Corruptio optimi pessima von Noveen (Die Entartung des Besten führt zum Schlimmsten) ================================================================================ Kapitel 4: irrend ----------------- Die Warnung… na ja, eher die Drohung hatte gesessen. Tom konnte die ganze Zeit an nichts anderes mehr denken. Konnte er das wirklich? Wollte er für das Glück eines Menschen verantwortlich sein? Einmal reichte… Und damals war er auch total überfordert gewesen. Wie sollte er das noch mal stemmen? Konnte er das überhaupt? Hatte er die Kraft? Natürlich war er neugierig. Er wollte gerne wissen was damals passiert war… mehr über Bill erfahren. Die Frage war nur ob er die Verantwortung tragen konnte. Und daran zweifelte er wirklich. Warum musste das Leben auch immer so scheißkompliziert sein! Fuck… Der Unterricht war für ihn gelaufen. Der Blonde konnte sich einfach nicht mehr konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Bill ab und Jenny… Lustlos kritzelte er das Geschriebene von der Tafel ab und versuchte seine Konzentration wiederzufinden, aber das gelang nicht wirklich. Super toll. Der Tag verging nur schleppend. Die Krönung war die Ansage ihrer Klassenlehrerin das das Sportfest nächste Woche anstand. Eigentlich sollte er sich ja darauf freuen, denn er mochte Sport. Uneigentlich hatte er gerade keinen Nerv dafür und Gedanken erst recht nicht. Die waren voll mit einer Person die er erst knapp zwei Monate kannte. Scheiße… was hatte er an diesen Typen nur gefressen?! Er konnte sich das einfach nicht erklären! Ungeachtet der Anderen stürmte er aus dem Klassenzimmer, als die Schulglocke das Ende dieses Tages ankündigte. Er wollte einfach nur noch nachhause. Weg von hier… Er ging über den Hof und grüßte Jana und Jill, die bereits auf Jenny zu warten schienen. »Woha… was hat dich denn gestochen?« lachte Jill. Jedenfalls glaubte er, dass es sich um die Älteste der Drillinge handelte. »Willst du nicht warten?« »Nein will ich nicht. Fragt Jenny…« murmelte er und ging an ihnen vorbei. »TOM! STEHEN BLEIBEN!« Er zuckte zusammen. »JENNY,… WIESO BRÜLLST DU SO?!« Jenny kam auf sie zu gerannt und dicht hinter hier war Bill. Super… gerade die zwei Personen die er gerade nicht sehen wollte. »Die Frage ist eher… warum du nicht wartest?!« »Dumme Frage« knurrte er. Damit wollte er sich umdrehen und gehen doch er wurde wieder zurückgehalten. Er drehte sich um. Da stand er, der Grund seines ganzen Kopfkinos, hielt ihn am Arm fest und schaute ihn eingeschüchtert an. So ein…- Wieso musste der ihn jetzt anschauen wie ein verwaister Hund ihm Wald? Es folgten mehrere schnelle Handzeichen die für ihn absolut keinen Sinn ergaben. »Ähm…« »Er will wissen warum du heute nicht mit uns gehen willst.« »Ich…« Tom atmete einmal tief durch. Er musste das jetzt einfach durchziehen, wenn er jetzt nachgab wurde er noch bekloppter. »Ich hab heut was vor und muss mich ein wenig beeilen… sorry!« Damit riss er sich los und ließ die Vier einfach stehen. Die nächsten Tage entfernte er sich immer weiter von Bill ohne es eigentlich bewusst wahrzunehmen. Auch wenn Jenny und Bill immer noch die einzigen an der Schule waren mit denen er Kontakt hielt, konnte er im Moment einfach keinen der Beiden ertragen. Nicht solange er sich nicht absolut sicher war… So kam es, dass er sich immer mehr zurückzog und mit Sam oder mit seiner Gitarre Zeit verbrachte. Er dachte viel nach. Jeden Nachmittag und das brachte ihn schier um den Verstand. Ihm war klar, dass er diese Entscheidung nicht leichtfertig treffen sollte, doch ihm war so als wenn er, je länger er darüber nachdachte, sich immer weiter von der Antwort entfernte. Er konnte so eine Entscheidung nicht einfach so treffen. Wie sollte er das können? Er wusste nicht einmal was alles da dran hing. Es war nun schon der 4. Nachtmittag den er hier in der Wohnung hockte und den großen Denker mimte. »AAAhhh, scheiße verdammt!« ließ er seiner Wut freien Lauf und trat gegen den Hocker. Dieser fiel um und verteilte die Lyrikblätter im Raum. Sam sprang jaulend auf und versteckte sich hinter dem Sessel. Tom atmete einmal tief durch und hockte sich dann hin. »Tut mir Leid Kumpel… na komm schon wieder her. Ich bin ganz ruhig.