Purple Clouds von ScarFaceBilly (Vergessene Erinnerung) ================================================================================ Prolog: -------- Vor etlichen Jahrtausenden herrschten Kriege zwischen den Welten, deren Ausmaß wir uns als Menschen nicht einmal in unseren kühnsten Träumen vorstellen können. Nach unzählbaren Jahren des Kämpfens konnte Angebillmon, Herrscher der Dimension seinem Erzfeind Devitommon nicht mehr stand halten. Der Engel verlor seine Macht - doch trotz seiner einstigen Überlegenheit konnte Devitommon seinen Feind nicht besiegen, ohne seine eigene Existenz aufzugeben. Noch während er seinen verhassten Bruder niederstreckte, vereinte sich die Energie der Engel und schuf aus deren Seelen eine neue Welt. Eine Welt, die einen Neuanfang bietet. ____________________________________ Alles um mich herrum ist dunkel und still, und trotzdem habe ich das Gefühl eingesperrt zu sein. Und ich bin nicht alleine. Als ich einige Minuten inne halte, höre ich etwas Atmen, was mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ich bleibe wie angewurzelt stehen, dann lässt die Kraft in meinen Beinen nach und ich sacke zu Boden. "Wer ist da?", zischt eine Stimme in meiner Nähe, ich kann jedoch nicht herrausfinden aus welcher Richtung sie kommt. Auch als ich mich umschaue sehe ich niemanden. Es ist zu dunkel. "Wer bist du?", frage ich. "Niemand .. Seit Jahren bin ich hier.. und niemand hat mich gesucht. Niemand holt mich herraus. Also bin ich Niemand". Meine Augen gewöhnen sich langsam an die Dunkelheit und ich erkenne die Umrisse des Bodens. Er ist weiß. Weiße, kalte Fliesen. Doch die Wände sind dunkel. Am Boden erkenne ich, woher die Stimme kommt. Ich sehe zwei Beine und den Körper, der an der Wand lehnt wie ein nasser Sack. Über mir sehe ich nichts. Vielleicht ist die Decke so dunkel wie die Wände. Fenster und Türen sehe ich auch keine. "Wer bist du?", fragt er mich dieses mal und ich sage: "Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht mehr". Dann stehe ich auf, bemerke das hinter mir, aus der Richtung aus der ich gekommen war nun eine Wand aufgetaucht ist, setze mich ihm gegenüber an die Wand und schließe die Augen. "Ich habe schoneinmal vergessen wer ich bin. Jetzt weiß ich wer ich schon alles war .. aber wer davon bin ich wirklich?". "Naja, jetzt hast du viel Zeit darüber nachzudenken. Hier kommst du so schnell nicht mehr raus": Ich kann den Umriss seines Körpers sehen und wie er jetzt seinen Arm hebt und mit dem Zeigefinger nach oben zeigt. "Da Oben ist der einzige Ausgang. Glaube ich zumindest. Manchmal höre ich Schreie von dort, also muss da etwas sein. Aber es gibt keinen Weg hier raus". Ich schau nach oben, doch ich sehe immernoch nichts außer Schwärze. Ich bin nicht von oben hier herrein gekommen. Ich bin immer nur geradeaus gegangen, bis ich hier war und diese Wände da waren. "Was ist das hier für ein Ort?", frage ich ihn. "Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht wie ich hierher kam. Ich weiß nur, ich war nicht alleine als ich hier ankam. Doch nun bin ich es seit Jahren". "Jahre?", flüster ich ungläubig. "Du sitzt seit Jahren in diesem Raum fest?". Doch er schweigt. Stunden vergehen. Vielleicht auch nur Minuten. Vielleicht auch Tage. Ich weiß es nicht. Ich habe kein Zeitgefühl. Vielleicht vergeht die Zeit auch garnicht? Ich bekomme keinen Hunger, werde nicht müde. Ich kann die Luft anhalten und bis zweihundert zählen und noch weiter, ohne in Atemnot zu gelangen. Bin ich tot? Ich bekomme Angst. Er hat gesagt, niemand sucht nach ihm. Er weiß nicht mehr wo er her kommt und was passiert ist. Wird mir das nun auch passieren? Vergesse ich meine Freunde? Meine Eltern? Mein Bruder. "Ich will nicht vergessen", sage ich leise. Der Junge atmet zischend ein. "Ist dein Leben es wert in Erinnerung behalten zu werden?", fragt er dann. "Vielleicht war meins es nicht". Er hält kurz inne. Nachdenklich. "Ich sitze seit so langer Zeit hier. Und so lange nun schon alleine. Nur die Stille um mich herrum. Erzähl mir deine Geschichte. Ich habe so lange keine mehr gehört". Seine Bitte überrascht mich und ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Wo hat alles angefangen? "Ich versuche es". Kapitel 1: ----------- Geschlagene zehn Minuten trommelte Gustav schon mit seinen Fingern nervös auf dem Tisch herum, während Tom unaufhörlich quer durch den Raum auf und ab ging und sich lautstark aufregte. Wir haben so gut gespielt und die Produzenten sahen doch irgendwie begeistert aus, auch wenn sie während der ganzen Zeit keine Miene verzogen haben. Okay, auf den ersten Blick nahm man uns als Band wahrscheinlich nicht besonders ernst, aber man sollte nicht Vorurteilen und sie haben doch gesagt da würde Potenzial dahinter stecken. Klar, wir waren jung und mussten noch viel Erfahrung sammeln, aber wir hatten schon Fans! und den Plattenvertrag nur wegen des fehlenden Scheins nicht zu bekommen war unglaublich! Tom meckerte immer noch vor sich hin als wir das Gebäude verließen und die Stadt bergab verließen. Seine Kappe tief ins Gesicht gezogen und die Arme verschränkt stolperte er motzig den Weg entlang. "Was bilden die sich ein, uns einfach abzuschieben? Und warum wird man lebenslang dafür bestraft in der Schule gewesen zu sein?" Neben mir lief Georg, der gerade damit beschäftigt war sein T-shirt zurecht zu zupfen und seine Haare glatt zu streichen. Einige Meter vor uns standen ein paar Mädels die er wohl beeindrucken wollte. Als hätte er gerade nichts wichtigeres zu tun. "Georg du bist der Älteste von uns. Warum zum Teufel hast du nicht gewusst das einer von uns diese blöde Pokemonliga schaffen muss, damit wir den Plattenvertrag bekommen? Ich dachte immer mit dem Alter kommt die Weisheit! .. Hast du grade kein ernsteres Problem als vor diesen Weibern gut auszusehen? .. Halloo? Hörst du mir überhaupt zu? .. Ich glaubs nicht!" Doch er hörte gar nicht hin und schob mich sogar zur Seite. Die Mädchen lächelten und kicherten und als eine von ihnen die Aufmerksamkeit der anderen auf Tom zog starrte Georg Tom finster an. Ich nutzte meine Chance und drängte mich zwischen die beiden. "Ich hab dich was gefragt", sagte ich und boxte ihm in die Seite. "Ich hab es gehört. Darauf das mit dem Alter die Weisheit kommt solltest du nicht drauf hoffen Bill. Und abgesehen davon haben sie nicht gesagt das irgendeiner den Ligaschein haben muss sondern der Bandleader. Der bin nicht ich sondern du". Bevor ich etwas sagen konnte, schoben Tom Georg und Gustav einig die Schuld auf mich. Ich sei der Sänger, so automatisch der Bandleader und der Verantwortliche. Es war Herbst und trotz des angenehmen Schattens, den die Bäume der Bacoschoallee spendeten, flimmerte die Luft über dem Boden und riss weiße Löcher in den Boden. Vermutlich war es während des ganzen Sommers nicht so heiß wie an diesem Tag. Ich hatte das Gefühl mein Make-up läuft mir vom Gesicht und wahrscheinlich sah ich aus wie ein Pandabär, dennoch hoffte ich nicht so verklebt auszusehen, wie die andren drei Vollpfosten mit denen ich unterwegs war. Toms Kopf dampfte förmlich unter dem Stirnband und der Kappe und Georgs Haare klebten klamm an seinem Gesicht. Es war beinahe so heiß das ich gar nicht nachdenken konnte. Jeder Gedanke wurde durch "Oh Gott ist mir so heiß" unterbrochen und so hatte ich nicht mal einen vernünftigen Gedanken fassen können als wir schon fast an der Kreuzung angekommen waren. Die Woche hatte eigentlich gut angefangen. Nach einem kleinen Auftritt auf einem Dorffest in Schonilla, war einer dieser Anzugtypen auf uns zugekommen und stellte sich als Produzent vor. Er meinte er hätte uns schon länger im Auge gehabt, sie würden in der Plattenfirma im Moment Vorsprechen für einen Plattenvertrag machen. Rein zufällig sei eine Band gerade ausgestiegen und um in den Terminplaner keine Lücken schreiben zu müssen suchen sie eine andere Band. Wir haben natürlich sofort zugesagt und unseren Erfolg groß gefeiert. Zwei Tage später konnten wir sogar einen Termin für ein Konzert auf einer Geburtstagsparty im nächsten Monat festlegen. Es wurde von Tag zu Tag besser, aber als die Anzugtypen von der Plattenfirma sagte, der Bandleader müsse einen Ligapass vorweisen können, war alles vorbei. Niemals hatte irgendjemand in der Schule uns so etwas gesagt. Wahrscheinlich weil dann keiner zur Schule gegangen wäre. Ganz ehrlich. Wer ging schon zur Schule wenn er wusste, dass er für jeden verdammten Beruf auf diesem verdammten Kontinent einen Ligapass brauchte? Okey nicht für jeden. Es gab genug Berufe für die man hier weder zur Schule gegangen sein, noch ein Pokemon haben musste. Zum Beispiel Automechaniker, Gaderobist, Diplommüllmann.. Clown. Die Typen die die Straßenschilder in Schuss halten und zu jeder Jahreszeit neu streichen. Sie machen ´ne super Arbeit wirklich. Keine Schule keine Pokemon. Aber für jeden verdammten Beruf der irgendwie Sinn oder Spaß macht, oder einfach cool ist MUSSTE man einen Ligapass haben. Mit Unterschriften von diesen Arenatypen. Kannst du die Tonleiter? Nein aber ich habe ein Dragoran mit einem Pokeball gefangen! Was ist ein Violinschlüssel? Ich brauche keine Schlüssel! Mein Maschock tritt mir jede Tür ein. Der leichte Abstieg ließ nach und vor uns tauchte die Bacoscho-Kreuzung auf. Sie lag im Freien, das hieß keine Bäume mehr, oder sonst irgendetwas das Schatten warf. In der prallen Sonne war es gefühlte 46, 3 Grad heiß und ganz sicher tropfte mir spätestens jetzt tatsächlich das Make-up vom Kinn. "Kommt ihr mit nach Metropolis einen auf den Schock trinken?" fragte Georg ungeduldig, als müsse er schnell weiter gehen. Tom und Gustav willigten direkt ein. Nachdem Tom erfahren