Painful Sunlights von Lina_Kudo (Schmerzhafte Sonnenstrahlen (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 1: Dunkelheit --------------------- Painful Sunlight Schmerzhafte Sonnenstrahlen Kapitel 1: DARKNESS Dunkelheit Die Sonne strahlt in ihrer vollen Pracht über dem wolkenlosen, hellblauen Himmel. Es herrschen angenehme, fast schon sommerliche Temperaturen. Viele nutzen das schöne Wetter aus; gehen draußen spazieren, machen einen Picknick, gehen Eis essen oder gar schwimmen. Genießen das warme Wetter in vollen Zügen. Von dieser Außenwelt bekomme ich jedoch nichts mehr mit. Das alles … erreicht mich nicht mehr. Immer noch starre ich mit ausdrucksloser Miene den Fernsehbildschirm an. Ich weiß nicht, wie lange ich bereits in dieser Position verharre. Ob es nun Sekunden, Minuten, Stunden oder gar Tage sind – ich kann es nicht sagen. Jegliches Zeitgefühl habe ich verloren. Doch das schwindende Zeitgefühl … ist wohl der Verlust, den ich gerade am ehesten verschmerzen kann. Der Monitor zeigt schon längst etwas Anderes an, und doch … sehe ich immer noch die Nachrichtenmeldung. Die Meldung, die mir den Boden unter den Füßen unwiderruflich weggerissen hat. Immer noch sehe ich dein Foto in Schwarz–Weiß. Umrahmt mit weißen Rosen. Und immer noch steht die Schlagzeile vor meinen Augen, die meinem Herzen ein Ende gesetzt hat: Trauer um Jungdetektiv Shinichi Kudo In dem Moment, als ich diese Zeilen gelesen habe, habe ich schlagartig aufgehört … zu existieren. Denn in einer Welt, in der du nicht lebst … kann ich nicht existieren. Unmöglich. Die Ran, die seit Stunden mit unbewegter Miene den Bildschirm anstarrt, ist nur noch eine jämmerliche, leere Hülle. Keine Wut oder Enttäuschung, dass ich, deine beste Freundin, so eine Nachricht über ein Fernsehgerät mitgeteilt bekommen musste. Keinen Schmerz, keine Trauer, keine Verzweiflung. Kein Verlangen, in Tränen auszubrechen, weil ich gerade erfahren habe, dass du, der wichtigste Mensch in meinem Leben, von mir gegangen bist. Diesmal für immer. Ich spüre … nichts davon. Einfach absolut gar nichts. Nicht einmal meine eigene Existenz. Alles, was bleibt, ist grenzenlose Leere. Leere, die alles zu verschlingen droht. Wie ein gigantisches Schwarzes Loch. Kurz, bevor es mich endgültig einsaugt, zeigt sich in mir plötzlich eine Regung. Vor meinem geistigen Auge eröffnet sich mir eine Szene … »Hör auf! Ich will nichts mehr hören! Ich kann das nicht mehr!« Ran saß auf ihrem Bett und hielt sich verzweifelt ihre Ohren zu. Gegen ihren Willen hatten sich wieder Tränen in ihren Augen gesammelt, die sich unaufhaltsam den Weg zu ihren Wangen bahnten. Weitere Laute, die aus ihrer Kehle kamen, waren nur noch verbitterte Schluchzer. Schuldbewusst starrte Shinichi auf den Boden. Er konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. Ihre Tränen zu sehen mit der Gewissheit, dass er der Grund für sie war, war für ihn inzwischen unerträglich geworden. Viel zu viel und viel zu lange musste sie nun schon seinetwegen leiden. Dabei war sie die Letzte, die so etwas verdient hatte. »Bitte Ran, bitte mach es nicht schwerer, als es ohnehin schon für uns ist«, begann er mit leiser Stimme, nachdem er sich vor ihr gekniet hatte und sah über seine Wimpern zu ihr empor. »Es ist nur noch dieses eine Mal. Ich muss diesen Fall nur noch zu Ende bringen, und dann bin ich wieder da. Und dann werde ich auch bleiben. Ich gebe dir mein Wort darauf.« Ran öffnete ihre Augen und sah ihn mit tränenverschleiertem Blick an. »Das hast du mir schon einmal versprochen. Und danach musste ich zwei Jahre auf dich warten. Zwei verdammte Jahre, Shinichi! Und jetzt, wo du endlich zurück bist, muss ich erfahren, dass ich dich nach einem Tag schon wieder gehen lassen muss? Wer sagt mir, dass du nicht schon wieder jahrelang verschwindest?