Die Zauberin und die Macht der Sterne von Ghaldak (Die Abenteuer der Zauberin Freya, erste Staffel) ================================================================================ Epilog: Freya in: (7) Mord auf Burg Tannenfels ---------------------------------------------- „Lieber Rufus, es ist erleichternd für mich, zu wissen, dass bei meinem Ritual in den Höhen von Brig-Lo zwar unvorhersehbare Ereignisse eintraten, für mich jedoch keine Schäden zurückblieben; es gibt nur vieles, worüber ich nachdenken muss. Mein Abschied aus dieser Stadt, die mit dem neuen Jahr unerschwinglich teuer werden wird, rückt immer näher und ich bin mir noch unsicher, wohin mich jetzt die Schritte leiten, denn ich traf einen Verirrten und frage mich, ob ich ihn nicht nach Albernia zurückgeleiten soll; immerhin wäre ohne ihn meine Suche ganz anders ausgegangen. Wie ergeht es dir im Norden? Geht es dir gut? Ich höre allerhand Schlimmes, doch nicht von dir, deswegen mache ich mir Sorgen. Noch ein halbes Jahr. Es grüßt lieb, F.“ Eine blonde, ausgesprochen zarte Gestalt mit dem sauberen Haarschnitt einer Puppe sitzt in einer Taverne namens Amhallwind und wartet. Manchmal rührt sie mit dem hölzernen Löffel in ihrer erkaltenden Suppe, die wirklich nicht ihren Geschmack findet, und manchmal nimmt sie einen Schluck des Wassers, wobei sie weiß, dass auch dessen Brunnen sich nicht einmal um das Einhalten irgendeines Versprechens bemüht. Oft schließt sie die Augen, doch schläft sie nicht und ist auch nicht müde, und wenn die Gestalten am Nebentisch nicht dermaßen mit sich selbst beschäftigt wären, hätten sie schon längst bemerkt, dass sie belauscht werden. Sie sind zu dritt bei einer Flasche Wein aus ungläubigen Landen und sprachen bereits über eine gemeinsame Heimat, die in ganz der anderen Richtung liegt. L: „Du hast Geburtstag?“ F: „Ja, in einer knappen Woche. Wenn ihr mögt, dann kommt mit mir wieder hierher. Ich lade euch auch ein.“ C: „Es wäre mir gleichermaßen Ehre wie Freude.“ L: „Klar, natürlich… bei dem Fest der Freudlosigkeit brenne ich darauf.“ F: „So schlimm?“ L: „Ja, ja, du warst ja nicht dabei und ich wusste auch nicht, was du da oben treibst. Ich habe mir solche Sorgen gemacht, ich habe sogar eine Zauberschülerin aus dem Tulamidenland gebeten, es mir zu erklären.“ F: „Und?“ L: „Nichts. Nach fünf Minuten wurde mir dieses Mädchen zu schräg.“ F: „Ich wollte mehr Kraft an mich binden, was soweit ja funktionierte… auch wenn dann die Umstände dafür sorgten, dass ich wieder mal alles rauspulvern musste, und ich nur hoffen kann, dass die neue Kraft noch da ist.“ L: „Aber du musst dich nicht schon wieder von Verletzungen erholen?“ F: „Nun ja… nein… nichts Ernstes. Siehe es doch so, solange ich hier genese, werde ich nicht reisen. Corsaia, was ist mit dir? Wann möchtest du weiter?“ C: „Ich bin frei und nach meiner langen Abkehr kommt es nicht darauf an. Werde ich hier denn gebraucht?“ L: „Als Licht in der Namenlosen Dunkelheit zwischen den Jahren… und wenn du erleben möchtest, wie die Gläubigen aus allen Landen zusammenfinden und Brig-Lo in etwas verwandeln, was wirklich eine Bedeutung hat, dann bleibe noch etwas länger. Freya?