hatte das die heiße Tussi aus seiner Parallelklasse neben Georg wohnte, versuchte er so viel Zeit wie möglich bei ihm zu verbringen. Was er von dieser Bewohnerin einer Rostlaube wollte, leuchtet mir heute noch nicht ein. Ich lehnte das Angebot ab und erntete dafür Sprüche darüber, dass ich es auch eigentlich nicht verdient habe, da ich ja schließlich Schuld sei das wir den Vertrag nicht bekommen haben. Beleidigt drehte ich ihnen den Rücken zu und lief an dem Wegweiser zum Banastraciasplittella-Weg vorbei. Banella lag in einem kleinen, idyllischen Wäldchen umzingelt von Bergen. Wir wohnten im Tal im westlichsten Teil Tokyhos und abgesehen von zwei Städten und einem Dorf, waren wir nahezu abgeschnitten von der restlichen Zivilisation. Zumindest kam es mir immer so vor, denn ohne Pokemon als Beschützer durfte man nicht durch den Tunnel gehen. Von der Bacoscho-Kreuzung aus, sah man wie über Banella imposant die Pokemonliga aus den Bergen ragte. Sie sah aus, als sei sie in die Felsen gemeißelt und schon immer da gewesen. Was genau da drin abging wusste ich nicht und konnte es mir damals noch nicht mal ansatzweise ausmalen. Doch es interessierte mich auch nicht. Sie nervte mich. Es nervte mich wie Leute Banella immer mit der Liga verbanden. Es nervte mich wie alle einen so beneidenswert fanden, dass wir jedes Feuerwerk und jede Krönung mitbekamen. Es nervte mich das sie Nachts diese Siegesmelodie abspielten, wenn jemand die Liga gemeistert hatte und das sie mit Hologrammen die Pokemon im Himmel fliegen ließen. Nach dem eintausendvierhundertvierundzwanzigsten mal ist das einfach nicht mehr beeindruckend. Um ehrlich zu sein war es beängstigend, als kleines Kind in der Nacht aufzuwachen und überdimensionale Drachen, Schlangen, Fische und sonst was im Himmel fliegen zu sehen. Bei dem Anblick der Liga wurde ich sauer. Sie hatte mir alles verdorben. Wie sie da über mir im Gebirge saß und hochmütig auf mich hinab sah. "Tja, wärst du mal mit den anderen Kindern gegangen. Du wolltest ja dein eigenes Ding durchziehen", flüstert sie mir zu. Noch an diesem Morgen war ich so voller Hoffnung das meine Träume in Erfüllung gehen. Und jetzt war alles dahin. Wie sollten wir so jemals Weltbekannt werden? Wir hatten es und so sehr gewünscht. Ich hatte es mir so sehr gewünscht. Schon im Kindergarten wusste ich, ich würde eines Tages Musik machen. Das mein Bruder zufällig die selbe Idee hatte kam mir gelegen, und als wir Georg und Gustav fanden schien das Glück zum greifen nahe. Aber nach dem Gespräch konnten wir das vergessen. Vielleicht waren doch unsere Eltern schuld. "Mach erst deine Trainerausbildung", hätten sie sagen sollen. "Lern´ erst was richtiges und dann kannst du eventuell versuchen deinen Traum zu leben". Warum haben sie uns nur unseren Willen gelassen und uns zur Schule gehen lassen? Mir kamen fast die Tränen vor Wut und die Sonne ging mir auf die Nerven. Als hätte sie nichts anderes zu tun als mir das Leben schwer zu machen. Ich murmelte und fluchte vor mich hin, als ich jäh von Kinderlachen unterbrochen wurde Ich wendete meinen Blick vom staubigen Boden ab und sah zwei Kinder lachend auf mich zukommen. Sie sahen glücklich aus. Und sie waren nicht alleine. Neben ihnen liefen zwei wunderliche Gestalten. Eine hässliche gelbe Maus mit roten Kreisen im Gesicht und ein blauer Dinosaurier der Geräusche wie eine meckernde Ente machte. Sie lachten und sprangen und gingen mir tierisch auf die Nerven mit ihrer Glückseligkeit. Als sie an mir vorbei hüpften spießte ich sie förmlich mit meinem bösartigsten Blick auf, doch sie ignorierten mich gekonnt was mich fast zur Weißglut trieb. Erst als ich anfing laut fluchend Steine durch die Gegend zu schießen drehte sich eines der Kinder um, zeigte mit dem Finger auf mich und fing an zu lachen. Ihrem Alter nach zu schätzen kamen sie gerade aus Banella um dort ihr erstes Pokemon abzuholen. Sie machten sich gerade auf den Weg auf ihr erstes Abenteuer und das erste was sie sahen war ein stinkender Clown mit verschmierter, schwarzer Schminke der wie verrückt kleine Kinder anschreit. Hallo? Gehe direkt zur Psychiatrie, gehe nicht über Los und kassiere keine 1000 Zet ein. Immerhin hatte ich die Hälfte des Weges geschafft und die ersten Bäume tauchten vor mir auf. Nach und nach kamen mir immer mehr Kinder mit ihren neuen Weggefährten entgegen und ich versuchte ganz cool so zu tun, als wären sie gar nicht da, doch nach jedem Kind das an mir vorbei läuft plagte mich ein erneuter Wutausbruch. Als die letzten Nachzügler der Miniatur-Abenteurergilde an mir vorbei gezogen war, klang meine Wut langsam ab. Zwischen den Bäumen sah ich rote Flecken. Die ersten Dächer von Banella ragten üben die Baumkronen und flimmerten in der Hitze. Ich würde meiner Mutter erzählen müssen, dass der Jahrelange Unterricht vollkommen unnötig war und ich vermutlich als versoffener Penner, der es zu nichts gebracht hat, enden würde. Ich sollte mir so schnell wie Möglich eine Baracke in Metropolis mieten. Oder selbst bauen. Der Unterschied wäre kaum aufgefallen, denn in Metropolis sehen alle Häuser aus als seien sie aus alten Metallplatten und Flugzeugteilen oder Ähnlichem gebaut. Oder ich hätte gewartet bis Georg zu seinen Eltern nach Rockhausen zurück gegangen wäre und wäre in sein Zimmer im Haus seiner Oma eingezogen. Ich hielt kurz inne, als es neben mir im Baum raschelte. Kaum hatte ich mich aus Reflex in Richtung des Geräuschs gedreht, traf mich etwas weiches, wild flatterndes im Gesicht. "TAUBSI TAUBSI", krisch es in mein Ohr. Ich wich zurück, verlor mein Gleichgewicht und landete orientierungslos auf dem Hintern Der Vogel flatterte weiter und ich fasste mir jammernd ins Gesicht um zu prüfen ob noch alles da war. Als ich aufstehen wollte, wurde mir kurz Schwindelig und ich musste mich an dem Baum abstürzen, aus dem das Vieh heraus kam. Ich hasste sie. Ich hasste sie wirklich von ganzem Herzen. Als sei mein Tag nicht schon beschissen genug gewesen, nein, musste mir noch dieses unbrauchbare Vogelvieh ins Gesicht fliegen. Trotzig schlug ich gegen den Baum und stieß einen Spitzen Schrei aus. Laut fluchend ging ich in großen Schritten in Richtung Dorf. Und da lag er. Ein Stein, etwa so groß wie eine Pflaume, eine sehr große Pflaume, der nahezu rief: "Tritt mich! Lass alles an mir aus, dafür bin ich da!" Die Welt wurde schwarz. Ich sah nichts um mich rum als den Stein, der immer größer zu werden schien. Mein Fuß schnellte zurück, einen Moment fühlte ich mich wie in einem Fußballspiel. Das entscheidende Tor. Als wäre der Stein eine Manifestierung aller Probleme in meinem Leben, trat ich mit ganzer Kraft gegen ihn. Zuerst spürte ich einen grässlichen, stechenden Schmerz, dann hörte ich ein Knacken. Tränen schossen mir in die Augen und ich fluchte über meine eigene Blödheit. Mein Schmerzenstanz auf einem Bein wurde von zwei darauffolgenden Dingen unterbrochen: Zum einen Einen, ein komisches schmerzverzerrtes Brüllen aus einem nahegelegenem Busch und dem dazugehörigen grauen Wesen, welches hervor taumelte. Zum Anderen der entsetzte Ruf einer Frau die wie ein wildes Tier hinter einem geöffneten Fenster mit den Armen fuchtelte. "Du frecher Bengel! Du kannst doch nicht einfach harmlose Pokemon mit Steinen abschießen! Was fällt dir ein!", schrie sie aus voller Kehle und verschwand dann plötzlich vom Fenster. Mir lief kalter Schweiß über die Stirn, im ersten Moment angenehm, doch als ich das schreiende Pokemon ansah wurde mir noch heißer. Ich war sicher das war eine Botschaft der Liga um mich zu ärgern und das Pokemon war absichtlich vor den Stein gesprungen. Ich würde riesigen Ärger bekommen. Kapitel 2: ----------- Die Frau vom Fenster kam mir mit energischen Schritten entgegen, als ich mich humpelnd Banella näherte. Sie trug einen weißen Kittel und eine Brille. Außerdem sah sie verdammt wütend aus. Als sie mich sah, fing sie wieder an zu schreien und ich hätte schwören können, ihre Augen hätten rot geleuchtet. Es hatte sicher nicht viel gefehlt, da wären ihr zwei Hörnern durch die blonden Haare geschossen. "Dich sollte man nie mehr in die Nähe von Pokemon lassen! Ach was. Aus dem Haus! Einsperren sollten man dich!.." "Waaas! Aber das war doch keine..", versuchte ich mich zu wehren, doch sie ließ nicht von mir ab. "KEINE WAAS?!" "Ich hab das nicht mit.." "MIT WAAAAS NIIICHT?!" "MIT ABSICHT!", brüllte ich ihr entgegen und bevor ich registrieren konnte, was passiert baute sie sich vor mir auf. Ihre plötzliche Gelassenheit ließ mich stutzen. Sie hob ihr Kinn, schloss für einen Moment die Augen und stemmte ihre Fäuste auf die Hüften. Dann holte sie ganz tief Luft und sagte: "Du gibst also zu, dass es Absicht war?" Und bevor ich mich dazu äußern konnte, packte sie mich am Arm und schleifte mich ins Dorf zum Haus meiner Eltern. "Hast du dich wenigstens um das verletzte Pokemon gekümmert?", zischte sie. Natürlich log ich, bekam aber ein schlechtes Gewissen. Wegen der Lüge, nicht wegen des Pokemon. Von weitem sah ich meine Mutter, wie sie im Haus hinter dem offenen Küchenfenster rythmisch ihren Kopf hin und her wackelte. Sie staunte nicht schlecht als sie uns kommen sah, verschwand vom Fenster und kam zur Tür heraus. Ohne Begrüßung oder vorstellen, warf die Frau ihr vor, ihre Kinder nicht unter Kontrolle zu haben, was für ein furchtbarer Junge ich doch sei und das sie es als Mutter einschätzen können müsste, ob ihr Kind reif genug sei alleine draußen herum zu laufen. "Aach, das hat mein kleiner Schatz bestimmt nicht absichtlich gemacht. Da müssen sie sich täuschen Emma, mein Billy macht so etwas nicht. Er wollte sicher nur mit dem Pokemon spielen", antwortete sie, als gäbe es keine schlimmen