Farbenwunder von Norrsken (Bunt wie das Leben) ================================================================================ Der Abschlussball ----------------- Rose Weasley hatte ihre Pflichten als Schulsprecherin ihres Jahrgangs immer ernst genommen und der Abschlussball war für sie ein Herzensanliegen. Die freien Minuten, die sich entbehren ließen, wurden in die Planung dieses Events gesteckt. Doch bei dem ganzen Koordinieren der Vertrauensschüler und der Logistik hatte Rose sich selber weit zurückgestellt und nun, ein paar Tage vor dem glamourösen Abend, auf den sie unendlich stolz sein würde, stand sie vorm Spiegel und musste feststellen, dass sie sich um nichts gekümmert hatte – außer ihr Kleid. Ich kann Lily und Roxanne sicher um Hilfe bitten, beschwichtigte sie sich selber. Allerdings konnten auch die Beiden nichts an dem Umstand verändern, dass sie ohne Begleitung war – nicht mal eine Woche vor dem großen Abend. Die Hoffnungen hielten sich klein und Rose versuchte sich schon mit dem Gedanken zu trösten, dass sie zumindest einen Tanz mit ihrem Schulsprecherpartner haben würde. Mit einem dezenten Klopfen machte er sich an der Tür ihres gemeinsamen Büros bemerkbar. „Weasley?“ Rose sah in die sturmgrauen Augen, die einen ungewohnten Ausdruck hatten. Unsicherheit? Davon angesteckt strich sie sich mit zitternden Fingern eine Haarsträhne hinters Ohr. „Ja, was gibt es?“ Lässig lehnte er sich an den Türrahmen und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Bin ich richtig informiert, dass du noch keine Begleitung für den Ball hast?“ Irritiert blinzelte Rose ihn an und spürte ihr Herz, wie es für einen Augenblick aussetzte. Hatte er das gerade wirklich gefragt? Wollte er vielleicht-? „Wenn- würdest du mit mir hingehen wollen?“ Seine Stimme war fest und trotzdem wusste sie, wie viel ihn diese Frage gekostet hatte. Ihre Wangen färbten sich rot. Scorpius konnte nicht wissen, dass er ihr damit einen heimlichen Wunsch erfüllte, von dem sie selber nicht gewusst hatte. Nicht ohne Grund war das Kleid, welches sie für sich gewählt hatte, in einem prachtvollen grün. Die perfekte Schwester ---------------------- Mit hängenden Schultern stand Lucy vorm Spiegel im Schlafsaal und betrachtete sich aus trüben Augen. Das Gesicht, welches ihr entgegen starrte, kannte sie nur zu gut. Es war nicht auffallend, sehr gewöhnlich - nicht einmal besonders hübsch. Genieß es doch einfach unsichtbar zu sein, halten die unbedachten Worte in ihrem Kopf wieder und ließen sie bitter Schlucken. Unsichtbar. Dies beschrieb Lucy Weasley in einem Wort perfekt. Dies hatte sie inzwischen zu akzeptieren gelernt und auch den Umstand, dass sie nie mit ihrer großen Schwester konkurrieren würde können. Wie auch? Was Molly Weasley auch anpackte, gelang. Sie war organisiert, fleißig und ehrgeizig. Für jeden ihrer Mitschüler stand sie ein, wenn ihm eine Ungerechtigkeit widerfuhr und mit ihrem außerordentlichen Rechtsempfinden setzte sie ihre Pflichten als Schulsprecherin um. Doch über all dies verlor Molly nie ihre Herzlichkeit und ihr Strahlen, wodurch jeder sie mochte. Dem hatte Lucy nichts entgegenzusetzen. Ihre Leistungen waren Mittelmäßig, zudem plagte sie eine Schusseligkeit, die selbst unfallfreies essen verhinderte. Wurde sie gesehen, belächelte man die junge Weasley. Die