Purple Clouds von ScarFaceBilly (Vergessene Erinnerung) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Geschlagene zehn Minuten trommelte Gustav schon mit seinen Fingern nervös auf dem Tisch herum, während Tom unaufhörlich quer durch den Raum auf und ab ging und sich lautstark aufregte. Wir haben so gut gespielt und die Produzenten sahen doch irgendwie begeistert aus, auch wenn sie während der ganzen Zeit keine Miene verzogen haben. Okay, auf den ersten Blick nahm man uns als Band wahrscheinlich nicht besonders ernst, aber man sollte nicht Vorurteilen und sie haben doch gesagt da würde Potenzial dahinter stecken. Klar, wir waren jung und mussten noch viel Erfahrung sammeln, aber wir hatten schon Fans! und den Plattenvertrag nur wegen des fehlenden Scheins nicht zu bekommen war unglaublich! Tom meckerte immer noch vor sich hin als wir das Gebäude verließen und die Stadt bergab verließen. Seine Kappe tief ins Gesicht gezogen und die Arme verschränkt stolperte er motzig den Weg entlang. "Was bilden die sich ein, uns einfach abzuschieben? Und warum wird man lebenslang dafür bestraft in der Schule gewesen zu sein?" Neben mir lief Georg, der gerade damit beschäftigt war sein T-shirt zurecht zu zupfen und seine Haare glatt zu streichen. Einige Meter vor uns standen ein paar Mädels die er wohl beeindrucken wollte. Als hätte er gerade nichts wichtigeres zu tun. "Georg du bist der Älteste von uns. Warum zum Teufel hast du nicht gewusst das einer von uns diese blöde Pokemonliga schaffen muss, damit wir den Plattenvertrag bekommen? Ich dachte immer mit dem Alter kommt die Weisheit! .. Hast du grade kein ernsteres Problem als vor diesen Weibern gut auszusehen? .. Halloo? Hörst du mir überhaupt zu? .. Ich glaubs nicht!" Doch er hörte gar nicht hin und schob mich sogar zur Seite. Die Mädchen lächelten und kicherten und als eine von ihnen die Aufmerksamkeit der anderen auf Tom zog starrte Georg Tom finster an. Ich nutzte meine Chance und drängte mich zwischen die beiden. "Ich hab dich was gefragt", sagte ich und boxte ihm in die Seite. "Ich hab es gehört. Darauf das mit dem Alter die Weisheit kommt solltest du nicht drauf hoffen Bill. Und abgesehen davon haben sie nicht gesagt das irgendeiner den Ligaschein haben muss sondern der Bandleader. Der bin nicht ich sondern du". Bevor ich etwas sagen konnte, schoben Tom Georg und Gustav einig die Schuld auf mich. Ich sei der Sänger, so automatisch der Bandleader und der Verantwortliche. Es war Herbst und trotz des angenehmen Schattens, den die Bäume der Bacoschoallee spendeten, flimmerte die Luft über dem Boden und riss weiße Löcher in den Boden. Vermutlich war es während des ganzen Sommers nicht so heiß wie an diesem Tag. Ich hatte das Gefühl mein Make-up läuft mir vom Gesicht und wahrscheinlich sah ich aus wie ein Pandabär, dennoch hoffte ich nicht so verklebt auszusehen, wie die andren drei Vollpfosten mit denen ich unterwegs war. Toms Kopf dampfte förmlich unter dem Stirnband und der Kappe und Georgs Haare klebten klamm an seinem Gesicht. Es war beinahe so heiß das ich gar nicht nachdenken konnte. Jeder Gedanke wurde durch "Oh Gott ist mir so heiß" unterbrochen und so hatte ich nicht mal einen vernünftigen Gedanken fassen können als wir schon fast an der Kreuzung angekommen waren. Die Woche hatte