Krähenwinter von DerkhanBlue ================================================================================ Kapitel 4: The curse -------------------- Part 4 The curse Lautlos streifte der Wind durch den märchenhaften Wald aus Kristall und Glas, durch die Straßen der leblos scheinenden Stadt und flog hinauf, bis zu den höchsten Spitzen der Palasttürme. Und diese waren unglaublich hoch. Majestätisch reckten sie sich gen Himmel. Sie bestanden aus Marmor, genau wie der ganze Palast. Marmornes Weiß, wohin das Auge blickte. Der Wind streifte zwischen den Türmen hindurch und gelangte durch die offenen Fenster in die prächtig ausgestatteten Räume. Alle Räume waren menschenleer. Alle, bis auf einen. Dieser Raum war der Thronsaal. Der Thronsaal war der prächtigste aller Räume. Er war sehr weitläufig und es war leicht, sich darin richtig verloren zu füllen. Genau gegenüber des Eingangsportals lag der Thron. Er war genau wie alles andere aus weißem Marmor, mit Silber- und Goldmustern verziert und lag etwas erhöht. In der Mitte des Saals schwebte ein riesiger Kristall. Der Kristall war etwa so groß wie ein Mensch, rautenförmig und strahlte ein kaum sichtbares, dafür um so mehr fühlbares Licht aus. Im Saal befanden sich drei Personen. Ein schwarzer Wolf, eine feuerrote Wildkatze und ein Junge mit weißen Haaren und goldenen Augen. Der Wolf und die Katze hatten es sich auf den Treppen, die zum Thron hinaufführten, bequem gemacht. Filin hingegen stand am glaslosen Fenster und blickte auf die Stadt runter. Er sagte nichts. Er starrte einfach nach draußen und schien den beiden Tieren nicht zuzuhören. "Warum warst du so abweisend zu dem Mädchen?!", jammerte die rote Katze. "Du bist wirklich stur wie ein Esel!", fügte der Wolf hinzu. "Wolc hat Recht!", murrte die Katze und fügte leiser hinzu: "Ausnahmsweise!" "Was soll das heißen?!", schnappte der Wolf, fuhr dann aber fort: "Du weißt genau, dass wir ohne fremde Hilfe nichts ausrichten können!" "Außerdem widersetzt du dich den Befehlen der Königin!" Lange Zeit sagte keiner etwas. "Die Königin hat befohlen...", setzte die Katze an, aber Filin fuhr herum und zischte: "Sei still!" "Bin ich nicht!", rief die Katze. "Dir mag es vielleicht egal sein, was passieren wird! Aber uns ist es nicht! Wir hängen an dieser Welt! Du mit deiner Sturheit! Die Königin hat schon genug Sorgen, aber du treibst es auf die Spitze!" "Warte, Koshca! Du übertreibst!", knurrte der Wolf leise, so dass Filin ihn nicht hören konnte. "Nein! Mir reicht es! Ich dachte, du wolltest ihn auch zur Vernunft bringen! Also sag gefälligst etwas!", die Katze raste beinahe vor Wut. Dann fuhr sie an Filin gewandt fort: "Du... Du weißt genau, dass wir keine andere Wahl haben! Warum weigerst du dich, uns zu helfen?! Warum? Das ist doch verrückt!" "Sei still!", zischte Filin wieder. "Du hast doch keine Ahnung, wie das ist!", ließ die Katze sich nicht beirren: "Du bist der einzige, der nicht darunter leidet! Eigentlich kann es mir ja egal sein, aber denk doch an die Königin, deine Mutter!" "Was willst du damit sagen?!", schnappte Filin. "Was sie sagen will, ist, dass wir dich kaum noch wieder erkennen!", mischte sich Wolc ein. "Früher warst du nicht so gefühlskalt. Du hast diese Welt und ihre Bewohner geliebt!" "Das tue ich heute noch..." "Schwer zu glauben!", meinte Koshca. "Was ist passiert? Das kann doch nicht nur am Krieg liegen!", redete der Wolf weiter. "Du hast dich verändert..." "Als ob ich das nicht selber wüsste!", sagte Filin leise. Koshca hatte