das, was den Inhalt meines vermeintlichen ´Traumes´ erklären würde. Rio schob mich von sich und betrachtete mich, als könnte ich wohlmöglich Folgeschäden von einem schweren Verkehrunfall davongetragen haben. Sein Blick wanderte besorgt über meinen Körper. Und als seine Augen mir verrieten, dass er nichts entdeckt hatte, zog Rio mich erneut an sich. “Was ist nur passiert, Dylan? Was?”, reagierte der Vampir nahezu seufzend und erneut den Tränen nah, während seine Hände flach und warm sich gegen meinen Rücken pressten. Ich schloss die Augen, ließ mich von seiner Wärme gefangen nehmen und hoffte inständig, dass das, was er mir berichtet hatte, wirklich nur ein böser Traum gewesen war. “Rio...”, kam es mir über die Lippen, die des weiteren krampfhaft versuchten, noch einige tröstende Worte hervorzubringen, es aber nicht schafften, da sie in den nächsten Sekunden auch schon von seinen verschlossen wurden. Beinahe stürmisch, fest, aber dennoch warm und bedeckt mit seinem süßen Blut, welches meine Zunge wie aus Reflex bereits gekostet hatte. Erfüllt von der Wärme, die in reißenden Wellen durch meinen Körper wanderte, presste ich meinen Körper noch etwas mehr gegen seinen, ertastete damit jedes spürbare Zucken und Spielen seiner Muskeln unter meinen Fingern. Als wollte es kein Ende nehmen. Er hat mich geliebt. Er hat mich geliebt, wie es noch nie jemand zuvor getan hat. Und es war nicht nur einzig und allein die Liebe, die ich dabei spüren konnte. Es war weitaus mehr. Es ging mir unter die Haut, was seine Sehnsucht, sein Verlangen, seine Angst um mich alles auslösen konnte. Und es waren nicht nur seine Augen, die mich nun ansahen und mir zu verraten versuchten, dass sein Leben ohne mich keinen Sinn haben würde. “Du warst tot.”, höre ich seine Stimme sagen, immer und immer wieder. Immer wieder rauschten mir diese Worte wie ein Echo durch den Kopf. Und es dauerte seine Zeit, bis ich begriff, was er damit zu sagen versuchte. Ich war tot, scheintot, war für einen kurzen Augenblick gestorben. Was währenddessen geschah wusste ich nicht. Flüsternde Stimmen und eisige Kälte waren alles, an was ich mich bis zum besagten Zeitpunkt erinnern konnte... “Und du hast wirklich nichts weiter gesehen oder gefühlt? Das ist wirklich seltsam.”, bemerkte Lucan einige Stunden später, nachdem er seine Brüder und deren Gefährtinnen zu einer Konferenz zusammengerufen hatte. Was sollte ich ihm denn erzählen, ohne, dass er oder die Anderen mich vielleicht für verrückt hielten? Da ich bis dato selbst noch keine Logik an diesem Vorfall feststellen konnte, schwieg ich zunächst noch über meine Wahrheit - über das, was nur ich wusste. Ich würde herausfinden, was mit mir passierte. Zumindest hoffte ich es. Und das noch, bevor eine ganze Eskorte unser Hauptquartier stürmte und der Meinung war , mich im Krankenflügel einzusperren und unter Beobachtung zu halten. Es fühlte sich so grausam an, so einsam, kalt und leer. Und das nicht nur, wenn die Nacht hereinbrach oder das dröhnende Signal der Sauerstoffmaschine mich beinahe in den Wahnsinn trieb. Ich wachte jede Nacht schweißgebadet im Bett auf. Beim ersten Mal war ich allein. Doch schon beim darauffolgenden Mal war es Tess, die meine Hand-, sowohl auch Fußgelenke mit Schnallen am Bett befestigte. Oh, Gott, was passierte nur mit mir? War nicht das der wahre Albtraum, indem ich gefangen war? Der Albtraum, in welchem mich dunkle, böse Augen anstarrten, jagten, mir unter die Haut krochen, nur um ein bisschen meiner Wahrheit zu erfahren? Alles mit Gewalt? Ich durfte meinen Mann nicht sehen. Das Einzige, was ich mitbekommen durfte, waren seine aufgebrachten und wütenden Schreie meines Namens, der durch die Flure hallte. Tagtäglich sein Gebrüll, das Echo in meinem Kopf, und die Erinnerung an seine Worte: “Du warst tot.”