“ F: „Mein Gasthaus sagte mir, sie müssten dann mehr verlangen, also… lass mich das später entscheiden, wenn ich weiß, wie meine Kasse aussieht.“ L: „Verstehe… Hat sich dein Freund eigentlich inzwischen einmal bei dir gemeldet?“ F: „Wie…? Nein.“ L: „Blöder Kerl. Warum lässt du ihn nicht im Schnee stecken und bleibst hier? Ich sorge auch um dich, wenn du dich wieder zerstückeln lässt.“ F: „Das war doch nur… Corsaia, du musst wissen, ihr Vater ist mein Lehrmeister und einmal wollte ich ihn nicht versetzen, obwohl…“ L: „Sie sah furchtbar aus.“ F: „Etwa so wie bei unserer ersten Begegnung.“ L: „Papa machte sich richtige Sorgen und ich mir auch.“ F: „Sie hat mich gemalt.“ L: „Ja, das kann ich. Möchtest du auch mein Modell sein?“ F: „Da fällt mir ein, du hast noch mein Buch.“ L: „Ja, ja, also…?“ C: „Ich muss sagen, ein ehrendes Angebot…“ L: „Hast du etwa Angst, dich vor mir nackt zu zeigen?“ C: „In Albernia wartet eine Elfe auf mich.“ L: „Das stört mich nicht. Du kannst es ihr ja als Geschenk zurücklassen, wenn du sie wieder verlassen musst.“ F: „Dann meintest du es ernst?“ C: „Voll und ganz.“ F: „Wie ist sie?“ C: „Ein bisschen wie du. Sie ist eine Zauberin, und als ich dich schreien hörte, hoffte ich, sie zu finden. Takea… wir hätten nie getrennt werden sollen.“ L: „Wie kamst du überhaupt… dahin? Hast du auch Kraft gesucht?“ C: „In gewisser Weise. Ich jage den Magier Rolat und folgte ihm, als er floh, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wohin. Er ist jedoch nur ein Schritt auf meinem Pfad.“ F: „Was hast du vor?“ C: „Ich befinde mich auf meinem Feldzug gegen den Elementarherren der Kraft. Kannst du es spüren, wie er sich erhebt?“ F: „Nein. Wer ist das?“ C: „Verzeiht. Wie du weißt, besitzt jedes Element einen Herrn, doch von ihnen gibt es nur sechs, denn in grauer Vorzeit wurde einer von ihnen geschlagen – wobei andere Texte von ‚zerschlagen’ sprechen. Ich kam zu der Erkenntnis, dass das sicher damals schon keine üble Tat darstellte, und frage mich, ob wir Besseres erwarten können, wenn er wieder zusammenfindet, denn das tut er gerade; viele können es nicht fühlen, ich kann es.“ F: „Das ist… groß.“ C: „Ich bin groß und Takea ist es auch. Unser Kampf wird zwar noch Jahre brauchen, da mache ich mir nichts vor, doch am Ende werden wir auch siegen.“ F: „Kannst du mir vielleicht noch mehr über diesen Magier erzählen? Du musst wissen, ich werde in letzter Zeit von zu vielen Magiern gejagt und kenne sie alle nicht.“ C: „Er teilt mehr mit mir denn mit dir, da auch er nach dem Herren sucht, wenn auch aus anderen Gründen. Sei unbesorgt, er ist mein Problem.“ F: „Er kannte mich.“ C: „Er ist ein Magier. Er las dich einfach.“ L: „Bewundernswert. Hast du keine Angst?“ C: „Nein, ich glaube an meine Stärke. Angst lässt nur zögern und Zögern führt zum Tod.“ F: „Danke für die Rettung übrigens.“ C: „Wie ich schon sagte, ich tat es gerne. Es ist beruhigend, eine Zauberin dabeizuhaben, und ich merkte erst mit dir, wie ich Takea vermisste.“ L: „Du fichtst mit Schwert und Bogen, richtig?“ C: „Mit zweien, um genau zu sein. Eines führt und eines sticht. Mein Weg lehrte mich, dann kaum jemand in diesen Landen gegen meinen Stil zu bestehen weiß und das ist doch ein beruhigendes Gefühl.