Another Malfoy von taluna (the story of scorpius malfoy) ================================================================================ Prolog: Zeiten des Umbruchs --------------------------- T h e D a i l y P r o p h e t Manchmal geschieht es, dass Menschen von einer Welle an gesellschaftlichen, wenn nicht sogar weltlichen Umbrüchen erfasst werden. Der Tag, an dem Tom Riddle eingeschult worden war, konnte sich noch jemand erinnern, was er an jenem schicksalhaften ersten September getan hatte? Oder was war mit der Nacht, als Lily und James Potter starben und die Legende vom Jungen der überlebte geboren war? Die Antworten beliefen sich auf eine lange Nacht in der es viel freies Butterbier gab und sämtliche Wirtshäuser ihre Türen bis in den Morgen offen ließen. Viele Erzählungen sind schwammig. Doch als das englische Ministerium Zeuge der Wiederauferstehung des dunklen Lords wurde und Harry Potter zwei Jahre darauf dessen schrecklicher Herrschaft ein Ende setzte, ist der Bevölkerung lebendig in Erinnerung geblieben. Ist es, weil das Gefühl des Umbruchs auch nach über einem Jahrzehnt noch frisch wirkt oder ist es eher dem Aspekt des Plötzlichen zu zuschieben? Die klugen Köpfe waren mit dieser Frage ein halbes Jahrhundert beschäftigt genug, um die wirklich relevante Fragen zu übersehen. Nämlich ist es möglich, dass ein Knick der Geschichte, ein Wandel von Werten nicht auch schleichend und fast kaum merkbar in Erscheinung treten kann? Und ab wann sind wir berechtigt einen Menschen als Helden zu titulieren? Muss er die Welt vor etwas Bösen gerettet haben, oder zählen wir ihn auch dazu, wenn er die Welt ein kleines Bisschen besser gemacht hat? Ist die Macht seiner Magie relevant, oder doch viel mehr der Umfang seines Wissens und seines Intellekt? Eine Generation nach Harry Potters Heldentaten war die Geschichte bereit einen neuen Helden den Weg in die überdauernde Ewigkeit der Bücher zu eben. Einen Helden, der anders, als der Junge der überlebte, nicht im Vordergrund, sondern im Hintergrund fungierte und dessen eigentliche Taten nur jenen bekannt sind, die als Zeitzeugen in Betracht gezogen werden. Die Ihnen vorliegenden Seiten werden von jemanden erzählen, der in der Menge verschwand. Er war unsichtbar für die meisten Menschen und doch eine treibende Kraft für eine neue Gesellschaft. Ohne es zu ahnen, durchzog er das Leben vieler, wie ein roter Faden im Schnee. Häufig jedoch nur kurz, dafür kraftvoll und überdauernd. Die ersten Spuren eines neuen Umbruchs zeigten sich zart, aber doch sichtbar genug, um sie zu erkennen, an einem wohl bekannten erste September im Jahre 2017. Es war der Tag, an dem nicht die Welt still stand, sondern, an dem sie sich nach einer Ewigkeit wieder bewegte. - Lucretia Violetta Malfoy Kapitel 1: Das Ass der Stäbe. ----------------------------- 25. August 2017 Die Blätter raschelten im Wind, ein warmer Lufthauch glitt über seine Haut und unwillkürlich fröstelte der kleine Junge, der unter einem großen Kastanienbaum lag. Das hellblonde Haar löste sich und er biss sich angespannt auf die Unterlippe. Seine Gänsehaut war kein Zeuge des Windes, sondern der Furcht seiner eigenen Fantasie. Mit angehaltenen Atem blätterte der elfjährige Junge eine weitere Seite um. The Tales of Beedle the Bard war sein Lieblingsbuch. Er hatte bereits die Hälfte des dicken Buches gelesen und sein kleines Herz klopfte hektisch, denn die Welt von The Warlock’s Hairy Heart nahm ihn vollkommen gefangen. Mit großen Augen setzte er die Buchstaben zusammen und war gerade an jener Stelle, als der Hexer verrückt wurde. „Scorpius!