wenigsten kannten ihren Namen, eigentlich war sie nur ‚die kleine Schwester der Schulsprecherin‘ und sonst niemand. Der einzige Mensch, der es schaffte in Lucy etwas anderes zu sehen, war Molly. „Du bist unglaublich stark, Lucy“, hatte sie der Jüngeren oft gesagt, doch in ihrer Bitterkeit war es für sie der reinste Hohn. Molly war verpflichtet so über sie zu denken, sie war ihre Schwester und sie musste ihr Image des perfekten Menschen wahren. Egal, wie liebevoll sich die Ältere gab und welche kleinen Wunder sie auch an ihrer Schwester entdeckte, für Lucy waren es leere Worte. Die Bitterkeit und der Neid auf das Strahlen, das ihr fehlte, ließen Lucy die Wahrheit hinter den Worten nicht erkennen und so versuchte sie die gelb-schwarze Krawatte mühselig zu richten und begab sich zum Unterricht. Es wird einmal -------------- Aurora Greengrass kam zur Welt, da war ihre Familie schon nicht mehr ein Ganzes. Ihre Mutter hatte sich von ihrem Vater geschieden und sie, die noch nicht einmal da war, und Kazran, Auroras älteren Bruder, mit zu ihrer Schwester, Astoria Malfoy, genommen. Ihre Familie war kein Ganzes mehr gewesen, seit sie denken konnte und manchmal fragte sie sich still und heimlich nach dem warum. In ihren Kindertagen war es für sie noch unbegreiflich gewesen, sodass sie es auch manchmal als unfair empfand. Doch meist hielt dieser Gedanke nicht lange vor, denn auch, wenn sie wenig von ihrem leiblichen Vater hatte, war stets eine liebende Familie um sie herum. Eine Mutter, die alles für ihre Kinder gab, einen Bruder, an den sie sich halten konnte und schließlich noch einen kleinen Cousin, den sie bei der Hand nehmen konnte, sowie dessen liebevolle Eltern, die gerne genauso für sie da waren wie für den kleinen Scorpius. Aurora hatte nie eine klassische Familie aus Vater und Mutter, doch hatte sie trotzdem eine heile Familie, die sich liebte, und mit der Zeit begann sie zu verstehen, dass ihr nie wirklich etwas gefehlt hatte, denn es gab nichts, was ihr ein leiblicher Vater noch hätte zusätzlich geben können. Und dann trat noch Terence Higgs wieder in das Leben von Daphne Greengrass und ihre Familie wurde noch um einen kleinen Bruder, den sie ebenso liebte wie ihren leiblichen Bruder, und einen Vater bereichert. Aurora war stolz auf ihre Familie, denn sie hatte mehr als die meisten und war fürsorglich wie keine Zweite. Und so erinnerte sie sich stets voller Glück an den großen Tag der Hochzeit zurück. Als sie mit dem Blumenkörbchen in ihrem zartvioletten Kleid zum Altar ging und jedem aus ihrer Familie, samt Großeltern, im Gesicht ablesen konnte, wie sie Daphne all ihr Glück wünschten. Und es war Liebe ---------------- Der Sprechende Hut hatte es für sich entschieden, dass sie eine Schülerin des Hauses Ravenclaw wurde und niemand, der Alice Longbottom gut kannte, hätte diesen Entschluss angefochten. Alice war eine begabte Hexe mit außerordentlich feinfühligem Geschick und einer schnellen Auffassungsgabe. Nicht zuletzt kam dies durch die Begeisterung am Lernen. Zusätzlich mangelte es ihr nie an Kreativität, die sich in vielerlei Hinsicht zeigte. Niemand, der sie gut kannte, hatte die Entscheidung des Sprechenden Hutes je in Frage gestellt. Niemand, bis auf einer – Albus Potter. Und jeder konnte es verstehen. War Albus in der Nähe, war es um das