“ L: „Ich möchte dich kämpfen sehen. Hast du nicht Lust, in den Tagen einmal mit Freya zu trainieren? Sie ist eine Kampfmagierin und konnte schon einen Geweihtenmörder niedermachen.“ F: „Was?“ C: „Zu gerne. Sofort?“ F: „Nein! Nein… und außerdem habe ich ihn nicht niedergemacht, sondern hatte Glück, dass er rannte. Ich habe überhaupt noch niemanden niedergemacht.“ L: „Hast du nicht?“ F: „Ich bin keine Mörderin, diesen Schritt gehe ich nicht und möchte ihn auch nicht gehen. Ich spreche mit Leuten, schüchtere sie ein, blende sie oder versteinere sie, wenn es nötig ist, wenn ich ihnen nicht mit einem Schlag ihr Bewusstsein raube, doch weiter gehe ich nicht. Ich kenne meine Kraft und habe Angst, was mit mir passiert, wenn ich sie leicht einsetze.“ L: „Du bist so nobel. Das wusste ich nicht.“ F: „Dein Vater sieht es ähnlich.“ C: „Das ist naiv.“ L: „Denkst du?“ C: „Ja. Was tust du, wenn der andere es ehrlich meint? Wenn du nur schreist und mit den Armen ruderst, wirst du irgendwann jemanden finden, den das nicht beeindruckt.“ F: „Dann bin ich naiv… oder ich will es sein, denn ich weiß, dass du recht hast. Ich habe tatsächlich schon getötet, etwas, dass nicht menschlich und nicht gut, aber eindeutig intelligent war. Ich war gerade aus der Akademie draußen und wanderte mit Rufus durch die Provinz Greifenfurt, da…“ C: „Entschuldige, Freya.“ F: „Ja?“ C: „Entschuldige, doch ich bin so selten unter Menschen und so oft unter Helden. Bitte räume mir die Möglichkeit ein, diese Gelegenheit zu nutzen und mich ein andermal deine Erlebnisse durch meine Befreiung der gebundenen Elfen in Dals Turm recht aufzuwiegen.“ F: „Was? Hm.“ C: „Fräulein Lilim, richtig? Dürfte ich dich bitten, mich mit deinem Erlebten zu erfreuen? Wie ergeht es einer halben Fey so am Rande der Nichts?“ Die Gestalt hörte genug. Es ist Zeit für sie, zu handeln. Langsam tätigt sie die nötigen Schritte. L: „Es ist die Hölle. Normalerweise darbt man hier fast einen Winter, bis endlich wieder die Pilger etwas frischen Wind in die Stadt bringen. Du musst wissen, die meisten Leute denken bei dem Namen Brig-Lo an etwas Großes, doch wenn man es sieht, ist es ein Dorf – wie du sicher weißt.“ C: „Ich sah es nur bei Nacht.“ L: „Ich kann es dir auch bei Tag zeigen… oder bist du zu beschäftigt damit, deinen Körper zu heilen und deine Kraft aufzufrischen?“ C: „Bei den Feen, nein, die Diener das Magiers waren wirklich keine Gegner für mich.“ L: „Na dann… Lasse mich bitte überlegen… Ja, wie wäre es damit? Es war im Sommer vor einem Jahr, als dem Bauer Alrico eine Kuh verschwand…“ W: „Wertes Fräulein…“ F: „Haben wir bestellt?“ W: „Eine Donatio von der Dame dort drüben. Sie sagt, sie würde Euch sehr gerne lauschen.“ F: „Oh? Äh… danke.“ L: „… und da kam sein Sohn zu mir, den ich flüchtig kenne, Elrico und fragte, ob ich nicht bei der Suche helfen könnte; ich solle zwar vorsichtig sein, weil man ja viel von Räubern erzähle, doch vielleicht hatte sie sich ja nur verlaufen und dann hieß es keine Zeit zu verlieren.“ F: „Was dagegen, wenn ich mich bei meiner Spenderin bedanke?“ C: „Nein, nichts… und was ist dann passiert? Klingt für mich nach einem Opfertier für ein dämonisches Ritual.