. Ein reges Stimmendurcheinander war für die folgende Nacht für mich kaum noch wahrnehmbar gewesen, denn ich schlief wieder diesen tiefen Schlaf. Erneut versank ich in den rauschenden Klängen der unbekannten Flüsterstimmen. Wieder einmal war ich tot. Kapitel 2: 2 Schon seit längerem schien Kai mit seinem inneren Frieden zu kämpfen. Viele Gedanken schmerzten stark und genau deshalb redete er sich nun ein, dass es sicherlich nur der viele Stress sein würde, welcher ihn so mitnahm. Natürlich trägt dieser auch seinen Teil dazu bei, aber das ganz allein war nicht der Grund und das wussten auch alle anderen. Und so hatte er die Hände tief in den Taschen seines Mantels vergraben, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, während er durch die engen und verschneiten Gassen Tokios irrte, ohne überhaupt den Hauch einer Ahnung davon zu haben, wohin er eigentlich wollte. Der Wind peitschte ihm eiskalt ins Gesicht, als er den Kopf hob und am Ende der Gasse den Ausgang zu einer Hauptstraße erblicken konnte. Kai hatte schnell festgestellt, dass es keine sehr gute Idee war, einfach wegzulaufen. Nicht, weil es nicht zu ihm passte, sondern, weil er sich von der Tatsache irritiert fühlte, von irgendjemanden verfolgt zu werden. Sofort dachte er an irgendwelche Paparazies, die in Tokio an jeder Ecke lauerten, denn Feinde hatte er, insofern er wusste, keine. Kai legte an Schritttempo zu und drehte sich nicht um. Ja, und zum ersten Mal seit langem wieder hatte Kai ein Gefühl, das sich Angst nannte. Das letzte Mal, als er dieses Gefühl verspürte, lag bereits einige Zeit zurück. Zum ersten Mal verspürte er dieses Gefühl zu der Zeit, als er als Stammesvampir in den Hafen nach Tokio kam. Kai hatte Schwierigkeiten, aus sich herauszukommen und auch die anderen Vampire und deren Gefährtinnen im Hafen mieden ihn eher. Diese Zeit hatte er mit Bravour gemeistert und hinter sich bringen können. Erbarmungslos wütete der Schnee an diesem Abend in den Straßen. Umgeben von Dunkelheit durchquerte ein Mädchen die fast menschenleeren Straßen der Stadt. Ihr Blick war starr und einige dunkle Haarsträhnen klebten in ihrem kalten Gesicht. Sie weinte verbittert, dennoch schien sie niemand zu hören. Nein, niemand hörte sie, und niemand spürte die Schmerzen ihrer tiefen Wunden. Die Welt um sie herum existierte nur noch in einem verschwommenen Bild aus bunten Farben. Schon lange hatte sie diese aufgegeben. Sie hasste diese Welt, die so grausam und ungerecht zu ihr war. Von Hass und Neid zerfressene Menschen machten ihr Leben zur Qual, nur, weil sie anders war. Ja, nur weil sie anders aufwuchs und anders lebte. Tag für Tag wünschte sie sich, ihre Augen nicht mehr öffnen zu müssen, nicht mehr zu leiden. Der beißende Wind schlug ihr in das blasse Gesicht, als sie die Feuerleiter eines der Hochhäuser hinaufgeklettert war. “Von hier oben sieht alles so klein aus…”, lächelte sie der buntbeleuchteten Straßenschlucht entgegen und richtete sich ein letztes Mal auf, um der nächtlichen Ferne entgegen zu lächeln. Mit einem Lächeln, was diese Welt, die so ungerecht zu ihr war, nie verdient hatte. Sie schloss lächelnd ihre Augen und streckte ihre dünnen Arme wie Flügel von ihrem durchgefrorenem Körper. Worte, die jedoch niemand hätte hören können, überkamen ihre bläulich angelaufenen Lippen. Der entsetzte Schrei des Mädchens hallte in jener Straßenschlucht Sekunden später wieder. Und zur gleichen Zeit wurde ein junger Mann auf die rege Menschmasse auf der anderen Straßenseite aufmerksam. Ahnungslos überquerte er die verschneite Straße. Kalter Wind schlug ihm ins Gesicht und wirbelte einige Strähnen seines feinen, dunkelbraunen Haares auf. Die Menschen, die sich angesammelt hatten, starrten ihn nur eindringlich an. Unbehagen machte sich in seiner Magengegend breit. Es was so drückend, dennoch war die Neugier in ihm stärker. Er drängelte sich durch die Masse, um den Grund dieser Aufruhr zu erfahren Im Schnee zwischen der regen Masse von tuschelnden und entsetzt erscheinenden Menschen lag ein Mädchen schluchzend und zusammengekrümmt auf dem Boden. Das Gefühl von Gänsehaut gemischt mit panischer Angst wuchs so schlagartig in ihm, wie das Verlangen danach, dieses zerbrechliche Wesen dort am Boden aus dem Blickfeld der Menschenmasse, welche bei ihm den Eindruck hinterließen, als würden sie sich in jeder darauffolgenden Sekunde wie Hyänen auf dieses Mädchen stürzen wollen, zu bringen. Er schien sich gar keine Gedanken darüber machen zu wollen, ob er dieses Mädchen kannte, oder nicht. Kai hatte schon immer ein sehr warmes und gutmütiges Herz. Allein diese Dinge reichten aus, um für andere mal sich selbst zu vergessen. Auch wenn dieses zarte Geschöpf eher auf genussvolle Art und Weise genug seinen Hunger nach Blut hätte stillen können. “Hey!”, flüsterte er leise dem Mädchen entgegen, als er vor ihr kniete und sich von seinem Mantel befreite, um ihr diesen um ihre schmalen Schultern zu legen. Ihm störte die Kälte in diesem Moment nicht, denn viel schlimmer war der Anblick von zu viel Blut und nackter Haut des Mädchen, welches nicht mehr, als ein dünnes Nachtkleid am Körper