eigentlich gut angefangen. Nach einem kleinen Auftritt auf einem Dorffest in Schonilla, war einer dieser Anzugtypen auf uns zugekommen und stellte sich als Produzent vor. Er meinte er hätte uns schon länger im Auge gehabt, sie würden in der Plattenfirma im Moment Vorsprechen für einen Plattenvertrag machen. Rein zufällig sei eine Band gerade ausgestiegen und um in den Terminplaner keine Lücken schreiben zu müssen suchen sie eine andere Band. Wir haben natürlich sofort zugesagt und unseren Erfolg groß gefeiert. Zwei Tage später konnten wir sogar einen Termin für ein Konzert auf einer Geburtstagsparty im nächsten Monat festlegen. Es wurde von Tag zu Tag besser, aber als die Anzugtypen von der Plattenfirma sagte, der Bandleader müsse einen Ligapass vorweisen können, war alles vorbei. Niemals hatte irgendjemand in der Schule uns so etwas gesagt. Wahrscheinlich weil dann keiner zur Schule gegangen wäre. Ganz ehrlich. Wer ging schon zur Schule wenn er wusste, dass er für jeden verdammten Beruf auf diesem verdammten Kontinent einen Ligapass brauchte? Okey nicht für jeden. Es gab genug Berufe für die man hier weder zur Schule gegangen sein, noch ein Pokemon haben musste. Zum Beispiel Automechaniker, Gaderobist, Diplommüllmann.. Clown. Die Typen die die Straßenschilder in Schuss halten und zu jeder Jahreszeit neu streichen. Sie machen ´ne super Arbeit wirklich. Keine Schule keine Pokemon. Aber für jeden verdammten Beruf der irgendwie Sinn oder Spaß macht, oder einfach cool ist MUSSTE man einen Ligapass haben. Mit Unterschriften von diesen Arenatypen. Kannst du die Tonleiter? Nein aber ich habe ein Dragoran mit einem Pokeball gefangen! Was ist ein Violinschlüssel? Ich brauche keine Schlüssel! Mein Maschock tritt mir jede Tür ein. Der leichte Abstieg ließ nach und vor uns tauchte die Bacoscho-Kreuzung auf. Sie lag im Freien, das hieß keine Bäume mehr, oder sonst irgendetwas das Schatten warf. In der prallen Sonne war es gefühlte 46, 3 Grad heiß und ganz sicher tropfte mir spätestens jetzt tatsächlich das Make-up vom Kinn. "Kommt ihr mit nach Metropolis einen auf den Schock trinken?" fragte Georg ungeduldig, als müsse er schnell weiter gehen. Tom und Gustav willigten direkt ein. Nachdem Tom erfahren hatte das die heiße Tussi aus seiner Parallelklasse neben Georg wohnte, versuchte er so viel Zeit wie möglich bei ihm zu verbringen. Was er von dieser Bewohnerin einer Rostlaube wollte, leuchtet mir heute noch nicht ein. Ich lehnte das Angebot ab und erntete dafür Sprüche darüber, dass ich es auch eigentlich nicht verdient habe, da ich ja schließlich Schuld sei das wir den Vertrag nicht bekommen haben. Beleidigt drehte ich ihnen den Rücken zu und lief an dem Wegweiser zum Banastraciasplittella-Weg vorbei. Banella lag in einem kleinen, idyllischen Wäldchen umzingelt von Bergen. Wir wohnten im Tal im westlichsten Teil Tokyhos und abgesehen von zwei Städten und einem Dorf, waren wir nahezu abgeschnitten von der restlichen Zivilisation. Zumindest kam es mir immer so vor, denn ohne Pokemon als Beschützer durfte man nicht durch den Tunnel gehen. Von der Bacoscho-Kreuzung aus, sah man wie über Banella imposant die Pokemonliga aus den Bergen ragte. Sie sah aus, als sei sie in die Felsen gemeißelt und schon immer da gewesen. Was genau da drin abging wusste ich