Dinge auf der Welt. Anscheinend kannte meine Mutter diese Frau, denn sie lud sie kurzerhand zum essen ein. "Bleiben sie doch zum Essen Emma, es ist gerade fertig. Ich habe Leckeres gebacken." Und bevor sie noch etwas sagen konnte, zog meine Mama sie ins Haus und ich blieb bestürzt und alleine stehen. "Hallo? Ich bin verletzt?", rief ich, doch die Tür blieb geschlossen und ich hatte keine Lust mehr. Die Hitze schob mich in den Schatten eines Baums, wo ich mich auf den Boden setzte und meinen Schuh auszog um meinen Fuß zu untersuchen. "Uuuh.. ", hörte die Stimme meiner besten Freundin hinter mir, "was hast du denn da gemacht?" Sie zeigte auf meinen Fuß und kniete sich neben mich. "Ich hab was getreten. Es hat geknackt!" Ich musste wirklich sehr bemitleidenswert aussehen denn tätschelte mir den Kopf und sprach mit mir als wär ich ein Baby. "Och du armer Billy. Dein aarmer, aarmer Fuß. Hey schau mal. Der Nagel ist abgebrochen. Das war sicher das knacken." "Nein, nein, nein. Der ist ganz sicher gebrochen. So wie der weh tut!" Ungläubig hob sie Augenbraue und tippte gegen meinen Fuß. Und drückte und zog an meinen Zehen rum. "Du solltest niemals Krankenschwester werden Caroline." "Warum? Bin ich etwa zu grob für dein zartes Gemüt?", fragte sie und drückte noch fester. "Wenn da was gebrochen wäre, würdest du jetzt heulen, als hätte man dir deinen Kajal weggenommen", diagnostizierte sie und sah mich hämisch an. Bevor ich antworten konnte flog mir mein Strumpf ins Gesicht und sie sprang auf und bewegt sich einige Meter von mir weg. Ich versuchte den Strumpf wieder anzuziehen doch ihr verrücktes rumgehüpfe vor mir lenkte mich ständig ab. Als ich nach meinem Schuh greifen wollte, schnappte sie ihn mir blitzschnell weg und lief davon. Wie konnte sie bei dem Wetter noch fangen spielen wollen? Vielleicht ein Hitzeschlag? "Hey du solltest dich hinlegen und ähm .. Ich geh eben im Internet gucken was man gegen Hitzeschlag macht!", rief ich ihr entgegen und machte mich darauf gefasst, dass mir wieder irgendetwas entgegengeflogen kommt. Aber nichts passierte. Stattdessen wedelte sie mit meinem Schuh in der Luft herum, warf ihn hoch, ließ ihn auf den Boden fallen, hob ihn wieder auf und warf ihn wieder in die Luft. Das sollte mich wohl dazu bringen aufzustehn und ihr hinterher zu rennen, aber es war mir wirklich viel zu heiß. "Du solltest aufhören Behinderte zu mobben. Das gibt schlechtes Karma!" Zur Antwort warf sie den Schuh extra hoch und als sie ihn auffing zielte sie auf das Dach eines Nachbarhauses. Daraufhin rappelte ich mich auf und stützte mich am Baum ab. "Du solltest mich nicht reitzen, Caro! Ich habe heute wirklich eine Mordslaune!" Ich erzählte ihr von dem Gespräch mit der Plattenfirma und dem Pokemon im Wald. Caroline war super. Sie war ein Jahr älter als ich und zwar auf den Monat genau. Genau wie Tom und ich ging sie nach der Grundschule auf eine weiterführende Schule, jedoch anders als wir nicht aus freien Stücken. Es war der Wille ihrer Eltern. Sie sollte einen "anständigen" Beruf haben und sich nicht mit dem Mittelmaß abgeben. Der Durchschnittsbürger Tokyhos ging nach der Grundschule, also im Alter von zehn Jahren mit seinem ersten Pokemon auf Reisen um seinen Horizont zu erweitern, seine Grenzen kennenzulernen und vor allem um zu lernen Verantwortung für sich selbst und andere übernehmen und tragen zu können. Eltern die ihren Kindern so etwas selbst beibringen konnten ließen ihre Kinder also Zuhause. Zumindest waren wir dadurch nicht solche Gutmenschen. Sie wäre aber von Anfang an viel Lieber von Zuhause weggegangen, denn sie liebte Pokemon und auch wenn ihre Eltern dagegen waren, beschäftigte sie sich oft mit ihnen. Sie war ziemlich entsetzt über die Aktion mit dem Pokemon und ich hatte das Gefühl das sie mir das noch lange, lange nachtragen würde. Jedoch reagierte sie ganz anders als gedacht, als sie in ihre Umhängetasche griff, eine kleine, blaue Kugel aus ihrer Tasche kramte und sie mir in die Hand drückte. Sie fühlte sich weich an. Auf meine Frage was ich damit soll, sagte sie mit sarkastischem Ton: "In die Nase stecken, was sonst"; und zeigte sich mit dem Finger ins Nasenloch. "Das ist eine Sinelbeere. Sie wirkt wie ein Schmerzmittel". "Oh das ist gut. Mein Fuß tut so weh! Endlich mal jemand der sich um mich kümmert..", sagte ich und wollte mir die Beere in den Mund stecken, als mich ihre Hand hart am Kopf traf. Sie packte mich an den Haaren und brüllte: "Die ist nicht für dich, du blöder Egoist! Sie ist für das Pokemon, welches DU verletzt hast!" Wie eine Furie schubste sie mich Richtung Dorfausgang und schrie ich solle mich bloß nicht wieder blicken lassen, bevor es dem Pokemon wieder gut ginge. Zum Abschied flog mein Schuh an mir vorbei. Kapitel 3: ----------- Ich fragte mich was wohl passieren würde, wenn ich die Beere selbst essen würde. Abgesehen davon das ich mir dann ein neues Zuhause suchen müsste. Ich war ziemlich empört darüber das sie sich mehr um dieses Pokemon sorgte als um meinen Fuß, aber das war irgendwie typisch. Schmollend lief ich durch das Wäldchen, die Beere in der Hand und hielt Ausschau nach dem Pokemon. Es war grau, so viel wusste ich noch. Und irgendwas daran war pink und stand in die Luft ab. Sah aus wie Federn oder so ähnlich. Noch während ich versuchte das Aussehen zu rekonstruieren, hörte ich ein merkwürdiges Schniefen aus dem Gebüsch. "Was war das? War das das Pokemon?", ging es mir durch den Kopf. "Oder vielleicht ist es ein anderes. Hier gibt es viele wilde Pokemon. Ohje wenn es mich angreift bin ich völlig wehrlos. Mit Sicherheit hat es lange spitze Zähne und fürchterliche Krallen! Womit soll ich mich verteidigen?" Ich schaute mich nervös um und erspähte direkt einen Ast der tief von einem Baum in meiner Nähe herunter hing. Unter mir raschelte das trockene Gras als ich den steinigen Weg verließ und mich langsam dem Baum näherte. Der Ast knackte laut in der sonstigen Stille. Ich bildete mir ein, das Pokemon würde im Busch auf mich lauern und auf den richtigen Moment warten mich angreifen zu können. Mein Puls raste und ich glaubte mein Herz explodiert in jedem Augenblick. Wenn nicht gleich etwas passieren würde, würde ich anfangen zu Hyperventilieren und dann umkippen! Und dann wäre ich dem Vieh vollkommen ausgeliefert gewesen. Es würde mich erst auffressen und dann diese dämliche Beere. Oder es es würde sie mir in die Nase stecken und mich dann auffressen. Ich stand wie angewurzelt im Gras und starrte auf den Busch doch es tat sicht nichts. Nichts sprang heraus und ich sah nicht mal gruselig leuchtende, rote Augen die mich anstarrten. Auch nicht in meiner Einbildung. Ich steckte die Beere in meine Hosentasche und näherte mich, den Stock wie einen Baseballschläger haltend, dem Busch. Es raschelte und schniefte. Ich fasste all meinen Mut zusammen, zog den Ärmel meiner Weste über meine Hand und holte tief Luft. Dann schob ich langsam und systematisch einige Äste zur Seite und klemmte sie an Andere, damit mir die Sicht frei blieb. Es war dunkel, aber ich konnte eine Bewegung erkennen. Es bewegte sich regelmäßig auf und ab und zuckte zwischendurch etwas. Dann hob sich das eine Ende und zwei dunkle Augen sahen mich aus mandelförmigen Schlitzen an. Es blinzelte, schloss seine Augen wieder und senkte seinen Kopf langsam, bis er auf dem Boden ruhte. Mit einem mal wich meine Angst bodenloser Scham. Ich kam mir vollkommen affig vor mit dem Ast in der Hand. Als könnte mir dieser graue Haufen irgendwie gefährlich werden. Also ließ ich ihn auf den Boden fallen und bei dem knistern des Grases zuckten die Ohren des Pokemon. Es öffnete ein Auge und starrte mich an. Als ich meine Hand nach ihm ausstreckte schnaufte es und drehte seinen Kopf von mir weg. So konnte ich ihm nicht helfen. Irgendwie musste ich es aus dem Gebüsch bekommen. Ratlos kniete ich mich auf den Boden und hob die Äste vom Boden an. Ich wollte es heraus ziehen, aber es hätte mich beißen können, deshalb ließ ich es lieber liegen. Wer weiß schon wie es reagiert hätte wenn ich es angefasst hätte. Vielleicht hatte es irgendwelche Krankheiten, die tödlich für Menschen sind. Oder es stellt sich heraus, dass es ein Wer-Pokemon ist und ich mich Nachts in eine Bestie verwandelt wenn es mich erwischt. In meiner Hosentasche spürte ich die blaue Beere von Caroline. "Wenn ich jetzt kneife spricht sie nie wieder mit mir", murmelte ich. Und bevor mich meine Angst wieder packen konnte, zog ich meine Weste aus, hob die Äste an und beugte mich darunter. Ich musste meinen ganzen Körper anspannen damit ich nicht vorne über kippen und mit dem Gesicht im Dreck landen würde. Aber ich schaffte es meine Weste um das Pokemon zu wickeln und es herauszuziehen. Bei jedem zug schnaufte es und als es aus dem Busch heraus war, drehte es sich auf den Bauch und sah sich verängstigt um. Vielleicht suchte es Schutz. Wer wusste schon wie sich verletzte Pokemon verhalten wenn man sie gerade heldenhaft retten wollte? Achja. Man lernte es in der Trainerschule. Trainer wussten sowas. "Ich sollte das alles einem Trainer überlassen der Erfahrung hat", sagte ich lustlos. Leider war ich alleine und auch in den nächsten Minuten kam niemand vorbei der mir irgendwie hätte helfen können. Wo waren bloß diese Kinder wenn man sie brauchte. Ich versuchte so gut ich konnte, das Pokemon mit dem Kopf in meine Richtung zu drehen, dabei streifte sein langes Ohr mein Knie, was es zucken ließ. Ohne zu wissen was ich tat und was ich tun sollte, packte ich es unter seinen Armen und wollte es gerade hochheben um nachzuschauen ob eine Wunde zu sehen war, als seine Krallen ausfuhr und die Zähne fletschte. Vor Schreck ließ ich