Purple Clouds von ScarFaceBilly (Vergessene Erinnerung) ================================================================================ Kapitel 5: ----------- Ich lief einen Berg herunter, stolperte über Steine und Äste und sah mich immer wieder gehetzt um. Der Himmel war hellblau, es war keine Sonne zu sehen. Vielleicht fror ich deshalb? Nach einer Weile ließ die Steigung nach und der Weg endete. Ich watete durch eine hohe Wiese und fiel fast in den Bach der urplötzlich vor mir auftauchte. Eigentlich hätte ich ihn hören müssen, denn er floss wild über Steine und Kanten, doch er plätscherte trotzdem nicht. Anscheinend hatte ich keine Zeit mich darüber zu wundern, denn mit Schwung sprang ich mitten in ihn hinein und auf der anderen Seite wieder ans Ufer um so schnell wie möglich weiter zu kommen. Die Wiese wurde immer niedriger und steiniger und das Gras begann mit jedem Meter trockener und härter zu werden. Als ich merkte das vor mir hohe Säulenartige Felsen emporragten, drehte ich mich einmal im Kreis. Überall waren diese Dünen, Felsen und Steine. Der Berg von dem ich ursprünglich kam und die Wiese waren verschwunden. Wo sollte ich nun hin gehen? Wie automatisch lenkten meine Füße mich in diese Wüste hinein bis ich von Felssäulen umgeben war und nur noch diese rotbraunen Gesteinsformationen vor mir sah. Ich rief laut um Hilfe, aber außer meinem eigenen Echo kam nichts zurück. Nach noch einigen Versuchen jemanden ausfindig zu machen, gab ich auf und ging weiter. Stundenlang immer geradeaus. Der Himmel verfinsterte sich langsam, eine Sonne konnte ich immer noch nicht entdecken aber dafür bald etwas womit ich nicht gerechnet hatte. Eine Höhle. Sie war in eine der Felssäulen hineingemeißelt. Sicher war dies der einzige Weg hier irgendwie weiterzukommen, deshalb trat ich gegen meinen Willen ein. Die Luft roch modrig und feucht und mit jedem Schritt wollte ich umkehren doch meine Beine trugen mich immer tiefer hinein. Ich ging um Kurven, kletterte durch Löcher und steinige Felsen hoch. Meine Augen hätten sich schon längst an die Dunkelheit gewöhnen müssen, doch ich sah nichts. Jede Bewegung passierte von ganz allein, ohne das ich über irgendeinen Teil meines Körpers mit Ausnahme meiner Gedanken die Kontrolle übernehmen konnte. Einmal rutschte ich aus und fiel in eine Pfütze, aber ich stand wieder auf, ohne mir, doch sonst aus Reflex, die Hände und Knie zu reiben, und ging einfach weiter. Auch in der Höhle hörte ich keine Geräusche, nicht einmal wenn ich gegen Steine trat. Langsam wurde es heller vor mir, wenn auch nicht viel, aber dunkelblaues Licht trat in die Höhle und wenige Meter weiter hatte ich den Ausgang gefunden und stand vor einem Wald. Die Bäume waren hoch und die Stämme Kahl. Äste traten erst nach fünf und sechs Metern aus doch nach oben hin wurden es viele. Als müssten sie eine bestimme Anzahl an Ästen austreiben, hätten aber nur die oberen drei, vier Meter des dünnen Stamms dazu zur Verfügung. Wäre eine Sonne am Himmel gewesen, wäre sie nun untergegangen und ob wenigstens der Mond zu sehen war konnte ich wegen der Bäume nicht feststellen. Wie bei der Wüste, war die Höhle verschwunden als ich mich umdrehte. Das hier war nun also die nächste Passage? Egal wo ich hinsah standen Bäume und sie sahen alle gleich aus. Ich bewegte mich in eine