Geschick von Alice geschehen und immer wieder stolperte sie über ihre eigenen Beine, ließ etwas fallen oder landete in einer Trickstufe. Es war der Longbottom ein Rätsel wie es zu dieser Farce gekommen war, doch es ließ sich nicht leugnen und egal wie sehr sie es sich auch vorgenommen hatte, etwas daran zu ändern, so blieb jeder Versuch fruchtlos. Sie gab es auf, das Bild, welches Albus von ihr haben musste, ändern zu wollen, denn wie kämpfte man gegen weiche Knie und zitternde Finger in Gegenwart des Schwarms an? Wenige hatten es erwartet, doch nach ihrem Abschluss wurde Alice‘ Herzenswunsch wahr und Albus hielt ganz traditionell um ihre Hand an. Überwältigt blickte sie auf den filigranen Ring an ihrem Finger, der mit einem Saphir besetzt war und perfekt zu ihrem blauen Kleid passte. Abwartend blickte der Potter in das Gesicht seiner Freundin. „Und?“ Ja!, schrie es laut in ihrem Kopf, doch über ihre Lippen kam eine Frage, die ihr seit geraumer Zeit auf der Zunge brannte. „Warum hast du dich in mich verliebt?“ Perplex blinzelte Albus, hatte er mit vielen nur nicht mit dieser Frage gerechnet. Die Antwort gab er ihr mit einem verlegenen Grinsen. „Wegen deiner Schusseligkeit.“ Lachend küsste Alice ihren Verlobten. Bewältigung ----------- Die letzten Zeilen waren geschrieben und bedächtig legte Molly die Feder zur Seite. Ihre dunklen Augen lagen auf der dunkelgrünen Tinte. Zum ersten Mal seit langer Zeit spürte sie, wie schwer ihre Lieder waren und wie stark ihre Augen brannten. Langsam gab sie dem Verlangen nach, sie zu schließen. Das Brennen blieb noch einen Moment, dann löste es sich in die kommenden Tränen. Ein Schluchzen entwich ihr. Es tat immer noch weh, aber es war nicht mehr dieser schreckliche Schmerz. Es war lindernd. Die Tränen bahnten sich ihren Weg über Mollys Wangen und hinterließen kalte Spuren. Molly ließ sie, wo sie waren. Es wäre nicht richtig gewesen, sie weiter zu verstecken. Mit verschwommenem Blick sah sie zu dem Spiegel, der seitlich zu ihrem Schreibtisch stand. Erstickt lachte Molly. Ihre Lippen zitterten, doch hielten sie tapfer das Lächeln. „Mama?“ Durch den Spiegel hindurch sah Molly ihre Tochter versteckt hinterm Türrahmen stehen. Ihre blauen Augen blickten ihr unsicher entgegen. „Komm her, Spatz.“ Dies ließ sich das kleine Mädchen nicht zwei Mal sagen und lief direkt in die Arme ihrer Mutter. Fest zog sie Charlotte in ihre Arme, drückte sie und machte kein Geheimnis um die Tränen. Unbeholfen strich das Mädchen über den schwarzen Stoff des Kleides, das ihrer Mutter trug, ohne zu wissen, wie beruhigend dies war. „Tut es dir immer noch weh, Mama?“ „Nein, Spatz. Jetzt nicht mehr.“ Molly hauchte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin nur ein bisschen traurig, weil ich zu spät bin.“ „Bist du fertig?“ „Ja – aber sie kann es nicht mehr lesen.“ Charlotte löste sich von ihrer Mutter und sah sie mit leuchtenden Augen an. „Dann fahren wir zu ihr und du liest vor. Oma hat sich so darauf gefreut!“ Mit wehendem Rock lief Charlotte aus dem Zimmer. „Onkel Jamie! Wir müssen zu Oma!