Speciousness von Lina_Kudo (Trügerischer Schein (Shinichi&Ran)) ================================================================================ Kapitel 1: Complementative Sunset --------------------------------- Kapitel 1: CONTEMPLATIVE SUNSET »Ich möchte dich nicht mehr länger anlügen.« Es war ein schöner Sommernachmittag. Obwohl die Sonne bereits dabei war, unterzugehen, war es draußen immer noch strahlend hell. Auf den Straßen war es nach wie vor sehr belebt. Viele fuhren in den Feierabend oder gingen von einem schönen Städtetrip wieder nach Hause. Einige, größtenteils Pärchen, gingen auch erst jetzt allmählich in die Stadt, um gemeinsam essen oder ins Kino zu gehen. Wie gerne würde er nun auch ausgelassen mit Ran einen schönen Abend verbringen? Und zwar als ein richtiges Liebespaar, nicht als vermeintliches Geschwisterpärchen. Aber selbst dieser kleine Wunsch würde unerfüllt bleiben. Für unbestimmte Zeit zumindest. »Es wird immer schwerer, ihr immer weiter etwas vormachen zu müssen, hab ich Recht?«, ertönte Heijis Stimme direkt hinter ihm. Er hatte sich inzwischen zu ihm gesellt und blickte ebenfalls dem Sonnenuntergang entgegen. Nachdenklich schloss der kleine Junge mit der großen Brille seine Augen. »›Schwer‹ ist noch leicht untertrieben«, gestand er und seufzte tief. Dies war eine der wenigen Momente, wo sie tatsächlich offen über ›Gefühle‹ sprachen. Sie kamen selten genug vor, doch wenn sie da waren, dann umso intensiver. Inzwischen waren sie nun auch reifer geworden. Reif und erwachsen genug, um ihre wahren Gefühle nicht mehr vehement abzustreiten. Schließlich waren sie in der Zwischenzeit zu besten Freunden geworden, vertrauten sich blind und konnten über alles reden. Und wahrscheinlich sahen sie sich gegenseitig jeweils als einzigen Ansprechpartner an, was ihre Gefühlswelt anbelangte. Niedergeschlagen dachte Conan an die vielen Male, wo er sie beim Weinen ertappt hatte, ohne dass sie etwas davon mitbekommen hatte. Vor ihm hatte sie immer die Starke gemimt, doch in unbeobachteten Augenblicken überfiel sie doch die Trauer und Sehnsucht nach seinem wahren Ich. Und das konnte er mehr als nur gut nachempfinden, weil er in gewisser Weise das Gleiche durchmachte. Ihre Tränen zu ertragen und einsehen zu müssen, dass er der Grund war, warum sie flossen … Dieser Gedanke wurde für ihn von Tag zu Tag bitterer. »Manchmal frage ich mich wirklich, ob das richtig ist, was ich tue«, fuhr der scheinbar Siebenjährige fort. Seine Haltung war beinahe starr. Immer noch stand er gelassen vor dem Fenster; seine Hände tief in den Hosentaschen vergraben. »Ob es nicht einfacher wäre, ihr endlich die Wahrheit zu gestehen. Andererseits wäre es das Egoistischste, was ich tun könnte. Sie in diese ganze Sache mit hineinziehen und mit diesem Wissen zu belasten, nur um mein Gewissen zu erleichtern.« Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine schmalen Lippen. Sie wäre ja nicht die erste Person, die dann Bescheid wüsste über seine wahre Identität. Dieses Wissen teilte er bereits mit mehreren Leuten, und ausgerechnet sie, der wichtigste Mensch in seinem Leben, kannte die Wahrheit nicht. Allerdings hatte das auch einen guten Grund: Sie war jemand, dem die Sicherheit anderer wichtiger war als ihre eigene. Wenn sie von der Schwarzen Organisation erfuhr, würde sie zweifelsohne ihr Leben auf’s Spiel setzen, um ihn zu retten. Und er durfte nicht zulassen, dass sie sich wegen ihm in Gefahr brachte. Ihre Sicherheit hatte bei ihm oberste Priorität. Sie war ihm so wichtig, dass er so weit ging, die Wahrheit ihr gegenüber zu verschweigen. Und nicht nur das: Er gaukelte ihr immer wieder Lügen vor. Er, der es sich eigentlich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, stets die Wahrheit zu finden. Nicht zu vertuschen. Ironie des Schicksals? »Du siehst das mal wieder viel zu dramatisch, Kudo«, versuchte der Detektiv des Westens seinen besten Freund etwas aufzuheitern. »Leider … kann ich dir aber auch nicht sagen, was das Richtige ist. Aber egal, wie du dich auch entscheiden wirst: Ich werde hinter dir stehen. Ich bin mir sicher, dass du die richtige Entscheidung treffen wirst.« Ein kurzes Schweigen folgte, bevor der geschrumpfte Detektiv Heiji mit lehrender Stimme etwas mitgab. »Ich beneide dich, Hattori. Du hast nach wie vor deinen eigenen Körper und kannst jeden Tag mit deiner Sandkastenfreundin und heimlichen Liebe verbringen. Du löst deine Fälle und sie bewundert dich insgeheim dafür; ist immer an deiner Seite. So wie du immer an ihrer Seite bist. Gegenseitig stützt ihr euch, ohne es überhaupt zu merken. Ihr liebt euch, aber auf der anderen Seite wisst ihr noch nicht so wirklich zu schätzen, was ihr an dem anderen habt. Da ihr euch ebenfalls so lange kennt, ist die Anwesenheit des anderen für euch zur Selbstverständlichkeit geworden. Ihr kennt es gar nicht anders. Genauso war es bei Ran und mir. Bis zu jenem verhängnisvollen Tag. Weißt du: Ich an deiner Stelle würde nun sofort zu Kazuha rennen, sobald ich wieder in Osaka angekommen bin und ihr meine Liebe gestehen. Denn du weißt nie, ob nicht irgendetwas dazwischenkommt, was alles von heute auf morgen komplett auf den Kopf stellen könnte. Und ob du es dann nicht furchtbar bereust, ihr deine Gefühle nicht offenbart zu haben, als du noch die Chance dazu hattest.« Aufmerksam hatte Heiji seinem Freund zugehört und sah fasziniert zu ihm herab. »Kudo …« Mehr brachte er nicht zu Stande, und jedes weitere Wort war in diesen Sekunden auch überflüssig. Nur eine sichere Gewissheit lag in der Luft: Conan hatte recht. In allen Punkten. Sie schreckten hoch, als sie ein Geräusch aus dem Flur vernahmen. Kurz darauf erschien Ran am Türrahmen. