Die Wahrheit über Wölfe von Idris ([Stiles / Derek]) ================================================================================ Kapitel 6: Stockholm Syndrom ---------------------------- Oh man, sorry für die Verspätung! I suck! D: Das nächste Kapitel kommt schneller, versprochen! Dafür gibts ganz viele Sterek-Gefühle...? Warnungen: In der zweiten Hälfte Angst, inklusive dem Beginn einer Panikattacke (falls das für jemanden triggernd ist, schreibt mich an und ich kann gerne eine zensierte Version verschicken?), außerdem eine Erwähnung von Alkohol (same: falls das für jemanden triggernd ist - schreibt mir einfach) Sie verlassen Deaton mit einem Jahresvorrat an schwarzglitzerndem Feenstaub und einem Haufen Instruktionen für Lydia, wie sie damit einen Schutzkreis um ihr Haus ziehen kann. (‚Du musst daran glauben? Wirklich, Stiles? Wirklich? Was für eine ungenaue Wissenschaft ist das bitte? Sind wir ein heidnischer Kult? Ich glaube nicht einmal an die Cosmo und die gibt mir Nagelpflegetipps.‘ ‚Stiles ist ein Funke.‘ ‚Er ist… bitte was?‘ ‚Es… also… es geht nicht um spontane Selbstentzündung?‘ ‚Oh. Mein .Gott.‘) Sie gestattet trotzdem, dass Scott ihr mehrere Beutel schwarzes Pulver in den Kofferraum hievt, was zumindest bedeutet, dass sie vorhat es zu versuchen. Stiles hofft wenigstens, dass sie es versucht. Er könnte nicht ertragen, dass ihr etwas passiert. „So~o“, sagt Scott gedehnt, während ihr kleiner, schnittiger Sportwagen um die Ecke verschwindet. „Du und Lydia…?“ Stiles schüttelt den Kopf, ohne ihn anzusehen. „Nein.“ „Wirklich nicht?“ fragt Scott. „Ganz und gar und absolut definitiv nicht.“ Denn so ist es nicht. Nicht mehr. Vielleicht war es auch nie so, langsam ist Stiles sich da nicht mehr sicher. Das einzige, was er ganz sicher weiß, ist dass die wirkliche Lydia viel toller ist als die unerreichbare, makellose Lydia in seinem Kopf, die er auf ein Podest gestellt hat, wo sie nicht hingehört. Scott sieht aus, als würde er darauf gerne etwas erwidern, aber Stiles erhobene Hand lässt ihn inne halten. Das Handy vibriert unter seinen Fingerspitzen und Stiles zerrt es eilig aus seiner Hosentasche. „Hi, Dad.“ Er versucht so unbefangen wie möglich zu klingen. „Sorry, ist die Stunde schon wieder rum? Ich war total vertieft in meine Hausaufgaben.“ „Bist du zuhause?“ Sein Vater klingt misstrauisch. „Ja natürlich“, beteuert Stiles. „Wo sollte ich sonst sein? Ich habe nicht mal ein Auto! Und es regnet!“ Das ist die reine Wahrheit. Ein stetig zunehmender Nieselregen hat eingesetzt, seit sie draußen stehen. Er hätte doch mit Lydia zurückfahren sollen. Oder wenigstens nicht seine Jacke in ihrem Auto liegen lassen. Blödheit, deine Name ist Stiles. Aber Scott sah aus, als ob er noch ein bisschen Bro-Zeit gebrauchen könnte, spätestens seit Stiles Allisons Namen erwähnt hat. (‚Ich kann nicht mit ihr reden, Stiles.‘ ‚Wieso nicht?‘ ‚Weil ich ihr versprochen habe, ihr Zeit zu geben. Und Abstand. Und…“ „….“ „Weil ich anfangen werde zu heulen, wenn sie mich ansieht!‘ ‚Alter…‘ ‚Hey, ich war nie der coole Typ in unserer Beziehung. Das war immer ihr Part.‘) Was soll man dazu sagen. Das stimmt natürlich alles. Trotzdem sieht Stiles es schon kommen, dass er derjenige ist, der irgendwann bei den Argents anklopfen muss. Und in Anbetracht der Tatsache, dass er beim letzten Mal Gast in ihrem Folterkeller war und verprügelt wurde, hat er darauf nicht unbedingt große Lust. Er hat Scott trotzdem zuversichtlich auf die Schulter geklopft, weil das beste Freunde nun mal so machen. Na ja, und weil niemand so totunglücklich aussehen kann wie Scott, wenn er den großen, braunen Hundeblick auspackt. Aber das ist eben das, was Stiles am besten kann. Lügen, verschleiern, simulieren und Zuversicht vortäuschen. Und das ist es auch, was er bei seinem