Kurayami - [Finsternis] von Puella ================================================================================ Kapitel 9: Kasai - [Feuer] -------------------------- Kapitel IX - Kasai - [Feuer] Die Flure des Gebäudes schienen um die herrschende Uhrzeit wie leer gefegt. Keine lebende Seele kam ihr entgegen, als sie mit lautlosen, ausladenden Schritten über den blanken Marmorboden lief und sich nicht am geringsten an der mitternächtlichen Atmosphäre störte. Ihr war bewusst; stets wurde sie von neugierigen Blicken verfolgt. Und auch wenn ihr das leise Summen der Kameras entging, wenn die Geräte in sekundlichen Abständen hin und her schwanken, wusste sie um ihr Dasein bescheid. Er würde niemals eine ausreichende, vollkommen zufrieden stellende und hundertprozentige Sicherheitsmaßnahme vernachlässigen. Dafür war er zu hinterlistig, raffiniert und planend. Vor allem aber paranoid. Abrupt kehrte wieder Stille ein, als die hochgewachsene Frau vor einer dunklen Tür zum stehen kam. Immer darum bemüht keine Gefühle auf ihr Gesicht treten zu lassen. Keine Regung, kein Zucken um die Mund- oder Augenwinkel, welche von ihrer Nervosität zeugten. Stattdessen legte sich ein schmales, berechnendes Lächeln auf die blutroten Lippen. Dann klopfte sie mit zwei Fingern an das lackierte Eichenholz. Ein dreifaches Stakkato; dann war es abermals still. Einige Herzschläge später surrte es kaum hörbar, trotz dass es sonst keine Geräuschquellen gab und die letzte Barriere zu ihm eröffnete sich vor ihr. „Ich habe dich erwartet, Vermouth.“ Mit sechs langen Schritten hatte sie den in Finsternis gehüllten Raum durchschritten und kam vor einem großen Schreibtisch zum stehen, der ganz nach dem Vorbild der Tür, aus massiven Eichenholz angefertigt worden war. Ihr prüfender, nichts übersehender Adlerblick glitt von dem schwarzen Notebook, über etwaige in- sowie ausländische Zeitschriften, bis zu dem Smartphone und blieb schließlich an den schwarz-weiß Bildern hängen, die nicht zu wenig auf der glänzenden Fläche lagen. Er hatte schon immer einen Hang zum Altmodischen, war jedoch auch nicht in der Zeit hängen geblieben, wie die Eigentümlichkeiten bewiesen. ‚Cool Guy..ʼ Vermouths blauen Augen sahen schließlich zu dem dunkelbraunen Ledersessel. Ihr den Rücken zugewandt, sah er aus der breiten Fensterfront nach draußen, in die von bunten Werbereklamen erleuchtete Nacht Tōkyōs. Anokata. „Und deswegen gleich einen ganzen Flur in Tōkyōs wohl sündhaft teuerstem Hotel zu buchen und mit eigens hergestellten Kameras auszustatten, findest du nicht ein wenig überzogen?“ Es widerstrebte ihr zwar, ihm gegenüber so etwas zu sagen, wo sie doch unwahrscheinlich genau wusste, wie sauer, wie gespannt und zu Recht auch überstrapaziert er im Moment sein musste. Dennoch tat sie es und ignorierte das eisige Gefühl in ihrem Nacken und die sich aufstellenden Härchen an ihren Armen. Einfach aus dem lapidaren Grund, weil es stets so gewesen war. Seit ihrer ersten Begegnung an. Nur war es damals ein bedenkenswert anderes Verhältnis zwischen ihnen beiden. Als der Mann sich in seinem maßgeschneiderten, grauen Anzug langsam und zugleich doch elegant zu ihr umwandte, merkte Vermouth erst, dass sich ihre roten Nägel schmerzhaft in ihre Handfläche gegraben und dort ihre Spuren hinterlassen hatten. „Ein Augenschmaus wie gewohnt, meine liebe Sharon.“ Ein scheinbar amüsiertes, jedoch auch herzliches Lächeln legte sich auf seine schmalen Lippen. Sie nickte leicht und spielte die übliche Farce mit, indem sie ihm ein ebenso liebreizendes Lächeln schenkte. Dass er sie partout mit ihrer alten Identität ansprach, überging sie geflissentlich. „So charmant wie immer, Boss.