“ L: (lacht) „Nein, nicht ganz. Ich breche also auf und…“ Die Frau mit der langen roten und doch wildwüchsigen Haarpracht erhebt sich mit einem Krug Ferdoker Bieres und überbrückt zaghaft die geringe Distanz. Das Blitzen kristallklarer blauer Augen lässt sie zögern, was die Blonde falsch versteht. V: „Bitte versteht mich nicht falsch, ich wollte Euch nicht beleidigen, doch da ich den Wein als pichelsteinsches Meisterwerk erkenne, blieb mir nur der Mut zum Risiko.“ F: „Bitte, was? Ich habe es noch nicht probiert, trotzdem danke.“ V: „Setzen Sie sich doch.“ F: „Ja? Klar…“ V: „Entschuldigt bitte, dass ich mich nicht vorstelle, doch ich fürchte, die Wände haben Ohren. Nennen wir mich Bardo und das ist meine Laute Cella.“ F: „Erfreut. Ich bin Freya aus Andergast.“ V: „Lasst mich Eure Geschichte hören, die Eure Freunde so schändlich verschmähten, und dann versuchen, sie durch Musik und Sang zu veredeln. Würdet Ihr sie mir erzählen?“ F: „Sie sind ein Barde?“ V: „Ganz ohne Zweifel.“ F: „Nun… Wo setzte ich an?“ V: „Sie waren in der Provinz Greifenfurt.“ F: „Nun gut, ich war also gerade aus der Akademie draußen und wollte so schnell wie möglich fort; Sie müssen wissen, dass ich vor der Wahl stand, zwölf Jahre Militärdienst zu leisten oder sechs Jahre für meinen Orden in die Schlacht zu ziehen, und beides reizte mich so gar nicht. Das Ganze begann gut, bis meine Kutsche von Wegelagerern überfallen wurde und von meiner Reisekasse nichts übrig blieb; ich strandete dann in Thurana und traf dort auf Rufus, meine große Liebe, der dort nach seiner Absage in Prem nicht zu schnell nach Hause zurückkehren wollte. Da sich unsere Wege ergänzten, beschlossen wir, gemeinsam zu reisen, denn wir verstanden uns gleich gut.“ V: „Entschuldige, doch… Sie ließen sich von Räubern überfallen?“ F: „Ja.“ V: „Warum?“ F: „Alles andere hätte in einem Blutvergießen geendet. Ich wollte es einfach nicht riskieren.“ V: „Verstehe. Entschuldigen Sie die Frage.“ F: „Rufus fragte mich damals genau dasselbe und wie der Zufall so wollte, bekam ich meine Revanche; wir wanderten nämlich gerade weiter nach Greifenfurt, als wir plötzlich Lärm vernahmen und tatsächlich wurde da eine andere Kutsche gerade ausgeplündert. Ich sehe noch den Hünen mit dem wilden Bart vor mir, der auf dem Kutschbock stand und schrie: ‚Nun komm endlich heraus, holde Maid, oder soll ich zu Euch hereinkommen?’ Wir verloren keine Zeit; Rufus griff zum Schwert und machte Schurken nieder, während ich ihm den Rücken freihielt und sie versteinerte oder blendete. Zwei gegen fünf und trotzdem gewannen wir, es war ziemlich verrückt.“ V: „Das glaube ich Euch.“ F: „Als der Hüne fiel, rannte der Rest und wir lernten Celissa kennen, Tochter des Barons Ulfried von Tannenfels. Wie soll ich sie beschreiben? Stellen Sie sie sich vor als ein lebenslustiges, etwas kräftiges Mädchen mit knappen 20 Sommern, die ihr schwarzes Haar zu Zöpfen flicht und überraschend gut auf der Harfe spielt, wie ich später noch herausfinden sollte. In dem Moment war sie noch ganz durcheinander und wusste nicht, wie ihr geschah – so plötzlich war sie in Lebensgefahr geraten und Menschen, die sie begleiteten und die sie lange kannten, waren gestorben –, doch schon bald taute sie auf und lud uns zum Dank auf die Burg ihres Vaters ein. Rufus und ich, wir sagten nicht nein und freuten