Vater tut. Stiles nickt und lügt, und er lacht dabei, und die ganze Zeit versucht er den Kloß in seinem Hals hinunterzuwürgen. Er ist nicht ganz sicher, wie überzeugt sein Vater ist, denn er ist irgendwann verdammt gut darin geworden, seinen Sohn zu durchschauen. Aber sein Dad verspricht Abendessen mitzubringen und erst in zwei Stunden wieder zu Hause zu sein. Das verschafft ihm mehr Zeit als erwartet. „Stiles“, sagt Scott, als er auflegt. Einfach nur ‚Stiles‘. „Sag nichts“, befiehlt Stiles, während er das Handy zurück in seine Hosentasche schiebt. „Aber…“ „Nur, weil du und deine Mum jetzt an einem Punkt seid, wo ihr ungehemmt ehrlich über alles reden könnt und keine Geheimnisse mehr voreinander habt – hey, und herzlichen Glückwunsch dazu übrigens - heißt das nicht, dass das auch für mich und meinen Dad gilt.“ Scott schüttelt den Kopf. „Irgendwann musst du es ihm sagen“, sagt er leise. „Ich muss gar nichts. Und nein, wir werden jetzt nicht darüber sprechen.“ Scott hebt resigniert die Hände. „Okay. Okay. Wie du willst.“ Plötzlich legt er den Kopf schief und lauscht. Er hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem Labradorwelpen wenn er das tut. Stiles macht gerade Anstalten, ihm das aufs Brot zu schmieren, als auch sein schwächliches, menschliches Hörvermögen das Schnurren eines herannahenden Wagens vernimmt. Ein sehr vertraut klingendes Schnurren. Wenige Sekunden später biegt der schwarze Camaro in Deatons Hof ein. Dereks Auto. Derek. Stiles‘ Herz macht einen Satz. „…hi“, sagt Scott als Derek aussteigt. Er klingt neutral, als ob er sich bemüht nicht feindselig zu klingen und wirft einen fragenden Blick zu Stiles. Stiles nickt ermunternd. Derek bleibt neben der Fahrertür stehen und wirft ihnen einen völlig unbeeindruckten Blick zu. Das graue Nieselwetter harmoniert hervorragend mit seiner schwarzen Lederjacke und seinem düsteren Gesichtsausdruck. Wieso sieht er eigentlich immer so aus, als käme er gerade von einer Beerdigung? „Scott“, sagt er schließlich widerwillig. Und noch etwas widerwilliger: „Stiles.“ Und Stiles hat einen kurzen, unfreiwilligen Flashback zu einem anderen Derek, die harten Kanten weichgespült durch das milde Nachmittagslicht in seinem Zimmer, und zu Dereks Stimme, die sagt: ‚Ich werde immer drangehen.‘ Er versucht lässig weiter zu atmen, aber seine Lungen scheinen irgendein rasselndes Geräusch von sich gegeben zu haben, dass Derek und Scott dazu veranlasst sich mit einem fragenden Gesichtsausdruck zu ihm umzudrehen. „Alles okay?“ fragt Scott und Stiles nickt hastig. „Klar. Ja. Was … ähm, was machst du hier?“ fragt er schnell und räuspert sich. „Ist was mit Erica?“ Derek nickt. Als er sieht wie Stiles Augen sich alarmiert weiten, fügt er hinzu: „Nichts Schlimmes. Ich bin nur hier, um etwas für sie abholen.“ Er macht eine vage Geste in Richtung Tierklink. „Von Deaton.“ „Oh. Okay.“ Derek nickt. Einen Moment lang sieht er unentschlossen aus. Sein Blick flackert zu Stiles Gesicht und wieder weg, als ob er etwas sagen möchte, aber nicht weiß, wie. „Hey“, sagt Scott. „… danke. Für letzte Nacht.“ Als Dereks Gesicht unbewegt bleibt, fügt er hinzu: „Wegen Stiles, meine ich. Und wegen Lydia. Danke.“ Das ist immer noch nicht die epische Entschuldigung, die er Derek schuldig ist, dafür dass er ihn hintergangen und als Gerards Kauknochen missbraucht hat, aber es ist immerhin ein Anfang. Auch wenn Stiles sich jetzt fühlt wie die hilfloseste Jungfrau in Nöten, die man sich vorstellen kann. (Vielen Dank auch.) Er macht subtil die Daumen hoch in Scotts Richtung. Scott grinst erfreut und Stiles spürt eine Welle von Liebe für seinen besten Freund. Derek zuckt unbehaglich mit den Schultern. „Okay“, sagt er schließlich, weil er offensichtlich absolut keine Ahnung hat, wie er damit umgehen soll, dass irgendjemand sich bei ihm für irgendetwas bedankt. Manchmal ist Dereks gesamte Existenz so deprimierend, dass Stiles gar nicht weiß, was er damit anfangen soll. Erleichtert atmet Scott aus. „Cool. Okay. Wir sehen uns. Alles Gute an Erica.