“ Eine energische, kindliche Stimme riss ihn aus der Welt, welche er nur für sich erschaffen hatte. Scorpius sah auf. Er hatte sich in den hintersten Winkel des Gartens zurückgezogen. Statt hinter den Rosenbüschen zu lesen, wie er es einige Zeit lang getan hatte, war er über die große Wiese bis an den angrenzenden Wald geflohen. Malfoy-Manor war zwar erschreckend groß, doch trotzdem hatte er das Gefühl, dass es kaum einen Ort gab, an dem er alleine sein konnte. Am liebsten wäre er hinter den Büschen liegen geblieben, aber letztes Mal hatte er die Hauselfen so erschrocken, dass sie ihn eine Woche lang nicht in Ruhe gelassen hatten und mit Gefälligkeiten überschütteten. Mühselig rappelte Scorpius sich auf, jedoch nicht ohne vorher das Lesezeichen einzusetzen. Achtsam klopfte er sich den Dreck von der Hose und lief über die große Wiese. Wenn er sich beeilte, dann erreichte er noch den Rosengarten, ohne, dass er sein neues Versteck verriet. So schnell ihn seine kurzen Beine trugen, hastete Scorpius den Hügel hinauf und huschte keuchend in das Paradies seiner Mutter. Sie liebte Blumen und hatte eine ganz besondere Schwäche für Rosen. Das dicke Märchenbuch wurde immer schwerer. Kaum, dass er den runden Springbrunnen der Heckendynastie erreicht hatte, entdeckte er den Hauselfen Erol. Ganz so, als hielten sie ein tägliches Ritual ab, legte der alte Hauself die Heckenschere beiseite und nahm den Wälzer entgegen. „Master Malfoy, ich lege es Euch in Euer Gemach.“ „Danke Erol“, keuchte Scorpius und rannte direkt weiter. Unzählige Stufen führten von einer schwungvollen Treppe direkt auf die Terrasse. Unter einen weißen Schirm konnte er seine Mutter entdecken, wie sie sich gerade an einem festlich gedeckten Tisch für den Tee nieder ließ. Das dunkle Haare war elegant hochgesteckt und ihr sommerliches Kleid, mit den großen aufgedruckten Blumen signalisierte ihm, dass sie nach dem Tee noch einmal aufbrechen würde. Scorpius fragte nie, wohin sie doch eigentlich ging, auch wenn er vor Neugierde fast umkam. Jedoch fragte man in seiner Familie nicht, jedenfalls nicht nach solchen Dingen. Manchmal hielt er sich daran, manchmal allerdings auch nicht. Lucrezia, seine jüngere Schwester ließ bereits die kurzen Beinchen baumeln und schlürfte angestrengt vornehm ihren Tee. Die Tasse hielt sie mit beiden Händen fest und Scorpius war überrascht, dass er sie unter den ganzen Rüschen, die sie trug, noch erkennen konnte. Sanft strich ihm seine Mutter über den Kopf und sprach: „Junge, wo hast du dich nur wieder versteckt, hm?“ Dann fischte sie ein Blatt aus seinem Hemdkragen und musterte ihn verschwörerisch. Scorpius grinste von einem Ohr zum anderen und als seine Mutter zwinkerte, war er sich ganz sicher, dass sie seinen neuen, geheimen Platz nicht verraten würde. Astoria Malfoy schwang elegant ihren Zauberstab, die Tasse von Scorpius füllte sich und er streckte sich, damit er nach einem hübschen Cupcake mit Zitronencreme greifen konnte. Lucrezia hatte bereits herzhaft in ihres mit der Erdbeercreme hinein gebissen und sah mit einem verschmierten Mund selig in die Runde. Gerade, als Scorpius erleichtert darüber sein wollte, dass sie für den heutigen Tee nur zu dritt waren, ertönten eilige Schritte und er lehnte sich enttäuscht zurück. „Mum, Mum!“, Abraxas, sein älterer Bruder stürmte aus den Salon und hielt einen neuen Besen in der Hand. „Schau mal, was Vater mit gekauft hat.“ Astoria sah von dem Besen in das glühende Gesicht ihres Sohnes und schließlich über dessen Kopf hinweg. Elegant und mit lässigen Schritten näherte sich Draco Malfoy seiner Familie. Er trug einen teuren Umhang, die Farben in dunkel gehalten und das hellblonde Haar streng zurück gekämmt. Bevor er sich setzte, reichte er einen Hauselfen seinen Umhang und nahm eine gefüllte Tasse mit Tee entgegen. „Du solltest ihm doch keinen neuen kaufen“, sprach Astoria vorwurfsvoll, doch ihr Ehegatte ließ sich nicht von ihr zurechtweisen. Gelassen antwortete er: „Abraxas wird sich in diesem Jahr für die Hausmannschaft bewerben, ich wollte, dass er einen Besen hat, mit dem es sich lohnt anzutreten.“ Scorpius linste zum Besen, der gegen das weiße Geländer lehnte. War das ein Silberpfeil 20017? Er hatte überhaupt nicht gewusst, dass dieser bereits schon auf den Markt war. Just in diesen Moment sprach seine Mutter seine Gedanken aus. „Der Silberpfeil? Draco, meinst du nicht, dass Abraxas Schwierigkeiten haben dürfte, sich auf solch einen wilden Besen zu halten?