trug. “Ihr könnt alle nur glotzen, aber tun könnt ihr nichts! Wie erbärmlich ihr doch seid.”, brüllte Kai, der im darauffolgenden Augenblick auch schon das Blitzgewitter von irgendwelchen Kameras auf sich gezogen hatte. So schnell, wie nur möglich hatte er sich mit dem Mädchen im Schlepptau aus der Sichtweite der Menschen um ihn herum gebracht. Und erst, als er mit dem Mädchen, welches in seinem Mantel gehüllt in seinen Armen eingeschlafen war, in einem Taxi auf dem Weg zu seiner Wohnung saß, schien sein Verstand sich plötzlich wieder eingeschalten zu haben. Ja, und ihm wurde bewusst, dass er seine eigene Person einfach im Stich gelassen hatte. Allerdings schien wohl sein schlechtes Gewissen nicht so groß zu sein, wie der Drang danach, einen Menschen vor etwas zu retten, was er in diesem Augenblick noch nicht wirklich kannte. Was auch immer es war, er steckte nun mittendrin. Wahrscheinlich würde es in den nächsten Tagen in einer der vielen Tageszeitungen Tokios stehen. Die Medien würden sich förmlich um Interviews, Statements oder Fotos zum Geschehen reißen. Eventuell würden Massen von Reportern bei ihm Schlange stehen, nur, um Kai´s Geschichte perfekt an die Öffentlichkeit verkaufen zu können, wenn sie diese bekämen. Und vermutlich würde es Kai egal sein, schließlich empfand er seine Tat als durchaus normal und menschlich. Aber wiederum störte ihn eines an dem ganzen Geschehen. Jeder, der zum besagten Zeitpunkt an jenem Ort des Geschehens versammelt war, sah nur zu. Niemand unternahm auch nur einen Versuch, dem Mädchen zu helfen. Im nachhinein wäre es zwar vielleicht klüger gewesen, zuerst einen Arzt zu rufen, bevor man weiteres unternahm, aber Kai bereute nicht, es nicht getan zu haben. Seine Schuldgefühle haben ausgereicht, um das Mädchen vor dem Erfrieren bewahrt und sicher in ein warmes Bett gebracht zu haben. Nun war er sich sicher, dass sein schlechtes Gewissen größer gewesen wäre, wenn er einfach bloß zugesehen hätte, oder sogar weggelaufen wäre. Kai ließ für das Mädchen, nachdem er ihre Verletzungen versorgt hatte, sofort ein heißes Bad ein, als er mit ihr wenig später in seiner Wohnung im Hafen angekommen war. Noch immer sprach sie kein Wort zu ihm. Sie schwieg und machte einen nahezu ängstlichen und verstörten Eindruck, aber diese Tatsache störte ihn nicht. Wenn sie seinen Vermutungen nach wirklich so viel schlimmes erfahren musste, dass sie sich sogar das Leben nehmen würde, empfand er es als völlig normal. Er würde darauf warten, dass sie von selbst anfängt zu reden. Und bis dahin würde er einfach nur ein freundlicher Gastgeber sein wollen, der ihr das Gefühl vermitteln wollte, dass es sich im Leben auch für viele Dinge zu kämpfen lohnt. Kai selbst hatte schon seit langer Zeit den Wunsch, glücklicher zu leben, auch wenn er niemals behaupten würde, dass er unglücklich sei. Er möchte einfach noch zufriedener mit dem sein, was er tut, und dafür kämpfte er von Tag zu Tag ein Stück mehr. Sicherlich würde er die zierliche Person in seiner Badewanne auch von dieser Denkweise überzeugen können. Er schien hochmotiviert von seinem spontanen, neuen Ziel zu sein. Und somit lächelte er still in sich hinein, während er in seiner kleinen Küche den Wasserkocher mit Wasser gefüllt und eingeschalten hatte. Auf dem kleinen, weißen Tisch inmitten des kleinen Raumes hatte er in niedlichen, durchsichtigen Glasbehältern die verschiedensten Sorten von Tee aufgestellt. Das Mädchen sollte sich eine Sorte Tee aussuchen, welchen er dann gemeinsam mit ihr trinken würde. Natürlich würde er akzeptieren, wenn sie keinen Tee trinken wollte oder ihn währenddessen permanent anschwieg. Kai würde alles hinnehmen, außer die Tatsache, dass sie sich ihm gegenüber als undankbar erweisen würde. Ein Lächeln würde genügen, aber ihm gefiele es mehr, wenn sie ihm die Gründe für das Geschehen wissen lassen würde. Nein, er gab die Hoffnung nicht auf und schien überzeugt genug davon zu sein, dass er nicht umsonst so unglücklich in das Leben dieses Mädchens geraten war. Es war Schicksal, und immer würde es für alles, was geschah, Gründe geben. Egal, was es vielleicht für Gründe sein würden - Kai würde sie herausfinden wollen. Auch wenn Kai dieses Mädchen nicht kannte, schien er seit jenem Augenblick, als sie in seinem schwarzen Bademantel bekleidet aus seinem Badezimmer kam und sich von selbst zu ihm an den Küchentisch gesetzt hatte, eine gewisse Art von Faszination für dieses Mädchen zu empfinden. Sie