Corruptio optimi pessima von Noveen (Die Entartung des Besten führt zum Schlimmsten) ================================================================================ Kapitel 13: redend ------------------ Heute die Anmerkung zum Anfang: Das Lied, dass in diesen Kapitel vorkommt ist auf der folgenden Melodie zu hören = http://www.youtube.com/watch?v=4B4e8A3nKZM ab 3:18 min. – 4:18 min. Ich hoffe es gefällt. ______ Mehrere Tage herrschte Funkstille. Tom nutzte die Zeit um über alles noch einmal nachzudenken. Er reagierte weder auf die SMS noch auf Bills Versuche ihn am Park abzufangen. Auch wenn es ihm wehtat dem Schwarzhaarigen aus dem Weg zu gehen, er brauchte den Abstand um sich darüber bewusst zu werden, was er eigentlich wollte. Sein schlechtes Gewissen malträtierte ihn stark, es war beinah als würde man mit Nadel ständig unter Akupunktur stehen… aber er hatte es sich nun einmal ausgesucht. Immer wieder zog er sich mit Sam zurück um stundenlang spazieren zu gehen und seinem Kopf frei zubekommen. Und auch wenn es immer länger wurde, war er nicht wirklich schlauer. Seine Gedanken kreisten eigentlich immer um das gleiche Thema, was wahrscheinlich einfach nicht genau zu definieren war. Warum hatte er Bill geküsst? Und warum, verdammt, hatte es ihm so gut gefallen? Diese Fragen waren eigentlich an sich schon wiedersinnig, weil es ja auf der Hand lag. Der Schwarzhaarige zog ihn an. Wieso das der Fall war, stand auf einem anderen Blatt. Mit absoluter Sicherheit konnte er nur sagen, dass der Stumme der einzige Kerl war, der ihn interessierte. Das hatte er sich selber schon bewiesen. Dazu hatte er im Internet nach Schwulenpornos gegoogelt und sich wirklich welche angesehen. Das durfte er keinem erzählen… wirklich nicht. Auch die Erinnerung daran schob er immer wieder von sich weg. Eigentlich hatte er sich eher eklig als anregend gefunden. Wie konnten sich andere Menschen nur so etwas anschauen? Das sollte echt verboten werden! Pornografie die eher an das heterogene Männerwelt gerichtet waren hingegen, hatten ihn schnell dazu gebracht dieses befriedigende Kribbeln zu spüren. So sehr das er sogar selber hatte Hand anlegen müssen. Nun war die Frage… lag es daran das Bill mädchenhaft aussah oder doch an etwas anderen? An seinen geschlechtlichen Merkmalen konnte es ja nun bewiesenermaßen nicht liegen. Aber an was dann? Es war zum aus der Haut fahren. Die zufriedenstellende Antwort wollte einfach nicht kommen. Am liebsten hätte er mit irgendjemanden darüber geredet, konnte sich aber nicht dazu durchringen. Selbst wenn er wusste, dass er sich rein theoretisch Jenny hätte anvertrauen können, er würde sich mehr als nur dämlich vorkommen… Das Schlimmste allerdings war nicht diese quälende Ungewissheit, sondern die Sehnsucht nach den Stummen. Er vermisste ihn… Doch er konnte es im Moment nicht ertragen ihm nahe zu sein, so sehr er es auch wollte. Er konnte einfach nicht riskieren Bill noch mehr zu verletzten, als er es sowieso schon getan hatte. Schon alleine das genügte ja…! Es war bereist dämmrig, als er nachhause zurückkam erwartete ihn seine Mutter bereits. Sie sah ziemlich besorgt aus. »Hey, Tommy. Wo warst du denn solange?« Der Angesprochene zuckte zusammen und sah sie erstaunt an. Er hätte nicht erwartet, dass es ihr überhaupt auffiel, wenn er in letzter Zeit öfter und länger unterwegs war. »Ich war nur mit Sammy spazieren. Hat etwas länger gedauert, tut mir leid…« »Hm… dein Essen hab ich den Ofen gestellt.« »Okay, danke.