“ Scorpius sah zu seinem Vater und der Blick, der zu seiner Mutter glitt, sprach Bände. Das Oberhaupt der Malfoy-Familie hörte damit auf, seine Pfeife zu stopfen und ohne sie anzusehen, sprach er: „Kinder, ich möchte, dass ihr in den Garten geht.“ „Aber Vater, ich wollte Mum noch-!“ Es reichte ein Blick, dann stieß Abraxas sich vom Tisch ab und schritt beleidigt mit erhobenen Haupt die Stufen der Terrasse herab. Scorpius dagegen half hastig seiner Schwester, ergriff dann Lucrezias Hand und führte sie behutsam in den Rosengarten. „Wird Vater mit Mum schimpfen?“, wollte Lucrezia wissen und Scorpius wollte gerade verneinen, als Abraxas sich einmischte: „Natürlich. Niemand darf Vater widersprechen, das gehört sich nicht.“ „Aber Mum tut das oft“, hatte Lucrezia beobachtet und der Älteste der Drei nickte beschwichtigend: „Dann bekommt Mum nun was sie verdient.“ „Wie kannst du so etwas sagen!“, entfuhr es Scorpius mit roten Wangen. „Mum hat nichts falsch gemacht, sie hat sich nur nicht über diesen blöden Besen gefreut.“ Die Kinder erreichten den runden Springbrunnen in dessen Mitte eine Zentaur stand und einen Kübel hielt. Der Kübel spritze Wasser, doch statt sich von diesen schönen Anblick einnehmen zu lassen, blieben die Kinder abgestumpft davor stehen. Abraxas drehte sich verstimmt um: „Willst du damit sagen, dass ich Unrecht habe?“ Scorpius sah die Wut in den Augen seines Bruders und stotterte, wenn Abraxas ungehalten wurde, dann rächte er sich grausam. Das letzte Mal, als sie sich gestritten hatten, war sein Buch The Adventures of Martin Miggs, the Mad Muggle in der Regentonne gelandet. Er hatte es nicht zu Ende lesen können und war auch noch nicht dazu gekommen, sich ein neues Buch zu kaufen. Immerhin brauchte man dafür Gold und sein Vater gab nichts für solch einen Schinken aus. Seine Hoffnung lag auf seiner Mutter oder auf Granny Zissy, aber in letzter Zeit war Granny nicht vorbei gekommen. „I-Ich... ich wollte damit nur sagen, dass d-du vielleicht-!“ Weiter kam Scorpius nicht, denn Abraxas zischte ihn gefährlich an: „Sprich nicht über Dinge von denen du keine Ahnung hast! Du bist dumm, Scorpius. Du weißt überhaupt nichts über die wichtigen Dinge!“ Mit diesen Worten schubste er ihn grob und Scorpius verlor das Gleichgewicht. Er stolperte direkt in den Springbrunnen und landete mit einem großen Klatscher im kühlen Wasser. Lucrezia kreischte auf, während Abraxas wütend davon zog. „Scorpius, Scorpius!“ Erschrocken über die Wucht des Stoßes musste Scorpius erst einmal Luft holen, doch dann sah er das verängstigte Gesicht seiner Schwester und zwang sich zu einem Lächeln. Hastig erhob er sich, obwohl seine Knie zitterten. Möglichst flink warf er seine Schuhe aus den Brunnen und rief mit einem angestrengten Strahlen: „Lucrezia, dass ist wie das Wasser der Herrin vom See.“ Als großer Leser war er mit der Artus Sage vertraut und da er sie seiner Schwester schon oft vorgelesen hatte, wusste auch Lucrezia, wovon er sprach. Mit großen Augen sah sie ihn an und er setzte hinzu: „Komm schon, das Wasser ist genauso kalt.“ Etwas zögerlich zog auch sie ihre Schuhe aus, warf die Strümpfe auf das Pflaster und ließ sich von Scorpius in den Brunnen helfen. Kurz darauf strampelte sie vergnügt und scherte sich nicht mehr darum, dass ihr hübsches Kleid nass wurde. Sie begann ihn nass zu spritzen und sah dann auf die Vögel, die sich vertrauenswürdig am Rand des Brunnens nieder gelassen hatten und ihnen zusahen. Dies gab Scorpius die Gelegenheit zur Terrasse zu schauen und zu seiner Erleichterung erkannte er, dass seine Mutter gegen das Geländer lehnte und zu ihnen herüber lächelte. Sie wirkte glücklich, freundlich und hell. Anders sein Vater, der direkt neben ihr verharrte. Seine Miene war streng, kritisch und ablehnend. Es war nicht das erste Mal, dass Scorpius fand, dass seine Mutter die Sonne war und sein Vater der Schatten. Seine Granny hatte über den Vergleich gelacht, doch ihm selbst machte er Angst. Würde er sich, wenn er groß war, auch für eine Seite entscheiden müssen? - - - „Das ist so ungerecht!