“ Eine seiner in Weiß gekleideten Hände zeigte auf die beiden schwarzen Ledersessel vor dem massigen Tisch und bedeutete ihr somit wortlos doch Platz nehmen zu mögen, wessen sie sogleich auch nach kam. Das merkwürdige Gefühl in ihrem Magen verstärkte sich nur noch mehr, als sie sich niederließ und das kalte Leder durch den dünnen Stoff ihrer dunklen Hose hindurch zu spüren bekam; doch sie wusste, dass nichts an diesem Gespräch vorbei führen würde. Ihr blieb bloß zu hoffen, dass es nicht allzu sehr in die falschen Bahnen verlief und sie mit heiler Haut davon kam. Anokata blieb auf der anderen Seite stehen. Warf ihr von oben herab einen abschätzenden Blick zu, bevor sich der Ausdruck in seinen Augen wieder normalisierte; in soweit man das so nennen konnte, und er die übliche Maske des zuvorkommenden Gentleman auflegte. „Wie wäre es einem Cognac? Wir sind hier schließlich unter Freunden, nicht wahr?“ Sharon nickte gezwungen und lächelte. Langsam folgte sie mit ihrem Blick jedem seiner vier Schritte bis zu dem kleinen Servierwagen, auf dessen gläsernen Fläche eine kleine Auswahl an alkoholischen Getränken, sowie zwei Gläser bereit standen; welche nun beide umgedreht und mit der gold-gelben Flüssigkeit gefüllt wurden, nachdem er klirrend jeweils einen Eiswürfel hinein getan hatte. In einer geschmeidigen Bewegung drehte er sich um, stellte die beiden Gläser auf dem Tisch ab und setzte sich. Zufrieden sah er, dass der Cognac kaum in dem Glas hin und her schwappte. Dann richtete sich sein Augenmerk wieder auf Vermouth, der er ihre Angespanntheit sichtlich ansehen konnte; auch wenn sie bemüht darum schien, eben dies zu vermeiden. Mit einem kurzen Seufzer legte er seine Fingerspitzen aneinander. „Nun gut, kommen wir zum Eigentlichen. Hat Gin beendet was er angefangen hatte, oder lebt er noch?“ Die Antwort kam ohne Verzögerung. Präzise und ohne viel drum herum Gerede. So, wie er es ihr und all den anderen Mitgliedern seines Syndikats im Laufe der Zeit eingetrichtert hatte. „Er lebt noch. Allerdings habe ich ein ungutes Gefühl, was Gin betrifft, Boss.“ Er zog eine seiner schmalen Brauen nach oben und lehnte sich um ein kleines Stück zurück, fast wie um einen besseren Blick auf sie haben zu können. „Und weswegen? Du weißt, ich mag es nicht, anderen alles aus der Nase ziehen zu müssen. Also rede.“ Der Mann ließ sie spüren, dass seine Geduld weit genug gereizt war; achtete jedoch darauf, nicht zu viele Gefühle hervor kommen zu lassen. Selbst sein Liebling hatte kein Recht dazu, hinter sein Pokerface zu blicken. „Er scheint zu rebellieren. Edogawa Conan-kun mag zwar noch leben, aber Gin hat sich vermutlich aus Trotz an ihm vergriffen. Sein Verhalten könnte unschöne Folgen haben. Für die Organisation, vor allem aber für dich.“ Nervös fuhr sich Vermouth mit der Zunge über die Hinterseite ihrer Schneidezähne; zwang sich, nicht zu schlucken oder nach dem mit Cognac gefüllten Glas zu greifen. „Die Sache mit Gin war schon immer ein Spiel mit dem Feuer.“ Anokata lächelte schmal, dann hielt er wie aus dem Nichts ein silbernes Feuerzeug in der Rechten und blickte auf die kleine Flamme, die seine markanten Gesichtszüge von unten herauf gespenstisch beleuchtete, bevor er es wieder zuschnappen ließ und die Schatten aus seinem Bildnis verschwanden. „Dessen war ich mir schon bei unserer ersten Begegnung bewusst. Das war schließlich Ausschlag gebend dafür, dass ich ihn auf unsere Seite gezogen habe.