« Der Blonde machte sich das Essen noch einmal warm und ging damit dann hoch in sein Zimmer. Auch sein Hund hatte etwas zu futtern bekommen und war seither verschwunden. So kam es das Tom sein Abendessen zum ersten Mal seit langen alleine einnahm. Und diese Tatsache löste in ihm ein düsteres und sehr drückendes Gefühl aus; eine Emotion die einem den Atem und jede Freude rauben konnte. Als die Eskalation eine Woche her war, kam der Tag an dem er nicht länger ausweichen konnte. Früher oder später hätte er sich dem Anderen sowieso stellen müssen… das wusste Tom auch so. Dieser bestimmte Tag war ein Mittwoch und es regnete ununterbrochen wie aus Eimern. Der Schultag an sich war weniger schlimm, fast alles nur Laberfächer, die er eigentlich immer ganz gut bewältigte. Deutsch und Ethik gefolgt von Geografie und Sozialkunde, sowie Geschichte, Mathematik und Englisch. Das war, gegenüber anderen, ein fast erträglicher Mittwoch, was diesen so besonders machte, war die Tatsache, dass Bill im strömenden Regen vor dem Tor auf ihn wartete, als er bei Schulschluss den Heimweg antrat. Wie lange er da genau schon gestanden hatte, wusste der Hopper nicht, aber eine ganze Weile wohl schon. Das jedenfalls sagten seine völlig durchgeweichten Klamotten. Unwillig blieb er also stehen und sah den Schwarzhaarigen an, als dieser auf ihn zukam. Er sah so flehend und traurig aus, dass es ihm schon wieder beinah innerlich zerriss. »Was willst du hier? Warum stehst du im Regen?« Bill streckte die Hand nach ihm aus, doch er ging gar nicht darauf ein, etwas das ihm sofort einen Seitenhieb von Jenny einbrachte, die natürlich bei ihm war. Tom knurrte leicht und blitzte seine Freundin an. »Willst du nicht schon mal vorgehen? Du störst!« Natürlich wusste sie, was vorgefallen war. Trotzdem wollte er das nicht unbedingt vor ihr besprechen. Was eigentlich völlig absurd war. Aber wenn man ehrlich war, war diese ganze Sache eigentlich absurd! »Ist ja gut… bin ja schon weg! Aber stellt euch irgendwo unter, wenn ihr redet.« Damit verschwand die Schwarzhaarige grinsend. Der Hopper wartete bis sie etwas außer Sichtweite war, dann setzte er sich auch wieder in Bewegung. Der Stumme kam ihm nach. »Hör auf, Bill. Ich will jetzt nicht darüber reden.« Zögerlich wurde nach seinem Arm gegriffen, dann stellte sich ihm der schmale Junge in den Weg und obwohl ihn der Blonde hätte mit Leichtigkeit wegschieben können, tat er es nicht sondern blieb stehen. »Was ist?« Langsam wurde ihm klar, dass er nicht mehr entkommen konnte. Dieses Gespräch schien mehr als fällig zu sein. Seufzend gab er seinen Wiederstand schließlich auf und schob den Schwarzhaarigen zu einem der Raucherpavillons, der unweit von ihnen auf dem Pausenhof stand. Dort stellte sie sich unter. Tom blickte zum Himmel auf, ein Ende des Unwetters schien lange nicht in Sicht zu sein und erst jetzt fiel ihm auf wie sehr der Schwarzhaarige zitterte. Er schien wirklich lange hiergestanden zu haben. »Bill du musst ins Warme, sonst holst du dir noch den Tod…« sagte er sanfter und zog seine Hoodie aus um sie dem Anderen um die Schultern zu hängen. »Geh nach Hause und ich komme später lang, okay? Dann reden wir.« Als er sich jedoch ein Stück entfernen wollte krallte sich der Stumme in seinen Arm und sah ihn fast panisch an. Durch das ganze Wasser, das ihn aus den langen Haaren lief, konnte der Hopper nicht genau definieren ob er weinte oder nicht. Was er sagen konnte war, das der Andere nicht geschminkt war… merkwürdig. Er starrte den Schwarzhaarigen an und dieser sah verzweifelt zurück und plötzlich rastete etwas ein. Scheiße! Natürlich wieso war er denn da nicht früher drauf gekommen?! Bill hatte Verlustängste, verdammt nochmal! Da war es doch völlig nachvollziehbar, dass er mit allen Mittel versuchte ihn zu halten, vor allem wenn er auch noch so bescheuert reagierte. Deswegen hatte er in der Küche sprechen wollen… Und auch deswegen hatte er die ganzen Nachrichten an ihn geschrieben und immer wieder versucht ihn zu kontaktieren. All das um ihn nicht zu verlieren. Plötzlich hatte der Dreadhead das Verlangen laut zu schreien, da das in diesem Moment, jedoch völlig falsch interpretiert werden konnte, schlug er sich stattdessen innerlich