nicht und konnte es mir damals noch nicht mal ansatzweise ausmalen. Doch es interessierte mich auch nicht. Sie nervte mich. Es nervte mich wie Leute Banella immer mit der Liga verbanden. Es nervte mich wie alle einen so beneidenswert fanden, dass wir jedes Feuerwerk und jede Krönung mitbekamen. Es nervte mich das sie Nachts diese Siegesmelodie abspielten, wenn jemand die Liga gemeistert hatte und das sie mit Hologrammen die Pokemon im Himmel fliegen ließen. Nach dem eintausendvierhundertvierundzwanzigsten mal ist das einfach nicht mehr beeindruckend. Um ehrlich zu sein war es beängstigend, als kleines Kind in der Nacht aufzuwachen und überdimensionale Drachen, Schlangen, Fische und sonst was im Himmel fliegen zu sehen. Bei dem Anblick der Liga wurde ich sauer. Sie hatte mir alles verdorben. Wie sie da über mir im Gebirge saß und hochmütig auf mich hinab sah. "Tja, wärst du mal mit den anderen Kindern gegangen. Du wolltest ja dein eigenes Ding durchziehen", flüstert sie mir zu. Noch an diesem Morgen war ich so voller Hoffnung das meine Träume in Erfüllung gehen. Und jetzt war alles dahin. Wie sollten wir so jemals Weltbekannt werden? Wir hatten es und so sehr gewünscht. Ich hatte es mir so sehr gewünscht. Schon im Kindergarten wusste ich, ich würde eines Tages Musik machen. Das mein Bruder zufällig die selbe Idee hatte kam mir gelegen, und als wir Georg und Gustav fanden schien das Glück zum greifen nahe. Aber nach dem Gespräch konnten wir das vergessen. Vielleicht waren doch unsere Eltern schuld. "Mach erst deine Trainerausbildung", hätten sie sagen sollen. "Lern´ erst was richtiges und dann kannst du eventuell versuchen deinen Traum zu leben". Warum haben sie uns nur unseren Willen gelassen und uns zur Schule gehen lassen? Mir kamen fast die Tränen vor Wut und die Sonne ging mir auf die Nerven. Als hätte sie nichts anderes zu tun als mir das Leben schwer zu machen. Ich murmelte und fluchte vor mich hin, als ich jäh von Kinderlachen unterbrochen wurde Ich wendete meinen Blick vom staubigen Boden ab und sah zwei Kinder lachend auf mich zukommen. Sie sahen glücklich aus. Und sie waren nicht alleine. Neben ihnen liefen zwei wunderliche Gestalten. Eine hässliche gelbe Maus mit roten Kreisen im Gesicht und ein blauer Dinosaurier der Geräusche wie eine meckernde Ente machte. Sie lachten und sprangen und gingen mir tierisch auf die Nerven mit ihrer Glückseligkeit. Als sie an mir vorbei hüpften spießte ich sie förmlich mit meinem bösartigsten Blick auf, doch sie ignorierten mich gekonnt was mich fast zur Weißglut trieb. Erst als ich anfing laut fluchend Steine durch die Gegend zu schießen drehte sich eines der Kinder um, zeigte mit dem Finger auf mich und fing an zu lachen. Ihrem Alter nach zu schätzen kamen sie gerade aus Banella um dort ihr erstes Pokemon abzuholen. Sie machten sich gerade auf den Weg auf ihr erstes Abenteuer und das erste was sie sahen war ein stinkender Clown mit verschmierter, schwarzer Schminke der wie verrückt kleine Kinder anschreit. Hallo? Gehe direkt zur Psychiatrie, gehe nicht über Los und kassiere keine 1000 Zet ein. Immerhin hatte ich die Hälfte des Weges geschafft und die ersten Bäume tauchten vor mir auf. Nach und nach kamen mir immer mehr Kinder mit ihren neuen Weggefährten entgegen und ich versuchte ganz cool