“ Größe ist nicht alles --------------------- Die Arme verschränkt begleitete Annabeth Wood ihre besten Freundinnen durch das Modegeschäft, in das ihr Ausflug gegangen war. Ohne viel Interesse besag sie die Kleiderhaken, denn ihr war nicht nach shoppen. Hätte man sie gefragt, wieso sie hier war, wäre ihre Antwort gewesen, dass sie gerne mit ihren Freundinnen unterwegs war. Und das bedeutete, sie zum shoppen zu begleiten. Alice hatte ein Kleid für sich entdeckt, das sie sich kaufen wollte, aber auf Roxannes anraten hin führte ihr gemeinsamer Weg sie vor dem Bezahlen noch in die Dessous-Abteilung. „Bei dem Ausschnitt brauchst du einen anständigen BH“, waren die Worte der Weasley gewesen und hatte sich auf die Suche nach etwas Passendem begeben. Fachmännisch beriet sie Alice und scheuchte sie schließlich mit mehreren Teilen in eine Umkleidekabine. Zufrieden mit den Händen in die Hüfte gestemmt wandte Roxanne sich um und lächelte Annabeth zu. Doch es verschwand bald und machte Platz für einen kritischen Blick, mit dem sie die Wood von oben bis unten bedachte. „Soll ich für dich auch einmal schauen?“, bot sie an und Annabeth wusste, das Angebot war nett gemeint, doch trotzdem verzog sie das Gesicht. Das verstand Roxanne jedoch als Ansporn. „Schauen wir mal! Hier gibt es wirklich total süße Push-Up BHs!“, erklärte sie und begann die Reihen zu durchstöbern. „Sieh mal, der hat doch was gryffindorsches.“ Stolz präsentierte die Slytherin ein purpurfarbenes Stück. Annabeth Augen wurden groß, aber sicher nicht so groß wie ihre Brüste, wenn sie diesen BH anziehen würde. Ohne Roxanne eine Erklärung zu liefern, machte sie auf den Absatz kehrt und verließ die Abteilung. Sie mochte gerade mal ein A-Körbchen haben und war damit weniger entwickelt als ihre Freundinnen, aber sie war damit zufrieden und wollte sich nicht wegen mogeln verantworten müssen. Das war beim Quidditch wie in allen anderen Lebenslagen. Sie sieht die Sonne ------------------- Wollen wir spazieren gehen?“, fragte Julie und seufzte aus tiefster Seele. Zusammengesunken an James gelehnt, der wie sie glaubte, mit vereinzelten Haarsträhnen spielte, sah sie aus müden Augen auf ihren Mac. Ihre Kolumne war noch nicht gänzlich fertig, aber gut fortgeschritten. Es würde ihr nie einfallen, es laut zu sagen, da es etwas peinlich war, aber so zeitig wie dieses Mal war sie noch nie dran. „Spazieren?“, echote ihr Freund etwas verwirrt. Ohne ihn zu sehen, konnte Julie anhand seiner Bewegungen erkennen, dass er sich zum Fenster wandte. „Im englischen Sommer?“, witzelte er. Julie legte den Kopf in den Nacken, sah zu Erst das breite Grinsen mit den Grübchen von James und dann das Fenster, dass ihr einen Ausblick auf eine Menge Regen gab. Keiner würde behaupten, dass dieses Wetter sonderlich einladend wirkte. Mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen neigte Julie den Kopf und betrachtete den Himmel noch einen Augenblick länger. „Ja, lass uns spazieren.“ Ohne eine Antwort abzuwarten und auf das zerstreute Kopfschütteln von James zu achten, schwang Julie sich aus ihrer eingekuschelten Position von der Couch. Aus ihrem Kleiderschrank holte sie ein Paar Gummistiefel, die passend zu ihrem Regenschirm quietsch-orange waren. Von James waren keine Einwände gekommen und als stumme Zusage, hatte er aus dem Flur ihrer beider Jacken geholt. Direkt am Grimmauldplatz gab es den Eingang zu einem kleinen Park. Eng schmiegte sich Julie unter dem Schirm an James, der schmunzelte. „Wenn du nicht nass werden willst, wieso spazieren wir dann durch den Regen?