an die Stirn und beglückwünschte sich zur selbstdiagnostizierten Idiotie. Wie konnte man nur so dämlich sein wie er, ey?! »Oh Billy…« seufzte er und zog den Stummen ein Stück näher heran. »Hör auf damit. Es ist alles gut… ich war nur so sauer, weißt du? Als du wieder so abgestürzt bist…- ich kann das einfach nicht verstehen und ich wusste nicht mehr weiter. Aber das heißt doch nicht, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will, mensch! Trotzdem musst du jetzt rein… sonst erkältest du dich wirklich noch! Ich geh noch schnell mit Sammy, wasch ihn dann und komm dann rüber, okay? Dann können wir reden…« Zweifelnd sah Bill ihn an, doch schließlich nickte er. Der Hopper hatte seinen Blick die ganze Zeit standhaft erwidert; anscheinend glaubte er ihn jetzt zumindest. Immerhin! Schüchtern näherte sich der Schwarzhaarige ihm wieder und wollte ihm einen Kuss geben, aber auch dieses Mal wich Tom aus. Als er den Schmerz durch die haselnussbraunen Augen ziehen sah, musste er schwach lächeln und umarmte den Anderen kurz. »Sorry, aber hier sind noch zu viele unterwegs. Du bekommst deinen Kuss später, okay? Gib mit ne Stunde dann bin ich bei dir.« Damit trennte er sich von ihm und zog ihn dann hinter sich her. Er glaubte so schnell war er noch nie mit Sam durch den Park gespurtet. Er beeilte sich extrem… einfach um den Schwarzhaarigen zu beweisen, dass er sein Versprechen halten würde. Wenn er zu spät kam, würde er sich das wahrscheinlich nie verzeihen! Auch wenn sein Hund das Tempo augenscheinlich gar nicht gut fand. Davon ließ sich der Blonde nicht beirren. Er nahm sich nicht einmal die Zeit ein neues Cappy aus seinem Schrank zu holen, als er das vom Regen schmutzige und durch genässte in die Wäsche schmiss. Stattdessen begnügte er sich mit einen Stirnband und lief so aus dem Haus. Überpünktlich stand er vor der Tür der Familie Kaultiz und wurde von Beate begrüßt, die ihn anstrahlte. »Schön das du mal wieder da bist.« »Ähm… ja, finde ich auch…« stotterte er erstaunt. Irgendwie hatte er nach dem letzten Abgang eine andere Begrüßung erwartet. Doch anscheinend, hatte auch die Frau ihm diesen Auftritt verziehen. »Bill erwartet dich oben…« schmunzelte sie irgendwie wissend und verzog sich wieder ins Wohnzimmer. Okay… irgendetwas war hier anders als sonst… Was hatte der Schwarzhaarige vor?! Mit einem unruhigen Gefühl im Magen erklomm er die Treppe und kam vor der geschlossenen Zimmertür seines Freundes zu stehen. Das was ihn stutzen ließ war der große Zettel, der an dem Holz befestigt war. Bitte komm nicht rein,… zu keiner Zeit!, stand auf dem karierten Papier geschrieben. Sollte das ein Scherz sein oder was? Gerade als er seine Finger auf die Klinke gelegte hatte um diese hinunterzudrücken hörte er das Keyboard und was danach zu hören war ließ ihm den Atmen stocken. »Ganz allein stand er da, an dem Meer dem Hafen nah, der Junge der dieser Macht entflohen war…« erklang eine helle und sehr melodische Stimme durch die Tür. Träumte er? Tom lehnte seine Stirn an die Holztür um besser hören zu können. Jeden Ton nahm er tief in sich auf. »Denn sein Glaube war stark, dass das Meer noch immer barg, die Kraft seinen Wunsch zu erfüll'n. „Der Wunsch tief in dir, schreib ihn auf ein Stück Papier und gebe ihn an das Meer. Er niemals erlischt, wenn die Flasche nicht zerbricht…" - Dieses Märchen war sein letztes Licht!« sang er weiter und wurde bei den letzten Tönen immer höher. Sein Tonumfang und der Übergang von der Brust- zur Kopfstimme war der Wahnsinn. Er machte ein kleines Zwischenspiel auf dem Keyboard. »Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Hoffnung eines Jungen gefüllt. Er schwimmt weiter davon, ganz ruhig und still, verschwindet im endlosen Meer.