schwieg, während sie ihn recht eindringlich anstarrte und wohl nicht so recht zu wissen schien, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Er war für sie genau so fremd, wie es umgekehrt der Fall war, dennoch waren sie zusammen. Kaum hatte sie sich auf dem Holzstuhl ihm gegenüber niedergelassen, so stand sie auch schon wieder auf. Kai sagte nichts, sondern wartete auf ihre Reaktion. Er ahnte nicht, dass sie sich vor ihm verbeugen und leise das Wort “Danke” über die Lippen bringen würde. Sie tat es und er belächelte sinnlich ihr schüchternes Verhalten. Vermutlich lag seine Faszination darin begründet, dass sie eine gewisse Art von Beschützerinstinkt in ihm weckte. Ihre Blicke, die neugierig durch den Raum wanderten, erschienen gleichzeitig auch so hilfesuchend. Was ist das für eine Welt, in welche sie urplötzlich geraten war? War sie anders, als diese, in welcher sie bislang gelebt hatte? Verzweifelt suchte sie nach der Antwort. “Geht es dir besser?”, fragte Kai dann einfach, ohne allerdings davon auszugehen, dass es ihr überhaupt gut gehen würde. Vermutlich konnte er ihr das seelische Leiden nicht abnehmen, aber er würde um jeden Preis versuchen wollen, es zu lindern. Jetzt, wo sie einen Platz in seinem Leben eingenommen zu haben schien, war er der festen Überzeugung, es zu können. Das Mädchen allerdings schwieg. Kai hatte mit solch einer Reaktion gerechnet, weshalb er auch keine weiteren Fragen gestellt, sondern ihr sofort erklärt hatte, dass er okay sei, wenn sie eine Weile bei ihm bleiben würde, bis sich ihre Situation verbessert hatte. Er bot ihr an, sich wie zu Hause zu fühlen, wobei er mit diesen Worten anscheinend einen wunden Punkt in ihr getroffen haben musste, denn sie ging schlagartig vor ihm auf die Knie und begann zu schluchzen. Kai wusste plötzlich gar nicht, wie ihm geschah. Er schien mit der Situation deutlich überfordert zu sein. Er fuhr sich mit den Händen über das nass geschwitzte Gesicht und versuchte, Ruhe zu bewahren. Er hatte nicht jeden Tag ein Mädchen bei sich in der Wohnung, und zudem lag der letzte intensive Kontakt mit Frauen schon etwas länger zurück. Er schien in solchen Dingen nicht mehr geübt genug zu sein. Er kniete ebenfalls vor ihr nieder und riss sie einfach an sich. Das Mädchen wehrte sich nicht, sondern schluchzte weiter. Nun fragte sich Kai, ob das, was er getan hatte, auch wirklich das Richtige war. Diese Dinge, die ihm zuvor noch als so siegessicher erschienen waren, hatten sich nun in deutliche Zweifel verwandelt. Warum das so war, konnte er sich selbst nicht erklären. Ihm wurde nur klar, dass er nicht wirklich gut darin war, Mädchen zu trösten. Ihm lag es mehr, den Stimmungsclown heraushängen zu lassen, allerdings kam diese Tatsache auch nicht immer positiv bei anderen an. Denn in Wirklichkeit war er auch nur ein einsamer, zurückgezogener Vampir... “Bitte denke nichts falsches von mir. Ich will und werde dir auf keinen Fall wehtun. Im Gegenteil, ich möchte dir helfen. Du musst mich nur lassen. Du wirst sehen, dass alles gut werden wird. Dir wird es besser gehen, das verspreche ich dir.”. Sie lag in seinem Bett, während das kleine, gedämpfte Licht darüber in seinem Schlafzimmer kleine Schatten an die Wände malte. Kai kniete vor ihr auf dem Boden - beide schwiegen. “Sag mir, wenn es dir nicht gut geht, und es vielleicht doch besser wäre, einen Arzt anzurufen.”, sagte er mit besorgter Stimme leise zu ihr. Ja, seine Sorge nahm ihm, trotz der kurzen Zeit, schon förmlich die Luft zum Atmen. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass dieses Mädchen weder Verwandte, noch Freunde haben sollte, die sich um sie kümmern konnten. Warum war es bloß ein so schweres Gefühl in der Brust, dieses Mädchen zu kennen, kennen zu müssen, weil es das Schicksal so wollte? Ja, und das, was ihm zu Anfang noch so unendlich leicht erschien, wurde plötzlich so unendlich schwer. Warum musste er es sein? Warum sollte die Last des Mädchen plötzlich auch seine sein? Warum fühlte er seit jenem Augenblick, als er in ihr Gesicht gesehen und sie in den Armen gehalten hatte, ihre Schmerzen? Sollten es nun auch seine Schmerzen sein? Sie war ihm doch so fremd. Er kannte nicht einmal ihren Namen. War das wirklich Schicksal? Ja, das waren Gedanken, welche ihm das Einschlafen schwer zu machen versuchten. Gelegentlich warf er einen Blick vom Sofa aus zum Fernseher, der noch eingeschalten war und in dem gerade die Mitternachtsnachrichten liefen. Die Ölpreise