Purple Clouds von ScarFaceBilly (Vergessene Erinnerung) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Nach und nach ließ das Rauschen in meinen Ohren nach und gab das rascheln leichter Windböhen in den Bäumen frei. Zwischendurch zwitscherte ein Vogel und der penetrante süße Geruch wurde angenehm blumig. Ich wünschte mir jeden Morgen hier aufzuwachen. Ein plätschernder Bach hätte noch gefehlt, aber den hätte man sicher noch anlegen können. Die Sonne blendete mich als ich die Augen öffnete. Was für ein schrecklicher Tag. Nun hatte es mich wirklich noch umgehauen. Ich setzte mich auf und wischte mir achtlos durch mein Gesicht. Genüsslich rieb ich meine Augen und danach meine Finger an meiner Hose, solange bis die schwarze Schminke aus meinem Gesicht und den Händen verschwunden war. Völlig fertig, niedergeschlagen und dem absoluten Gegenteil von Tatendrang saß ich in der Wiese, schaute mich um. Ich war umgeben von roten, weißen, lilanen und blauen Blüten die erschöpft ihre Köpfe gen Boden hängen ließen. Es waren Mohnblumen und Margeriten. Glocken- und Kornblumen. Meine Lieblingsblumen. Wenn Jungs Lieblingsblumen haben durften. Ohne das ich es verhindern konnte, drang das Bild vor meine Augen, wie der rote Strahl das Pokemon vernichtete. Mein Magen verkrampfte. Wie sollte ich das bloß Caroline sagen? Ich konnte ihr doch keine Lüge erzählen. Sie hätte es sowiso bemerkt. Sie merkte es immer wenn ich sie anlog. Und dann meckerte sie mit mir, ihr könne man doch alles sagen. Diese Professorin hätte sicher dafür sorgen wollen, das ich für immer eingesperrt werde. Meine Mutter würde sich nur wundern wo meine Weste geblieben ist. Sie würde mir Geld geben damit ich mir eine neue kaufen konnte. Tom konnte ich vielleicht die Wahrheit sagen, aber er würde es weitererzählen und das war wirklich peinlich. Bill der Pokemonmörder. Der Pokemonhasser der mit 16 sein erstes Pokemon tötete. Mit einem Pokeball! Ich stand auf und musste mich kurz umschauen, doch dann sah ich einen Weg in den Wald und folgte ihm. Ich merkte direkt den Temperaturunterschied zwischen Sonne und Schatten, atmete tief ein und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Als erstes sollte ich gucken ob der Ball noch da ist, hatte ich mir überlegt. Hoffentlich war er noch da. Und hoffentlich würde mich keiner entdecken. Die Asche konnte ich vergraben, das dürfte kein Problem darstellen. "Einfach ein bisschen Gras drüber legen und gut ist. Den Ball werfe ich in irgendeinen See. Wenn ich alle Spuren verwische wird alles gut". Murmelnd lief ich durch den Wald, meine Hände in den Hosentaschen und stets wachsam. Solange ich mir das einredete, ging es mir gut, doch je näher ich dem Tatort kam, desto nervöser wurde ich. Zuerst sah ich ihn im hohen Gras nicht, doch dann lag er da als hätte ihn jemand dort vergessen. Der Pokeball. Okay jemand hatte ihn vergessen. Zumindest so ähnlich. Er lag reglos da, wackelte nicht mehr. Ich ging auf ihn zu und hob ihn auf. Er sah aus wie vorher. Weiß und rot, er war wieder geschlossen und klein. Selbst die Sinelbeere lag noch da wo das Pokemon sie hatte fallen lassen. Einen Aschehaufen sah ich aber nicht. Vielleicht hat Wind ihn weggeweht. Oder konnte der Laser vielleicht so heiß gewesen sein, dass er das Pokemon zu Asche und dann die Asche zu nichts verbrannte? Meine Weste lag noch neben dem Busch und auch an ihr war weder Asche noch Blut. Bluteten Pokemon überhaupt? Naja so brauchte ich wenigstens keine Ausrede vor meiner Mutter. Ich hob die Weste auf, guckte mich noch einmal um und wickelte die Weste um den Ball. Es war lächerlich da er so klein war. Es hätte gereicht ihn in die Tasche zu stecken. Mit