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte Conan sie nur entgeistert anstarren. Wie lange war sie schon hier? Hatte sie etwa alles mitgehört? Auch Heiji wurde leichenblass, was durch seine dunkle Hautfarbe nur noch mehr auffiel. Conan fand sich zuerst wieder und begrüßte Ran fröhlich, als wäre nichts gewesen. Und wieder tat er es. Wieder machte er gute Miene zum bösen Spiel. Als hätte er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan. Dafür hätte er sich im gleichen Moment selbst ohrfeigen können. Auch bei der Oberschülerin bildete sich ein freundliches Lächeln. »Hallo Conan! Hallo Heiji! Das ist ja eine angenehme Überraschung, dass du uns mal wieder spontan besuchen kommst. Kazuha hast du nicht mitgebracht?« Heiji befreite sich ebenfalls aus seiner Starre und stand ihr Rede und Antwort. »Nein, ich bin hier wegen eines Falls, der sich bis nach Tokyo erstreckt hat und wollte Kazuha da nicht unbedingt mitnehmen. Ja, und da habe ich mir gedacht, dass ich euch mal einen kurzen Besuch abstatte.« »Du hast sicher Hunger, oder? Ich koche uns gleich mal etwas.« Gut gelaunt verschwand Ran in die Küche. Die beiden Detektive tauschten einen erleichterten Blick aus. Zum Glück schien sie nichts von ihrem vorherigen Gespräch mitbekommen zu haben. Das hätte gewaltig ins Auge gehen können. Da waren sie gerade noch einmal glimpflich davongekommen und hatten wohl mehr Glück als Verstand. Kapitel 2: It's Party Time! --------------------------- Kapitel 2: IT‘S PARTY TIME! »Ich möchte endlich wieder leben!« ****Rückblick**** Heiji befreite sich ebenfalls aus seiner Starre und stand ihr Rede und Antwort. »Nein, ich bin hier wegen eines Falls, der sich bis nach Tokyo erstreckt hat und wollte Kazuha da nicht unbedingt mitnehmen. Ja, und da habe ich mir gedacht, dass ich euch mal einen kurzen Besuch abstatte.« »Du hast sicher Hunger, oder? Ich koche uns gleich mal etwas.« Gut gelaunt verschwand Ran in die Küche. Die beiden Detektive tauschten einen erleichterten Blick aus. Zum Glück schien sie nichts von ihrem vorherigen Gespräch mitbekommen zu haben. Das hätte gewaltig ins Auge gehen können. Da waren sie gerade noch einmal glimpflich davongekommen und hatten wohl mehr Glück als Verstand. ****Rückblick**** Zufrieden betrachtete Ran sich mit einem schleichenden Lächeln im großen Spiegel ihres Zimmers. Zwar war sie nicht unbedingt die selbstbewussteste Person, doch im Großen und Ganzen fand sie sich eigentlich ganz in Ordnung. Sie trug ein königsblaues Cocktailkleid, welches recht kurz und eng geschnitten war, sodass es all ihre wohlgeformten Kurven an den richtigen Stellen betonte. Dazu trug sie silberne Pumps, eine ebenfalls silberne Kette und gleichfarbige Creolen. Ihre langen Haare hatte sie zu einem eleganten Dutt hochgesteckt, während ein paar vereinzelte Haarsträhnen ihr schmales Gesicht umrahmten. Sie hatte sich sogar dezent geschminkt mit Mascara und Eyeliner, und auch, wenn sie sich an diesen Anblick gewöhnen musste: Die betonten Augen gefielen ihr äußerst gut. Als es an der Tür klopfte, antwortete sie mit einem fröhlichen »Herein«. Conan machte die Tür auf und sofort fiel ihm die Kinnlade runter bei diesem Anblick. Konnte er seinen eigenen Augen noch trauen oder spielten sie ihm gerade einen gewaltigen Streich? Das konnte doch nicht wahr sein: Ran, die unschuldige, brave Ran – sie hatte fast nichts an! Das war ja nur ein Fetzen Stoff, der wirklich nur das Allernötigste verdeckte. Zumindest in seinen Augen, die vor Eifersucht jegliche rationale Sicht verloren hatten. Das hieß natürlich nicht, dass sie ihm darin nicht gefiel – ganz im Gegenteil – aber wo zum Teufel wollte sie mit diesem aufreizenden Outfit hin? Denn allem Anschein hatte sie vor, wegzugehen. Sie würde sich wohl kaum so zurechtgeputzt haben, wenn sie vorhatte, zu Hause zu bleiben. »R- Ran, wo möchtest du denn hin um diese Uhrzeit?«, fragte er, stets bemüht, nicht ins Stottern zu geraten und sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Er musste sich schon ganz stark zusammenreißen, um sie nicht unverhohlen anzustarren. Das würde ganz und gar nicht zu einem siebenjährigen Kind passen, wenn er bei ihrer momentanen Erscheinung zu sabbern beginnen würde. Aber … Verdammt, sie war so wunderschön, seine Ran. Angefangen bei ihren perfekten Gesichtszügen; den wunderschönen Augen, der süßen Stupsnase, den vollen Lippen bis hin zu ihrem langen, glänzend braunen Haaren. Mal ganz zu schweigen von ihrer durchtrainierten, aber trotzdem so weiblichen Figur: Die schlanken, aber festen Arme, ihre wohlgeformte Oberweite, die äußerst zierliche Taille, ihr knackiger Hintern und dann auch noch diese unendlich langen Beine … Stopp! Hier und nicht weiter! Conan kniff sich seine Augen unbewusst zusammen und schüttelte leicht den Kopf. Das war eine der vielen Momente, wo er es sowohl als Segen als auch als Fluch betrachtete, in einem Kinderkörper zu stecken. Segen, weil er sie eigentlich anhimmeln konnte, ohne dass sie ihn dafür gleich eins überbriet, falls sie ihn dabei tatsächlich erwischen sollte – im schlimmsten Fall würde sie ihn für frühreif halten. Fluch, weil er eben nicht mehr machen konnte, als sie nur zu bewundern. So sah er es zumindest in seiner jetzigen Lage. Wäre er aber in seinem eigenen Körper, hätte er sich bestimmt auch nichts getraut. Zumindest in absehbarer Zeit nicht. Ran lächelte ihn mild an. »Na ja, ich gehe mit Sonoko ein bisschen aus. Du solltest jetzt sowieso ins Bett gehen, mein Kleiner. Ich komme noch mit und decke dich zu, einverstanden?