uns schon auf ein paar schöne Tage, weil wir dachten, das Schlimmste läge hinter uns, doch wir sollten uns täuschen. Erst einmal grüßt uns jedoch ihr Vater, Baron Ulfried, wie seine Tochter eine sehr angenehme Person, und dankte uns für unser Eingreifen, es folgte ein großes Bankett mit allerlei Speisen und… bei den Zwölfen, ich müsste lügen, würde ich behaupten, mich noch an viel zu erinnern, doch besitzt Rufus eine wunderbare Gabe, Geschichten zu erzählen. Wir kannten uns ja noch nicht lange und wollten es ändern. Schließlich verabschiedete sich der Baron, dann spielte Celissa und als auch sie sich verabschiedete, nahmen wir uns des noch nicht leeren Bierfasses an. Was für ein Abend.“ V: „So klingt es.“ F: „Jedenfalls waren wir kaum in den Matten, da werden wir durch lautes Rufen geweckt, und ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll, da überbringt mir Rufus schon aufgebracht die Nachricht: Der Baron soll einen seiner Berater umgebracht haben, so will es eine Magd gesehen haben, und nun fehlt von ihm jede Spur. Jetzt war auch ich hellwach. Es war klar, dass hier etwas passiert. Kaum stand ich aber neben Rufus bereit, das Rätsel aufzuklären, da nahm und Celissa auch den Schwung; sie wolle keine Panik und keinen Tumult, deshalb sollten sich alle in die Räume begeben, während sie sich mit den Wachen einen Überblick verschaffe – und das, sagt sie, gelte auch für uns, denn wir hätten genug getan und wenn wir helfen wollten, dann könnten wir das immer noch am nächsten Morgen tun, nüchtern und ausgeschlafen. Mich überzeugte das damals, aber ich weiß nicht, wie es Rufus ging, ich glaube, er war noch einmal weg.“ V: „Sie konnten schlafen?“ F: „Sehr gut. Wissen Sie, ich leide unter Alpträumen und war mir damals nicht einmal sicher, ob die Begegnung so wirklich stattfand. Am nächsten Morgen blieb jedoch alles wahr und Celissa wollte ihre Eindrücke loswerden, nachdem sie die ganze Nacht mit Suchen verbracht hatte: Wir hatten einen Baron, der nicht aufzufinden war, und dessen angebliches Opfer, dass tot wie es war nicht mehr erklären konnte, warum es der Baron ausgerechnet hätte umbringen sollen. Nun bat sie uns, Licht in die Sache zu bringen. Ich tauschte Blicke mit Rufus, da wussten wir beide schon Bescheid: Wir würden die Dame in Not auch diesmal nicht im Stich lassen.“ V: „Das ist nobel.“ F: „Es war Zeit, unser beider Kräfte zu nutzen: Rufus ging die Burg erkunden, da er etwas vom Ritterleben versteht, und ich wollte sehen, ob ich nicht irgendeine Spur von Magischem finde, denn all die Geschehnisse wirkten auf mich doch reichlich unerklärlich. Ich versuchte mich oft an einem Odem, doch ich fand nie eine Spur, weswegen ich zu den Büchern zurückkehrte: Der Baron führte ein Tagebuch, doch fand ich darin inmitten der Jagderlebnisse keine Spur, wobei der letzte Eintrag auch ein halbes Jahr zurückreichte, und auch die Chroniken der Burg brachten keinen Hinweis. Ein Krachen aus dem Keller ließ mich die Spur jäh unterbrechen und herabsehen, doch Rufus ging es gut. Er fand einen Stollen, der wohl zu einem geheimen Fluchttunnel gehörte und der direkt bei ihm eingestürzt sei, und als sei das nicht genug, kamen dann auch noch die Ratten. Dazu lachte er schelmisch und hielt sich den Arm, wollte sich aber nicht von mir behandeln lassen. Mir fiel jedoch ein Stein vom Herzen.