« Ihre Stimme wurde dabei immer höher und lauter. Neben der puren Verzweiflung mischte sich nun auch die unbändige Wut in ihre momentane Gefühlslage. Es war für sie schon schwer genug gewesen, Conan gehen zu lassen. Der kleine Grundschüler war zu seinen Eltern zurückgekehrt, und das war ja auch richtig so. Doch er war wie ihr kleiner Bruder gewesen, den sie nie hatte. Ihr kleiner Schatz. Er war ihre größte Stütze gewesen in der letzten Zeit. In der Zeit, die sie ohne Shinichi überstehen musste. Gestern war Shinichi wieder aufgetaucht. Aber nur, um ihr nun zu offenbaren, dass er wieder wegmusste? Nie hätte sie gedacht, dass glückselige Freude und zerreißendes Leid so nahe beieinander liegen konnten – und nun musste sie die Erfahrung am eigenen Leibe spüren. Sie war sich sicher: Ohne den kleinen Conan würde sie es nicht durchstehen. Nicht noch ein weiteres Mal. »So sehr ich dich auch verstehen kann: Es geht leider nicht anders. Dieser Fall … ich muss ihn einfach zu Ende lösen. Aber ich verspreche dir …« Ran ließ ihn jedoch nicht ausreden. Sie hatte es endgültig satt. Immer wieder Fälle, Fälle, Fälle. Dinge, die er ihr immer vorziehen würde. Immer. Immer würde sie bei ihm nur an zweiter Stelle stehen. Ein einziges Mal in ihrem Leben wollte sie egoistisch sein. Wollte sie über den Fällen stehen. Wollte sie mehr wiegen als alle Fälle zusammen. War das denn zu viel verlangt? »Wenn du jetzt gehst, dann bitte ich dich: Komm nicht wieder zurück.« Fassungslos starrte Shinichi in die glänzenden, lavendelblauen Augen seiner langjährigen Sandkastenfreundin. Er öffnete seinen Mund, um etwas darauf zu erwidern, doch seine Kehle war staubtrocken. Keinen einzigen Laut brachte er heraus. Der Schock über das gerade Gesagte saß noch viel zu tief. Lag in den verstecktesten Zellen seines Herzens. Niemals in seinem Leben hätte er damit gerechnet, dass Ran so einen vernichtenden Wunsch haben könnte … »Ich halte das nicht mehr länger aus. Ich werde daran zerbrechen, und das will ich nicht. Ich … muss beginnen, auch mal an mich selbst zu denken. Und ich weiß: Ich schaffe das nicht mehr. Ich kann mich nicht immer und immer wieder von dir verabschieden. Es ist … viel zu schmerzhaft. Mit jedem Abschied zerreißt du ein weiteres Stück meiner Seele und nimmst es mit dir fort.« Trotz ihrer immer heiser werdenden Stimme wirkte nun seltsam ruhig und gefasst. Sie schloss ihre Augen, trocknete die Tränen ab und holte tief Luft. »Ich bitte dich: Wenn du jetzt gehst, dann schenke mir meine komplette Seele zurück und bleib für immer weg.« »Ich … habe leider keine andere Wahl.« Ausdruckslos sah Ran in Shinichis Augen. Seine Augen verrieten keinerlei Gefühlsregung. Oder sie war einfach nur zu blind vor Schmerzen, um überhaupt irgendetwas zu erkennen. Es war wie ein Messerstich ins Herz. Nicht nur ein Stich – Abermillionen von Messer durchbohrten in diesem Moment ihr Herz. Er hatte sich entschieden. So wichtig konnte sie ihm wohl nicht sein. Instinktiv biss sie sich auf die Unterlippe. Allerspätestens jetzt durfte sie keine Schwäche mehr vor ihm zeigen. Auch sie besaß so etwas wie Stolz. Sie erhob sich vom Bett. »Dann geh jetzt bitte. Leb wohl, Shinichi.« Das sind meine letzten Worte an dich gewesen. Das ist unser letztes Treffen gewesen. Und so … sind wir auseinandergegangen. Das erste Mal, seit mich die Nachricht über deinen Tod ereilt hat, kommt Bewegung in mir. Meine rechte Hand ballt sich zu einer Faust zusammen. So fest, dass sich meine Fingernägel in die Haut meiner Hand bohren und eine rote, warme Flüssigkeit aus den Wunden austritt. Doch ich bemerke die Schmerzen nicht. Nichts davon. Bin wie betäubt. Denn dieser physische Schmerz kann es nicht einmal ansatzweise mit dem Schmerz aufnehmen, der sich gerade Stück für Stück in meinem Herzen ausbreitet und die Leere verscheucht. Mit einem Schlag realisiere ich es. Du bist tot. Ich habe dich verloren. Endgültig. Und meine letzten Worte waren Worte, die ich aus Wut und Verzweiflung gesagt habe. Worte, die dich sicherlich zutiefst getroffen haben. Worte, die in keinster Weise so gemeint gewesen sind, wie sie gesagt worden sind. Und ausgerechnet diese sind meine allerletzten Worte an dich gewesen. Ich spüre das heiße Brennen in den Augen. Ein Gefühl, mit dem ich mich in den letzten zwei Jahren sehr vertraut gemacht habe. Und dann … lasse ich los. Gebe mich vollends meiner Trauer hin. Meiner Trauer über den Verlust der großen Liebe meines Lebens … Den einen Menschen, den man mehr als alles andere liebt, zu verlieren, ist so, als würde man die eigene Seele verlieren. Als würde der Geist einen verlassen und mit dem geliebten Menschen für immer fortgehen. Alles, was übrig bleibt, ist eine leere Hülle ohne Aussicht auf Freude oder gar Glück … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)