« Widerwillig nickte Conan. Ihm blieb ja leider auch gar keine andere Wahl. An Schlafen war jedoch nicht zu denken. Hinterherspionieren konnte er ihr aber auch nicht. Schließlich würde ihm sicher kein Zutritt in den Clubs gewährt werden. Und als so kleiner Junge durfte er sich sowieso so spät nicht mehr auf den Straßen aufhalten. Es würde ihn doch sofort jemand erwischen und aufsammeln und zur Polizei bringen. Natürlich war er schon oft alleine unterwegs. Aber er hatte sich meistens nicht erwischen lassen. So nachlässig, wie er in derartigen Situationen bezüglich Ran leider nun einmal war, sah er sich schon selbst im Revier sitzen und auf Onkelchen warten, der ihm sicher ordentlich die Ohren lang ziehen würde. Außerdem hatte seine Eifersucht noch keine so kranken Ausmaße angenommen, dass er sie schon stalken musste. Auch, wenn es ja nicht das erste Mal wäre … Nein! Nein, er vertraute ihr. Sie wollte einfach nur einmal ein bisschen Spaß im Leben haben; was war denn daran verwerflich? Sie war jung und sollte ihre Jugend ausnutzen, um sich zu amüsieren. Sie hatte schon genug gelitten seinetwegen; da musste er ihr dieses Vergnügen doch wenigstens gönnen. Dass er an ihrer Jugend nicht als Shinichi Kudo teilhaben durfte, musste er wohl oder übel akzeptieren. Dennoch verwirrte es ihn schon, warum sie ausgerechnet jetzt auf einmal damit anfing. Hatte ihr Sonoko etwa wieder eingeredet, dass sie sich doch mal mit anderen Typen amüsieren sollte? Diese verflixte Sonoko! An Verehrern mangelte es ihr ja nun wirklich nicht, und das konnte er ihnen auch in keinster Weise verübeln: Ran war ein Engel auf Erden. Unschuldig, rein, freundlich, nett, liebevoll und wunderschön. Noch dazu war sie so stark in jeder Hinsicht, aber auf eine Art und Weise, die trotzdem bei jedem Mann den Beschützerinstinkt weckte. Sie hatte alle Eigenschaften in sich vereint, die jeder anständige Mann am meisten an einer Frau schätzte. Und nun hatte sie doch tatsächlich vor, mit diesem Witz von Kleid das Haus zu verlassen?! Unwillkürlich erschienen vor seinem geistigen Auge Blicke der gaffenden Männer. Er wusste ganz genau, was in den Köpfen solcher Männer vorging, wenn sie das Objekt ihrer Begierde erblickten. Dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht. Nicht nur das: Er machte ihn rasend vor Wut und Eifersucht. Zwar vertraute er Ran, doch den Typen keinesfalls. Sein Misstrauen verringerte sich nicht, als er mitbekam, wie sie erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kam. Na ja, wenigstens war sie heil zurückgekehrt. Er setzte sich auf und gab vor, auf die Toilette zu gehen. In Wahrheit wollte er sich nur noch einmal mit eigenen Augen vergewissern, ob sie es tatsächlich war und in welcher Verfassung sie sich befand. Im nächsten Moment wäre sie beinahe über ihn gestolpert. »Oh, hallo Conan. Wieso bist du denn schon so früh wach? Ich habe dich aber nicht aufgeweckt, oder?« Dieser schüttelte lächelnd den Kopf. Das entsprach ja auch der Wahrheit: Sie hatte ihn nicht aufgeweckt. Er hatte bloß die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Mit betont kindlicher Stimme fragte er sie unschuldig: »Bist du jetzt etwa erst nach Hause gekommen, Ran? Du warst aber lange unterwegs!« Na spuck schon aus, wo du so lange warst! Ran lächelte ihn entschuldigend an. »Na ja, wir waren eben noch unterwegs und ich habe total die Zeit vergessen. Außerdem ist morgen doch sowieso Samstag.« Bestimmt war sie in irgendeinem Club oder Disko und hatte die ganze Nacht wild durchgetanzt. Das konnte sie einem kleinen Jungen natürlich schlecht im Detail erzählen. Allein die Vorstellung, wie sich bestimmt diverse Männer an sie herangemacht hatten auf der Tanzfläche, ließ sein Blut regelrecht kochen. Und wieder einmal verfluchte er das Schicksal, das es anscheinend nicht mit ihm gut gemeint und ihn in diesen Kinderkörper gesteckt hatte. Zwar wusste er, dass er gerade dabei war, sich in Selbstmitleid zu suhlen, doch er hatte nicht das geringste Bedürfnis, irgendetwas dagegen zu unternehmen. Kapitel 3: New Start -------------------- Kapitel 3: NEW START „Ich möchte nicht mehr länger warten!“ ****Rückblick**** Ran lächelte ihn entschuldigend an. »Na ja, wir waren eben noch unterwegs und ich habe total die Zeit vergessen. Außerdem ist morgen doch sowieso Samstag.« Bestimmt war sie in irgendeinem Club oder Disko und hatte die ganze Nacht wild durchgetanzt. Das konnte sie einem kleinen Jungen natürlich schlecht im Detail erzählen. Allein die Vorstellung, wie sich bestimmt diverse Männer an sie herangemacht hatten auf der Tanzfläche, ließ sein Blut regelrecht kochen. Und wieder einmal verfluchte er das Schicksal, das es anscheinend nicht mit ihm gut gemeint und ihn in diesen Kinderkörper gesteckt hatte. Zwar wusste er, dass er gerade dabei war, sich in Selbstmitleid zu suhlen, doch er hatte nicht das geringste Bedürfnis, irgendetwas dagegen zu unternehmen. ****Rückblick**** Die nächsten Tage verstrichen wie im Fluge und es nahm alles seinen gewohnten Lauf. Na ja, fast. Ran war nämlich nun öfter unterwegs als jemals zuvor. Normalerweise blieb sie ja fast immer zu Hause, schmiss den gesamten Haushalt, lernte für die Schule oder verbrachte ihre restliche Zeit mit ihm. Die Tatsache, dass sie nun ihre meiste Freizeit außerhalb der Wohnung und vor allem ohne ihn verbrachte, störte ihn gewaltig, auch wenn das vielleicht selbstsüchtig war. Selbst wenn er sie als Shinichi anrief, freute sie sich gar nicht mehr so wie früher. Außerdem war sie so ungewöhnlich gut gelaunt. Zwar war sie das in seiner Gegenwart fast