es fallen woraufhin es laut "SNIIE" schrie und sich auf dem Boden krümmte. "Schön jetzt hat es noch mehr Schmerzen. Das war meine persönliche Bestätigung dafür, dass ich niemals ein Pokemon anfassen sollte". Ich musste mir etwas einfallen lassen wie ich ihm die Beere geben könnte, ohne das es mich gleich mit auffrisst, also wedelte ich damit über ihm herum und versuchte irgendwie seine Aufmerksamkeit aus sie lenken. "Hey hallo! Jetzt guck doch mal. Ich hab hier was super leckeres für dich. Nur für dich ganz allein". Es ignorierte mich. Ja es deutete nicht einmal ansatzweise an das es mich bemerkt hatte. "Oh was soll ich denn bloß machen, kann mir das mal Jemand sagen?" Doch Niemand antwortete mir. "Okey du Snie, oder was auch immer du bist. Ich lege dir die Beere jetzt einfach dahin und du nimmst sie dir", bot ich ihm an und legte die Beere in die Nähe seines Kopfes. Es sah nicht mal hin, drehte sich auf dem Boden weiter und schnauft und öffnete ab und zu ein Auge, als würde es nachprüfen wollen ob der olle verschmierte, nach Schweiß riechende Typ mit den Stachelhaaren immer noch da war. Das graue Wesen drehte sich noch einige Minuten jammernd auf dem Boden als ich mich wenige Meter von ihm entfernt ins Gras setzte. Dann hielt es inne. Es drehte sich zur Seite und lag mit der Nase direkt vor der Beere. Ich konnte es genau schnüffeln hören, es setzte sich ins Gras und sah mich misstrauisch an. Dann stupste es die Beere mit seiner Pfote weg, ließ sich wieder fallen und rollte sich jammernd auf dem Boden. Ich hatte leicht das Gefühl, es mache mir etwas vor. Konnten Pokemon Schauspielern? Ich war mir nicht sicher, aber dieses konnte es anscheinend. "Willst du das Pokemon fangen?" Ich drehte mich nach der Stimme um und sah einen blonden Jungen mit grünen kurzen Hosen hinter mir stehen. Er ging neben mir in die Hocke und fragte: "Wie hast du es geschwächt? Ich sehe kein Pokemon und du hast auch keinen Ballgürtel um oder?" Seine Fragen gingen mir direkt auf die Nerven und ich hatte das Gefühl mit dem könnte ich es noch öfter zu tun haben. "Ich habe es mit einem Stein abgeworfen!" Er lachte, doch als er merkte das es mein ernst ist, erzählte er mir dass das ziemlich altmodische Methoden seien. Nicht weit von Tokyho gäbe es eine Region namens Kanto. Und dort gäbe es eine Stadt in der Menschen dafür bezahlten, Pokemon mit Steinen und Fleisch abzuwerfen und sie dann zu fangen. Ich konnte mir die Szene richtig gut bildlich vorstellen, aber mir kam nicht in den Sinn warum man sie bewerfen und sie dann fangen und behalten wollen sollte. Vielleicht für den Privatgebrauch? Komisch. "Muss man die nicht behalten wenn man sie gefangen hat?" "Nein, man kann sie auch wieder frei lassen. Manche machen das. Sie wollen nur so viele unterschiedliche Pokemon wie möglich gefangen haben, aber sie entlassen sie danach wieder in die Freiheit". Dann griff er in seinen Rucksack und holte eine winzige Kugel raus. Sie war weiß und rot und ein Pokeball. Ich hatte sowas schon öfter gesehen da er eine ziemlich große Rolle für Pokemontrainer spielt. Also für so ziemliche alle in Tokyho. Ich hielt schützend meine Hände vor mich. "Was willst du damit? Ähm hey..", er drückte mir den Ball gegen die Brust und ließ ihn einfach los, so das ich ihn auffangen musste. "Du solltest es einfangen und in ein Pokecenter bringen, damit sich jemand um seine Heilung kümmert. Aber vorher..", er griff ein weiteres mal in seinen Rucksack und musste ein wenig suche, doch dann fand er einen Keks. Er ging langsam auf das Pokemon, welches ihn neugierig anschaute und sich dann wieder theatralisch im Gras rollte. Er legte den Keks neben es und kam zu mir zurück. "Wenn es den Knursp gegessen hat geht es sicher auch an die Beere. Du hast sie ihm hin gelegt oder?" "Ja. Eine Freundin hat sie mir gegeben", antwortete ich und versuchte klar zu machen das ich keine Ahnung hatte von allem was gerade passierte. "Schniebelbeere oder so". Er fing an zu lachen und kriegte sich fast nicht mehr ein. "Du bist echt der Kracher! Naja. Ich geh dann mal. Man sieht sich!" Und er ging tatsächlich ohne sich noch einmal umzudrehen. Aber ich konnte mich nicht lange darüber aufregen denn ein unerwartetes Geräusch lenkte mich ab. Es knabberte! Das Mistvieh hatte tatsächlich mit seiner Show aufgehört und machte sich über den Keks her. Knursp. Was für ein blöder Name. Und was musste ich nun mit dem Pokeball machen? Gab es da irgendwas das ich sagen musste? "Was ist das für ein Knopf?" Ich drückte drauf doch nichts passierte. Dann wog ich ihn hin und her, drehte ihn und begutachte ihn von allen Seiten. Er war kalt und glänzte, als hätte ihn Jemand poliert. Und er war hart. Langsam ging mir die Geduld aus. Nirgends ein Zeichen wie das Ding zu benutzen war. Ich war kurz davor dem blöden Pokemon seinen blöden Pokeball gegen seinen blöden Pokekopf zu donnern und das es mich immer noch nicht beachtete ärgerte mich umso mehr. Ich hielt den Ball fest in meiner Hand und drückte fest auf ihm herum, als er mir plötzlich vor Schreck aus den Händen fiel. Mit eine mal mal wuchs der Ball um mehr als das doppelte seiner Ursprungsgröße an! Ich untersuchte ihn erneut doch es tat sich nichts mehr. Er war auch immer noch hart und glänzend. "Okay und jetzt? Brauch ich einen Zauberspruch oder so?" Räuspernd drehte ich mich nach allen Seiten um. "Könnte nicht nochmal Jemand vorbei kommen und mir helfen? Hallo? Hiilfe". War wiedermal typisch das mich alle mit meinen Problemen alleine ließen. Von wegen Verantwortung für andere übernehmen. "Hallo .. Pokeball? .. Anleitung erscheine! .. Hilfe?" Während meiner Versuche mit dem Pokeball klar zu kommen, war das Pokemon mit dem Knursp fertig und begann sich mit der Beere zu beschäftigen. Es saß auf seinem Hintern, die Beine von sie gestreckt und hielt die Beere in seinen weißen Pfoten. Es begutachtete sie, hatte fast dieses "gleich fresse ich dich" in seinen Augen. Dann schnüffelte es dran, leckte es ab, riss sein Maul weit auf.. und starrte mich an. Einige Sekunden verharrte es in dieser Position, dann ließ es wiedereinmal die Beere zu Boden fallen, warf sich daneben und wälzte sich laut schniefend und jaulend im Gras. "DU WILLST MICH DOCH VERARSCHEN! Blödes Mistvieh! Das ist ja unglaublich!" Ich verlor vollständig meine Nerven und vor lauter Aggression schmiss ich mit aller Kraft den Ball auf das Pokemon zu. Keine Sekunde nachdem ich ihn losließ hatte ich ein schlechtes Gewissen, ganz kurz nur, denn dann traute ich meinen Augen nicht. Wieder aller Erwartungen und jeder Logik schwebte der Ball in der Luft, teilte sich in der Mitte und ein rotes Licht strahlte heraus. "Er ist kaputt!", rief ich laut und konnte nicht glauben was passierte, als der rote Strahl sich blitzschnell auf das zappelnde Pokemon zubewegte, es einhüllte und sich wieder in den Ball zurückzog. Alles passierte so schnell das meine Gedanken nicht mehr mitkamen. Das Pokemon war verschwunden und der Ball wackelte geschlossen auf dem Boden herum. Panik packte mich, ich trat einige Schritte zurück, drehte mich um und rannte als wäre ein Killer hinter mir her. Meine Beine waren schwer wie Blei und Schweiß brannte in meinen Augen. Orientierungslos lief ich durch den Wald, vorbei an unzähligen Bäumen, stolperte über Äste, Baumstümpfe und Stein, fiel manchmal auf die Nase, stand ohne es zu registrieren auf und rannte weiter, ohne zu wissen wohin. Wenige Sekunden bevor mir endgültig die Puste ausging und meine Kraft ausgeschöpft war, kam ich an einer Lichtung an. Ich versuchte zu atmen, doch ein fürchterlicher süßer Geruch drang in meine Nase ein. Um mich herrum sah ich bunte Flecken auf grünem Hintergrund und die Flecken begannen sich zu drehen und zu wirbeln bis alles schwarz war. Ich hatte das Pokemon kaputt gemacht. Dieser rote Laserstrahl. Es musste verbrannt sein, deshalb war es weg. Jemand würde den Ball da liegen sehen und den Aschehaufen daneben. Und der Junge. Der würde wissen das ich das war. Der Junge musste weg. Er war der einzige Zeuge. Kapitel 4: ----------- Nach und nach ließ das Rauschen in meinen Ohren nach und gab das rascheln leichter Windböhen in den Bäumen frei. Zwischendurch zwitscherte ein Vogel und der penetrante süße Geruch wurde angenehm blumig. Ich wünschte mir jeden Morgen hier aufzuwachen. Ein plätschernder Bach hätte noch gefehlt, aber den hätte man sicher noch anlegen können. Die Sonne blendete mich als ich die Augen öffnete. Was für ein schrecklicher Tag. Nun hatte es mich wirklich noch umgehauen. Ich setzte mich auf und wischte mir achtlos durch mein Gesicht. Genüsslich rieb ich meine Augen und danach meine Finger an meiner Hose, solange bis die schwarze Schminke aus meinem Gesicht und den Händen verschwunden war. Völlig fertig, niedergeschlagen und dem absoluten Gegenteil von Tatendrang saß ich in der Wiese, schaute mich um. Ich war umgeben von roten, weißen, lilanen und blauen Blüten die erschöpft ihre Köpfe gen Boden hängen ließen. Es waren Mohnblumen und Margeriten. Glocken- und Kornblumen. Meine Lieblingsblumen. Wenn Jungs Lieblingsblumen haben durften. Ohne das ich es verhindern konnte, drang das Bild vor meine Augen, wie der rote Strahl das Pokemon vernichtete. Mein Magen verkrampfte. Wie sollte ich das bloß Caroline sagen? Ich konnte ihr doch keine Lüge erzählen. Sie hätte es sowiso bemerkt. Sie merkte es immer wenn ich sie anlog. Und dann meckerte sie mit mir, ihr könne man doch alles sagen. Diese Professorin hätte sicher dafür sorgen wollen, das ich für immer eingesperrt werde. Meine Mutter würde sich nur wundern wo meine Weste geblieben ist. Sie würde mir Geld geben damit ich mir eine neue kaufen konnte. Tom konnte ich