Richtung und ging immer gerade aus. Etwas tief in mir machte das meine Augen immer nur geradeaus sahen und ich mich nicht umschauen konnte und auch der Drang sich umzudrehen wurde irgendwie unterdrückt. Es war seltsam nicht Herr über seinen Körper zu sein, doch ich konnte nichts anderes machen als weiterzulaufen. Vor mir tauchte ein weißes Gebäude und ein Fahrzeug auf. Es musste von einem Ausländer stammen denn bei uns wurden keine Fahrzeuge mit vier Reifen hergestellt Es gab auch keine Wege wo man sie hätte nutzen können. Vielleicht war ich garnicht mehr in Tokyho? Ich ging mit mulmigem Gefühl im Magen auf das verwahrloste Gebäude zu. Ich durfte nicht dort hinein gehen, das wusste ich und ich tat es auch nicht. In meinem Kopf rauschte es plötzlich und zwei weiße Lichter strahlten mich an. Das Fahrzeug. Wiso weiß ich nicht, doch ich schloss meine Augen nicht und machte auch sonst nichts um sie zu schützen. Ich starrte nur weiter in die Lichtkegel und lauschte dem Rauschen. Dann war alles schwarz. Ich brauchte einen Moment um zu registrieren, das ich lag. Es war weich und warm und gemütlich. Eine richtige Wohltat. Ich öffnete die Augen und sah mein Zimmer. Ich lag in meinem Bett, in meinem Zimmer, hatte aber Angst zu versuchen mich zu bewegen. Mein Herz schlug schnell als ich ein kratzendes Geräusch hörte. Meine Erinnerung kam zurück und erschrocken fiel mein Blick auf die Schublade in der ich den Pokeball versteckt hatte. Sie war offen. Das kratzende Geräusch wanderte. Es bewegte sich in meine Richtung und kam immer näher. Ich konnte es genau hören. Unter mir. Mit weit aufgerissenen Augen hielt ich die Luft an und wünschte mir einfach es würde verschwinden. Ein dunkler Schatten kroch unter dem Kopfende des Betts hervor, schlich schnüffelnd über den Boden, sah sich um. Mein Schädel und meine Lunge drohten zu platzen und ich sog zischend Luft ein. Der Fleck schien sich erschrocken zu haben und zuckte mit einem Satz wieder unter das Bett. Die Kratzgeräusche waren weg. Und wie im ganzen Rest des Traumes, hörte ich wieder nichts mehr. ___ Der nächste Morgen war ein Morgen wie jeden Tag. Ich schwappte nach und nach vom Land der Träume ins echte Leben. Spürte mein Bett und sah die Helligkeit durch meine geschlossenen Augenlider. Da mein Wecker noch nicht gebimmelt hatte, drehte ich mich noch einmal um aber da war dann schon das schrille Klingeling. "Halts Maul". Frisch und gut drauf schlug ich die Decke auf erhob mich aus dem Bett und machte mich gähnend auf den Weg ins Bad. Ich sah ziemlich fertig aus, dachte mir aber nichts dabei und putzte mir gemächlich die Zähne. Draußen hörte ich nackte Füße flatschen. "Morgen", nuschelte Tom. Ich sah ihn im Spiegel zum Klo gehen. Dann plätscherte es. "Hast du gestern Nacht auch diese komischen Geräusche gehört?", fragte er. Geräusche? Was für Geräusche? Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Mit der Zahnpaste um den Mund sah ich aus als hätte ich Tollwut. Ich bürstete meine Zähne hastig und spuckte aus. "Was für Geräusche meinst du?". Ich versuchte locker zu sein und mir nichts anmerken zu lassen und er nahm es mir ab. "Keine Ahnung. Kam vom Dachboden glaub ich. Ich dachte du hättest das mitgekriegt". Dann drückte er mich vom Spiegel weg und putzte sich auch die Zähne. Er hatte Geräusche gehört. War das letzte Nacht doch kein Traum? Aber es musste doch. Ich war doch nicht wirklich durch eine Höhle gelaufen. Ich hatte fürchterliche Angst die Leiter zu meinem Zimmer hochzugehn, aber als Tom mich misstrauisch ansah als ich unter meiner Luke stand, blieb mir nichts anderes übrig. Nahezu in Zeitlupe kletterte ich die Leiter hoch, machte bei jedem Schritt auf die nächste Sprosse eine Pause und als ich soweit war das ich in mein Zimmer sehen konnte hielt ich an. Ich streckte meinen Kopf gerade so hoch, dass ich meine Blicke über den Boden schweifen lassen konnte. Ich erwartete schreckliches, klammerte mich an die Leiter als wolle ich sie nie wieder loslassen, aber Nichts. Dann sah ich meinen Schreibtisch. Die Schublade stand offen. Es konnte also nur das Pokemon gewesen sein. Seine Böse Seite musste sich manifestiert haben und wandelte nun auf Erden um mir, seinem Peiniger, das Leben zur Hölle zu machen. Ich brauchte einen Exorzisten, aber wie sollte ich jemandem sagen das ein Geist in meinem Zimmer haust? Erschrocken fuhr ich zusammen und verlor mein Gleichgewicht als Tom mir unerwartet ins Bein kniff. "Tom du musst mir helfen da ist ein Monster in meinem Zimmer!", schrie ich ihn an ohne Luft zu holen, woraufhin er mich mit großen Augen anklotzte und dann anfing zu lachen. "Ich mein das ernst Tom, du musst mir helfen! Ich hab was schlimmes gemacht und jetzt will es mich umbringen!". "Dich umbringen? Das lohnt sich doch gar nicht. Wozu denn?", spottete er. Wütend stupste ich ihn gegen die Schulter, "mach dich nicht lustig, ich mein das Ernst". "Ja ist klar". Als er die Leiter hochkletterte schnappte ich nach seiner Hand aber er zog sie weg um sich festzuhalten. "Jetzt stell dich nicht so an. Ich denk ich soll dir helfen". "Ja. Aber..". Natürlich sah er kein Monster und auch keinen Geist oder sonst etwas gefährliches in meinem Zimmer. Warscheinlich dachte er ich wäre total bescheuert oder ich wollte Aufmerksamkeit, aber ich wusste ganz genau das da etwas gewesen ist. Es konnte unmöglich ein Traum gewesen sein. Als wir am Mittag zusammen auf dem Dorfplatz auf Caro warteten traute ich meinen Augen nicht. Zuerst dachte ich es wäre ein Plüschtier, aber als es sich zwinkernd umsah war es klar. Sie trug ein Pokemon auf dem Arm. Wo hatte sie das Biest denn her? Freudestrahlend kam sie auf uns zu, das Pokemon fest umklammernd. "Ich dachte dein Vater hätte dir verboten ein Pokemon zu halten". "Es gehört mir nicht. Das arme kleine Ding wurde ausgesetzt und ist gestern bei Professor Emma angekommen. Jemand hat es bei ihr abgegeben. Es war an einem Baum festgebunden könnt ihr euch das vorstellen?", erzählte sie entsetzt. Ja ganz schlimm. Ich käm gar nicht auf die Idee es festzubinden. Da gibt es doch viel zeitsparendere Methoden, dachte ich mir. Ich grinste sie an und beteuerte, dass ich es gut fände, dass sie sich um es kümmert. Ob sie es mir abgekauft hat weiß ich nicht. ~* "Klingt so als hättest du dich in deiner Welt nicht zurecht gefunden". "Hab ich nicht. Es war mir alles zuwieder. Ich wusste es damals nur noch nicht, aber die Ursache für meine schlechte Laune hatte nichts mit Pubertät zu tun. Das vorgegaukelte Friede Freude Eierkuchenprinzip hat mir noch nie gefallen, aber wer hätte schon gedacht das da so viel dahinter steckt". "Ich weiß was du