“ Er schwingt sich auf das Motorrad und wirft den Motorradhelm in Stiles Richtung. „Kommst du?“ Stiles verzieht das Gesicht, aber beginnt folgsam den Helm aufzusetzen. Das Ding drückt und riecht muffig, aber nur einer von ihnen könnte einen Motorradunfall unbeschadet überstehen. Und Stiles ist es nicht. „Warte“, sagt Derek in diesem Moment und Stiles hält inne. „Ja?“ „Ich wollte…“ Derek macht eine vage, nichtssagende Handbewegung. „Hast du kurz Zeit?“ fragt er schließlich. Scott blickt überrascht zwischen ihnen hin und her. Stiles blinzelt langsam und lässt den Helm wieder sinken. „Meinst du mich?“ fragt er perplex und fühlt sich schon in dem Moment, wo er es ausgesprochen hat wie ein Idiot. Dereks Antwort besteht darin die Augenbrauen weiter anzuheben. „Wieso?“ Stiles starrt ihn an. „Und wie kurz heißt kurz?“ Derek blickt haarscharf an seinem Gesicht vorbei. „Halbe Stunde?“ erwidert er. Stiles wirft einen unsicheren Blick zu Scott. Der zuckt wortlos mit den Schultern. Das heißt so viel wie ‚Deine Beerdigung, Alter‘ Aber nachdem Derek ihm heute Morgen schon nicht die Kehle rausgerissen hat, ist Stiles vorsichtig optimistisch, dass ihr Verhältnis auch weiterhin von gewaltfreier Konfliktbewältigung geprägt sein wird. Und Derek benutzt seine Worte, anstatt Stiles einfach am Kragen zu packen und mit zu schleifen. Das ist doch schon mal ein Anfang. „Kay“, sagt er. Etwas an Dereks steifer Haltung entspannt sich beinah unmerklich. Er nickt. „Aber nur wenn du mich nach Hause fahren kannst“, fügt Stiles hinzu. „Ich bin aktuell genauso mobil wie eine Oma, der man den Rollator geklaut hat.“ Fünf Minuten später sitzt er erneut auf dem Beifahrersitz des Camaro, der sich inzwischen verdächtig vertraut und heimelig anfühlt, so oft ist er in den letzten vierundzwanzig Stunden damit unterwegs gewesen. Auf dem Rücksitz liegen irgendwelche Kräuter, die angeblich die Selbstheilungskräfte von Werwölfen triggern sollen. Sie riechen schwer und süßlich und verursachen ihm Kopfschmerzen. Stiles würde liebend gerne das Fenster aufreißen, aber der Nieselregen von eben hat sich zu einem durchgehenden Schauer gesteigert und ihm ist schon kalt genug. „Also? Wozu brauchst du mich?“ fragt er schließlich, als die Spannung ihn halb umbringt und Derek immer noch keine Anstalten irgendetwas zu sagen. „Du siehst ausnahmsweise mal nicht so aus, als ob du kurz vorm abnippeln bist und jemanden suchst, der dir den Arm absägt.“ Derek runzelt die Stirn. „Das war einmal.“ „Entschuldige mal, Mozart, das klingt als sei einmal nicht schlimm genug! Einmal Arm absägen versorgt mich mit zwanzig Jahren Alpträumen!“ „Mozart?“ „… er hieß Wolfgang?“ „Oh mein Gott.“ Derek verdreht die Augen. „Pffft. Als ob du der Meister des subversiven Humor wärst.“ Derek atmet aus und wendet den Blick gen Himmel, als flehe er irgendwelche Wolfgötter um Geduld an. „Ich will, dass du dir etwas ansiehst“, sagt er schließlich. Stiles blickt aus dem Fenster, wo unscharfe Umrisse von Bäumen an ihm vorbeirauschen. „Im Wald?“ „An meinem Haus“, präzisiert Derek. „Eine Leiche?“ „Nein, wieso sollte da…? Stiles!“ Stiles grinst. Er kann sich nicht helfen. „Weil ich total der Typ Freund bin, den man bittet eine Leiche verschwinden zu lassen.