vielleicht die Wahrheit sagen, aber er würde es weitererzählen und das war wirklich peinlich. Bill der Pokemonmörder. Der Pokemonhasser der mit 16 sein erstes Pokemon tötete. Mit einem Pokeball! Ich stand auf und musste mich kurz umschauen, doch dann sah ich einen Weg in den Wald und folgte ihm. Ich merkte direkt den Temperaturunterschied zwischen Sonne und Schatten, atmete tief ein und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Als erstes sollte ich gucken ob der Ball noch da ist, hatte ich mir überlegt. Hoffentlich war er noch da. Und hoffentlich würde mich keiner entdecken. Die Asche konnte ich vergraben, das dürfte kein Problem darstellen. "Einfach ein bisschen Gras drüber legen und gut ist. Den Ball werfe ich in irgendeinen See. Wenn ich alle Spuren verwische wird alles gut". Murmelnd lief ich durch den Wald, meine Hände in den Hosentaschen und stets wachsam. Solange ich mir das einredete, ging es mir gut, doch je näher ich dem Tatort kam, desto nervöser wurde ich. Zuerst sah ich ihn im hohen Gras nicht, doch dann lag er da als hätte ihn jemand dort vergessen. Der Pokeball. Okay jemand hatte ihn vergessen. Zumindest so ähnlich. Er lag reglos da, wackelte nicht mehr. Ich ging auf ihn zu und hob ihn auf. Er sah aus wie vorher. Weiß und rot, er war wieder geschlossen und klein. Selbst die Sinelbeere lag noch da wo das Pokemon sie hatte fallen lassen. Einen Aschehaufen sah ich aber nicht. Vielleicht hat Wind ihn weggeweht. Oder konnte der Laser vielleicht so heiß gewesen sein, dass er das Pokemon zu Asche und dann die Asche zu nichts verbrannte? Meine Weste lag noch neben dem Busch und auch an ihr war weder Asche noch Blut. Bluteten Pokemon überhaupt? Naja so brauchte ich wenigstens keine Ausrede vor meiner Mutter. Ich hob die Weste auf, guckte mich noch einmal um und wickelte die Weste um den Ball. Es war lächerlich da er so klein war. Es hätte gereicht ihn in die Tasche zu stecken. Mit meinem schrecklichen Geheimnis in der Weste schlich ich durch den Wald nach Banella und war heilfroh als ich dort ankam ohne jemandem zu begegnen. Das Dorf in dem ich seit meiner Geburt lebte war klein. Ich weiß nicht wo die Grenze liegt um eine Campinggruppe von einem Dorf zu unterscheiden, aber ich glaube Banella war sehr knapp darüber. Ich hasste immer den Bodenübergang zwischen Wald und Banella, denn der Boden im Wald war weich und sandig - und man konnte Steine schießen. Im Dorf war der Boden aus Steinplatten und zwar durch das komplette Dorf und zu jedem Haus führte ein kleiner Weg der sich farblich vom Hauptweg unterschied. Die Häuser standen kreuzt und quer verteilt, waren aber alle in Richtung des Dorfzentrums gerichtet in dessen Mitte eine Statue stand. Es war ein etwa zwei Meter hoher Obelisk der auf einem Sockel stand. Der Dorfplatz war Kreisförmig und die Pflastersteine mit bunten Ornamenten verziert. So viel Aufwand wie er es dem kleinen Fleckchen Erde meiner Meinung nach nie gebührte. Zumindest damals nicht. Unser Haus stand östlich des Platzes mit dem Rücken zum Berg, der uns mit seiner steilen Felswand schon vor so manchem schweren Sturm bewahrt hat. Meine Mutter hatte immer Angst das der Felsen, der so gefährlich aus der Wand herausragte, irgendwann abbrechen würde. Wahrscheinlich ausgerechnet dann wenn einer draußen im Garten arbeitete, welcher an den Berg grenzte. Einen Vorgarten hatten wir auch. Meine Mama hegte und pflegte ihn als würde etwas schreckliches passieren, sollte sie sich auch nur einen Tag nicht um ihn scheren. Wie immer stand das Küchenfenster offen und lockte Einbrecher, Diebe, Mörder, Tiere, Kleinkinder und wer weiß was noch alles mit einem Teller frischen Gebäcks, welches dort zum auskühlen stand. Die anderen Kinder hatten Tom und mich immer beneidet, weil immer Kuchen, Kekse, Plätzchen, leckere Törtchen mit Streuseln oder sonst welche selbstgebackene Süßigkeiten greifbar nahe waren. Mit der Zeit wurde mir auch bewusst das sie immer nur deswegen mit uns Spielten, denn wenn wir in der Schule waren oder meine Mutter nicht da war, sprachen sie nicht einmal mit uns. Außer Caroline natürlich. Angespannt öffnete ich die Tür und schloss sie leise hinter mir als ich eingetreten war. Meine Mutter winkte mir fröhlich zu als ich ihn die Küche lugte. Diese Emma war anscheinend schon gegangen, denn ich sah sie nirgends sitzen und niemand schrie mich an. Nachdem Mama mir ihre neuen Knusperkringel angedreht und mir über ihren Tag berichtet hatte, stieg ich völlig erschöpft die knarzende Holztreppe hoch, mich auf mein Bett freuend. Die Tür zu Toms Zimmer war offen also war er noch nicht wieder Zuhause, worüber ich froh war, denn sonst hätte ich mich noch lange nicht ausruhen können. Mein Zimmer war ein ausgebautes Dachzimmer. Ich konnte es nur über eine Leiter erreichen aber das war ganz cool, denn wenn ich meine Ruhe haben wollte konnte ich sie hochziehen und die Luke schließen. Die Luke war in einer Ecke und rechts in der Ecke stand mein Bett. Am Fußende stand eine Kommode und daneben in der Ecke mein Schreibtisch mit dem Pc. Ich hatte einen riesigen Fernseher zum Geburtstag geschenkt bekommen und beim spielen haben Tom und ich die Fernbedienung versehentlich in ein Glas Wasser geworfen. Seit dem geht der Fernseher nicht mehr aus. Obwohl wir öfters mal keinen guten Umgang mit Elektrogeräten gezeigt haben, bekamen wir immer die neuesten Konsolen von Nintendo und das war auch gut so, denn da wir nach der Schule nicht auf Abenteuer gingen, hatten wir wenigstens Zeit uns mit den Konsolen zu beschäftigen. Es gestaltetete sich als etwas schwierig mit der Weste in der Hand die Leiter hochzuklettern und aufzupassen das der Pokeball nicht herausrollte, aber am Ende schaffte ich es und kam Heil oben an. Ich klappte den Deckel über die Leiter und fühlte mich zum ersten Mal für Heute einigermaßen sicher. Ich kniete mich auf den Lila Teppich vor dem Fernseher und breitete meine Weste aus. Unscheinbar lag die kleine rot – weiße Kugel da und ich wusste nicht was ich damit machen sollte. Eigentlich müsste ich die Tatwaffe vernichten oder verschwinden lassen, aber ich weiß nicht wie oder wo. Ich überlegte ob ich ihn verbrennen, zertrümmern oder vergraben könnte. Wir hatten keinen größeren See oder Fluss indem ich ihn hätte versenken können, doch nach einer Weile beschloss ich mich morgen darum zu kümmern, daher verstaute ich ihn in einer Schublade und versuchte die ganze Sache etwas lockerer zu sehen. Ich konnte es sowiso nicht mehr ändern. Ich duschte sicher eine halbe Stunde lang und schmierte mich vier oder fünf mal mit dem Pfirsifgel ein. Mama machte das Zeug selbst aus irgendwelchen Beeren, deshalb roch es unglaublich gut und ließ keine Rückstände auf der Haut. Den meisten Jungs war sowas wahrscheinlich egal, aber wenn man es schon so gut hatte, musste man das auch ausnutzen. Meine Haare föhnte ich im Sommer nie und in diesem heißen Herbst auch nicht, also ging ich frisch geduscht direkt in mein Zimmer, zog mich an und ging legte mich ins Bett. Ich schlief schnell, doch nicht sehr lange denn kaum war ich richtig weg gedöst, rüttelte mich jemand unsanft aus dem Schlaf. Es war natürlich Tom. "Du hast ja keine Ahnung, was uns vorhin passiert ist!", sagte er aufgeregt. "Wir sitzen so in Georgs Zimmer und zocken und auf einmal BÄÄM von draußen. Wir haben uns tierisch erschrocken und sind direkt ans Fenster gegangen um nachzugucken". "..Was du nicht sagst..", nuschelte ich müde ins Kopfkissen. "Ja. Rat mal was passiert ist! Einer der ollen Radiotürme ist umgekippt! Einfach so". Total in rage imitierte er mit seinem Arm den Turm, der gerade einstürzte. "Wahrscheinlich haben zu viele Hunde dran gepisst und er ist durch gerostet. Wer weiß schon. Aber es war so cool! Er ist nur ganz knapp an Georgs Haus vorbei geschreddert. Nur soo knapp!" Er fuchtelte mir aufgeregt mit den Händen vor der Nase herum und beschimpfte mich als Langweiler, weil ich das alles nicht so toll fand wie er. In Gedanken erzählte ich Tom was mir heute passiert war und amüsierte mich herrlich über seinen entsetzten Gesichtsausdruck. Er würde mich nie mehr beleidigen, wenn er wüsste was für ein skrupelloser Mörder ich war. Wahrscheinlich hast du jetzt den Eindruck, Tom und ich wären nicht besonders gut miteinander klar gekommen, aber das stimmt nicht. Er war mein ein und alles. Und alles war eins. Das heißt, alles gehörte jedem und da gab es nie Streit drum oder so. Wir sind zusammen zur Welt gekommen, haben uns also schon Mamas Bauch geteilt. Wir teilten auch alles Erlebte und alle Geheimnisse. Aber manche wollten einfach lieber später erzählt werden. Wir redeten noch eine Weile und gingen dann zusammen in die Küche um das Abendessen hinter uns zu bringen. Mein Mittagsschläfchen vorhin hat sein übriges getan als ich in der Nacht wach im Bett lag und kein Auge zu bekam. Ich hatte keine Möglichkeit mein Dachfenster abzudecken, daher schimmerte mein Zimmer im Mondschein, was es mir noch schwieriger machte einzuschlafen da ich zu viel durch mein Zimmer gucken konnte. Meine Augen wurden immer schwerer und schwerer und nachdem ich etwa sechsundreißig mal den heutigen Tag durchgegangen bin, siegte die Müdigkeit doch und ich fiel in einen tiefen unruhigen Schlaf. Kapitel 5: ----------- Ich lief einen Berg herunter, stolperte über Steine und Äste und sah mich immer wieder gehetzt um. Der Himmel war hellblau, es war keine Sonne zu sehen. Vielleicht fror ich deshalb? Nach einer Weile ließ die Steigung nach und der Weg endete. Ich watete durch eine hohe Wiese und fiel fast in den Bach der urplötzlich vor mir auftauchte. Eigentlich hätte ich ihn hören müssen, denn er floss wild über Steine und Kanten, doch