“ Für wenige Augenblicke verlor sich sein Blick im Nirgendwo und Vermouth war sich sicher, diesen Ausdruck zum allerersten Mal seit Jahren, auf seinem Gesicht zu sehen. Für die Dauer einiger Wimpernschläge, schien ihr Boss nicht mehr auf dieser Welt zu sein und die Schauspielerin war sich im Unklaren darüber, was sie davon halten sollte. Ob es gefiel, oder nicht. Ob es ein Zeichen von Menschlichkeit, oder aber ein Hinweis auf einen endgültigen Realitätsverlust war. Anokata räusperte sich leise; schien wieder im hier und jetzt zu sein. „Ich habe ihn zurück beordert. Dorthin, wo er weniger Schaden wird anrichten können, als er vielleicht schon getan hat. Was den Burschen angeht, werde ich ihn unter vorläufige Beobachtung stellen. Schließlich kann man nie wissen zu was ein derart psychisch belasteter Mensch alles fähig ist. Am Ende verliert er noch die Besinnung und läuft mit seiner Geschichte zur Polizei.“ Das Nächste konnte Vermouth sich einfach nicht nehmen lassen; doch sie bereute es noch im nächsten Augenblick, als Anokatas Blick in ungesehenem Zorn unter zu gehen schien. „Er würde etwas derartiges nie machen!“ „Und was macht dich da so sicher?“ Seine Stimme erhob sich kaum, wurde im Gegensatz einen Hauch leiser; bedrohlicher und seine blauen Augen blickten sie weiterhin mit der Ausgeglichenheit eines eisernen Pokerface an, aber dennoch erschien Anokata ihr auf einen Schlag um ein vielfaches Gefährlicher, als noch vor einigen Augenblicken und unruhig blinzelte sie ihn an, während er weiter sprach. „Der Junge mag es vielleicht recht gut aufgenommen haben, von einem Tag auf dem anderen in einem schmächtigen Kinderkörper zu stecken, aber woher nimmst du die lächerliche Annahme, er könnte eine Misshandlung ebenso unbeschadet hinnehmen? Er mag vielleicht der Heisei Holmes gewesen sein, aber zur Zeit ist er bloß ein Kind! Kein Mensch kann derart viele Schicksalsschläge verkraften, ohne daran früher oder später zu zerbrechen.“ Unter seinen Worten schien Vermouth in ihrem Sessel immer kleiner zu werden. Dann erst kam bei ihr an, was er gesagt hatte. Kein Mensch kann derart viele Schicksalsschläge verkraften, ohne daran früher oder später zu zerbrechen. Sie wollte etwas erwidern, ihre Scheu überwinden. Er würde ihr so schnell nichts tun. Sie war einer der Besten und zuverlässigsten Mitglieder. Nicht so schnell zu ersetzen wie unwichtigere Wissenschaftler oder Programmierer. „Bilde dir nicht zu viel auf deine sagenumwobene Silver Bullet ein, Vermouth. Eine hat uns bereits verfehlt.“, zischte er mit einem schmalen Lächeln und distanziertem Blick. „Diese Organisation wird für die Ewigkeit bestehen bleiben. Ebenso wie die bis zum heutigen Tag beständigen Krankheiten und Untugenden aus Pandoras Büchse.“ Er legte eine kurze Pause ein, in der er sich an ihrem Unwohlsein regelrecht zu ergötzen schien. „Doch im Gegensatz zur göttlichen Frau Epimetheus', werde ich der Hoffnung keinen Eintritt verschaffen. Dafür sorge ich, Liebes.“ Ohne dass sie die Chance hatte zu begreifen was vor sich ging, war er in einer fließenden Bewegung um den Tisch herum gegangen und hatte ihr einen Handkuss gegeben. „Du machst das Leder kaputt.“ Plötzlich war er wieder weg und die Schauspielerin atmete gepresst aus, bevor sie ihren Griff um die Armlehne lockerte. Die nächste Frage könnte ein Armageddon auslösen, sollte sie den falschen Ton anschlagen und etwas in diesem Ausmaß wäre für sie trotz ihres hohen Ansehens und Statuses keinesfalls günstig. „Warum lässt du ihn dann nicht aus dem Weg räumen. Kaum einer würde Verdacht schöpfen, wenn ein kleiner, unachtsamer Grundschüler unglücklicherweise einen tragischen Unfall hätte. Nur wenige würden eine Spur zu Kudō Shin'ichi zurück führen können und diesen würde niemand Beachtung schenken. Ein Junge der geschrumpft und dann ermordet sein soll. Niemand würde solch eine Story glauben. Es wären bloß Hirngespinste von trauernden Verwandten und Freunden.“ Nervös leckte sie sich über die Lippen. Ihr war klar, dass ein solcher Plan in seinen Augen viel zu wackelig und unsicher wäre, um ihn wirklich ausführen zu können. Dennoch juckte es sie in den Fingerspitzen endlich aufzudecken, warum Anokata zögerte den Oberschüler und somit eine konstante Gefahrenquelle einfach auszuschalten. „Weil ich ein Abkommen habe. Und ein solches zu brechen, wäre nun wirklich unehrenhaft für einen Gentleman wie mich. Findest du nicht?