immer, weil sie eine Frohnatur war, aber trotzdem. Natürlich freute er sich, wenn es ihr so überaus gut ging. Aber diese gute Laune kam ihm etwas … übertrieben und unpassend vor. Irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht. Das sagte ihm sein Instinkt. Und darauf hatte er bisher ja immer vertrauen können. Konnte es vielleicht sein, dass … Nein. Er wagte es nicht, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Denn allein dieser Gedankengang brach ihm das Herz. Sie … hatte doch nicht jemanden kennengelernt, oder? Er musste es herausfinden. Komme, was wolle! Als er am späten Nachmittag von Professor Agasa wieder nach Hause kam, hörte er auch schon ein fröhliches Summen aus Rans Zimmer. »Hallo Ran, ich bin wieder zurück«, begrüßte er sie von der Tür, und wieder einmal verschlug ihm ihr Anblick die Sprache. Meine Güte, hatte sie sich wieder herausgeputzt. Wenigstens hatte sie etwas mehr an als beim letzten Mal, aber trotzdem war sie äußerst schick gekleidet mit einem eleganten, knielangen Etuikleid in einem leuchtenden Rot und schwarzen Pumps, die ihre ohnehin bereits sehr langen Beine noch länger erschienen ließen. Wo wollte sie denn jetzt wieder hin? »Hallo mein Kleiner. Essen habe ich für dich schon vorbereitet; du musst es nur in die Mikrowelle schieben und fertig, okay? Ich habe noch etwas vor.« Ach, was du nicht sagst. Conan machte ein enttäuschtes Gesicht. Und diese Enttäuschung war keineswegs aufgesetzt. »Also muss ich wieder alleine essen?«, fragte er traurig und hoffte, sie damit doch noch dazu bewegen zu können, zu Hause zu bleiben. Bei ihm. Normalerweise zog diese Masche bei ihr immer. Ihr Herz war immer so leicht zu erweichen gewesen. Bis vor Kurzem zumindest. »Tut mir leid mein Kleiner, aber diese Verabredung kann ich leider nicht absagen«, entschuldigte sie sich, kniete sich zu ihm hinunter und tätschelte ihm versöhnlich den Kopf. Verabredung? Mit wem? »Du hast eine Verabredung? Mit wem denn? Und wo?« Er musste sich sehr beherrschen, um seine nun vollends ausgebrochene Eifersucht zu zügeln. Oh man, er klang doch gerade echt wie ein krankhaft eifersüchtiger Ehemann. Ran schien dies jedoch glücklicherweise nicht so zu sehen. Und wenn doch, ließ sie sich aber überhaupt nichts anmerken. »Ja, ich gehe mit Herrn Araide essen. Er ist echt total nett und anständig, nicht wahr? Noch dazu sieht er wirklich gut aus. Und dann ist er auch noch Arzt; also die perfekten Voraussetzungen hat er. Da muss man Sonoko wirklich Recht geben. Wir gehen in das Restaurant im obersten Stockwerk des Baker-Center-Gebäudes, also richtig fein essen. Ich bin schon total aufgeregt.« Das strahlende Lächeln auf ihrem Gesicht brach Conan das Herz. Fassungslos sah er zu Boden. Das durfte nicht wahr sein. Das war ein ganz schrecklicher Albtraum. Es fühlte sich an, als ob unzählige Schwerter gerade sein Herz durchbohrten. Hatte sie ihn etwa schon vergessen? Hatte sie es nun endgültig satt, auf ihn zu warten? Wollte sie sich stattdessen auf Araide einlassen? Und was ihn am meisten traf: Sie ging mit ihm zu diesem Restaurant essen. Das Restaurant, in dem sie mit ihm war. An dem Ort, wo er ihr eigentlich seine Liebe gestehen wollte. Sein Mund fühlte sich staubtrocken an, als er seine Stimme wiederfand: »Ist das da, wo du mit Shinichi gegessen hast?« Schlagartig wurden Rans Augen traurig. »Ja, da hast du Recht«, bekam sie lediglich ein Flüstern zu Stande. Doch im nächsten Moment strahlte sie reine Zuversicht aus. »Ich habe mir gedacht, dass der Ort, an dem er mich sitzen gelassen hat, ideal dafür ist, um einen neuen Lebensabschnitt zu wagen, verstehst du? Obwohl: Du bist noch zu jung, um das zu verstehen. Irgendwann habe ich nämlich auch ich nicht mehr die Kraft, zu warten ohne Aussicht auf … na ja, Glück. Wo habe ich denn die Garantie, dass er wirklich jemals wieder zurückkehren wird? Jedes Mal, wenn ich ihn mal kurz zu Gesicht bekomme, verschwindet er genauso schnell, wie er gekommen ist. Immer zieht er die Fälle mir vor. Ihm kann doch gar nicht so viel an mir liegen. Warum sollte ich all meine Liebe ewig für jemanden aufheben, dem jeder noch so kleine Fall wichtiger ist als ich?« Zum Ende hin wurde sie doch deprimiert, was man ihr auch deutlich ansah. Für Conan wurde das dadurch noch unerträglicher als ohnehin schon. Am liebsten würde er jetzt sofort die Katze aus dem Sack lassen und ihr die ganze Wahrheit sagen. Aber … sie in Gefahr zu bringen, nur, damit sie weiterhin auf ihn wartete. Nur, um seinen Arsch zu retten, damit sie ihm nicht aus den Fingern glitt. Er konnte nicht so egozentrisch sein … »Aber er hat dich doch gebeten, dass du auf ihn warten sollst. Er hat versprochen, zu dir zurückzukehren. Und wenn es das Letzte ist, was er in seinem Leben noch tun wird …« Sein Herz raste, als er seine Worte von damals wiederholte. Von Conans Stimme war am Ende nur noch ein Hauchen übrig. Seine Augen waren zu Boden gerichtet, doch trotzdem spürte er ihren Blick auf ihm brennen. »Und was er sagt ist Gesetz oder wie? Er ist ein analytischer, rationaler Denker, der von Gefühlen nicht die geringste Ahnung hat. Zwar hat er mir in London damals indirekt seine Liebe gestanden …« Sie stockte kurz, während sich auf ihren Wangen doch ein verräterischer Rotschimmer bildete. Conan war in diesem Moment jedoch zu blind, um davon Kenntnis zu nehmen. »Doch wenn er mich wirklich lieben würde, dann wäre er jetzt hier und würde nicht was weiß ich wo ständig an irgendwelchen Fällen arbeiten. Bei uns in Tokyo mangelt es schließlich auch nicht gerade an diversen Mordfällen.