sich ein wenig beruhigt: "Und das Mädchen? Warum hast du sie weggeschickt? Sie hätte uns wirklich helfen können!" "Glaubt ihr das?", fragte Filin ruhig. "Ja!", antworteten die Beiden im Chor. "Na dann!", wieder blickte Filin auf die Stadt hinunter. "Woran denkst du?", fragte Wolc nach einiger Zeit. "Ich frage mich, ob das richtig wäre, sie um Hilfe zu bitten...!Wir haben so oft versucht, etwas am jetzigen Zustand unserer Welt zu ändern, aber nie hat es funktioniert... Ich bin mir nicht sicher, ob das noch möglich ist..." "Du gibst auf!?", flippte die Katze aus. "Warte, Koshca!", sagte Wolc dazwischen und dann an Filin gewandt: "Aber am Anfang, da hieltest du die Idee doch auch für gut. Warum jetzt nicht?" Filin blickte ihn traurig an: "Ich weiß es nicht, Wolc. Ich weiß es nicht..." Mit diesen Worten verließ er den Thronsaal. "Ich frage mich, was wohl in ihm vorgeht...", sagte der Wolf, kurz nachdem Filin gegangen war. "Was soll schon sein! Er...", erwiderte Koshca. "Wohl kaum... Etwas muss geschehen sein, was ihn seine Meinung ändern ließ... Aber was?" "Gute Frage..." Mit gemischten Gefühlen verließ Filin den Thronsaal und ging in den Garten. Der Wind war stärker geworden und zerrte an seiner Kleidung und seinen Haaren. Aber das war ihm egal. Er wollte allein sein, um seine Gedanken etwas zu ordnen. Auch wenn man es dieser scheinbar friedlichen Welt nicht ansah, es herrschte Krieg. Es war nur so ruhig, weil niemand zum Kämpfen da war. Der Grund dafür war schon mehrere Jahrhunderte alt. Damals prallten die beiden größten Heere dieser Welt aufeinander: das weiße Heer aus Crytal, dem Land des ewigen Schnees und das Schwarze Heer aus Night, dem Land der ewigen Nacht. Die beiden Heere waren gleichstark. So gewann mal das Eine, dann das Andere die Oberhand, aber ein Ende war nicht in Sicht. Nach mehreren Tagen, in denen sich beide Seiten eine erbitterte Schlacht lieferten und die Verluste auf beiden Seiten groß waren, fasste Vorona, die Königin von Crystal, einen Entschluss. Sie wollte nicht noch mehr unschuldige Opfer und bot dem König von Night einen Friedensvertrag an. Nach ausgiebiger Beratung mit seinen Kardinälen und sonstigen Offizieren stimmte dieser zu. Nur Dyavol, der Prinz von Night, wollte den Vertrag nicht. Er und einige ihm treu ergebene Leute wollten den Frieden um jeden Preis verhindern. Und dieser Preis war hoch... Damit der Vertrag auf immer und ewig hielt, sollte er auf magischer Ebene unterzeichnet werden. Nachdem König und Königin unterschrieben hatten wurde das Pergament in einen Kristall eingeschlossen und verschmolz mit diesem. So sollte solange dieser Kristall existierte Frieden zwischen den beiden Ländern herrschen. Doch als ein Priester sich auf den Weg machte, den Kristall an einen sicheren und geheimen Ort zu bringen, stürmten Dyavol und seine Gefolgsleute in den Raum. Es gab ein Handgemenge, in dem Dyavol seinen eigenen Vater mit einem Dolch erstach und den Kristall zum zersplittern brachte. Das Unvermeidliche trat ein, denn die Priester hatten den Kristall mit einem Bannspruch belegt, welcher garantieren sollte, dass selbst wenn der Kristall zerbrach, immer Frieden herrschen sollte. Doch keiner von ihnen hatte sich die Ausmaße dieses Zaubers ernsthaft vorgestellt... Die Splitter des Kristalls flogen über beide Reiche hinweg und hinterließen eine lautlose, schlafende Welt. Überall, in allen Städten und Dörfern, die die Kristallsplitter überflogen, fielen die Menschen in einen ewigen Schlaf. Sie nahmen ihre Seelengestalt