“ Aus den Augenwinkeln sieht er wie Dereks Blick auf ihm ruht, eine endlose Sekunde lang, bevor er ihn wieder auf die Straße wendet. „Ja“, sagt er. Einfach nur ‚ja‘. Stiles weiß nicht, was er darauf erwidern soll, aber er ist beinah sicher, dass irgendwo darin ein Kompliment versteckt ist. Als sie am abgebrannten Hale-Haus ankommen, ist es schon so dämmrig, dass Stiles Schwierigkeiten hat, überhaupt etwas zu erkennen. Die Umrisse des abgebrannten Hauses ragen wie ein schwarzes Skelett in den blau-schwarzen Abendhimmel, und das sanfte Plätschern des Regens ist in ein bedrohliches Rauschen übergegangen. Ein scharfer Wind pfeift durch die Blätter. Das Ganze hat die Atmosphäre eines Horrorfilms. Und zwar genau einer dieser Filme, nach denen Stiles nachts nicht einschlafen kann, weil sie immer damit enden, dass unschuldige Teenager im Wald von einem Monster zerfleischt werden. Es ist beängstigend. Oder es sollte zumindest beängstigend sein. Aber irgendetwas an der Tatsache, dass Derek neben ihm herläuft, führt dazu, dass Stiles sich entspannt fühlt wie auf einem Schulausflug. „Ich entwickle ein Stockholm Syndrom“, murmelt er, als sie aussteigen. „Was?“ Stiles läuft in Richtung Veranda. Sein T-Shirt ist in Null Komma-Nichts vollkommen aufgeweicht und Regentropfen laufen durch seine Haare und über sein Gesicht. „Ich dachte nur gerade, dass wir beide viel zu oft in lebensgefährlichen Situationen festgesessen haben in letzter Zeit“, stößt er atemlos hervor. Er springt über einen abgebrochenen Ast und seine Turnschuhe schliddern gefährlich auf den nassen Blättern. Dann hat er die Veranda erreicht und stützt schweratmend die Hände in die Knie. „Das wird zu einer unschönen Gewohnheit. Und ich werde sehr häufig sehr nass dabei!“ Derek gibt ein unverbindliches Geräusch von sich und Stiles geht davon aus, dass das Gespräch damit beendet ist. Als Derek schließlich doch noch antwortet, ist es so leise und der Regen so laut, dass Stiles Mühe hat es zu verstehen. „Du bist der einzige, der immer kommt“, sagt Derek und er sieht aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Stiles, dem sofort eine Millionen schmutziger Erwiderungen einfallen, wieso ausgerechnet er niemals irgendwo mit irgendjemandem jemals kommt, braucht einen Augenblick um die Verbindung zu dem herzustellen, was er eben gesagt hat. „Häh?“ ist seine geistreiche Erwiderung. „Dass du immer in lebensgefährlichen Situationen feststeckst. Es ist deine eigene Schuld. Du sagst immer ‚ja‘ wenn ich dich frage.“ Stiles schnappt empört nach Luft. „Das ist totale Verleumdung. Ich sage überhaupt nicht ‚ja‘! Ich sage dir immer zuerst wohin du dir deine Befehle stecken kannst.“ Derek schnaubt. Es ist ein Geräusch irgendwo zwischen resigniert und amüsiert. „Ja und dann kommst du trotzdem mit. Es ist deine Schuld.“ Stiles klappt den Mund auf und gleich wieder zu. Das… kann er nicht bestreiten. Er hat keine Ahnung wieso das so ist, aber er sieht da rückblickend ein bedenkliches Muster an schlechten Lebensentscheidungen, die er in den letzten Monaten getroffen hat. Jemals mit Derek irgendwo hinzugehen zum Beispiel. Ganz schlechte Entscheidung. „Wie auch immer“, schnappt er zurück. (Ehrlich, Stiles ist der Meister des eleganten Themenwechsels.) „Also? Was willst du mir zeigen?“ fragt er und verschränkt die Arme. Er hat Gänsehaut. Die halb verbrannte Veranda ist zwar überdacht, so dass sie vor dem gröbsten Regen verschont bleiben, aber sie ist immer noch offen und zugig. Derek deutet wortlos auf seine Haustür. Stiles blinzelt in die Dunkelheit und beugt sich nach vorne. Auf dem dunklen Holz kann er dunkle Umrisse erahnen, die wie ein Zeichen aussehen. Er kramt sein Handy hervor und richtet die Beleuchtung auf die Tür. Es ist ein schwarzes, seltsam eckiges Symbol, das ein bisschen aussieht wie ein entartetes Hakenkreuz. "Was ist das?" fragt er. Seine Zähne klappern und er presst sie nachdrücklich zusammen. „Ein Symbol. Ein Andenken des Alpharudels.“ „Künstlerisch sicher wertvoll, aber wieso ...?