“ Süffisant lächelte er sie an; konnte vermutlich die Frage in ihren Augen sehen. „Mit wem genau kann ich dir leider nicht verraten.“ In einer theatralischen Geste schwenkte er sein wieder aufgenommenes Glas, bevor er fortfuhr. Sie hasste ihn dafür. „Aber ich kann dir verraten, dass wenn Edogawa Conan und somit auch der von jedem geliebte und gekannte Kudō Shin'ichi stirbt, ich ein Problem in unbekannten Ausmaßen bekommen würde. Dir ist doch sicher bewusst, was ich damit sagen will?“ Sie nickte. „Diese Person kennt dein Gesicht, deine Identität und deine Machenschaften als Anokata.“ Er nickte ihr zu und zwinkerte. Jedoch sein Blick in diesem Augenblick hätte töten können. „Würde ich ihn töten, würde ich auffliegen. Werde ich aber trotz, dass ich das nicht tue verraten, wird der Junge doch schon recht bald unter der Erde liegen.“ „Ein Todeskreis und Versicherung zugleich.“, kam es beinahe zerknirscht von Vermouth. „In dem nur ich gewinnen kann. Schließlich wird er uns nie erwischen. Und somit wird er auch nie umgebracht werden müssen.“ Anokata lachte leise und drehte sich von ihr ab. „Natürlich.“ Für Vermouth war hiermit dieses Gespräch beendet. In einer anmutigen Bewegung, die Anokatas in nichts nachstand, stand sie auf und strich ihre schwarze Kleidung glatt. „Gibt es noch irgendetwas, was ich tun soll, Boss?“ „Richte Bourbon aus, er soll den Burschen im Auge behalten, jedoch nichts ohne weitere Anweisungen unternehmen.“ Kurz bevor sie das Zimmer und somit die unbehagliche, unheimliche Nähe Anokatas verlassen konnte, sprach dieser sie noch einmal an. „Und behalte Kir im Auge. Ich habe ein ungutes Gefühl, was unsere liebe Mizunashi Rena angeht.“ Sie nickte, trotz dass er sie nicht sehen konnte und verließ den Raum. Bei den Aufzügen angekommen, manifestierte sich nun endlich ein Gedanke in ihrem Kopf, der ihr schon Jahren keine Ruhe ließ. ‚Wie konnte ich damals nur so dumm sein und ihn um so einen Gefallen bitten?ʼ Sie hätte sich ohrfeigen können, für diese Dummheit, die nun schon so lange Zeit zurück lag und atemlos stieg sie in die Maschine ein, um das Gebäude endlich hinter sich bringen zu können. ~~~ Wie eine Silhouette hob sich die Gestalt des Mannes gegen die Lichter der Stadt ab, als Snake den Raum betrat. Zwei Schritte nach überschreiten der Türschwelle verharrte er an Ort und Stelle, während sein Blick über den breiten Rücken glitt, der ihm zugewandt war. Anokata stand wie ein Fels in der Brandung vor dem Panoramafenster; schien sein Eintreten sowie seine Präsens nicht mitzubekommen. Räuspernd erhob der Juwelendieb schließlich seine Stimme. „Kaitou Kid ist uns entwischt, Boss.“ „Wieder einmal, meintest du.“, kam die scharfe Stimme zurück. Nach einigen Sekunden, in denen der Mann sich kaum rührte und sich zurück hielt, erhob Anokata wiederholt seine Stimme, die wie ein Peitschenhieb durch den Raum schallte. „Kaitou Kid liegt außer eurem Zuständigkeitsbereich!“ Snake zuckte zusammen, sagte aber nichts. „Solltet ihr euch mir noch ein weiteres Mal widersetzten, war es der letzte Fehler, den ihr begangen habt. Und jetzt verschwinde, Jackal.“ Der Genannte nickte, drehte sich auf dem Absatz um und verließ die Räumlichkeiten so schnell wieder, wie er sie betreten hatte. ‚Zuständigkeitsbereich, dass ich nicht lache! Kaitou Kid wird sterben!ʼ Knurrend zündete er sich eine Zigarette an und ignorierte die Rauchen verboten Schilder, die in regelmäßigen Abständen an den Hotelwänden angebracht worden waren. ‚Und wenn's das Letzte ist was ich tue.ʼ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)