« Und plötzlich wurde dem Hopper klar über was Bill da gerade sang. Es war seine Geschichte… die Geschichte die ihm zu dem gemacht hat was er war. Das Meer, das ihm alles genommen hatte. Ob er das Lied selbst geschrieben hatte? »Du warst da nur für mich, jemand anders braucht ich nicht, denn du tust doch alles was ich wollt, wusst ich. Doch mir wurde langsam klar, dass ich selbstsüchtig nur war, Und nicht sah was tief in mir geschah. Egal was ich wollte wurde stets erfüllt von dir, doch bist du nicht länger hier. Die Schuld sperrt mich ein, will nicht länger einsam sein… aber niemand kann mir nun verzeih'n...!« Den letzten Satz sang der Andere mit solcher Verzweiflung, dass es dem Blonden plötzlich recht schwer ums Herz wurde. Wieder spürte er diesen Druck auf seiner Brust, den er schon gespürt hatte, als Beate ihm von Bills Leben erzählt hatte. Es fühlte sich an, als würde jemand oder etwas auf seiner Lunge sitzen und ihn alle Luft aus dem Körper pressen. » Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Reue eines Jungens gefüllt. Doch die Schuld die ich trug sah ich nicht ein, zu spät für die Reue sollt es sein! Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Hoffnung eines Jungen gefüllt. Er schwimmt weiter davon, ganz ruhig und still, verschwindet im endlosen Meer.« Dieser Teil schien so eine Art Refrain zu sein… oder so… »Und so schwimmt er davon, dieser Wunsch in Glas gehüllt, ist mit tiefer Reue eines Jungens gefüllt. Könnt ich nochmal an deiner Seite sein...« Es folgte noch ein kurzes Notenspiel, dann herrschte Stille. Das Stück endete so abrupt, das Tom einige Minuten brauchte um zu begreifen, dass es vorbei war. Doch auch als dieses Wissen durgedrungen war, brauchte er noch einmal ungefähr genauso lange bis er sich wieder bewegen konnte. Alles an ihm schien irgendwie erstarrt zu sein. Eingefroren von der Verzweiflung, der Trauer und dem Leid, was ihm gerade von diesem Lied übermittelt worden war. Wie konnte ein Mensch nur mit solchen Gefühlen in sich leben? Als dann das erste Leben in seinen Körper zurückkehrte, brauchte er nicht lange zu überlegen was er machen musste. Er drückte endlich die Klicke und ging zu dem Schwarzhaarigen hin, den er umstandslos in seine Arme zog. Erst jetzt bemerkte er das der Schwarzhaarige weinte… seine Stimme hatte zu keinem Moment auch nur ein wenig geschwankt. Beeindruckend. Schutzsuchend schmiegte Bill sich in seine Arme und weinte. Der Hopper ließ sich mit ihm aufs Bett niedersinken und lehnte sich mit dem an die Wand. Er brauchte genau drei Anläufe um den Kloß in seinen Hals hinunterzuwürgen und etwas zu sagen. »Endlich sprichst du mit mir…« »Tommy…« kam es schluchzend zurück. Ein Wort das in ihm so unterschiedliche Gefühle auslöste, dass es ihn fast innerlich zerriss. Auf der einen Seite jagte ihm ein Schauer über den Rücken, weil allein das Wort mit dieser Stimme so wunderschön klang wie nichts was er je gehört hatte. Auf der anderen Seite jedoch, zog sich sein Herz noch immer bei diesem Kosenamen zusammen vor Schmerz… aber das war jetzt egal. Es war nun wahrlich nicht der richtige Moment für solche Grundsatzdiskussionen. »Danke.« meinte er rau und gab dem Anderen einen Kuss auf die Stirn. Bill schmuste sich an seine Wange und klammerte sich an dem T – Shirt des Dreadheads fest. Und so verweilten sie eine ganze Zeit, dicht aneinander geschmiegt. Irgendwann hatte der Schwarzhaarige sich gefangen. »Sag noch einmal was…« sagte Tom leise. »Ich kann es immer noch nicht glauben.« Der Angesprochene sah auf und lächelte ihn strahlig an. »Küss mich…« Der Hopper tat es. Sanft presste seine Lippen auf ihre Gegenstücke und begann diese zu massieren. Die Empfindungen, die dieser Kontakt in ihm auslöste, waren immer noch so intensiv wie an den Tagen zuvor. Alles in ihm kribbelte so merkwürdig. Ohne lang zu überlegen vertiefte er den Kuss und spürte wie ihn Bill entgegenkam. Nein, er träumte nicht! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)