er plätscherte trotzdem nicht. Anscheinend hatte ich keine Zeit mich darüber zu wundern, denn mit Schwung sprang ich mitten in ihn hinein und auf der anderen Seite wieder ans Ufer um so schnell wie möglich weiter zu kommen. Die Wiese wurde immer niedriger und steiniger und das Gras begann mit jedem Meter trockener und härter zu werden. Als ich merkte das vor mir hohe Säulenartige Felsen emporragten, drehte ich mich einmal im Kreis. Überall waren diese Dünen, Felsen und Steine. Der Berg von dem ich ursprünglich kam und die Wiese waren verschwunden. Wo sollte ich nun hin gehen? Wie automatisch lenkten meine Füße mich in diese Wüste hinein bis ich von Felssäulen umgeben war und nur noch diese rotbraunen Gesteinsformationen vor mir sah. Ich rief laut um Hilfe, aber außer meinem eigenen Echo kam nichts zurück. Nach noch einigen Versuchen jemanden ausfindig zu machen, gab ich auf und ging weiter. Stundenlang immer geradeaus. Der Himmel verfinsterte sich langsam, eine Sonne konnte ich immer noch nicht entdecken aber dafür bald etwas womit ich nicht gerechnet hatte. Eine Höhle. Sie war in eine der Felssäulen hineingemeißelt. Sicher war dies der einzige Weg hier irgendwie weiterzukommen, deshalb trat ich gegen meinen Willen ein. Die Luft roch modrig und feucht und mit jedem Schritt wollte ich umkehren doch meine Beine trugen mich immer tiefer hinein. Ich ging um Kurven, kletterte durch Löcher und steinige Felsen hoch. Meine Augen hätten sich schon längst an die Dunkelheit gewöhnen müssen, doch ich sah nichts. Jede Bewegung passierte von ganz allein, ohne das ich über irgendeinen Teil meines Körpers mit Ausnahme meiner Gedanken die Kontrolle übernehmen konnte. Einmal rutschte ich aus und fiel in eine Pfütze, aber ich stand wieder auf, ohne mir, doch sonst aus Reflex, die Hände und Knie zu reiben, und ging einfach weiter. Auch in der Höhle hörte ich keine Geräusche, nicht einmal wenn ich gegen Steine trat. Langsam wurde es heller vor mir, wenn auch nicht viel, aber dunkelblaues Licht trat in die Höhle und wenige Meter weiter hatte ich den Ausgang gefunden und stand vor einem Wald. Die Bäume waren hoch und die Stämme Kahl. Äste traten erst nach fünf und sechs Metern aus doch nach oben hin wurden es viele. Als müssten sie eine bestimme Anzahl an Ästen austreiben, hätten aber nur die oberen drei, vier Meter des dünnen Stamms dazu zur Verfügung. Wäre eine Sonne am Himmel gewesen, wäre sie nun untergegangen und ob wenigstens der Mond zu sehen war konnte ich wegen der Bäume nicht feststellen. Wie bei der Wüste, war die Höhle verschwunden als ich mich umdrehte. Das hier war nun also die nächste Passage? Egal wo ich hinsah standen Bäume und sie sahen alle gleich aus. Ich bewegte mich in eine Richtung und ging immer gerade aus. Etwas tief in mir machte das meine Augen immer nur geradeaus sahen und ich mich nicht umschauen konnte und auch der Drang sich umzudrehen wurde irgendwie unterdrückt. Es war seltsam nicht Herr über seinen Körper zu sein, doch ich konnte nichts anderes machen als weiterzulaufen. Vor mir tauchte ein weißes Gebäude und ein Fahrzeug auf. Es musste von einem Ausländer stammen denn bei uns wurden keine Fahrzeuge mit vier Reifen hergestellt Es gab auch keine Wege wo man sie hätte nutzen können. Vielleicht war ich garnicht mehr in Tokyho? Ich ging mit mulmigem Gefühl im Magen auf das verwahrloste Gebäude zu. Ich durfte nicht dort hinein gehen, das wusste ich und ich tat es auch nicht. In meinem Kopf rauschte es plötzlich und zwei weiße Lichter strahlten mich an. Das Fahrzeug. Wiso weiß ich nicht, doch ich schloss meine Augen nicht und machte auch sonst nichts um sie zu schützen. Ich starrte nur weiter in die Lichtkegel und lauschte dem Rauschen. Dann war alles schwarz. Ich brauchte einen Moment um zu registrieren, das ich lag. Es war weich und warm und gemütlich. Eine richtige Wohltat. Ich öffnete die Augen und sah mein Zimmer. Ich lag in meinem Bett, in meinem Zimmer, hatte aber Angst zu versuchen mich zu bewegen. Mein Herz schlug schnell als ich ein kratzendes Geräusch hörte. Meine Erinnerung kam zurück und erschrocken fiel mein Blick auf die Schublade in der ich den Pokeball versteckt hatte. Sie war offen. Das kratzende Geräusch wanderte. Es bewegte sich in meine Richtung und kam immer näher. Ich konnte es genau hören. Unter mir. Mit weit aufgerissenen Augen hielt ich die Luft an und wünschte mir einfach es würde verschwinden. Ein dunkler Schatten kroch unter dem Kopfende des Betts hervor, schlich schnüffelnd über den Boden, sah sich um. Mein Schädel und meine Lunge drohten zu platzen und ich sog zischend Luft ein. Der Fleck schien sich erschrocken zu haben und zuckte mit einem Satz wieder unter das Bett. Die Kratzgeräusche waren weg. Und wie im ganzen Rest des Traumes, hörte ich wieder nichts mehr. ___ Der nächste Morgen war ein Morgen wie jeden Tag. Ich schwappte nach und nach vom Land der Träume ins echte Leben. Spürte mein Bett und sah die Helligkeit durch meine geschlossenen Augenlider. Da mein Wecker noch nicht gebimmelt hatte, drehte ich mich noch einmal um aber da war dann schon das schrille Klingeling. "Halts Maul". Frisch und gut drauf schlug ich die Decke auf erhob mich aus dem Bett und machte mich gähnend auf den Weg ins Bad. Ich sah ziemlich fertig aus, dachte mir aber nichts dabei und putzte mir gemächlich die Zähne. Draußen hörte ich nackte Füße flatschen. "Morgen", nuschelte Tom. Ich sah ihn im Spiegel zum Klo gehen. Dann plätscherte es. "Hast du gestern Nacht auch diese komischen Geräusche gehört?", fragte er. Geräusche? Was für Geräusche? Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Mit der Zahnpaste um den Mund sah ich aus als hätte ich Tollwut. Ich bürstete meine Zähne hastig und spuckte aus. "Was für Geräusche meinst du?". Ich versuchte locker zu sein und mir nichts anmerken zu lassen und er nahm es mir ab. "Keine Ahnung. Kam vom Dachboden glaub ich. Ich dachte du hättest das mitgekriegt". Dann drückte er mich vom Spiegel weg und putzte sich auch die Zähne. Er hatte Geräusche gehört. War das letzte Nacht doch kein Traum? Aber es musste doch. Ich war doch nicht wirklich durch eine Höhle gelaufen. Ich hatte fürchterliche Angst die Leiter zu meinem Zimmer hochzugehn, aber als Tom mich misstrauisch ansah als ich unter meiner Luke stand, blieb mir nichts anderes übrig. Nahezu in Zeitlupe kletterte ich die Leiter hoch, machte bei jedem Schritt auf die nächste Sprosse eine Pause und als ich soweit war das ich in mein Zimmer sehen konnte hielt ich an. Ich streckte meinen Kopf gerade so hoch, dass ich meine Blicke über den Boden schweifen lassen konnte. Ich erwartete schreckliches, klammerte mich an die Leiter als wolle ich sie nie wieder loslassen, aber Nichts. Dann sah ich meinen Schreibtisch. Die Schublade stand offen. Es konnte also nur das Pokemon gewesen sein. Seine Böse Seite musste sich manifestiert haben und wandelte nun auf Erden um mir, seinem Peiniger, das Leben zur Hölle zu machen. Ich brauchte einen Exorzisten, aber wie sollte ich jemandem sagen das ein Geist in meinem Zimmer haust? Erschrocken fuhr ich zusammen und verlor mein Gleichgewicht als Tom mir unerwartet ins Bein kniff. "Tom du musst mir helfen da ist ein Monster in meinem Zimmer!", schrie ich ihn an ohne Luft zu holen, woraufhin er mich mit großen Augen anklotzte und dann anfing zu lachen. "Ich mein das ernst Tom, du musst mir helfen! Ich hab was schlimmes gemacht und jetzt will es mich umbringen!". "Dich umbringen? Das lohnt sich doch gar nicht. Wozu denn?", spottete er. Wütend stupste ich ihn gegen die Schulter, "mach dich nicht lustig, ich mein das Ernst". "Ja ist klar". Als er die Leiter hochkletterte schnappte ich nach seiner Hand aber er zog sie weg um sich festzuhalten. "Jetzt stell dich nicht so an. Ich denk ich soll dir helfen". "Ja. Aber..". Natürlich sah er kein Monster und auch keinen Geist oder sonst etwas gefährliches in meinem Zimmer. Warscheinlich dachte er ich wäre total bescheuert oder ich wollte Aufmerksamkeit, aber ich wusste ganz genau das da etwas gewesen ist. Es konnte unmöglich ein Traum gewesen sein. Als wir am Mittag zusammen auf dem Dorfplatz auf Caro warteten traute ich meinen Augen nicht. Zuerst dachte ich es wäre ein Plüschtier, aber als es sich zwinkernd umsah war es klar. Sie trug ein Pokemon auf dem Arm. Wo hatte sie das Biest denn her? Freudestrahlend kam sie auf uns zu, das Pokemon fest umklammernd. "Ich dachte dein Vater hätte dir verboten ein Pokemon zu halten". "Es gehört mir nicht. Das arme kleine Ding wurde ausgesetzt und ist gestern bei Professor Emma angekommen. Jemand hat es bei ihr abgegeben. Es war an einem Baum festgebunden könnt ihr euch das vorstellen?", erzählte sie entsetzt. Ja ganz schlimm. Ich käm gar nicht auf die Idee es festzubinden. Da gibt es doch viel zeitsparendere Methoden, dachte ich mir. Ich grinste sie an und beteuerte, dass ich es gut fände, dass sie sich um es kümmert. Ob sie es mir abgekauft hat weiß ich nicht. ~* "Klingt so als hättest du dich in deiner Welt nicht zurecht gefunden". "Hab ich nicht. Es war mir alles zuwieder. Ich wusste es damals nur noch nicht, aber die Ursache für meine schlechte Laune hatte nichts mit Pubertät zu tun. Das vorgegaukelte Friede Freude Eierkuchenprinzip hat mir noch nie gefallen, aber wer hätte schon gedacht das da so viel dahinter steckt". "Ich weiß was du meinst", antwortet der Junge und streicht sich eine lila Strähne aus dem Gesicht. "Ich wusste immer das da mehr ist als wir sehen. Alle wissen das, nur sind die meisten so engstirnig und in ihren beschränkten Leben zu glücklich, als das sie sich damit beschäftigen wollten". Ich denke kurz darüber nach. Irgendwie