“ V: „Verständlich.“ F: „Danach bestand ich darauf, dass wir beisammen blieben, und machten dann die nächste Entdeckung zusammen: Wir schlenderten durch den Rittersaal, als mir an einem der Wappen etwas auffiel – mein Blick blieb auf einem stattlichen Hirschkopf hängen, der seinerseits an der Wand hing. Das war das Wappentier der Baronie; doch ich hatte die Enden auf den Wappen gezählt, weil ich den Weg zu den Dämonenhörnern ausschließen wollte, und merkte nun, dass da eines zuviel war. War das die Lösung? Begierig tastete ich den Hirschkopf ab und freute mich, als eines der Enden nachgab und einen Gang hinter dem Kamin enthüllte. Die Entdeckung nahm mir hingegen wieder den Schwung, denn wir fanden eine stark verweste Leiche in einfachen Laken. Ich übergab mich, während Rufus lachte. Celissa bestätigte uns später, dass es sich bei dem Siegelring an der Hand um den des Barons handelte. Auf einmal ergab auch das Loch im Tagebuch einen Sinn, doch wenn Baron Ulfried seit einem halben Jahr hinter einer Geheimtür vermoderte, wer hatte uns dann in Empfang genommen? Wir verbrachten den Tag, ohne irgendwelche weiteren Spuren zu finden, und schon bald brach der Abend heran. Celissa war betrübt, Rufus war nicht nach Feiern zu Mute, sondern wollte lieber weiter die Gänge erkunden und wurde übellaunig, als ich ihn nicht gehen lassen wollte, und ich fragte mich immerfort, was ich wohl übersah. Es gab viele Bücher an diesem Ort, was mich überraschte, und irgendwas daran gab meinem Geist einen Wink, den ich jedoch nicht verstand. Als Celissa bei dem Versuch, trotz aller Ereignisse noch eine gute Gastgeberin zu sein, ein wenig auf ihrer Harfe klimperte und Rufus sofort noch die Leiche des Beraters untersuchen wollte, ohne mein Erbrechen auf seine Stiefel fürchten zu müssen, da wusste ich, dass etwas ganz und gar nicht gut lief. So ist das nun mal als Abenteurer: Manchmal bist du ein Held, aber manchmal prügelt Sumu einfach nur auf dich ein. Das ging so weiter. Ich träumte schlecht in dieser Nacht. Ein Wesen mit tausend Armen und ohne Gesicht griff und zerrte an mir. Ich entkam ihm schweißgebadet ins Erwachen und hatte das Gefühl, als habe ich mich im letzten Moment gerettet. Da war es mir genug. Ich wollte mit Rufus über alles reden, doch sein Lager war verlassen. Er hatte es in dieser Nacht nicht angerührt. Das Tor knarrte und ich reagierte wie von einer Tarantel gestochen, schnappte nach Stab und Mantel und rannte herab. Dort sah ich eine Gestalt im Licht des Madamals gerade über den Burghof rennen. ‚Halt’, rief ich und er drehte sich zu mir um: Es war Rufus und doch war er es nicht. Seine Züge verschwommen wie Wasser in der Bewegung. Er wandte sich von mir ab, rannte weiter und sagte kein Wort. Mir bleibt keine Zeit zum Denken und mein Handeln sollte mich beschämen: Rechte Hand auf linke Schulter, dann schnell nach vorne und mit zwei Fingern auf das Ziel deuten. Ich erzeugte eine Flammenlanze, die ihn zu Boden riss, dann eine zweite, und er blieb liegen. Ich wusste damals nicht, was geschah, und dachte nur: Rufus würde nicht fliehen, also kann das nicht Rufus sein, und was immer es war, ich wollte ihm nicht zu nahe kommen.