meinem schrecklichen Geheimnis in der Weste schlich ich durch den Wald nach Banella und war heilfroh als ich dort ankam ohne jemandem zu begegnen. Das Dorf in dem ich seit meiner Geburt lebte war klein. Ich weiß nicht wo die Grenze liegt um eine Campinggruppe von einem Dorf zu unterscheiden, aber ich glaube Banella war sehr knapp darüber. Ich hasste immer den Bodenübergang zwischen Wald und Banella, denn der Boden im Wald war weich und sandig - und man konnte Steine schießen. Im Dorf war der Boden aus Steinplatten und zwar durch das komplette Dorf und zu jedem Haus führte ein kleiner Weg der sich farblich vom Hauptweg unterschied. Die Häuser standen kreuzt und quer verteilt, waren aber alle in Richtung des Dorfzentrums gerichtet in dessen Mitte eine Statue stand. Es war ein etwa zwei Meter hoher Obelisk der auf einem Sockel stand. Der Dorfplatz war Kreisförmig und die Pflastersteine mit bunten Ornamenten verziert. So viel Aufwand wie er es dem kleinen Fleckchen Erde meiner Meinung nach nie gebührte. Zumindest damals nicht. Unser Haus stand östlich des Platzes mit dem Rücken zum Berg, der uns mit seiner steilen Felswand schon vor so manchem schweren Sturm bewahrt hat. Meine Mutter hatte immer Angst das der Felsen, der so gefährlich aus der Wand herausragte, irgendwann abbrechen würde. Wahrscheinlich ausgerechnet dann wenn einer draußen im Garten arbeitete, welcher an den Berg grenzte. Einen Vorgarten hatten wir auch. Meine Mama hegte und pflegte ihn als würde etwas schreckliches passieren, sollte sie sich auch nur einen Tag nicht um ihn scheren. Wie immer stand das Küchenfenster offen und lockte Einbrecher, Diebe, Mörder, Tiere, Kleinkinder und wer weiß was noch alles mit einem Teller frischen Gebäcks, welches dort zum auskühlen stand. Die anderen Kinder hatten Tom und mich immer beneidet, weil immer Kuchen, Kekse, Plätzchen, leckere Törtchen mit Streuseln oder sonst welche selbstgebackene Süßigkeiten greifbar nahe waren. Mit der Zeit wurde mir auch bewusst das sie immer nur deswegen mit uns Spielten, denn wenn wir in der Schule waren oder meine Mutter nicht da war, sprachen sie nicht einmal mit uns. Außer Caroline natürlich. Angespannt öffnete ich die Tür und schloss sie leise hinter mir als ich eingetreten war. Meine Mutter winkte mir fröhlich zu als ich ihn die Küche lugte. Diese Emma war anscheinend schon gegangen, denn ich sah sie nirgends sitzen und niemand schrie mich an. Nachdem Mama mir ihre neuen Knusperkringel angedreht und mir über ihren Tag berichtet hatte, stieg ich völlig erschöpft die knarzende Holztreppe hoch, mich auf mein Bett freuend. Die Tür zu Toms Zimmer war offen also war er noch nicht wieder Zuhause, worüber ich froh war, denn sonst hätte ich mich noch lange nicht ausruhen können. Mein Zimmer war ein ausgebautes Dachzimmer. Ich konnte es nur über eine Leiter erreichen aber das war ganz cool, denn wenn ich meine Ruhe haben wollte konnte ich sie hochziehen und die Luke schließen. Die Luke war in einer Ecke und rechts in der Ecke stand mein Bett. Am Fußende stand eine Kommode und daneben in der Ecke mein Schreibtisch mit dem Pc. Ich hatte einen riesigen Fernseher zum Geburtstag geschenkt bekommen und beim spielen haben Tom und ich die Fernbedienung versehentlich in ein Glas Wasser geworfen. Seit dem geht der Fernseher nicht mehr aus. Obwohl wir öfters mal keinen guten Umgang mit Elektrogeräten gezeigt haben, bekamen wir immer die neuesten Konsolen von Nintendo und das war auch gut so, denn da wir nach der Schule nicht auf Abenteuer gingen, hatten wir wenigstens Zeit uns mit den Konsolen zu beschäftigen. Es gestaltetete sich als etwas schwierig mit der Weste in der