“ Julie ließ die Frage unbeantwortet. Vielleicht war es kalt und nass, aber es störte sie gar nicht wirklich. Unter dem orangefarbenen Schirm wirkte das bisschen Licht, das durch die Wolken trat viel heller und wärmer und zauberte ihr so ein Lächeln auf die Lippen. „Bereust du es mit mir rausgegangen zu sein?“ „Iwo, Sonnenschein.“ Pures Glück ----------- Ihr Puls raste. Schauspielerei gehörte noch nie zu Dominiques Talenten und die Panik, ertappt zu werden, saß ihr weiterhin im Nacken. Sie versuchte beschäftigt zu wirken, während der Professor sich mit dem Schulsprecher unterhielt. Er war völlig unerwartet im SV-Raum aufgeschlagen, um bei Fred ein paar Auskünfte zu den Vorbereitungen für die Maifeier einzuholen. Zwar hatte man ihm die Organisation überlassen, doch so ganz schien keiner dem Weasley zu trauen. „Schön, wenn ihnen Miss Weasley hilft, dann dürfte es keine Schwierigkeiten bereiten, die Unterlagen bis morgen früh einzureichen.“ „Natürlich nicht, Professor“, versicherte Fred selbstbewusst und verabschiedete ihn an der Tür. Als diese knarzend ins Schloss fiel, löste sich die Anspannung und Dominique atmete erleichtert auf. Das war viel zu knapp gewesen. „Alles gut. Er hat nichts gemerkt“, versicherte Fred. Er war die ganze Zeit vollkommen gelassen geblieben. Wie, das konnte Dominique sich nicht erklären. „Pures Glück.“ Sie wünschte, sie wäre auch so entspannt wie Fred. Ihr Cousin trat neben sie an den großen Tisch und nahm ihr die Papiere, die sie krampfhaft in ihren Händen hielt, ab. Achtlos ließ er sie auf den Tisch fallen. All die Ordnung dahin. „Das war kein Glück“, widersprach er ihr und sorgte dafür, dass sie irritiert den Kopf schüttelte. „Er hätte nur etwas genauer schauen müssen, dann-!“ „Hat er aber nicht“, unterbrach Fred sie sofort. „Weil keiner der braven Dominique Weasley misstrauen würde.“ Eine Tatsache, mit der die Ravenclaw lebte und eigentlich stolz darauf war. Sie bemühte sich stets das Vernünftige zu tun, was ihr das Vertrauensschülerabzeichen eingebracht hatte. Die Lehrer schienen ihr blind zu vertrauen. Anders war es nicht zu erklären, dass dem Professor die verknitterte weiße Bluse nicht aufgefallen war. „Wir sollten-“ „Das hat bis morgen Zeit.“ Mit einem Grinsen beugte Fred sich vor und küsste Dominique. Vergessen war die Vernunft. Wut im Bauch ------------ Das Getöse im Stadion rückte in den Hintergrund. In Lenas Ohren hallte nur noch das hämische Lachen der Slytherins wider. Sie feierten nicht einfach ihren Sieg, nein, sie amüsierten sich auf volle Kosten der besten Freundin von Lena. Scorpius Malfoy hatte seine Aufgabe als Treiber mit vollem Einsatz erfüllt und eine Jägerin der Gryffindor Mannschaft spielunfähig gemacht. Der Klatscher hatte Rose übel am Kopf getroffen und auch, wenn es dafür einen Strafstoß für Gryffindor gab, war das kein gerechter Ausgleich für den Verlust einer guten Spielerin. Es war ein Risiko, das Quidditch mit sich brachte. Man konnte es einem kaum übel nehmen, wenn etwas Derartiges passierte. Sich jedoch nach dem Spiel weiter über das Leid eines ausgefallenen Spielers zu erfreuen war etwas, dass Lena nicht gutheißen konnte. Ohne auf die umstehenden Leute zu achte, bahnte sie sich ihren Weg zu Scorpius – Verursacher und derjenige, der vor Schadenfreude am lautesten lachte. Er bemerkte sie, was