« Sam streckte seinen Kopf um die Sesselecke und sah ihn aus seinen braunen Knopfaugen prüfend an. Dieses Bild ließ ihn grinsen. »Na komm schon. Ich machs auch nicht wieder…« Und tatsächlich kam der Vierbeiner mit hängendem Kopf zu ihm und schmiegte sich an ihn, ehe er ihn einmal quer übers Gesicht schleckte. Jetzt wieder lachend versuchte er sich vor der rauen Zunge zu retten und fiel dabei auf den Hintern. Das nutzte der Hund schamlos auf und kroch auf seinen Schoß um munter weiter seine Liebe zu bekunden. »Moha… Sammy du bist schwer, verdammt. Runter… RUNTER JETZT!« Hechelnd gehorchte er. »Man muss man dich immer erst anschreien?« fragte der Blonde das Tier und blickte zu ihm, wie er ihn treu doof ansah. Er seufzte und begann damit das Chaos wieder zu richten. Dabei fiel sein Blick auf das Bild seines Bruders. Damals, kurz nach Tobis Tod, hatte er einen kleinen Schrein für ihn errichtet. So wirklich hatte er keine Ahnung mehr wie er eigentlich auf so eine kitschige Idee gekommen war, doch es hatte ihm geholfen. Die Gewissheit, dass sein Bruder immer da war und ihn beobachtete… Diesen Schrein hatte er auch hier in seinem neuen Zimmer wieder aufgebaut. Es war nichts Besonderes, nur ein Brett, welches er mit Dübeln das der Wand neben seinen Kleiderschrank montiert hatte. Auf diesem stand ein gerahmtes Bild von Tobi außerdem befanden sich die letzten Habseligkeiten darauf, die ihm von seinem Bruder geblieben waren. Der kleinen Teddy, den er so geliebt hatte. Zwei Briefe die er ihm geschrieben hatte, als er es noch konnte und sein Lieblingsspielzeugauto, außerdem noch ein kleines Album, das alle wichtigen Fotos beinhaltete… Nun stand er vor genau diesem Regal und blickte auf das Bild. Es zeigte ihn und den Kleinen, als es ihm noch besser ging. Sie saßen auf einer Parkbank und grinsten gemeinsam in die Kamera. »Ey Bruder, kannst du mir nicht irgendein Zeichen von da oben senden oder so?« fragte er fast verzweifelt und blickte in die braunen Augen, die seinen so ähnlich waren. Kopfschüttelnd wand er sich ab und wollte wieder zur Couch gehen, als plötzlich etwas hinter ihm raschelnd zu Boden fiel. Tom blickte sich um und sah, dass sein Rucksack umgefallen war. Aus der Öffnung ragte etwas Weißes. Seufzend ging er zurück, stellte den Rucksack wieder auf und nahm die Knistertüte in die Hand. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Chips Tüte. Verblüfft blickte er auf die Marke und fing dann schallend an zu lachen. JA!, stand auf der Tüte. »Ausrufezeichen! Sam ich hab ein Zeichen bekommen!« Der Hund sah bei der Erwähnung seines Namens auf und kläffte einmal. Als wolle er ihm sagen er solle aufhören wie ein Verrückter wegen einer Chips Tüte zu lachen. Wieder wand er sich seinem Bruder zu. »War das deine Antwort?« Tobi lächelte. »Ich rede mit Bildern und halte Chips Tüten für Zeichen… wie tief kann man eigentlich sinken?« stöhnte er genervt und fuhr sich übers Gesicht. »Los, Sam. Wir gehen raus… ich brauche frisch Luft.« Und als könnte er ihn verstehen, kam der Hund angelaufen und wedelte vorfreudig mit seinem Schwanz. Die letzten Tage der Woche vergingen viel zu schnell. Und es war nur eine Frage der Zeit bis Jenny ihm dieses Ausweichverhalten nicht mehr durchgehen ließ… Wie sollte sie auch!? »Tom, du Arsch mit Ohren, bleib sofort stehen!« Fuck, hätte sie nicht noch ein paar Tage warten können? »Was willst du?« Sie Schwarzhaarige baute sich vor ihm auf und funkelte ihn an. »Du hast auch ein Empathie Empfinden von einer Dampfwalze oder? Wie kannst du nur so mit ihm umgehen, Alter! Ich habe es dir doch gesagt!« zischte sie und bohrte einen Finger in seine Brust.»Du klärst das mit Bill, hast du mich verstanden?« »Man Jenny, ich hab jetzt keinen Nerv dazu…« erwiderte er und schlug sanft ihre Hand weg. »Lass mich einfach gehen, okay? Ich klär das schon noch irgendwann.« »Nicht irgendwann, jetzt! Weißt du eigentlich was du mit deinem hirnrissigen Verhalten anrichtest?« »Nein weiß ich nicht, man!« wurde nun auch er ungehaltener. »Ich weiß gar nichts über ihn, falls dir das entgangen sein sollte… genau da liegt ja mein Problem! Und jetzt lass mich in Ruhe! Von mir aus buddel dir nen Loch und quatsch das zu!