meinst", antwortet der Junge und streicht sich eine lila Strähne aus dem Gesicht. "Ich wusste immer das da mehr ist als wir sehen. Alle wissen das, nur sind die meisten so engstirnig und in ihren beschränkten Leben zu glücklich, als das sie sich damit beschäftigen wollten". Ich denke kurz darüber nach. Irgendwie fühle ich mich erschöpft obwohl unsere Körperfunktionen doch ausgeschaltet scheinen. Mein Gehirn sehnt sich nach Schlaf, aber wenn ich die Augen schließe, dreht sich alles als wenn ich in einem Karussell sitzen würde. Ich weiß nicht wie lange wir hier sitzen und nachdenken als der Junge seine Stimme erhebt. "Warum bist du nicht gegangen wenn es dir zu Hause nicht gefallen hat?" Erstaunt sehe ich in an. Seine Augen sind blau wie das Meer und alt. Sein Gesicht ist nicht alt. "Würdest du deine Familie verlassen nur weil dir die Lebensweise der anderen nicht gefällt?" "Habe ich.." Sein Blick löst sich von meinem und findet sein Ziel in der Dunkelheit über uns. "Ich bin gegangen. Ich wollte wissen was es sonst noch gibt". "Und dann bist du einfach weggegangen? Wohin?". Nervös rutsche ich auf dem Boden herum. Ich glaube er versucht sich zu erinnern. Er schließt seine Augen und lehnt seinen Kopf gegen die schwarze Wand. Zeit hat keine Bedeutung hier. Ich fange wieder an zu zählen. Wie oft hätte ich jetzt schon aufs Klo gemusst. Wie oft hätte ich schon etwas gegessen. Nur hier sitzen und die Dunkelheit anstarren. Ist das die Hölle? Vielleicht bin ich wirklich tot. Trübseligkeit macht sich in mir breit. Ich kann mich an kaum etwas aus meinem Leben erinnern und doch scheint es so viel zu geben was ich vermisse. Wie Phantomschmerzen. Wieder starren mich die hellblauen Augen an, unheimlich und mysteriös. Wer ist er nur. Seine Kleidung ist komisch, aber er spricht meine Sprache und hat auch keinen Akzent oder Dialekt nachdem ich ihn einem bestimmten Ort zuweisen könnte. Er hat die selbe Hautfarbe wie ich. Während ich in seinen Augen nach seiner Geschichte suche, wünsche ich mir mich in ihnen spiegeln zu können. Wie sieht mein Gesicht aus? Ich sehe meine Hände, Arme, meinen Körper und meine Beine und Füße. Nicht das sie mir bekannt vorkämen, aber sie sind da und sie sind eindeutig meins. Nachdenklich betaste ich mein Gesicht. Meine Haut ist glatt und meine Augen Mandelförmig. Sie funktionieren beide. Meine Nase sitzt an der selben Stelle wie die des Jungen, mitten im Gesicht. Meine Lippen sind voll und meine Zunge schmeckt Salz als ich sie berühre. Ich habe ein Gesicht. Ich kann schmecken. Ich spüre wie er mich beobachtet als ich mit beiden Hände durch meine Haare fahren. Meine Finger kommen nicht richtig durch. Etwas erschrocken stelle ich fest das meine langen Haare sich zu dicken Strähnen verfilzt haben. Sie sind lang genug das ich sie mir ansehen kann. Sie sind schwarz. Wie gewohnt. "Wie konntest du einfach fort gehen, ohne zu wissen was dich erwartet?" "Ich weiß nicht". Er sieht traurig aus. "Ich war nicht alleine. Ich hab die anderen gedrängt mit mir zu gehen. Ich habe sie mit reingezogen obwohl sie zufrieden waren. Aber ich wollte weg". Habe ich auch Leuten Leid zugefügt obwohl sie zufrieden waren? Vielleicht ist das hier unsere Strafe dafür. "Was ist mit dem Monster in deinem Zimmer passiert?" ~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)