sollten wieder steigen, und in den Küstenregionen wurden Unwetterwarnungen ausgerufen. Und irgendwann bekam er selbst von all den Dingen, die im Fernsehen liefen, nichts mehr mit. Er war eingeschlafen. [Der Abgrund der Stadt verschlingt jede deiner Tränen, die fällt. Was gibt es dort im Dunklen, was dich hier oben nicht mehr hält? Deine Augen haben an Glanz verloren - alles ist finster und leer. Nimm meine Hand , ich halte dich - den Schmerz gibt es nicht mehr. ... ...träumst du nicht von dem Ende, noch mal von vorn anzufangen?] Die Aussicht in der Nacht lud wahrhaftig zum Träumen ein. Trügerisch zauberten die bunten Lichter der Stadt jedem ein träumerisches Lächeln auf die Lippen. Und doch hinterließ alles hier oben einen sehr kalten und schmerzhaft stillen Eindruck. Es machte einem Angst, denn hier auf diesem Hügel oberhalb der Stadt gab es nichts weiter, außer verdorrtes Gras und kahle, skelettartige Bäume, an den sich mit Mühe noch wenige Blätter festhalten konnten. “Ich kenne dich. Du bist Kai, oder?”. Ein Mädchen entdeckte den großen, schlanken und mädchenhaft hübschen Vampir, der als Model schon seit langem in den Medien hochgelobt wurde. Er selbst hatte sie bis eben noch gar nicht bemerkt, und um so erschrockener war er über die Tatsache, dass sie nun wenige Atemzüge von ihm entfernt vor ihm und nur in dünnem Nachtkleid gekleidet stand, es nicht irgendein Mädchen, sondern dieses war, welches er selbst vor dem Erfrieren gerettet hatte. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer. Warum es geschah, wusste er nicht. Er konnte sich den Grund seines stockenden Atems in diesem Moment nicht wirklich erklären. Sie starrte ihn an - nein, auch darin lag nicht der Grund für seine plötzlich zitternden Knie und das Brennen seiner Augen, in denen sich schlagartig Tränen gesammelt hatten.. Ihr Gesicht war voller Narben, die durch ihr dunkles, langes Haar vom beißenden Wind hin und wieder verdeckt wurden, und ihre nackten Füße waren bis zu den Waden von Blut bedeckt, welches sich in kleinen Pfützen dann auch auf der Stelle, auf der sie stand, angesammelt hatte. Es glich dem Gefühl von Entsetzen, welches Kai plötzlich auf das Mädchen zustürmen ließ, um es zu schütteln und voller Hysterie zu fragen, was denn passiert sei und warum sie sich mitten in der Nacht hier oben allein auf dem Hügel aufhielt. Man konnte es als Angst bezeichnen - ja, Angst, die nicht nur er in den letzten Stunden pausenlos spüren musste und welche er nur zu gern, wie eine Jacke, einfach abgelegt hätte. Einsam spielte ihm der kalte Wind in seinem dünn gewordenen Haar, allerdings war dies etwas, was er in diesem Moment nicht so sehr spürte, wie das Verlangen, einfach wegzulaufen - noch weiter weg. “Ich find dich hübsch, ehrlich...”, begann sie mit zitternden Lippen. Und obwohl diese Worte für Kai eigentlich alltäglich waren, fühlte es sich in diesem Augenblick so an, als hätte man es zum ersten Mal zu ihm gesagt. Ja, offenbar war ihm schon so einiges fremd geworden. Um so stärker wuchs nach und nach in ihm der Wunsch heran, als Vampir mit seinen Artgenossen das typische Leben eines Vampirs zu leben. Nicht irgendwann, sondern jetzt in diesem Augenblick. Bis es so weit sein würde, blieb ihm nichts weiter übrig, als still zu lächeln und abzuwarten. “Ich weiß, das hörst du oft. Aber ich wollte das schon immer mal sagen.”, fuhr das Mädchen leise fort, bevor Kai dann einfach von ihr abgelassen hatte. “Bist du ein Fan?”, fragte er tonlos und mit leerem Blick, der starr auf das Mädchen gerichtet war, welches ihm nun den Rücken zugedreht hatte, um sich mit seichten Schritten der Klippe, dem höchsten Punkt des Hügels, zu nähern, bevor sie stehen blieb und sich noch einmal umdrehte. “Das kann man so nicht sagen, nein...”, brachte sie mit schwachem Lächeln über die Lippen. Der Wind war etwas stärker geworden und umspielte nun etwas mehr den schlanken Körper des leicht bekleideten Mädchens. Diese Tatsache berührte Kai wenig. Viel mehr beunruhigte ihn der Gedanke daran, dass dieses Mädchen wohlmöglich vor hatte, von der Klippe zu springen. Er beobachtete ihren Blick, welcher recht teilnahmslos auf die tiefe Dunkelheit gerichtet war. Nun fragte er sich selbst schon gar nicht mehr, weshalb er überhaupt hier war. Ihm war nur klar, dass er versuchen würde, das Mädchen aufzuhalten. War es Schicksal? Sollte er wirklich einmal in der Lage sein, einen Suizid unter so vielen, die auf der weiten Welt schon stattgefunden haben, zu verhindern? Sollte ihm dieser Traum zeigen, was wirklich passiert war? Es machte ihm Angst. Ja, die Tatsache, es eventuell nicht verhindern zu können, machte ihm große Angst. “Sei vorsichtig.”, sagte Kai leise und ging nicht weiter auf ihre Äußerung ein. Langsam setzte er dabei einen Schritt nach dem anderen in ihre Richtung. “Das war ich mein ganzes Leben lang.”, gab das Mädchen mit gesenktem Kopf von sich. “Das muss man nun mal.”, erwiderte Kai, der sich noch ein Stück näherte. Das Mädchen fing an zu kichern. “Was hast du? Angst? Warum? Davor, dass ich springen könnte?”