« Damit stapfte er an ihr vorbei. »Boha, sag mal geht’s noch? Bleib sofort stehen!« Im nächsten Moment wurde er am Arm gepackt und zurückgezogen. »Jenny im Ernst, lass sofort los.« meinte er lauernd. »Ich bin total ernst! Und wenn du nicht sofort deine Fresse aufbekommst und die An - « Sie unterbrach sich als Bill auf die Beiden zukam und sie intensiv musterte. Er schien total verunsichert zu sein. Auch das noch. Blieb ihm eigentlich heute nichts erspart? »Ich geh zurück« sagte er nur gleichmütig und wand sich erneut zum Gehen. Und wieder wurde er am Arm gepackt, doch dieses Mal von dem stummen Jungen, der ihn traurig anblickte. Einen Moment schien er noch zu überlegen, dann jedoch zog er sein Handy raus und tippte etwas ein, was er Tom dann unter die Nase hielt. Hab ich irgendetwas falsch gemacht?, stand dort. Der Blonde schluckte ein paar Mal und wusste nicht was er sagen sollte. Was sollte er nur tun…? Er sah ihn so an, als würde seine Welt zusammenbrechen, wenn er jetzt ging… Warum tat er das nur? Sie kannten sich doch gar nicht! Und wieso zur Hölle fühlte er sich plötzlich so schuldig?! »Nein, du hast überhaupt nichts falsch gemacht.« antwortete er auf die Frage. »Ich hab nur zurzeit so viel ihm Kopf und bin ein bisschen drüber, okay? Vielleicht kann ich dir das ein anderes Mal erklären, aber nicht heute. Ich muss zurück in meine Klasse. Sorry.« Damit machte er sich los und ging. Zum zweiten Mal in einer Woche stieß er Bill zurück. Scheiße. Warum hatte er gerade das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben? »Tom du verfluchter Volltrottel!« hörte er Jenny brüllen und als er sich umdrehte sah er Bill aus der Tür rennen. Das Handy lag verloren auf dem Fußboden. Das Wochenende verging rasend schnell. Doch sein schlechtes Gewissen nagte an ihm, sodass er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte. Immer wieder fragte er sich was der Schwarzhaarige wohl gerade machte. Wenn er so an den einen Nachmittag zurück dachte, machte er sich schon ein wenig Sorgen. Er wollte nicht, dass zu den vielen Narben noch welche dazu kamen. Und schon gar nicht wegen ihm. Er musste unbedingt mit ihm reden! So fieberte er dem Montag entgegen. Und als es endlich soweit war, musste er enttäuscht feststellen, dass Bill nicht in der Schule war. Auch Dienstag blieb er dem Lehrhaus fern und meldete sich nicht bei Jenny. Am Mittwoch war Sportfest. Eigentlich nichts Weltbewegendes… vor allem weil seine Gedanken ganz woanders waren, doch ein Gutes hatte es wohl. Das erste Mal konnte er in der neuen Schule zeigen was er drauf hatte, denn vom Fest durften sie einen nicht einfach so ausschließen wie vom Sportunterricht. Also gab er sein Bestes und es schien zu wirken…- Zumindest einige der Schüler und die Lehrer schienen beeindruckt von seinen Leistungen und zum Ende der Veranstaltung, bekam er auch noch bei den ganzen anwesenden Mädchen eine Chance zu Punkten. Ohne es zu ahnen wohlgemerkt. Als Jenny ihn nämlich aus Spaß einen Wasserflasche über den Kopf kippte, dachte er eine Sekunde nicht nach, zog sich sein T – Shirt einfach über den Kopf und jagte ihr hinterher. Erst im Nachhinein wurde ihm klar, was er da eigentlich genau getan hatte… Fortan wurde nur noch gepfiffen und gekreischt wenn er irgendwo langging. Und plötzlich konnten alle mit ihm reden… ja, es schien beinah so, als würden sie den wahren Tom zum ersten Mal wahrnehmen. Natürlich würde es weiterhin Leute geben, die ihn nicht mochten. Aber das war ja legitim. Trotzdem konnte er nicht anders als sich ein wenig über diese Entwicklung zu freuen. Endlich wurde er angesehen. Wirklich angesehen… und endlich bekam er den Zuspruch den er seit dem Schulwechsel so vermisst hatte. Doch all das half ihm nicht sein schlechtes Gewissen abzulegen. Und die Schatten wurden immer höher, denn Bill erschien die ganze Woche nicht in der Schule und meldete sich auf keine der SMSen die Jenny ihn schrieb. Auch diese machte sich ernsthafte Sorgen. Wo er wohl war und was er gerade wohl tat? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)