Hand die Leiter hochzuklettern und aufzupassen das der Pokeball nicht herausrollte, aber am Ende schaffte ich es und kam Heil oben an. Ich klappte den Deckel über die Leiter und fühlte mich zum ersten Mal für Heute einigermaßen sicher. Ich kniete mich auf den Lila Teppich vor dem Fernseher und breitete meine Weste aus. Unscheinbar lag die kleine rot – weiße Kugel da und ich wusste nicht was ich damit machen sollte. Eigentlich müsste ich die Tatwaffe vernichten oder verschwinden lassen, aber ich weiß nicht wie oder wo. Ich überlegte ob ich ihn verbrennen, zertrümmern oder vergraben könnte. Wir hatten keinen größeren See oder Fluss indem ich ihn hätte versenken können, doch nach einer Weile beschloss ich mich morgen darum zu kümmern, daher verstaute ich ihn in einer Schublade und versuchte die ganze Sache etwas lockerer zu sehen. Ich konnte es sowiso nicht mehr ändern. Ich duschte sicher eine halbe Stunde lang und schmierte mich vier oder fünf mal mit dem Pfirsifgel ein. Mama machte das Zeug selbst aus irgendwelchen Beeren, deshalb roch es unglaublich gut und ließ keine Rückstände auf der Haut. Den meisten Jungs war sowas wahrscheinlich egal, aber wenn man es schon so gut hatte, musste man das auch ausnutzen. Meine Haare föhnte ich im Sommer nie und in diesem heißen Herbst auch nicht, also ging ich frisch geduscht direkt in mein Zimmer, zog mich an und ging legte mich ins Bett. Ich schlief schnell, doch nicht sehr lange denn kaum war ich richtig weg gedöst, rüttelte mich jemand unsanft aus dem Schlaf. Es war natürlich Tom. "Du hast ja keine Ahnung, was uns vorhin passiert ist!", sagte er aufgeregt. "Wir sitzen so in Georgs Zimmer und zocken und auf einmal BÄÄM von draußen. Wir haben uns tierisch erschrocken und sind direkt ans Fenster gegangen um nachzugucken". "..Was du nicht sagst..", nuschelte ich müde ins Kopfkissen. "Ja. Rat mal was passiert ist! Einer der ollen Radiotürme ist umgekippt! Einfach so". Total in rage imitierte er mit seinem Arm den Turm, der gerade einstürzte. "Wahrscheinlich haben zu viele Hunde dran gepisst und er ist durch gerostet. Wer weiß schon. Aber es war so cool! Er ist nur ganz knapp an Georgs Haus vorbei geschreddert. Nur soo knapp!" Er fuchtelte mir aufgeregt mit den Händen vor der Nase herum und beschimpfte mich als Langweiler, weil ich das alles nicht so toll fand wie er. In Gedanken erzählte ich Tom was mir heute passiert war und amüsierte mich herrlich über seinen entsetzten Gesichtsausdruck. Er würde mich nie mehr beleidigen, wenn er wüsste was für ein skrupelloser Mörder ich war. Wahrscheinlich hast du jetzt den Eindruck, Tom und ich wären nicht besonders gut miteinander klar gekommen, aber das stimmt nicht. Er war mein ein und alles. Und alles war eins. Das heißt, alles gehörte jedem und da gab es nie Streit drum oder so. Wir sind zusammen zur Welt gekommen, haben uns also schon Mamas Bauch geteilt. Wir teilten auch alles Erlebte und alle Geheimnisse. Aber manche wollten einfach lieber später erzählt werden. Wir redeten noch eine Weile und gingen dann zusammen in die Küche um das Abendessen hinter uns zu bringen. Mein Mittagsschläfchen vorhin hat sein übriges getan als ich in der Nacht wach im Bett lag und kein Auge zu bekam. Ich hatte keine Möglichkeit mein Dachfenster abzudecken, daher schimmerte mein Zimmer im Mondschein, was es mir noch schwieriger machte einzuschlafen da ich zu viel durch mein Zimmer gucken konnte. Meine Augen wurden immer schwerer und schwerer und nachdem ich etwa sechsundreißig mal den heutigen Tag durchgegangen bin, siegte die Müdigkeit doch und ich fiel in einen tiefen unruhigen Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)