kaum verwunderlich war. Ihre rote Mannschaftskleidung stach zwischen dem vielen grün sehr hervor. Irritiert blickte er sie an, konnte er sich keinen Reim auf ihre Anwesenheit machen. Zu der Verwirrung gesellte sich jedoch sehr schnell Unbehagen, als er ihre vor Wut glühenden Augen sah. „Gromova, was willst d-“ Der restliche Satz blieb ihm im Hals stecken, da Lena ihm mit voller Wucht ihre Faust ins Gesicht schlug. Sie bildete sich ein, ein Knacken zu hören, konnte sich aber keine weiteren Gedanken darum machen, da der Schmerz, der von ihren Fingerknöcheln aus den Arm hinauf zog, sie ablenkte. Entsetzen ging durch die Reihen der Umstehenden und der Rest der Mannschaft sammelte sich um den am Boden liegenden Scorpius. Die Hand hielt er schützend vor sein Gesicht, doch Lena sah Blut an seinem Kinn entlang laufen. „Gratuliere zum Sieg, Malfoy“, spöttelte sie und zog erhobenen Hauptes von dannen. Die Freiheit in der Musik ------------------------- Sie hauchte die letzten Zeilen verheißungsvoll ins Mikrofon und lauschte den letzten Klängen des Liedes. Es folgte der Applaus und nach einem Knicks für die Zuhörerschaft, ging sie von der Bühne ab und schlüpfte gleich hinter die Theke. Als Roxanne den Blick über die Kunden an der Bar schweifen ließ, fiel ihr einer gleich auf. Erik fiel immer auf. Auch, wenn er im glattgebügelten Hemd erschien, ging er nicht in der Menge unter – obwohl er genau das in Hogwarts immer getan hatte. Mit einem amüsierten Lächeln ging sie auf ihn zu und zog zwei Butterbier und Gläser hervor. „Du bist ja schon wieder hier«, bemerkte sie und ließ den Blick nicht von ihm, selbst als sie die Gläser einschenkte. „Wie immer“, waren seine knappen Worte und nahm das Butterbier dankend entgegen. Sie stütze den Kopf in die Handfläche und spielte an den türkisfarbenen Kristallohrringen, die sie trug. Der Longbottom wirkte auf sie wie ein Rätsel. „Wieso eigentlich? Jazz passt irgendwie nicht zu dir.“ „Es geht. Ist nicht unbedingt meine liebste Musikrichtung“, gestand er und trank einen Schluck. Den Schaumbart wischte er sich mit dem Handrücken weg. „Und dann ein Jazz-Club?“ Die Antwort ließ auf sich warten. Vielleicht brauchte es etwas Überwindung. „Weil ich dich gerne singen höre.“ Blinzelnd nahm sie das Geständnis zur Kenntnis. „Warum mich?“ Sie konnte nicht locker lassen. Mit geröteten Wangen wich er ihrem Blick aus. „Ich finde, deine Lieder klingen nach sehr viel Gefühl. Das wirkt ganz anders als dein sonstiges Auftreten.“ „Findest du?“ Ihre Kehle wurde trocken. „Ja.“ Bei dieser schlichten Erwiderung blieb es und Roxanne hatte das Gefühl, dass Erik sie zum ersten Mal wirklich ansah. Es bereitete ihr ein seltsames Gefühl, dass ausgerechnet er zu merken schien, was sie an der Musik so liebte. Nur wenn sie sang, war sie absolut aufrichtig. Verliebt in die Liebe --------------------- Mit großen Augen sah Lily zu Ted auf. Sein Haar hatte diesen ungewöhnlichen Türkiston und sie war sich sicher, dass niemandem diese Farbe so gut stand wie ihm. „Ich mag deine Haare“, sagte sie und bekam dafür ein verlegenes Lächeln. Als er ihr den Kopf streichelte, war sie wunschlos glücklich. Mit ihren Adleraugen, die sie einmal eine ausgezeichnete Sucherin sein lassen würden, hatte sie Scorpius am Slytherintisch in Windeseile ausfindig gemacht und begann