“ „Ich will dass du es für mich recherchierst“, sagt Derek, ganz offensichtlich sehr angepisst über diesen Vandalismus an seinem (ohnehin völlig demolierten) Haus. „Bitte“, fügte er hinzu, wie einen Nachgedanken. Stiles hebt einen Mundwinkel. „Das zu sagen, hat dich jetzt halb umgebracht, oder?“ „Stiles.“ „Nein, schon okay, ich mach es.“ Er knippst ein paar Bilder mit der Handykamera und hofft dass die Qualität trotz der schlechten Beleuchtung ausreichend sein wird, um etwas damit anzufangen. „Du hättest das übrigens auch selbst fotografieren und mir einfach zuschicken können, das weißt du hoffentlich?“ „Nein.“ „Nein?“ „Mein Handy…“ Derek bricht ab und murmelt etwas. „Hat dein Handy keine Kamera oder was? Wie jetzt? Im Ernst? Oh mein Gott, in welchem Jahrhundert lebst du denn?“ Derek knurrt ihn an. Stiles lacht laut und hemmungslos, und wischt mit einer Hand Regentropfen aus seinem Gesicht. „Oh mein Gott, du kommst echt vom Mond.“ „Hat dir schon mal jemand gesagt, was mit kleinen Klugscheißern passiert, die einen Werwolf ärgern?“ „Sie besorgen dem bösen Wolf nicht die Infos, die er haben will und leben glücklich und zufrieden?“ schlägt Stiles vor. Derek entblößt gefährlich scharf aussehende Eckzähne. „Oooder sie besorgen dem bösen Wolf genau die Infos, die er haben will und leben dann glücklich und zufrieden“, korrigiert Stiles hastig. „Und lang. Seeehr lang. Okay, das reicht jetzt. Pack die Beißerchen weg. Was genau willst du überhaupt wissen?“ „Wo sie waren, bevor sie hierhergekommen sind. Ich nehme an, dass sie diese Visitenkarte schon vorher irgendwo hinterlassen haben. Ich will wissen, was dort passiert ist und was sie getan haben. Peter sagt...“ Er bricht ab und schnaubt. „Peter sagt eine ganze Menge, aber ich weiß nicht, was ich ihm glauben kann.“ „Du willst seine Angaben überprüfen.“ Stiles nickt anerkennend. „G-guter Gedanke. Fakten sind das einzig W-wahre.“ Er stopft das Handy in seine Hosentasche und verschränkt die Arme vor der Brust. Derek wirft ihm einen missbilligenden Blick zu. „Bist du einfach nur ein Idiot oder hast du eine Allergie dagegen Jacken zu tragen?“ „Hey! Ich hatte sie mit. Ich hab sie nur… vergessen.“ Derek verdreht die Augen so heftig, dass Stiles sogar in der Dunkelheit sehen kann wie das Weiße seiner Augäpfel rotiert. „Du bist unglaublich.“ Als Erwiderung klappert Stiles leise mit den Zähnen und verteidigt sich nicht dagegen. „Können wir jetzt gehen?“ fragt er stattdessen. Er friert und ist übermüdet, seine Knochen schmerzen dumpf von dem Autounfall letzte Nacht, und das gesamte Adrenalin, was ihn durch den Tag gebracht hat, ist inzwischen verpufft und hat ein flaues, kaltes Gefühl in seinem Magen hinterlassen. Der konstante Regen hilft nicht unbedingt. Er möchte nach Hause und seinen Dad sehen, er will sich in eine Decke kuscheln und auf der Couch neben ihm einschlafen. Einen Augenblick starrt Derek ihn einfach nur an. Dann seufzt er schließlich. Es geht beinah unter in dem lauten Rauschen des Regens. Ohne Vorwarnung zerrt er die Lederjacke von seinen Schultern und streckt sie Stiles kommentarlos entgegen. „Was....?“ Überrascht sieht Stiles zu ihm auf. „Was soll das d-..?“ „Zieh sie an.“ „Nein? Das letzte Mal, als ich sie getragen habe, hast du mich behandelt als wäre ich Stalin und hätte Bambis Mutter getötet!“ „Stalin hat Bambis Mutter nicht getötet.“ „Wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, hätte er es getan!“ „Stiles.“ Niemand kann seinen Namen so sagen wie Derek es kann, so als ob er kurz davor ist, wirklich jede Geduld mit ihm zu verlieren. „Ich höre mir nicht auf dem gesamten Rückweg dein Geklapper an. Zieh. Sie. An.