fühle ich mich erschöpft obwohl unsere Körperfunktionen doch ausgeschaltet scheinen. Mein Gehirn sehnt sich nach Schlaf, aber wenn ich die Augen schließe, dreht sich alles als wenn ich in einem Karussell sitzen würde. Ich weiß nicht wie lange wir hier sitzen und nachdenken als der Junge seine Stimme erhebt. "Warum bist du nicht gegangen wenn es dir zu Hause nicht gefallen hat?" Erstaunt sehe ich in an. Seine Augen sind blau wie das Meer und alt. Sein Gesicht ist nicht alt. "Würdest du deine Familie verlassen nur weil dir die Lebensweise der anderen nicht gefällt?" "Habe ich.." Sein Blick löst sich von meinem und findet sein Ziel in der Dunkelheit über uns. "Ich bin gegangen. Ich wollte wissen was es sonst noch gibt". "Und dann bist du einfach weggegangen? Wohin?". Nervös rutsche ich auf dem Boden herum. Ich glaube er versucht sich zu erinnern. Er schließt seine Augen und lehnt seinen Kopf gegen die schwarze Wand. Zeit hat keine Bedeutung hier. Ich fange wieder an zu zählen. Wie oft hätte ich jetzt schon aufs Klo gemusst. Wie oft hätte ich schon etwas gegessen. Nur hier sitzen und die Dunkelheit anstarren. Ist das die Hölle? Vielleicht bin ich wirklich tot. Trübseligkeit macht sich in mir breit. Ich kann mich an kaum etwas aus meinem Leben erinnern und doch scheint es so viel zu geben was ich vermisse. Wie Phantomschmerzen. Wieder starren mich die hellblauen Augen an, unheimlich und mysteriös. Wer ist er nur. Seine Kleidung ist komisch, aber er spricht meine Sprache und hat auch keinen Akzent oder Dialekt nachdem ich ihn einem bestimmten Ort zuweisen könnte. Er hat die selbe Hautfarbe wie ich. Während ich in seinen Augen nach seiner Geschichte suche, wünsche ich mir mich in ihnen spiegeln zu können. Wie sieht mein Gesicht aus? Ich sehe meine Hände, Arme, meinen Körper und meine Beine und Füße. Nicht das sie mir bekannt vorkämen, aber sie sind da und sie sind eindeutig meins. Nachdenklich betaste ich mein Gesicht. Meine Haut ist glatt und meine Augen Mandelförmig. Sie funktionieren beide. Meine Nase sitzt an der selben Stelle wie die des Jungen, mitten im Gesicht. Meine Lippen sind voll und meine Zunge schmeckt Salz als ich sie berühre. Ich habe ein Gesicht. Ich kann schmecken. Ich spüre wie er mich beobachtet als ich mit beiden Hände durch meine Haare fahren. Meine Finger kommen nicht richtig durch. Etwas erschrocken stelle ich fest das meine langen Haare sich zu dicken Strähnen verfilzt haben. Sie sind lang genug das ich sie mir ansehen kann. Sie sind schwarz. Wie gewohnt. "Wie konntest du einfach fort gehen, ohne zu wissen was dich erwartet?" "Ich weiß nicht". Er sieht traurig aus. "Ich war nicht alleine. Ich hab die anderen gedrängt mit mir zu gehen. Ich habe sie mit reingezogen obwohl sie zufrieden waren. Aber ich wollte weg". Habe ich auch Leuten Leid zugefügt obwohl sie zufrieden waren? Vielleicht ist das hier unsere Strafe dafür. "Was ist mit dem Monster in deinem Zimmer passiert?" ~* Kapitel 6: ----------- Caro streichelte das Pokemon sanft auf ihrem Arm. Ich wünschte mir sie würde es einmal absetzen und nicht ihre ganze Welt um dieses Monster drehen lassen. Wir gingen gemeinsam zu dem Baum an dem ich mich gestern ausgeruht hatte. Wir witzelten und lachten und hatten viel Spaß, auch wenn meine Laune sich ständig verfinsterte wenn sie in Babysprache mit dem zotteligen Ding sprach. Es schien als käm ein anderer Mensch ans Tageslicht wenn sie mit ihm sprach. So liebevoll war sie zu mir nie. Nicht das ich mir das gewünscht hätte. Sie war nur eine Freundin. Nach dem Mittagessen trafen wir uns wieder draußen und erst als es schon dunkel war gingen wir nach Hause. Der Mond schimmerte weiß auf dem schwarzen Himmel. Er färbte Toms Haut weiß und zog die Farbe aus seinen Haaren. Schwarze Pupillen beobachteten mich skeptisch als ich ihn beobachtete. "Was ist?", nuschelte er. "Gar nichts". Als wir eintraten drückte Mama uns fröhlich je zwei Muffins in die Hände. Wir konnten doch nicht hungrig ins Bett gehen. Tom verabschiedete mich auf dem Flur indem er mir gegen die Schulter boxte, erhob die Hand mit einem Muffin und Zwinkerte mir zu. Nichtsahnend kletterte ich meine Leiter hoch und ich fiel vor Schreck fast rückwärts wieder runter. Das pure Chaos. Alle Schubladen und Schranktüren waren geöffnet. Eine Hose hing von der Klapptür über meinen Kopf und überhaupt alle meine Kleider lagen im Zimmer verstreut. Mein Bettzeug lag nicht auf dem Bett sondern auf dem Schreibtisch und alles, was auf dem Schreibtisch gelegen hatte war auf dem Boden verteilt. Mir hatte es die Sprache verschlagen und irgendwie wurde ich wütend wegen des Chaos und hatte gleichzeitig eine Höllenangst. Jetzt konnte keiner sagen ich wäre verrückt denn das hier war wirklich passiert. Keine Erscheinung. Während ich fassungslos einige T-shirts einsammelte um sie dann motivationslos fallen zu lassen, spürte ich einen sanften Schubs gegen meinen Fuß. Mir stockte der Atem als der kleine rot-weiße Ball glänzend auf dem Boden lag. "Verfluchtes Mistding!" Schrie ich wütend und schoss die Kugel gegen die Wand. Ein dunkler Schatten huschte über die Wand an der der Pokeball abgeprallt ist. Kurz erstarrte mein Körper aber dann kam die Wut wieder hoch. "Duu! Versteck dich nicht du feiges Mistvieh!" Unkontrolliert trat ich gegen rumliegende Gegenstände und warf alles Möglich in die Richtung in die der Schatten verschwunden war. Warscheinlich sah ich ziemlich affig aus in dem Moment, aber was interessierts einen wie man aussieht wenn man sich gerade höllisch aufregt? Während ich wütend meine Sachen in alle möglichen Ecken feuerte saß das Pokemon seelenruhig auf meinem Bett und beobachtete mich, wie ich feststellen konnte, als ich mich beruhigt hatte. Es klotzte mich aus seinen pinken Augen an. Ich starrte zurück und es starrte weiter. Seine Augen verengten sich. Es streckten seinen Kopf etwas vor und ich hob meinen an. Keiner von uns blinzelte oder rührte sich auch nur einen Millimeter. Das ging einige Sekunden so und erst als es seine Zähne bleckte, machte ich einen Satz auf es zu. Es hatte kaum angefangen zu knurren als ich schon auf ihm drauf lag und an seinen Ohren zog. Jedenfalls fühlte es sich an wie ein Ohr. Könnte auch sein Schwanz gewesen sein, jedenfalls hab ich an irgendetwas gezogen so fest ich konnte und mit der anderen Hand schlug ich auf es ein, während es seine Krallen in meinen Arm und seine Zähne in meinen Körper bohrte. Ich ließ sein Ohr los und versuchte verzweifelt mit beiden Händen seinen Kopf zu fassen zu kriegen, doch als es das merkte, schnappte es mit seinen rasiermesserscharfen Zähnen nach meinen Fingern. Warmes Blut lief über meinen Arm und tropfte auf die weiße Matratze unter uns. Ich schaffte es, mich aus seinem klammernden Griff zu befreien und hechtete auf den Pokeball zu. Kaum hielt ich ihn in den Händen schon stürzte das graue Biest auf mich und schlug mit seinen Klauen auf mich ein. Mit einem Hieb warf ich es von mir runter, richtete mich auf und warf den Ball nach ihm, doch nichts passierte. Kein roter Strahl. Ich hatte vergessen auf den Knopf zu drücken. Das Pokemon war ausgewichen und balancierte auf meinem Fernseher. Auf meinem neuen, super geilen Flachbildfernseher. "Jetzt mach bloß nichts falsches", sagte ich ruhig mit erhobenen Händen. "Wir können über alles reden". Schritt für Schritt ging ich rückwärts auf den Pokeball zu, beugte mich zur Seite um in aufzuheben ohne meinen Blick von den eisigen Augen abzuwenden. Es ließ mich keine Sekunde aus den Augen und kaum hatte ich auf den Knopf gedrückt, wich es dem roten Strahl der aus dem aufgeklappten Ball kam aus. Immer wieder sprang es blitzschnell von Ecke zu Ecke um auszuweichen. Ich saß eindeutig am längeren Hebel denn ich musste nur drücken während es unter dem Stress immer langsamer wurde und immer länger überlegen musste wo es hin springen sollte. Es atmete schwer und ich wollte gerade meinen kommenden Triumph feiern, als sein grauer Kopf auf mich zukam und mich volle Kanone in der Magengegend traf. Ich fiel. Zehn! Neun! Die Kugel rollte mir aus der Hand. Acht! Sieben! Sechs! Stöhnend hielt ich mir den Magen. Fünf! Vier! Ich schaffte es mich aufzurichten, zumindest zu knien. Drei!... Zwei! ... Magensäure schoss meine Speiseröhre rauf. ... Eins! ... Null! ... Mein gesamter Mageninhalt der aus Muffinmatsche bestand drückte sich meine Speiseröhre rauf die von der Magensäure schon angegriffen war und ergoss sich in einem riesigen Schwall über meinen Fußboden. Game Over. Pokemon wins. Tränen liefen über mein Gesicht. Ich wischte mir den Mund ab und warf dem Pokemon vorwurfsvolle Blicke zu. Ich wollte es fragen ob es stolz war, aber im selben Moment beschloss ich, dass es keinen Atemzug wert war. Beleidigt griff ich ein Shirt und wischte damit die Kotze auf. Sie roch zu süß für sowas ekliges. Ich sammelte meine Klamotten ein und warf sie ungefaltet in den Schrank zurück. Das Kotzshirt landete im Papierkorb. Ohne das Monster zu beachten räumte ich mein Zimmer auf, legte die Abendbrotmuffins auf mein Bett. Es dauerte eine Weile bis alles wieder an seinem Platz war und als ich fertig war schaltete ich ohne nach zu denken das Licht aus und legte mich in mein Bett. Das Ungetüm saß am Fußende und machte sich über die Muffins her. Ich wollte sie ihm abnehmen aber es fuhr sofort seine Krallen aus und knurrte mich drohend an. Die Schnittwunden auf meinem Arm brannten, mahnten mich sich noch einmal mit ihm anzulegen. Mit einem "Erstick dran" schickte ich es in die Nacht. Zuerst konnte ich nicht einschlafen, ich rechnete damit das es mich anfallen und aufschlitzen würde, aber irgendwann war es mir egal. Ein paar mal wachte ich