“ V: „Was war es dann?“ F: „Irgendeine Art Wechselbalg. Es musste sich vor einem halben Jahr auf der Burg eingeschlossen haben und nach der Verwüstung im Zimmer des Beraters, die erst am Tag offenbar wurde, muss dieser kurz davor gestanden haben, ihn zu entlarven. Der echte Rufus tauchte schließlich auch aus den Gängen auf, erschöpft, verschmutzt und hungrig – er hatte hinter einem Teil des eingestürzten Fluchttunnels gelegen, bis er sich schließlich selbst befreien konnte. Er hatte Glück, war er doch dem Geschöpf offensichtlich in die Falle gegangen, und ich hatte Glück, dass es nicht versuchte, sich auch meiner zu entledigen. Die arme Celissa, die an einem Tag ihren Vater gleich doppelt verlor, war nicht unglücklich, uns gehen zu sehen, und auch ich wollte nicht bleiben; ich hatte den Tag gerettet, weil ich einem fliehenden Mann in den Rücken schoss, und das war selbst als Heldentat verbrämt nur jämmerlich.“ V: „Wie ging es denn mit Rufus weiter?“ F: „Wir verbrachten noch einige Zeit auf der Rückreise zusammen und erlebten noch ein Abenteuer, ehe er dann schließlich zu Hause ankam und weiter nach Neersand reiste. Ich vermisse ihn.“ V: „Ist Ihnen denn nichts aufgefallen, als er plötzlich fremd war?“ F: „Es war… im Nachhinein betrachtet sicher, da gab es alle Spuren, doch damals in der Lage selbst? Nein. Auch das gehört zu meiner Schande.“ V: „Danke für die Geschichte. Möchten Sie noch die andere erzählen? Ihre Freunde brachen schon vor einer ganzen Weile auf.“ F: „Nein. Danke… und danke für das Zuhören.“ V: „Es war unterhaltsam und ausgesprochen lehrreich. Ich habe zu danken.“ F: „Denken Sie denn, es taugt für eine Ballade?“ V: „Wenig, doch es bleibt eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Kennen wir die Menschen, die uns umgeben? Können wir uns da wirklich sicher sein?“ F: „Nein, trotzdem müssen wir ihnen vertrauen. Es schadete uns nicht, dass ich ihn kurz als Fremden erblickte, im Gegenteil: Ich war darauf froh, den echten Rufus wieder bei mir zu haben. Die gemeinsame Erfahrung festigte uns.“ V: „Wir lernen von anderen in deren besten und von uns selbst in unseren schlimmsten Zeiten. Danke für das Gespräch, Fräulein Zauberin. Gehaben Sie sich wohl, genießen Sie ihren Tsatag und überstehen Sie die Namenlose Zeit gut.“ F: „Sie brechen auf?“ V: „Nein, ich gehe schlafen… was Sie nicht tun sollten, denn zwischen Rohal und Borbarad liegt nur ein bisschen Sternenleere.“ F: „Was meinen Sie?“ V: „Liegt sein Zimmer nicht neben dem Ihrigen? Gute Nacht.“ F: „Woher…? Ähm, gute Nacht, Fremde, und habt Dank für das Bier.“ Die blonde Gestalt zieht sich die dunkle Kapuze über und verlässt das Amhallwind; sie muss hasten, denn sie spürt die Wirkung des Zaubers verfliegen und möchte dabei nicht gesehen werden. ‚Vertraue, wem du willst, Magierin’, denkt sie sich, ‚und betrinke und bekränze dich die ganze Nacht, doch du solltest eines nicht vergessen: Aus deinen Fehlern zu lernen, denn hättest du alles verstanden, hättest du sie mir nicht erzählt.’ Dunkler Mantel wird eins mit der dunklen Stadt und die Schatten verschlingen Konturen. So stirbt der erste Zyklus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)