“ Zögernd greift Stiles zu. Das Leder ist noch genauso butterweich unter seinen Fingerspitzen wie er es in Erinnerung hat. Er hätte gerne genug Stolz besessen, um Derek seine blöde Jacke um die Ohren zu hauen, aber Stolz kann man sich nur leisten, wenn einem nicht gerade kaltes Wasser durch das T-Shirt sickert und über seinen Rücken läuft. Damals im Güterbahnhof ist es ein Akt der Rebellion gewesen Dereks Jacke anzuziehen. Eine Art ‚Hah, du kannst mich mal‘ weil Derek ihn nicht mitreden lässt und ihn behandelt hat wie Scotts nerviges Anhängsel. Jetzt ist es anders. Jetzt sieht Derek ihm dabei zu und paradoxerweise bewirkt das, dass Stiles sich fühlt, als ob er sich vor ihm auszieht. Und nicht, als ob er sich etwas anzieht. Derek sieht aus, als kann er nicht wegsehen, widerwillig gebannt und sogar in der Dunkelheit kann Stiles sehen wie seine Kehle arbeitet, als er schluckt. Vielleicht ist das auch ein Werwolf-ding. Ein Alpha-ding. Oder vielleicht ist es einfach nur ein Derek-ding, weil er ein ungesund intime Einstellung zu seiner Lederjacke hat. ‚ Das mit der Jacke ist süß. Ein bisschen altmodisch, aber ich glaube, er ist ein Typ für sowas… ‘ Lydias Satz geistert in seinem Kopf herum, wie ein besonders aufdringliches Echo und führt dazu, dass er errötet. Hoffentlich ist es dunkel genug, dass Derek das nicht sieht. Denn das… ist überhaupt nicht, was hier los ist. Er streift das warme Material über seine bloßen Arme und hält inne. Ein Teil von ihm denkt: 'Oh Gott, als ihm klar wird, dass sie nur so warm ist, weil Derek sie gerade eben noch getragen hat. „…hrgmhp“, sagt er. Es sollte ‚danke‘ heißen, aber seine Stimmbänder haben genau diesen Augenblick gewählt um den Dienst zu quittieren. Irgendetwas passiert hier, jetzt in diesem Augenblick, und er hat keine Ahnung was. Manchmal fragt er sich, warum sein Leben nicht mit Untertiteln geliefert wurde. Dann hätte er vielleicht wenigstens ab und zu eine Idee, was er gerade tut. Derek gibt ein leises, ersticktes Geräusch von sich, das klingt als ob er mit Gewalt eine Antwort zurückhält. „…wir sollten gehen“, sagt er abrupt. Stiles nickt. „Unbedingt.“ Er wendet sich eilig ab, um zurück zu Auto zu sprinten. Es platscht unter seinen Füßen auf, als er durch Pfützen und nasses Laub rennt, aber er bleibt nicht stehen. - Sie sitzen weniger als fünf Minuten im Auto, als ein leises Surren die unangenehme Stille zwischen ihnen zerreißt. Mit feuchten Händen fischte Stiles sein Handy aus den Hosentaschen. Seine Finger sehen sehr blass aus unter dem schwarzen Leder. „Hey“, sagt er. Sein Herz hämmert und seine Stimme wackelt verdächtig. „Hey Dad. Sorry, ich habs vergessen. Ich war total…“ „Wo bist du gerade?“ fragt sein Vater ruhig. „Zuhause“, versichert Stiles. Er ignoriert den überraschten Blick, den Derek ihm zuwirft. „Auf der Couch. Ich hab nur nicht auf die Uhr geguckt. Wenn man so vertieft ist in lineare Gleichungen verfliegt die Zeit wie im…“ „Du bist zuhause.“ „Ja natürlich. Wo sollte ich denn sonst…“ „Stiles.“ Irgendetwas in der Stimme seines Vaters lässt Stiles innehalten. Er klingt sehr ruhig. „Ich möchte, dass du dir jetzt genau überlegst, was du als Antwort in Betracht ziehst. Wo bist du gerade?“ Derek, der ganz schamlos mithört, zuckt zusammen und wirft Stiles einen ungläubigen Blick zu. Stiles schluckt und hält die Luft an. „Du bist zu Hause“, sagt er langsam. Oh Shit. Oh shit… Nein. Nein, nein, nein. Sein Gehirn hat einen Kurzschluss und er sagt das erste, was ihm in den Sinn kommt. „Ich- ich bin… bei Scott… es tut mir leid, ich wollte…“ „Stiles.“ „Ich komme sofort nach Hause, ich verspreche es!“ stößt Stiles panisch hervor. „Ich dachte, ich komme etwas früher nachhause und bringe Pizza mit“, fährt sein Vater unbarmherzig fort. „Weil ich dachte, ‚hey vielleicht bin ich zu streng gewesen.‘, ‚Stiles hatte eine schwere Nacht.‘ Weil ich mir Sorgen gemacht habe, ob deine Kopfverletzung vielleicht doch schlimmer war, als gedacht!