zufrieden mit ihrer Beobachtung. „Er ist ein richtiger Gentleman“, säuselte sie. Der beste Freund ihres Bruders war einfach ein Traum von einem Mann. Aufgeregt saß Lily bei den Proben der Schülerband dabei, gab sich jedoch alle Mühe, dies zu verbergen. Nur ihre Cousine Roxanne hatte durchschaut, dass es der kleinen Potter nicht um die Musik ging, sondern um den Bandleader Henry Tugwood. „Er ist so cool und witzig“, schwärmte sie mit geröteten Wangen. Ihr Blick war kritisch auf ihr Spiegelbild im rosa Kleid gerichtet. Mit fünfzehn Jahren war Lily langsam in dem Alter, in dem man zur Frau wurde. Aber es reichte noch nicht aus, um die Aufmerksamkeit von Seth Zabini auf sich zu ziehen. Er hatte auf sie so eine erwachsene Ausstrahlung, die sie einfach schwach werden ließ. Zufrieden hakte sie sich bei Lorcan unter, während er sie durch Norwegen führte und ihr alles erzählte, was er über die Geschichte des Landes wusste. „Ich hoffe, ich langweile dich nicht?“, fragte er und sie schüttelte vehement den Kopf. Geschichte war für sie noch nie so interessant gewesen wie, wenn er ihr davon erzählte. Zärtlich strich sie Adam Wood durchs Haar und betrachtete seine entspannten Gesichtszüge. Er sah so friedlich aus, wenn er schlief, dass ihr warm ums Herz wurde. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und Lily konnte der Versuchung nicht widerstehen und küsste ihn. Ein guter Freund ---------------- Scorpius wusste auf tausend Arten zu lächeln und Selena kannte sie alle. Sie liebte jedes Einzelne und sie liebte Scorpius. Er war das, was man einen loyalen Freund nannte, und für sie hatte es nie mehr im Leben gebraucht. Doch bei ihm war dies anders. Selena war seine liebste und teuerste Freundin, doch da gab es jemanden, der war so viel mehr. Nach langem Hin und Her hatten Scorpius Malfoy und Rose Weasley es irgendwie hinbekommen zueinander zu finden. Ein ungewöhnliches Paar, auf den ersten Blick, aber auf den Zweiten, Eines, das Beständigkeit versprach. Eine wirklich gute Freundin, würde sich freuen, dachte Selena, während sie ihren besten Freund beobachtete und er so glücklich schien wie noch nie in seinem Leben zuvor. Den meisten fiel es vermutlich nicht einmal auf, doch sie sah, wie er vor Energie strotzte. Eine gute Freundin sollte sich freuen, doch sie bekam es einfach nicht hin – was nicht einmal daran lag, dass sie für Rose nichts übrig hatte. Nein, es war dieses unangenehme Gefühl schuld, das sich eingestellt hatte, seitdem die Beiden begonnen hatten, sich füreinander zu interessieren. Sie wusste, dass Scorpius sich Mühe gab, ihr weiterhin ein Freund zu bleiben und es gelang ihm ekelhaft gut. So fand Selena jedoch keinen guten Grund, um auf ihn wütend zu sein, was sie liebend gerne gewesen wäre. Zum Abschlussball ging Selena allein, obwohl sie viele Einladungen bekam, mit denen sie gar nicht gerechnet hatte. Den ganzen Abend bemühte sie sich verkrampft, keinen Blick zu Rose und Scorpius zu werfen. Natürlich hatte er sie gefragt. Es war Selena von Anfang an klar gewesen. Trotzdem hatte sie keinen anderen Begleiter gewollt. Trübsinnig ruhten ihre Augen auf dem Glas Kristallwein, das sie in ihrer grau behandschuhten Hand hielt. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich fehl am Platz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)