« Sie sah auf die Uhr. »Oh, schon so spät? Ich muss jetzt wirklich los, sonst komme ich noch zu spät. Also wenn ich zurück bin, wirst du schon im Bett sein; also wünsche ich dir schöne Träume und bis morgen, ja?« Sie gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange und verließ schnellen Schrittes die Detektei. Conan blieb zutiefst schockiert zurück. Noch nie in seinem Leben war er sich so schäbig und einsam vorgekommen. Am liebsten wollte er raus aus seiner Haut. Mit irgendeinem Körper tauschen oder vielleicht sogar sein Gedächtnis löschen lassen, um tatsächlich nur noch ein normales siebenjähriges Kind sein. Alles war ihm lieber als den Schmerz, den er gerade durchlitt. Es fühlte sich für ihn so an, als wäre er ein Atemzug davon entfernt, sie zu verlieren. Oder hatte er sie schon längst verloren? Kapitel 4: Truth ---------------- Kapitel 4: TRUTH »Ich weiß alles!« ****Rückblick**** »Doch wenn er mich wirklich lieben würde, dann wäre er jetzt hier und würde nicht was weiß ich wo ständig an irgendwelchen Fällen arbeiten. Bei uns in Tokyo mangelt es schließlich auch nicht gerade an diversen Mordfällen.« Sie sah auf die Uhr. »Oh, schon so spät? Ich muss jetzt wirklich los, sonst komme ich noch zu spät. Also wenn ich zurück bin, wirst du schon im Bett sein; also wünsche ich dir schöne Träume und bis morgen, ja?« Sie gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange und verließ schnellen Schrittes die Detektei. Conan blieb zutiefst schockiert zurück. Noch nie in seinem Leben war er sich so schäbig und einsam vorgekommen. Am liebsten wollte er raus aus seiner Haut. Mit irgendeinem Körper tauschen oder vielleicht sogar sein Gedächtnis löschen lassen, um tatsächlich nur noch ein normales siebenjähriges Kind sein. Alles war ihm lieber als den Schmerz, den er gerade durchlitt. Es fühlte sich für ihn so an, als wäre er ein Atemzug davon entfernt, sie zu verlieren. Oder hatte er sie schon längst verloren? ****Rückblick**** Rans Handy begann zu klingeln, sodass ihre kleine Handtasche von leichten Vibrationen geschüttelt wurde. Sofort fischte sie es heraus, drückte den grünen Knopf und hielt es an ihr Ohr. »Hallo?« Zwar hatte sie seinen Namen bereits am Display gesehen; wollte ihn aber trotzdem nicht überschwänglich begrüßen. Nicht einmal das wollte sie ihm gönnen. »Hallo Ran, ich wollte nur mal fragen, wie es dir geht und was du so treibst?«, ertönte die ihr vertraute Stimme Shinichis am anderen Ende der Leitung. Irrte sie sich oder war ein Anflug von leichter Bedrückung in seiner Tonlage zu vernehmen? »Mir geht es ausgezeichnet und ich treffe mich jetzt mit Sonoko. Du rufst aber in letzter Zeit ziemlich häufig an. Langweilst du dich etwa schon an deinem Fall?« Ihre Stimme triefte nur so vor Sarkasmus, während sie weiter durch die Straßen schlenderte. »Du Shinichi; ich muss jetzt leider auflegen. Wir hören uns sicher irgendwann mal wieder. Bis demnächst.« Unmittelbar nach diesem Satz legte sie auf. Conan hielt sein Handy eine gefühlte Ewigkeit weiterhin am Ohr; konnte sich nicht regen und hörte wie hypnotisiert das Piepen am Telefon, nachdem die Verbindung zwischen ihnen abgebrochen worden war. Wütend und verzweifelt biss er seine Zähne zusammen. Schon schlimm genug, dass sie sich mit diesem Araide traf. Nein; jetzt log sie ihn auch noch scheinheilig an und legte einfach so auf! In ihm staute sich der Zorn an, als er in seine Schuhe schlüpfte und zügige das Haus verließ. Mit einem deutlichen Ziel vor Augen steuerte er Professor Agasas Haus an. Ran war inzwischen ganz oben im Restaurant des Baker-Centers angekommen. Da die zu erwartende Person noch nicht angetroffen und sie ohnehin etwas zu früh dran war, obwohl sie sich zuvor in den unteren Geschäften bereits ein wenig die Zeit vertrieben hatte, beschloss sie, beim Eingang des Restaurants auf sie zu warten. Ein vorfreudiges, zuversichtliches Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. Gleichzeitig hielt sie Ausschau und guckte sich immer wieder verstohlen um. Die Minuten verstrichen und kamen ihr wie kleine Ewigkeiten vor. Und immer noch keine Spur von ihm – weit und breit. Lag ihm vielleicht doch nichts an ihr? Sie war kurz davor, die Hoffnung bereits aufzugeben, als sie im nächsten Augenblick schnelle Schritte vernahm, die sich ihr immer weiter näherten. Sofort horchte sie auf und blickte in die Richtung, aus der die Schritte kamen. Ihre Augen weiteten sich überrascht. Diese Statur. Dieser Lauf. Diese Haare. Dieses Gesicht. Er trug das gleiche Outfit wie beim letzten Mal, als sie hier gemeinsam gegessen hatten: Ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und einen hellblauen Blazer. Wie unverschämt gut er doch aussah. »Shinichi«, flüsterte sie tonlos. Shinichi wurde immer langsamer, bis er schließlich ziemlich außer Atem vor ihr zum Stehen kam. Auch, wenn er sportlich war: Ein kilometerlanger Sprint zehrte selbst an seiner Ausdauer. »Shinichi, was machst du denn hier?«, vernahm er ihre perplexe Stimme. Mit zusammengebissenen Zähnen sah er auf sie herab. Auf ihre Frage ging er gar nicht erst ein. Er war rasend vor Wut. »Hast mich wohl nicht erwartet, was? Na, wo bleibt denn dein toller Araide? Hat er dich etwa sitzen lassen?« Er machte sich gar nicht erst die Mühe, seine Ironie zu verbergen. Wieso auch? Ran verengte ihre Augen zu kleinen Schlitzen. »Woher weißt du, dass ich mit ihm verabredet bin?«, fragte sie ihn mit bebender Stimme. Shinichi ließ sich von der Schärfe nicht beirren und fuhr sich gelassen durch die Haare. Er wäre nicht Shinichi Kudo, wenn er sich nicht im Vornherein schon einige Ausreden zurechtgelegt hätte. Er hatte an alles gedacht. Doch selbst, wenn nicht: Durch seine schlagfertige Redekunst fielen ihm in solchen Situationen auch spontan immer die richtigen Worte ein. »Conan hat es mir erzählt. Ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen und habe gemerkt, dass du in letzter Zeit total merkwürdig am Telefon bist. Und da habe ich mal Conan angerufen und er hat mir erzählt, dass du nur noch unterwegs bist und dich heute sogar mit Herrn Araide verabredet hast.« Er konnte es nicht verhindern, dass Vorwurf in seiner Stimme mitschwang. Auch, wenn er gar nicht das Recht hatte, sich ihr gegenüber so griesgrämig zu verhalten – schließlich waren sie ja nicht zusammen. Allerdings war er einfach nicht mehr dazu fähig, vernünftig zu denken oder zu handeln. Ran ließ den Kopf plötzlich hängen. Ihre Haare an der Stirn fielen ihr vor die Augen und behinderten so seine Sicht auf das warme Lavendelblau. »Erzähl mir keinen Mist. Wie lange willst du mich noch an der Nase herumführen, Shinichi?« Shinichi glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als sie folgenden Satz aussprach: »Ich weiß alles!« Kapitel 5: Confession --------------------- Kapitel 5: CONFESSION »Du hast die Wahrheit verdient …« ****Rückblick**** Ran ließ den Kopf plötzlich hängen. Ihre Haare an der Stirn fielen ihr vor die Augen und behinderten so seine Sicht auf das warme Lavendelblau. »Erzähl mir keinen Mist. Wie lange willst du mich noch an der Nase herumführen, Shinichi?« Shinichi glaubte, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als sie folgenden Satz aussprach: »Ich weiß alles!« ****Rückblick**** Shinichi schluckte schwer. Der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Die Luft hatte er unbewusst für Sekunden angehalten. Der Schock saß tief in seinen Knochen. Das war es dann wohl. Sie wusste zweifelsohne über alles Bescheid. Allein ihr Blick verriet es ihm. Es war also überflüssig, sich mal wieder dumm zu stellen. Und allerspätestens nach ihrem folgenden Satz waren endgültig alle Zweifel beseitigt. »Anscheinend kannst du dich ja nach Belieben hin- und herverwandeln, mein lieber Shinichi. Oder bist du es nun eher gewohnt, von mir ›Conan‹ genannt zu werden?« Diesmal gab es keine Chance, sich irgendwie rauszureden. Offen gestanden wollte er das eigentlich auch gar nicht mehr. Diese ewige Lügerei führte doch zu nichts. Außer zu Leid und Schmerz für beide. Es würde nichts bringen, dieses Spiel weiter fortzuführen. Es würde sie nur noch mehr verärgern und demütigen als ohnehin schon. Und er wollte sie jetzt auch nicht unbedingt fragen, woher sie das wusste. Er war ihr zunächst Antworten schuldig, nicht umgekehrt. Der Siebzehnjährige schaute über Ran hinweg zu dem hinten stehenden Restaurant. »Möchten wir uns vielleicht setzen und etwas essen?«, fragte er sie und streckte ihr ein wenig ängstlich seine Hand aus. Zu seiner Erleichterung nahm sie seine Hand und somit auch das Angebot an. Beiden durchzuckte ein wohliges Gefühl, als sie die Haut des anderen berührten. Es fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag, konnte jedoch nicht angenehmer sein. Und so kam es, wie es kommen musste: Er erzählte ihr alles. Von Anfang bis zum Ende; ließ dabei keine Kleinigkeit aus. Er begann mit dem Vorfall im ›Tropical Land‹, wo alles begonnen hatte und arbeitete sich Stück für Stück vor. Bis zum momentanen Stand. Ran ließ ihn ausreden und unterbrach ihn kein einziges Mal. Ihre Miene machte innerhalb seiner Erzählung jegliche Emotionen durch, die es gab: Von Ungläubigkeit, Verzweiflung, Entsetzen und Angst bis hin zu Enttäuschung, Sorge, Scham und Reue. Dennoch gab sie keinen Ton von sich, der ihn aus seiner Offenbarung rausbringen konnte. Sie wollte alles wissen. Sie wollte verstehen, warum er so gehandelt hatte, denn sie wusste: Dafür hatte es einen guten Grund geben müssen. Und damit behielt sie auch Recht, wie sie nun feststellen musste. Shinichi endete ruhig mit seiner Erzählung und nahm anschließend einen Schluck aus seiner Saftschorle, da er in der Zwischenzeit einen ziemlich trockenen Hals bekommen hatte von der ganzen Rederei. Sie hatten sich noch kein Essen bestellt, denn während des Speisens so ein ernstes Gespräch zu führen – danach war ihnen beiden nicht zumute. Zwar hätten sie auch erst essen und dann reden können, doch in Anbetracht der Situation hatten sie keinen besonders großen Hunger gehabt und hätten auch gar nicht entspannt essen können unter solch angespannten Umständen, sodass sie das klärende Gespräch vorverlegt hatten. Zwar sah man es Shinichi nicht an, doch er war mehr als nur nervös. Sein Blut pochte in seinen Ohren und er musste sich schon sehr zusammenreißen, um das Glas in seiner Hand nicht zittern zu lassen. Er traute sich kaum, ihr in die Augen zu sehen; so miserabel fühlte er sich, nachdem er nun gestanden hatte, dass er sie, seine beste Freundin, die er schon fast sein ganzes Leben lang kannte, so lange hinter das Licht geführt hatte. Wie würde Ran nun reagieren? Wütend? Enttäuscht? Verletzt? Wahrscheinlich alles auf einmal. Und das hatte er ja auch verdient, nachdem er sie so mies angelogen hatte, auch wenn es nur zu ihrem Schutz gewesen war. Das bedeutete jedoch nicht, dass das auch seinem Willen entsprochen hätte. Auf gar keinen Fall! Sie sollte nicht mehr leiden. Keine einzige Sekunde länger. Schon gar nicht seinetwegen. Ran hatte es am wenigsten von allen Menschen, die er kannte, verdient. »Du ... schwebst also in größter Gefahr. Die Schwarze Organisation trachtet nach deinem Leben. Das ist ja furchtbar.