“ Seine Stimme überschlägt sich bei den letzten Worten. „Dad…“, flüstert Stiles und schließt die Augen. Jedes Wort geht ihm durch Mark und Bein. „Ich habe eben mit Melissa telefoniert. Und ich weiß, dass du nicht dort bist. Hast du noch mehr Lügen auf Lager, die du mir erzählen möchtest?“ „Dad, hör zu, ich kann es erklären… ich…“ Sein Vater gibt ein leises Geräusch von sich, dass so enttäuscht klingt und so wütend, dass es Stiles den Atem raubt. „Ich glaube nicht, dass ich es hören will“, sagt er. „Dad…“, wispert Stiles. „Komm sofort nach Hause.“ „Warte! Dad … Daddy bitte…“ Das Klicken als er auflegt ist das lauteste Geräusch, was Stiles je gehört hat. Es ist wie der Abzug eines Gewehres, der losgelassen wird. Und die Stille die darauffolgt ist ohrenbetäubend. Er fühlt sich dumpf, wie betäubt. Er kann nicht atmen. Derek sieht ihn an. „Fahr mich nach Hause“, sagt Stiles tonlos. Er lässt die Hände sinken. Das Handy knackt leise, als seine Finger die Außenhülle umklammern. „Soll ich mit dir kommen?“ fragt Derek. „Nein.“ Stiles schüttelt den Kopf. „Ich könnte ihm sagen, dass…“ „Nein. Nein.“ Stiles schluckt. „Das würde es nur schlimmer machen.“ Es ist zu spät, flüstert eine Stimme in seinem Kopf. Er hat noch nie gehört, dass sein Vater so geklungen hat. So… enttäuscht. So abweisend. Er fühlt sich, als ob ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Stiles versucht auszuatmen, aber sein Brust ist zu eng und sein Herz hämmert zu schnell. Sein Vater ist immer stolz auf ihn gewesen. Auch wenn er nichts als ein Bündel aus Nerven und ADHS-Medikation gewesen ist, dass bei Lacrossespielen immer nur auf der Bank gesessen hat. Sein Vater ist immer stolz auf ihn gewesen. Bis jetzt. Jetzt sieht er Stiles an, als ob er ihn nicht mehr erkennt, weil sein Sohn lügt und stiehlt und Menschen entführt und Leichen schändet. Weil er nachts wegläuft und alle Versprechen bricht, die er gibt. Manchmal sieht Stiles in den Spiegel und erkennt sich selbst nicht mehr. „Stiles“, sagt Derek abrupt. Stiles schüttelt den Kopf. „Stiles!“ Der Wagen schlingert als Derek mit einer ruckartigen Bewegung an die Seite fährt. Wasser spritzt rechts neben Stiles Fenster nach oben und der Motor erstirbt mit einem leisen Gurgeln. „Dein Herz… Hör auf! Was ist los mit dir?“ Sein Herz? Sein Herz fühlt sich an wie ein Schlaghammer gegen seine Rippen, schnell und vibrierend wie eine Glocke. Er kann nicht atmen. Stiles presst die Hände gegen den Sitz und schnappt nach Luft, aber seine Kehle ist zu eng. Es fühlt sich an, als ob man versucht Pudding durch einen Strohhalm zu saugen. Etwas Schweres landete auf seiner Brust. Stiles blinzelt überrascht und senkt den Kopf. Es ist Dereks Hand. Sie ist warm und groß. Er hat die Finger ausgestreckt, so dass sie sich fast über seinen kompletten Brustkorb spannt. „Hör auf!“ befiehlt Derek erneut. Er klingt alarmiert. „Stiles, hör sofort auf.“ Stiles kann nicht anders. Er lacht, weil es so absurd ist. Es ist ein rasselndes, atemloses Geräusch, aber es hilft und bewirkt, dass sich etwas löst in seiner Kehle. Die Wärme von Dereks Hand sickert durch sein feuchtes T-Shirt, hinunter bis auf seine Haut. Er atmet ein und aus und wartet, bis sein Herzschlag sich von Schlagbohrer auf eine besser verträgliche Geschwindigkeit runter reguliert hat. „Es ist okay“, sagt er schließlich. Seine Stimme klingt rau. Dereks Augen sind groß und dunkel und er hat die Augenbrauen zusammengezogen. Er sieht erschrocken aus. „Es ist okay“, wiederholt Stiles. Derek zögert. Er lässt seine Hand einen Augenblick lang über Stiles‘ Rippen schweben, als hätte er Angst, dass Stiles auseinanderbricht sobald er loslässt. Vielleicht wird das passieren. Stiles ist nicht sicher. Er fühlt sich schon seit Wochen so, als ob Adrenalin, Adderall und Angstschweiß alles sind, was ihn noch zusammenhält. „Was war das?“ fragt Derek. Er klingt aufgewühlt. Stiles zuckt mit den Schultern und wendet den Blick ab. „Nichts.