so zu tun, als wären sie gar nicht da, doch nach jedem Kind das an mir vorbei läuft plagte mich ein erneuter Wutausbruch. Als die letzten Nachzügler der Miniatur-Abenteurergilde an mir vorbei gezogen war, klang meine Wut langsam ab. Zwischen den Bäumen sah ich rote Flecken. Die ersten Dächer von Banella ragten üben die Baumkronen und flimmerten in der Hitze. Ich würde meiner Mutter erzählen müssen, dass der Jahrelange Unterricht vollkommen unnötig war und ich vermutlich als versoffener Penner, der es zu nichts gebracht hat, enden würde. Ich sollte mir so schnell wie Möglich eine Baracke in Metropolis mieten. Oder selbst bauen. Der Unterschied wäre kaum aufgefallen, denn in Metropolis sehen alle Häuser aus als seien sie aus alten Metallplatten und Flugzeugteilen oder Ähnlichem gebaut. Oder ich hätte gewartet bis Georg zu seinen Eltern nach Rockhausen zurück gegangen wäre und wäre in sein Zimmer im Haus seiner Oma eingezogen. Ich hielt kurz inne, als es neben mir im Baum raschelte. Kaum hatte ich mich aus Reflex in Richtung des Geräuschs gedreht, traf mich etwas weiches, wild flatterndes im Gesicht. "TAUBSI TAUBSI", krisch es in mein Ohr. Ich wich zurück, verlor mein Gleichgewicht und landete orientierungslos auf dem Hintern Der Vogel flatterte weiter und ich fasste mir jammernd ins Gesicht um zu prüfen ob noch alles da war. Als ich aufstehen wollte, wurde mir kurz Schwindelig und ich musste mich an dem Baum abstürzen, aus dem das Vieh heraus kam. Ich hasste sie. Ich hasste sie wirklich von ganzem Herzen. Als sei mein Tag nicht schon beschissen genug gewesen, nein, musste mir noch dieses unbrauchbare Vogelvieh ins Gesicht fliegen. Trotzig schlug ich gegen den Baum und stieß einen Spitzen Schrei aus. Laut fluchend ging ich in großen Schritten in Richtung Dorf. Und da lag er. Ein Stein, etwa so groß wie eine Pflaume, eine sehr große Pflaume, der nahezu rief: "Tritt mich! Lass alles an mir aus, dafür bin ich da!" Die Welt wurde schwarz. Ich sah nichts um mich rum als den Stein, der immer größer zu werden schien. Mein Fuß schnellte zurück, einen Moment fühlte ich mich wie in einem Fußballspiel. Das entscheidende Tor. Als wäre der Stein eine Manifestierung aller Probleme in meinem Leben, trat ich mit ganzer Kraft gegen ihn. Zuerst spürte ich einen grässlichen, stechenden Schmerz, dann hörte ich ein Knacken. Tränen schossen mir in die Augen und ich fluchte über meine eigene Blödheit. Mein Schmerzenstanz auf einem Bein wurde von zwei darauffolgenden Dingen unterbrochen: Zum einen Einen, ein komisches schmerzverzerrtes Brüllen aus einem nahegelegenem Busch und dem dazugehörigen grauen Wesen, welches hervor taumelte. Zum Anderen der entsetzte Ruf einer Frau die wie ein wildes Tier hinter einem geöffneten Fenster mit den Armen fuchtelte. "Du frecher Bengel! Du kannst doch nicht einfach harmlose Pokemon mit Steinen abschießen! Was fällt dir ein!", schrie sie aus voller Kehle und verschwand dann plötzlich vom Fenster. Mir lief kalter Schweiß über die Stirn, im ersten Moment angenehm, doch als ich das schreiende Pokemon ansah wurde mir noch heißer. Ich war sicher das war eine Botschaft der Liga um mich zu ärgern und das Pokemon war absichtlich vor den Stein gesprungen. Ich würde riesigen Ärger bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)