« Erstaunt sah Shinichi zu ihr hoch. Anstatt dass sie sauer oder enttäuscht von ihm war, weil er sie so lange getäuscht hatte, war ihre erste, richtige Reaktion Sorge um ihn. Und gerade das war doch so typisch für sie. Trotzdem schaffte sie es, ihn jedes Mal auf’s Neue mit diesem engelsgleichen Charakterzug zu überraschen. Ein zärtliches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen, welches kurze Zeit später auch seine Augen erreichte. »Noch wissen sie ja nicht, dass ich noch lebe«, versuchte er sie zu beruhigen, nahm all seinen Mut zusammen und griff nach ihrer Hand, die auf dem Tisch gebettet war. »Solange das nicht ans Licht kommt, sind wir vorerst in Sicherheit«, erklärte er und sah ihr dabei tief in die Augen. »Warum hast du dich mir nicht schon früher anvertraut? Ich werde dir beistehen und so gut es geht unterstützen. Gemeinsam kriegen wir das doch hin!« Shinichi schloss ernst seine Augen. Auch wenn er es nicht preisgab: Er war gerührt von ihrer unendlichen Fürsorge. »Ich wollte dich einfach nicht mit diesem Kram belasten und dich in unnötige Gefahr bringen. Denn deine Sicherheit hat bei mir oberste Priorität.« Er öffnete seine Augen wieder und sah direkt in ihre. Er merkte es dabei selbst nicht, wie sich sein Griff um ihre Hand festigte. »Du wirst dich aber bald wieder in Conan zurückverwandeln, oder?«, fragte sie leise und sah etwas betrübt zu ihren Händen. Natürlich liebte sie Conan nach wie vor; schließlich war er so etwas wie ihr kleiner Bruder gewesen. Doch nun war er zugleich auch die Liebe ihres Lebens – schon verrückt. Wie sollte sie in Zukunft bloß mit ihm umgehen? Aber das war wohl auch eine der Gründe, warum er ihr diese Sache so lange vorenthalten hatte. »In ungefähr 24 Stunden werde ich mich wieder zurückverwandeln – leider«, fügte er langsam hinzu und war nicht minder betrübt darüber. Wie gerne würde er endlich dauerhaft in seinem echten Körper bleiben? Als Shinichi Kudo weiterleben, gemeinsam an Rans Seite. Für immer. Doch da fiel ihm urplötzlich etwas Entscheidendes ein: »Sag mal, hat dich jetzt Araide wirklich sitzen gelassen?« Ran schüttelte grinsend den Kopf. »Ich bin gar nicht mit ihm verabredet gewesen. Das war nur ein Test, um zu sehen, wie du darauf reagieren würdest. Und in meinen Augen hast du genau so reagiert, wie ich es mir gedacht und erhofft habe und hast dich damit endlich selbst verraten.« Eine Spur von Selbstgefälligkeit zierte ihre triumphierende Miene. Shinichi setzte eine Grimasse auf. »Du Schlingel du. Aber raffiniert; das muss man dir lassen.« Ja, das musste er zugeben. Sogar Engel konnten äußerst gerissen sein. Der lebende Beweis saß gerade direkt vor seiner Nase und lachte sich ins Fäustchen. »Wie bist du eigentlich darauf gekommen? Zwar hattest du schon öfters den Verdacht gehegt, aber diesmal warst du dir ja zu hundert Prozent sicher?!« Die Neugier, die ihm in die Wiege gelegt worden war, versuchte er gar nicht erst zu verbergen. »Na ja; ich habe es ja eine Zeit lang schon wieder geahnt, und mein Verdacht wurde endgültig bestätigt, als letztens Heiji da war und ihr euch miteinander unterhalten habt. Ich war nämlich etwas früher da und hab … nun ja, ein bisschen gelauscht.« Siegessicher legte sie ihren Kopf schief, jedoch nicht ohne einen Hauch von einem schlechten Gewissen, weil es sich ja eigentlich nicht gehörte, anderer Leute Gespräche zu belauschen. Trotzdem war sie heilfroh, es getan zu haben, weshalb sich ihr Schuldgefühl dennoch in Grenzen hielt. »Also dafür, dass ihr zwei Meisterdetektive seid, wart ihr ziemlich nachlässig«, neckte sie ihn. Okay; das war in der Tat peinlich, dass sie beide, die besten Jungdetektive Japans, keine Notiz davon genommen hatten und anscheinend so tief in ihr Gespräch vertieft gewesen waren. Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht. Vielleicht sollte das passieren, damit es zwischen ihm und Ran endlich keine Geheimnisse mehr gab. Vielleicht wollte Gott es so; damit es beide leichter hatten. Vielleicht würde von nun an alles besser werden. Vielleicht. Mit einem Schlag wurde ihm plötzlich klar, dass das nun ihr erstes Aufeinandertreffen nach seinem mehr oder weniger gelungenen Liebesgeständnis in London war. Ach herrje … Sofort wurde er knallrot um die Wangen, ließ ihre Hand los und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Dies blieb von Ran natürlich nicht unbemerkt. »Was hast du denn auf einmal?«, hakte sie stirnrunzelnd nach. »Ach nichts«, lenkte er sofort ein und griff nach der Speisekarte. »Wollen wir schon mal etwas zu essen bestellen, denn so langsam bekomme ich einen Bärenhunger«, führte er sein Ablenkungsmanöver weiter fort. Zu seiner Erleichterung mit Erfolg. Kapitel 6: Full Moon Night -------------------------- Kapitel 6: FULL MOON NIGHT »Ich liebe dich …« ****Rückblick**** Mit einem Schlag wurde ihm plötzlich klar, dass das nun ihr erstes Aufeinandertreffen nach seinem mehr oder weniger gelungenen Liebesgeständnis in London war. Ach herrje … Sofort wurde er knallrot um die Wangen, ließ ihre Hand los und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Dies blieb von Ran natürlich nicht unbemerkt. »Was hast du denn auf einmal?