von Kratzgeräuschen auf, aber ich war so müde das ich gleich wieder einschlief. Das erste das ich spürte als ich aufwachte waren Schmerzen. Noch bevor ich etwas hörte oder mir bewusst war das ich wach war, spürte ich Schmerzen am ganzen Körper. Mein verletzter Arm fühlte sich schwer an und ich merkte die Kratzer am Oberkörper, wo das Biest mich am Abend zuvor gebissen hatte. Desweiteren spürte ich ungewohntes Gewicht auf meinen Beinen. Als ich sie bewegte, kam ein merkwürdiges Schnarchgeräusch vom Fußende und etwas pieckste in meine Füße. Ich dachte gerade daran es vom Bett zu treten, als ich mich aufsetzte und sah wie das graue Bündel sich zusammengekugelt an meine Füße krallte, um es herum lagen Krümel meines Muffins. Die Sonne schien hell in mein Zimmer, ihre Strahlen zogen einen Pfad von der Wand gegenüber des Fensters, bis zu meinem Bett und tauchte das Fell des Monsters in samtiges Grau. Die Haare lagen glatt aufeinander und glänzten im Sonnenlicht. Es blendete mich – Ich hasste es. Als ich meine Füße unter der Decke wegzog, unterbrachen sich die Schnarchgeräusche. Leise grunzend blinzelten zwei dunkle Augen an und beobachteten mich dann, wie ich mich anzog und an meinem Fernseher herum fummelte. Als der Ton laut genug war, setzte ich mich auf mein Bett und lehnte mich an die Wand. Es lief gerade ein Film über zwei Jungen die einen Schatz suchten. Der Film war ausländisch und schlecht Synchronisiert, deshalb konnte ich mich nicht besonders gut auf ihn konzentrieren. Ich schweifte immer wieder ab und fragte mich was ich nun tun sollte. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen das das Pokemon mich imitierte. Es hatte sich genau wie ich im Schneidersitz an die Wand gelehnt und starrte auf den Fernseher. Ich fragte mich ob es den Sinn von Fernsehen kannte. Also ob es verstand was in diesem Film passierte. Es zeigte jedoch keinen Reaktionen, wenn ich auch nicht reagierte und andersrum lachte es wenn ich lachte, was sich mehr als gruselig anhörte. Schließlich konnte es nichts als immer dieses eine Wort zu wiederholen. Snie. Ich war tierisch genervt davon, ständig imitiert zu werden und fing an das Pokemon zu schubsen wenn es mir etwas nach machte. Das machte es dann natürlich auch nach. Nach ein paar Minuten war mir das gezicke allerdings zu doof und ich ließ es einfach mit angeschaltetem Fernseher alleine in meinem Zimmer sitzen. In der Küche war wie immer meine Mutter und backte. Sie begrüßte mich fröhlich. „Hast du gut geschlafen, mein Hase?“ „..türlich..“ „Du könntest mal Tom wecken mein Schatz, wir müssen heute zeitig Frühstücken..“ ich machte mich wortlos auf den Weg in den Flur, „Ich muss heute nämlich früher ins Geschäft..“, ihre Stimme wurde immer leiser, „gerade eben war schon...“ „..Jeden morgen das selbe Gelaber“, murmelte ich und klopfte, oben angekommen an Toms Zimmertür. Genau wie ich hatte er nach dem aufstehen direkt den Fernseher eingeschaltet und lag nun mit halb offenen Augen in seinem Bett und schien in den schlechten Schatzsucherfilm vertieft. Er registrierte erst das ich da war, als ich mich auf seinem Bett, genauer gesagt auf seinen Beinen niederließ. „AUA! Bist du blöd??“ „Nein“. Ich grinste ihn an und wippte auf seinen Beinen herum. „Ich glaub du warst gestern zu lange in der Sonne..“ Die Bemerkung ignorierend ließ ich mich von seinen Beinen rutschen und lehnte mich an die Wand hinter mich. „Tom, ich schätze das mit unserer Karriere könnte doch noch was werden..“ Ohne den Blick von der Mattscheibe abzuwenden nuschelte er: „Achja? Kennst du jemanden der Ligascheine fälscht?“ „Nein!.. Idiot .. Ich habe letzte Nacht nachgedacht. Ich konnte nicht gut Einschlafen..“ „Und wenn du nicht schlafen kannst, fällt dir nichts anderes ein, als nach zu denken?“ „Kannst du jetzt vielleicht mal die Klappe halten?! Ich werde auf Reisen gehen!“, brüllte ich ihn an. Verwirrt setzte er sich auf und guckte mich an. „Und wo willst du hin gehen?“ „Weiß ich nicht .. ich weiß nicht wie das geht. Aber wohl erst mal aus Banella raus, schätze ich“. „Mhh. Billy ich glaube du vergisst da was“. Ich sah ihn fragend an. „Du brauchst ein Pokemon um weg gehen zu können“. „Ich habe ein..“ „AAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHH“ Ein lauter Schrei drang von der Küche durch das ganze Haus. „MAMA?!“, riefen wir gleichzeitig und sprangen aus dem Bett. Okay eher gesagt fielen wir zuerst einmal ordentlich auf die Schnauze weil Tom vergaß das ich erst über seine Beine klettern musste um raus zu kommen und sie gerade vom Bett schwingen wollte als ich darüber hing. Auf der Treppe wollte dann auch jeder der erste sein, der unten ankam. So stießen wir uns in der Eile gegenseitig gegen Wand und Geländer und brauchten vermutlich viel länger, als wenn wir nacheinander hinunter gegangen wären. In der Küche schepperte es im Sekundentakt während unsere Mutter fluchend und ängstlich quietschend mit einem Nudelholz um sich schlug. „Geht wieder hoch Kinder! .. Hier ist ein Monster!“, rief sie als sie uns sah. „Ich werde es .. AAAH! .. Ich werde es erledigen!“ Schreiend sprang sie dem hin und her huschenden grauen Schatten hinter her und schlug ohne Rücksicht auf Verluste mit ihrem Nudelholz danach. Doch immer als sie kurz davor war das Monster zu erwischen weil es kurz inne hielt, wich sie erschrocken zurück. Es konnte sich ja nur um das Ungetüm aus meinem Zimmer halten, dachte ich. Ich überlegte kurz wie ich es dazu bringen könnte stehen zu bleiben, doch mir fiel die Antwort erst ein als ich einen merkwürdigen Geruch nach verbranntem Essen wahrnahm. Mein Blick fiel sofort auf den Ofen, den Tom rechtzeitig öffnete und eine schwarze Rauchwolke heraus wabberte. Als der Schatten, neugierig schauend, plötzlich stehen blieb, schrie meine Mutter entsetzt auf. „WAS IST DAS DENN?!“ „Sniiiiee!“, keifte das Monster sie an und zückte seine Krallen. Kaum öffnete das Pokemon ein weiteres mal sein Maul um seinen komischen Ruf von sich zu geben, da flog ihm ein Topf entgegen. „Lass meine Mama in Ruhe!“. Tom griff nach einem Holzbrett und hielt es drohend in die Luft und das Pokemon, dass dem Topf gerade so ausgewichen war, starrte ihn wütend an. „Sniiieee!“ Eigentlich fand ich die Idee, dass Tom jetzt auch von dem Vieh vermöbelt werden sollte ganz lustig, aber er hatte zu viele Gegenstände mit denen er sich hätte verteidigen können. Daher schnappte ich nach einem Küchentuch und angelte blind vor Rauch einen halbschwarzen Muffin aus dem Ofen, pustete kräftig und wedelte dann vor seinem Gesicht damit herum. „Schau mal was ich hier haaabe.. Du hast bestimmt nen´ riiiiesen Hunger, oder?“ „Du willst doch nicht etwa meine guten Muffins an dieses Ungeheuer verfüttern?!“ „Schhht! Sag sowas nicht in seiner Gegenwart. Es ist empfindlich!“ Das Pokemon richtete seinen Blick auf den Muffin und mit zischendem Geräusch verschwanden die Klingen in seinen weichen Pfoten. Nachdem ich den Muffin langsam auf den Boden und noch einen weiteren daneben gestellt hatte, machte es einen schnellen Satz von der Spüle auf den Boden und mit den Muffins in den Pfoten, auf den Tisch. Unter den empörten Blicken meiner Mutter machte es sich hingebungsvoll über das Gebäck her, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen. „Ist das das Monster von dem du gestern Morgen gesprochen hast?“, fragte Tom, immer noch das Holzbrett haltend. Ich nickte und drehte mich dann zu unserer Mutter. „Deswegen war die Professorin vorgestern hier. Das ist das Pokemon, das ich versehentlich verletzt habe“. Sie war ganz bleich im Gesicht. So verängstigt hatte ich sie noch nie gesehen. Um ehrlich zu sein hatte ich sie noch nie in einem nicht-fröhlichen Zustand gesehen. Verärgert schob sie das Pokemon samt Muffins mit einem Besen vom Tisch. „Wenn du schon meine Muffins essen musst, dann tu das wenigstens auf dem Boden. Auf dem Tisch hast du nichts zu suchen!“ Das Pokemon warf ihr nur einen flüchtigen bösen Blick zu und stopfte sich den zweiten Muffin ins Maul. „Mama hör zu. Ich hab mir so gedacht .. also da ich dieses Pokemon ja gefangen habe .. und wir .. naja wir brauchen ja diesen Schein da .. ich hab mir halt so gedacht ..“ „Er hat sich gedacht er könnte auf Reisen gehen und die Pokemonliga meistern!“ „Man Tom ich wollte das sagen!“ „Das hätte noch drei Stunden gedauert bis du fertig gewesen wärst“, blaffte er mich an. „Was, du?“, warf Mama ein, „Alleine? Mit diesem Ungeheuer?“ Sie deutete auf das Pokemon, dessen Kopf gerade im Ofen verschwand und schüttelte den Kopf. „Räum dein Zimmer auf“. „Aber Mama..“ „Nichts aber. Geh dein Zimmer aufräumen. Ich hab gesehen wie es da aussieht“. Sie war noch gar nicht fertig als ich auf dem Absatz kehrt machte und aus der Küche ging.“ „Und mach bitte leise. Deine Schwester schläft noch!“, rief sie mir nach. Nach dem ich also in mein Zimmer geschlichen war und so gut es ging aufgeräumt hatte, saß ich niedergeschlagen auf meinem Bett und überlegte, wie ich meine Mutter nur umstimmen konnte. Alt genug war ich allemal. Wenn sonst zehnjährige von Zuhause weg gingen konnten, konnte ich das mit sechzehn mindestens dreimal so viel. Einen Moment lang überlegte ich mir, einfach meine Taschen zu packen und ab zu hauen, aber ich hätte schwören können, dass meine Mutter mich höchstpersönlich, schon bevor ich in Metropolis ankäme, einsammeln und nach Hause schleifen würde. Oder sie würde mich sofort als vermisst melden und überall Fahndungsfotos aufhängen. Ich sah mich genervt in meinem Zimmer um. Das bisschen das ich schon aufgeräumt hatte würde ihr wahrscheinlich nicht reichen, also machte ich mich gemächlich dran weiter aufzuräumen. 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