an und schliefen. Für sie war die Zeit stehen geblieben... Der ewige Frieden war gekommen... Doch bevor sie selbst in den ewigen Schlaf fiel, sammelte Königin Vorona all ihre magische Kraft und schloss ihren Sohn Filin, zwei der Bediensteten und Freunde Filins und sich selbst in Eiskristall ein. Auf unbestimmte Zeit. Sie hoffte einfach, dass der Zauberbann sich irgendwann auflösen würde und sich eine Möglichkeit ergeben würde, die Bewohner beider Länder wieder zu erwecken. Das alles war nun schon vor mehreren Jahrhunderten geschehen und die Zeit hatte die Hoffnungen der Königin bestätigt. Mit der Zeit versiebte die magische Energie und die Kristalle lösten sich auf. Damals war auch Filin aus seiner Ohnmacht erwacht... und musste feststellen, dass er und die Königin die Einzigen waren, die ihre menschliche Gestalt noch annehmen konnten. Seine beiden besten Freunde Koshca und Wolc waren zwar ebenfalls 'wach', doch sie waren in ihrer Seelengestalt gefangen. Und die Königin... Aber das Schlimmste war, dass die Königin, als sie den Bann aussprach, zu viel Energie verbraucht hatte, so konnte es nicht mehr lange dauern, bis die Energie völlig verbraucht sein würde und die Königin... Verärgert schüttelte Filin den Kopf. Daran wollte er jetzt nicht denken. Er wusste, dass er dann die ganze Verantwortung übernehmen musste. Er setzte sich auf eine Bank, die unter einem schneeweißen Baum stand und vergrub das Gesicht in den Handflächen. Was sollte er tun? Er war der Kronprinz in einem Land, in dem alle Bewohner einen nichtendenwollenden Schlaf schliefen und seine Mutter, die Königin, verlangte, wenn auch nur indirekt, dass er sie alle irgendwie 'aufwecken' sollte. <>, dachte er und nicht zum ersten Mal überkamen ihn Zweifel, ob er einer solchen Aufgabe gewachsen war. Es war einfach zum verrückt werden. Schon seit langer Zeit zerbrach er sich den Kopf darüber, wie man den Bann, den die Priester über den Friedenskristall gelegt hatten, brechen könnte. Aber er fand keine Lösung! Und genau das ließ ihn sich so verändern. Er sagte kaum noch etwas, schien meistens woanders, in seiner eigenen Welt zu sein. Und manchmal mussten Wolc oder Koshca seinen Namen mehrmals rufen, bis er sie hörte. Er hatte Crystal, das Land des ewigen Schnees, immer geliebt, genau wie die Bewohner des Landes und tat es immer noch. Und genau das ließ ihn sich so miserabel fühlen; dieses Wissen, ihnen nicht helfen zu können. Als die Königin dann vorschlug, jemanden aus der 'anderen Welt' um Hilfe zu bitten, war in ihm die Hoffnung aufgeflammt, dass alles doch noch gut werden würde, aber dann hatte er wieder diese Zweifel über sich selbst gespürt und war wütend geworden. Was könnte dieses Mädchen schon ausrichten? Diese Frage hatte er der Königin gestellt, doch sie hatte ihm keine Antwort gegeben. <>, dachte Filin. Den Rest des Tages blieb er auf der Bank im weitläufigen Palastgarten sitzen. Der Wind pfiff durch die Äste des schneeweißen Baumes und jagte einige einsame Blätter hinauf zu den hohen Türmen, zwischen ihnen hindurch, in die fensterlosen Räume hinein und in den Thronsaal, wo ein schwarzer Wolf und eine feuerrote, große Wildkatze es sich auf den Treppen, die zum Thron hinaufführten, gemütlich gemacht hatten. Keiner von ihnen gab auch nur einen Laut von sich. Sie schienen zu schlafen, aber in Wahrheit hingen beide nur ihren individuellen Gedanken nach und wollte den anderen nicht mit überflüssigem Gequatsche stören... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)