«, hakte sie stirnrunzelnd nach. »Ach nichts«, lenkte er sofort ein und griff nach der Speisekarte. »Wollen wir schon mal etwas zu essen bestellen, denn so langsam bekomme ich einen Bärenhunger«, führte er sein Ablenkungsmanöver weiter fort. Zu seiner Erleichterung mit Erfolg. ****Rückblick**** Shinichi und Ran schlenderten durch den Park Tokyos. Hand in Hand, versteht sich. Der junge Mann hatte doch tatsächlich all seinen Mut zusammengenommen und ihre Hand genommen, was sie auch liebend gerne zugelassen hatte. Schließlich wussten beide über die Gefühle des jeweils anderen Bescheid; warum also sich noch hinter den Gefühlen verstecken? Aber eine Frage blieb doch noch in der Luft hängen: Waren sie eigentlich nun zusammen? Also so richtig zusammen? Irgendwie schwebten diese unausgesprochenen Gefühle doch noch wie eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen. Wahrscheinlich würden sie erst endgültig zusammen sein, wenn er ihr nun direkt seine Liebe gestand und nicht indirekt durch mehrere Ecken, wie er es damals in London getan hatte. Er musste endlich mal über seinen Schatten springen und seinen Mann stehen. Schließlich war er doch schon seit der Grundschule in sie verliebt. Und seit er sich in Conan verwandelt hatte, war seine Liebe zu ihr mit jedem Tag nur noch mehr gewachsen. Und dadurch, dass er tagtäglich in ihrer Nähe war, wusste er nun auch, wie sie zu ihm stand. Also brauchte er doch gar nichts zu befürchten … Oder? Als sie gerade an einer Bank vorbeigehen wollten, blieb Shinichi stehen. »Ran, möchten wir uns vielleicht setzen?«, fing er mit einem leisen Räuspern an. »Von hier aus haben wir echt einen schönen Ausblick zum Sternenhimmel. Ich würde gerne mit dir den Vollmond genießen, solange ich es in meinem wahren Ich noch kann.« »Gerne«, erwiderte Ran und zog ihn gleich mit sich zu der Bank. Als sie ihren Blick zum Vollmond richteten, verschlug es ihnen beiden erst einmal die Sprache. Die Sicht war wirklich atemberaubend. Sah der Vollmond schon immer so riesig aus? »R- Ran. Auch, wenn du es schon weißt, wollte ich es dir noch einmal direkt sagen. A- Also … ich wollte es dir schon so lange sagen …« Na super. Jetzt bekam er nicht mehr raus als ein unbeholfenes Herumgedruckse. Hinzu kam, dass er weder still sitzen noch ihr in die Augen sehen konnte. Bravo, Shinichi! Du wirst ja richtig erwachsen und seriös. Ran beobachtete ihn mit einer faszinierenden Aufmerksamkeit. Er würde für sie immer ein Rätsel bleiben. Beim Lösen eines Falls war er immer so souverän und die Coolness in Person. Niemand konnte ihm da etwas vormachen oder gar einschüchtern. Aber wenn es um seine eigenen Gefühle ging, war er so unglaublich unsicher. Ob das daran lag, dass alles, was sich auf der Gefühlsebene befand, nicht logisch zu erklären war? Mit Sicherheit. Da sie nicht auf den Kopf gefallen war und natürlich ahnen konnte, was Shinichi ihr sagen wollte, half sie ihm etwas auf die Sprünge. »Ja, Shinichi? Was möchtest du mir denn sagen?« Fast schon etwas ängstlich sah er ihr in die Augen, die ihm mit einem Schlag so viel Mut gaben. »Nun reiß dich endlich zusammen, sei ein Mann und gesteh ihr deine Liebe, Kudo!«, redete er in Gedanken auf sich selbst ein und holte tief Luft. »Ich … liebe dich, Ran.« Diese weitete vor entzückter Überraschung ihre Augen. Das ging ja doch schneller als gedacht. Wie von selbst rutschten sie enger zusammen. Rans Augen begannen zu glitzern. Es war so weit. Wärme durchflutete ihren gesamten Körper. Es war sogar noch viel schöner als damals in London vor dem ›Big Ben‹, obwohl … Vielleicht nicht unbedingt schöner – denn auch seine damalige Offenbarung würde für sie immer etwas ganz Besonderes bleiben – aber auf jeden Fall um einiges romantischer. Diesmal war es eine Liebeserklärung, die unmissverständlich an sie gerichtet war. Er sprach direkt sie an; sprach nicht von einer dritten Person, auch wenn damals natürlich auch klar war, dass sie damit gemeint war. »Ich ... Ich liebe dich auch, Shinichi«, brachte sie vor Glück nur noch ein Flüstern zu Stande. Shinichis Reaktion darauf war ein überglückliches Strahlen, während er sich langsam ihrem Gesicht nähert. »Aber das weißt du ja schon«, fügte sie leise hinzu, bevor sich ihre Lippen endlich trafen. Es war, als würde sich in diesem Moment ein Zauber über sie legen. Als stünde die Zeit für Sekunden still. Das Gefühl des vollkommenen Glücks, der Liebe und der Wärme, die sie sich gegenseitig schenkten, durchströmte ihre Körper und ließen sie für wenige Augenblicke alles andere um sich herum vergessen. Von diesem Moment an waren die beiden nun ein richtiges Liebespaar. Zumindest Shinichi Kudo und Ran Mori. Shinichis Zeit war zeitlich begrenzt, sodass es nicht lange dauern würde, bis er wieder seine zweite, unliebsame Identität annehmen musste. Die Identität von Conan Edogawa. Dass nun Ran ebenfalls alles wusste, machte die Umstände des kleinen Detektivs wider Erwarten sehr viel einfacher. Endlich musste er dieses Versteckspiel nicht mehr vor Ran spielen, was ihm mehr als nur guttat. Nun musste er sie nicht mehr leiden sehen, denn sie wusste, dass er in Sicherheit war und dass es ihm gut ging. Dass er sogar bei ihr war. Und dadurch litt auch er nicht mehr und konnte sich stärker auf die Suche und anschließende Zerschlagung der Schwarzen Organisation konzentrieren. War jemand dabei, fiel es beiden erstaunlicherweise nicht besonders schwer, so miteinander umzugehen wie immer, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Lediglich in wenigen, unbeobachteten Momenten redeten sie ganz offen miteinander und stellten sogar gemeinsame Nachforschungen über die gefährliche Organisation an. Zwar passte es Conan nicht, doch er wusste, dass es herzlich wenig bringen würde, Ran von ihrem Vorhaben, ihm zu helfen, abzuhalten. In dieser Hinsicht war sie mindestens genauso starrsinnig wie er selbst. Doch durch ihre tatkräftige Unterstützung war er sich sicher: Bald würden sie es schaffen. Irgendwann würden sie endgültig für immer zusammen sein können. Als Shinichi Kudo und Ran Mori. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)