. Spottete sie über ihn? Es war ihm egal. “Warum willst du das tun? Wer würde glücklich darüber sein, von deinem Tod zu erfahren?”, fragte er nun, bevor er einen hastigen Schritt wagen und sie an den Schultern an sich ziehen konnte“Was soll das? Nur, weil jeder Arsch dich kennt, ist es dir nicht erlaubt, jeden anzugraben, nur, weil du cool dastehen willst!”, keifte das Mädchen laut, während sie versuchte, sich loszureißen. Ein leichter Nieselregen fiel nun auf beide nieder - allerdings war dieser kaum zu spüren. Man konnte ihn aufgrund des feuchten Glanzes auf Kai´s leicht gesteppter Jacke erkennen. “Ich muss nicht cool dastehen! Ich brauch das nicht. Aber überleg mal, wie du dastehst? Ist das wirklich dein Wille? Wem versuchst du etwas damit zu beweisen? Dir selbst? Wohl kaum, du spürst es nicht mehr, wenn du tot bist!”, konterte Kai ohne Respekt vor fremden Menschen und in einem Ton, welcher ihn wahrhaftig zum Mörder verbaler Förmlichkeiten werden ließ. Natürlich erschien ihm die momentane Situation recht eigenartig. Ein fremdes Mädchen versucht, sich umzubringen. Nein, das waren allein Kai´s Gedanken, welche von seiner Angst erzeugt wurden. Er hatte wirklich Angst, obwohl er ein Mädchen in den Armen hielt, dass er nicht kannte. Das war ihm alles so bekannt. Es hatte verbitterte Angst, die aus den vergangenen Erinnerungen erzeugt wurde. Und er wollte nur, dass diese Schmerzen in seiner Brust nicht noch stärker wurden - er wollte es verhindern. Das war doch okay, oder? Das war eine Frage, die ihn sein ganzes Leben lang zu verfolgen schien. Er fragte immer, ob alles, was er tat, okay sei. Es war häufig so, dass er nicht so recht wusste, was er wollte. Aber in diesem Moment wusste er, dass er nicht noch mehr Leid wollte. Er würde es zu verhindern wissen. Das war ihm klar. “Spring nicht.”, so lautete seine Bitte an das Mädchen, dessen kühle Lippen sein Gesicht berührt hatten. “Ich will diese Schmerzen nicht mehr, weißt du? Wenn du wirklich springst, komme ich mit, okay?”, waren seine letzten Worte an das Mädchen, deren kühle Hände eben noch sein kaltgewordenes Gesicht berührt hatten. “Dann komm!”, hatte sie gesagt, bevor das letzte, was er von ihr wahrnehmen konnte, einzelne schwarze Haare waren, die er in der rechten Hand hielt und diese nun erschrocken, aber gleichzeitig auch so verloren und allein gelassen anstarrte. “Wie heißt du?”. “Kaye.”. “Ich bin...”. “Ich weiß. Du bist Kai. Was machst du hier?”. “Ich habe nur einen Spaziergang gemacht. Und du?”. “Ich weiß nicht...”. “Du bist nicht warm genug angezogen. Ich gebe dir meine Jacke, okay?”. “Nein. Ich darf das nicht.”. “Warum nicht?”. “Ich darf es nicht.”. “Bist du weggelaufen?”. “...”. “Wie alt bist du?”. “Siebzehn. Und du?”. “Wird das ein Verhör?”. “Man antwortet nicht mit Gegenfragen. Das ist unhöflich.”. “Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.”. “Auch nicht die Antwort auf meine.”. “Wird das ein Verhör?”. “Idiot...”. ... Dunkelgraue Wolken bedeckten einzelne Stellen des Nachthimmels. Nur wenige Sterne waren zu sehen. “Irgendwo bist du, oder? Siehst du mich?”, wimmerte er, während er mit dem Rücken auf dem kühlen Boden gelegen und in den Himmel gestarrt hatte. Er konnte es nicht verhindern, und somit wollte er in diesem Moment auch nichts anderes tun, außer schreien. Er stieß einen Schrei aus, ein lautes “Nein” , welches irgendwo in der Dunkelheit um ihn herum verloren gegangen war. Seine rechte Hand, die noch die einzelnen Haare des Mädchens hielten, ließen diese nun auch vom Wind davon treiben. Sie waren von seinem Versuch, sie aufzuhalten, übrig geblieben. “Spring nicht. Bitte nicht.”. 