“ „Mach… mach das nicht nochmal.“ „Ich muss nach Hause.“ Er fährt sich mit einer Hand über das Gesicht. „Bitte fahr mich nach Hause.“ Derek schweigt, aber er nickt. Seine Hand greift nach dem Schlüssel und Stiles spürt das sachte Schnurren unter sich, als der Motor erneut anspringt. Er atmet ein und aus. Und er schließt die Augen. - Das gesamte Haus ist dunkel. Nur in der Küche brennt Licht. Stiles setzt einen Fuß vor den anderen, so langsam, als ob er auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung ist. Er hinterlässt feuchte Fußspuren auf dem Teppich und auf den Dielen. Er fühlt sich schwer und schwerelos zugleich. Losgelöst. Als ob es jemand anderes ist, der durch sein Haus läuft. Sein Vater sitzt am Küchentisch, mit dem Rücken zu ihm. Vor ihm steht eine nur noch halb gefüllte Whiskyflasche. Stiles spürt wie sein Herz in einem bodenlosen Fall in die Tiefe stürzt. „Dad…“, flüstert er. Sein Vater dreht sich nicht um. Er hat das Gesicht in den Händen vergraben und ihm gegenüber steht ein gerahmtes Bild von Stiles Mutter. Stiles fühlt sich, als ob jemand eine Hand in seinen Brustkorb geschoben hat und sein Herz zwischen den Fingern zerquetscht. Er kann sie nicht einmal ansehen. „Dad, bitte…“, formen Stiles Lippen lautlos, aber er kriegt keinen Ton hervor. „Geh in dein Zimmer.“ Es klingt sehr leise und sehr müde. Und er dreht sich immer noch nicht um. Stiles streckt eine Hand nach ihm aus, aber er lässt sie sinken, bevor er seinen Vater berühren kann. Zwischen ihnen ist ein Graben, den er nicht überbrücken kann. Der Blick seiner Mutter ruht auf ihm und er wendet sich ab, bevor er in Tränen ausbricht. Er stolpert nach oben. Erst als er auf seinem Bett liegt, fällt ihm auf, dass er immer noch Dereks Jacke trägt. Derek hat sie nicht zurück verlangt, als er ihn vor dem Haus abgesetzt hat. Sie ist warm. Alles andere ist eiskalt. Stiles rollt sich in ihr zusammen und schließt die Augen. Fortsetzung folgt Es tut mir leid? ^^* (Gebt es zu, ihr habt doch alle geahnt, dass das mit dem Telefon nach hinten los geht... ;) ) Dafür gabs erste, zarte Sterek-Gefühle, um die ganze Angst wieder auszugleichen! Und wieder wird es Zeit für "Fakten & Fiktion": :D Stockholm Syndrom: Ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert. Nein, natürlich trifft das auf Stiles nicht wirklich zu. ;-) Adderall: Ein Medikament was man gegen ADHS verschrieben bekommt - Stiles hat in 1x01 erwähnt, dass er "zu viel Adderall" hatte, weswegen es mein Head canon ist, dass er häufig mit der Dosis herumexperimentiert - vor allem wenn er die Nächte durchmacht, um irgendwas zu recherchieren. Macht das nicht zu Hause nach, Kinder! Ebenfalls canon - die Panikattacken. Das war nun kein richtige, da Derek sie dankenswerterweise abgebogen hatte, bevor es soweit kam. Manchmal kann es tatsächlich helfen, wenn jemand da ist. Aber das funktioniert absolut nicht immer. Deswegen, wenn ihr zu Panikattacken neigt, seid vorsichtig mit euch selbst und sucht unbedingt ärztliche/psychologische Hilfe. Alkohol: In der Serie tauchte es bisher ein oder zweimal auf, dass der Sheriff gerne mal zu viel trinkt, wenn irgendwas nicht gut ist, speziell in 1x10 "Co-Captain" und in 3x11, wo der FBI-Agent, (dessen Identität ein Spoiler wäre) sagt "Is he drinking again?". Keine Angst - das wird kein Riesenthema hier, zumal ich den Sheriff auch nicht als Alkoholiker sehe. ;) Ich denke eher, das ist wie Stiles mit seinem gelegentlichen Adderall-Missbrauch eine Coping-Strategie. Aber ich liebe die Serie ehrlich gesagt am allermeisten für diese vielen kleinen, konsequenten Details, die sie einstreuen. Deswegen versuche ich denen irgendwie treu zu bleiben. Hosted by Animexx e.V. 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