3 Mir schmerzte der Rücken. Nein, eigentlich tat mir alles weh, als ich aufwachte und mich nicht mehr im Krankenzimmer, sondern im Quartier meines Mannes wiederfand. Mit rotgeweinten und müden Augen sah er mich an. Und ich kam mir plötzlich so schäbig vor. Wie lange nur hatte ich ihn allein gelassen? Wie lange in der Sorge um mein Leben? Wie lange nur, um herauszufinden, dass eine Stammesgefährtin sich auf der Flucht vor irgendetwas oder irgendjemanden das Leben genommen hatte? Wie lange, um herauszufinden, dass selbst ein Stammesvampir ihr nicht helfen konnte? Ein Schluchzen ertönte. Und als ich Rio so ansah, erkannte ich, dass er es war, der mir mit schmerzverzerrtem Gesicht gegenüber saß, weinte und zitterte. “Ich hab gedacht, du bist tot.”, schluchzte er. Seine Lippen zitterten. Es zerriss mich beinahe. Wie sehr musste er gelitten haben? Und noch ehe ich mich versah, fand ich mich in den Armen meines Mannes wieder, sein zitternder Körper fest gegen meinen gepresst. “Zwei Tage, Dylan. Zwei gottverdammte Tage warst du weg.”, schluchzte er. Mir blieb im nachhinein auch nichts anderes mehr übrig, als ebenfalls zu weinen. Meine Finger suchten den Stoff seines seidenen Hemdes und krallten sich darin fest. So fest, dass man fast meinen könnte, ich würde ihn wieder verlieren, wenn ich es nicht tat. “Es tut mir leid.”, waren die einzigen Worte, die mir dazu eingefallen waren. Was sollte ich ihm denn großartig sagen? Was, ohne dass er mich wohlmöglich auch noch für verrückt hält? “Aber ich verstehe jetzt in etwa, warum das passiert ist. Ich habe sie gesehen.”. Noch mehr Tränen liefen mir über die Wangen, unaufhaltsam und schwer. Ich wusste nicht , wie ich die Geschichte beginnen sollte. Falls man es als solche bezeichnen konnte. Eine Solche, die nicht meine war. “Sie war Japanerin, die Stammesgefährtin, die mir damals am Tag von Mutters Tod begegnet ist...”. Rio ließ von mir ab, um mich beim Reden ansehen zu können. Zunächst schwieg ich einige Minuten, lauschte dem Ticken der Wanduhr, das Surren der Heizung und das Rauschen des Wassers in den Rohren, die unter der Zimmerdecke von einem Raum in den Nächsten geleitet wurden. Schon damals war ich von der Technik begeistert, welche der Orden hier im Hauptquartier auf die Beine gestellt hatte. Rio allerdings reagierte auf seine Umgebung kaum, so hinterließ er jedenfalls den Eindruck. Es mochte an der Gewohnheit liegen, die ihn alles gleichgültig bezüglich seiner Räumlichkeiten werden ließ. Demnach sah er mich einfach nur an, seine Augen noch immer rot und voller Tränen. Es zerriss mir fast das Herz in der Brust, zu sehen, wie seine Lippen zitterten, wie er mit einem Lächeln versuchte, alles zu überspielen oder wie er mit seinem spanisch versuchte, humorvoll zu sein. Mir trieb es ebenso erneut die Tränen in die Augen. “...sie hieß Kaye.”, erzählte ich dann einfach weiter. Das Schweigen zwischen uns hätte mich sonst irgendwann noch um den Verstand gebracht. Und so redete ich. “Sie war vor irgendetwas oder irgendjemanden auf der Flucht. Ich habe nicht gesehen, vor wem. Sie hat es auch nicht erzählt.”. Danach hielt ich einige Minuten inne. In meinem Kopf versuchte ich noch einmal Revue passieren zu lassen, was ich gesehen hatte. Es war zu viel, als das ich alles mit einem Mal so perfekt in Worte kleiden konnte. “Sie traf auf einen Stammesvampir. Er hieß Kai und hatte sich ihrer angenommen, nachdem sie versucht hatte sich das Leben zu nehmen. Er kam dazu, als sie von einem Wohnhaus sprang und wurde dabei fast von einem Haufen Papparazis verschlungen. Ich habe nie etwas über diesen Kai gehört, aber er war wohl ein sehr berühmter Vampir. Vermutlich ein Model oder dergleichen.”. Wieder machte ich eine Pause, während Rio´s Gesichtszüge nach wie vor schmerzverzerrt und leidend wirkten. In diesem Moment fragte ich mich, ob es überhaupt einen Sinn machte, ihm diese Geschichte zu erzählen. Schließlich war es jene, die Schuld daran hatte, dass ich zwei Tage lang tot in seinem Bett lag. Nein, ich konnte es ihm nicht erzählen. Es wäre klüger, nein, vielleicht gar besser, es Lucan und den anderen zu erzählen, um eventuelle Nachforschungen anstellen zu können. Ja, in diesem Moment hielt ich es für das Beste. Somit rückte ich wieder an meinen Gefährten heran. Ich wollte ihn fühlen lassen, dass ich lebe und er nun nicht mehr traurig sein muss. Fast schon reflexartig suchten meine Hände sein Gesicht. “Ich bin am Leben, Rio.”, sagte ich leise, doch mehr als ein Kopfschütteln kam nicht von ihm. “Das ist alles so absurd. Wer glaubt dir diese Story denn? Hier hält dich jeder für bescheuert, Dylan.”. Diese Worte trafen mich wie ein Blitzschlag. Von Fassungslosigkeit und Wut berührt nahm ich ruckartig Abstand von ihm. “Ich nicht.”, ertönte plötzlich eine bekannte Frauenstimme im Zimmer. Savannah, die Gefährtin von Gideon stand unmittelbar neben uns am Bett. Lächelnd wandte sie sich mir zu, selbst wenn ich in diesem Moment diejenige war, die nicht mehr wirklich wusste, was hier vor sich ging. Ich bewunderte diese Frau schon vom ersten Augenblick an. Sie war so...,erwachsen, selbstsicher und mutig. Sie stand in der Rolle einer jenen Frau, die einen Mann ein glückliches Leben schenken konnte. Und um so verblüffter war ich, als sie sagte, das sie mich nicht für bescheuert oder verrückt hielt. “Als es das erste Mal passierte, hatten wir logischerweise alle noch sehr viel Angst um dich...”, begann die blondhaarige Schönheit, während sie anfing im Zimmer auf und ab zu gehen. Rio schien selbst ganz und gar erschrocken über ihr plötzliches Auftauchen zu sein. Und er hinterließ den Eindruck, es aufgrund Savannah´s Meinung um so mehr zu sein. Ich konnte es nicht deuten. Ich spürte nur noch immer seine innere Aufruhr. Als sie sich mir weiterhin zuwandte, schaltete ich meine Sorge um Rio für einen Augenblick ab. “...doch, als es vor zwei Tagen erneut geschah, ahnte ich schon, dass es nicht biologisch sein konnte, denn dein Herz schlug normal. Leider mussten wir dich emotional auf Hochtouren bringen, weil wir annahmen, dass genau das der Auslöser für dein Einschlafen war. Kannst du dich daran erinnern, in emotionaler Aufruhr gewesen zu sein, wenn du damals all diese Gefährtinnen gesehen hast?”. Als ich ihr so zuhörte, ihre Worte so auf mich wirken ließ, wusste ich, dass das, was sie sagte Sinn machte. Ich nickte stumm und war gleichzeitig verblüfft darüber, dass sie sich in der Psychokinetik besser auskannte als ich. “Siehst du...”, sagte Savannah mit warmherziger Stimme, als sie ihren Arm um mich legte. Ihr Lächeln war so voller Herzensgüte, dass einem gar selbst warm ums Herz werden konnte. Ihre strahlenden Augen, ihre weißen Zähne, ihre makellose Haut - ich beneidete sie. “...es ist hier nichts weiter als eine abgewandelte Form der Psychometrie. Erinnerst du dich daran, dass ich Gegenstände berühren kann und dann ihre Geschichte sehe?”. Noch immer erstarb ihr Lächeln nicht. Doch sie hatte Recht. Sie war diese Frau mit der ungewöhnlichen Gabe, ebenfalls einen Blick in die Vergangenheit werfen zu können. “Und warum soll ich das auf solch eine gefährliche Art und Weise tun können? Ich versteh das nicht.”. Doch auch Savannah zuckte nur mit den Schultern. “Den rund für meine Gabe habe ich auch nie erfahren. Das ist ja das, was uns so außergewöhnlich macht. Deshalb sind wir die Einzigen, die sich mit Vampiren vereinigen können. Wir sind nicht wie normale Frauen.”. Das mochte stimmen. Und als wäre dem allem nicht genug gewesen, war es nun auch Gideon, der in das Quartier von Rio und mir kam. Deutliche Überraschung zeichnete sich nun auch im Gesicht meines Gefährten ab. “Diesen Kai gab es wirklich. Er war Model und ein äußerst mädchenhaft hübscher Bursche muss ich sagen.”. Vermutlich waren es nun 6 Augen, die an der Gestalt des Vampirs hefteten, der uns mit einem Fotoauszug vor der Nase herumwedelte. “Woher weißt du...”. Das begriff ich nicht ganz. Wie konnte er von einem Kai wissen, wenn ich es bislang nur Rio erzählt hatte? Vielleicht mochte auch Savannah ein wenig davon mitbekommen haben, aber... “Deshalb...”, ertönte die Stimme von Rio im Raum. Aufgrund seiner Tonlage nahm ich an, dass er ebenso darüber erbost war wie ich, den Überwachungssensor unterm Bett gefunden zu haben. Er wedelte mit einem Chipähnlichem Gegenstand vor meiner Nase herum. “Genau deshalb...”, wiederholte er mit hartem spanischen Akzent, als er dann direkt vor mir stand. Gänsehaut lief mir den Rücken hinunter. Warum war er nur so böse? ich hatte diesen Sensor nicht versteckt. Als dann auch Savannah und Gideon lauthals anfingen zu lachen, war mir klar, dass irgendetwas scherzhaftes an der Sache dran sein musste. “Es war zu deiner eigenen Sicherheit. Wenn etwas schlimmes passiert wäre, hätten wir sofort zuschlagen können.”, erklärte Rio mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen. Na, super, dachte ich. “Aber mich erst mal in dem Glauben lassen, ich sei Wunder wie bekloppt.”. “Manos del diablo.”, knurrte Rio aber nur. Und bevor ich noch etwas dazu erwidern konnte, spürte ich schon die Lippen meines Gefährten auf meinem Mund... ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)