“ Wütend stampfte Rose Weasley mit den Fuß auf. Ihre blauen Augen blitzen böse von einem Erwachsenen zum anderen. Sie befand sich in der Küche ihrer Grandma und war den Tränen nahe. „Ich will nicht zusammen mit Al und James in die Winkelgasse.“ „Rosie“, sprach ihr Vater mahnend, doch sie ließ sich von diesem Tonfall nicht einschüchtern. Stattdessen sah sie ihn anklagend an. „Du hast versprochen, wir gehen alleine. Ich will nicht wieder stundenlang im Quidditchladen warten müssen. So kommen wir nie zu Flourish & Blotts und müssen uns wieder so beeilen.“ Ihr Vater sah zu Onkel Harry und dieser zu ihrer Mutter. Selbst Granny schien ratlos und Rose verschränkte die dünnen Arme vor der Brust. „Ich bleibe lieber hier, als auch nur einen einzigen Tag mit Al und James zu verschwenden!“ Ron strich sich über das Kinn und sprach: „Von mir hat sie den dramatischen Ton nicht.“ Hermine seufzte tief und rollte mit den Augen, dann stellte sie ihre Tasse ab und sprach: „Aber spätestens heute sollten wir deine Besorgungen machen. Du hast noch keinen Zauberstab und auch keine Schulsachen.“ Wie es sich für eine geborene Schauspielerin gehörte, drehte sich Rose wütend um. Schließlich knickte ihre Mutter ein. „Na schön, es wird nicht schaden, wenn ich heute später ins Ministerium komme, außerdem war ich selbst lange nicht mehr bei Flourish & Blotts.“ Sofort strahlte Rose und fiel ihrer Mutter erleichtert um den Hals. Während sie davon stürmte, um ihre Jacke zu holen, wandte sich Hermine ihren Mann zu: „Vielleicht kannst du George heute Nachmittag ein paar Stunden alleine im Laden lassen und mit James und Albus diesen neuen Besen bestaunen. Außerdem wollte Albus dir nicht dieses neue Schachbrett zeigen, was er in der Zeitung gesehen hat?“ Harry stöhnte frustriert: „Das war das Schlimmste, was du meinen Sohn je antun konntest, Ron. Wehe du kaufst ihm das Ding, ich schwöre dir, du kriegst zu Weihnachten von mir bis zum Ende deines Lebens nur noch Socken.“ Es war kein Geheimnis, dass der jüngste Potter-Sohn es liebte, über ein Schachbrett zu linsen und dabei die Stirn zu runzeln. Lachend hob Ron abwehrend beide Hände: „Ist in Ordnung.“ Er drehte sich zu seiner Mutter um: „Sobald James und Al ausgeschlafen haben, schick sie einfach in den Laden.“ „Wir hätten die beiden ebenfalls ins Camp schicken sollen, so wie Angelina es mit Roxanne und Fred gemacht hat“, sprach Ginny, als sie in die Küche trat und eine Tasse heißen Kaffee von ihrem Mann entgegen nahm. Harry nickte zustimmend: „Oder sie bei Percy abliefern sollen. James würde etwas Nachhilfe sicher nicht schaden.“ - „Eine andere Möglichkeit wäre eine kleine Expedition mit Newt Scamander gewesen. Luna hat richtig gehandelt, dass sie ihre Jungs vier Wochen durch die brasilianische Pampa laufen lässt.“ Ginny hatte keinerlei Mitleid mit den Scamander-Zwillingen, denn ganz so, wie sämtliche Mütter, war sie der Meinung, dass die Sommerferien einfach viel zu lange dauerten. Ginny setzte sich an den Tisch, an dem sie bereits als Kind gesessen hatte und schlug die Beine übereinander. Die Arbeit beim Tagespropheten stresste sie seit einigen Tagen sehr. „Es wird Zeit, dass Minerva von den Bahamas wieder kommt und das Ende der Sommerferien einläutet, sonst jagen James und Albus nicht nur unser Haus in die Luft, sondern gründen eine Organisation des Chaos im Kampf gegen die Langeweile. Und wer weiß, vielleicht hast du dann wieder richtige Bösewichte zu jagen.“ Harry verschluckte sich prompt an seinem Tee. Schnell warfen sich Ron und Hermine einen Blick zu, ehe sie beide hastig aus der Küche verschwanden. Sie wussten, welche Unterhaltung nun stattfand und waren sich einig darüber, daran nicht unbedingt teil haben zu wollen. Sie stritten sich so schon genug, extra Zündholz brauchten sie da nicht. Rose huschte rechtzeitig die Treppe des Fuchsbau wieder herunter und gemeinsam flohten sie in Weasleys Zauberhafte Zauberscherze. Kisten voller neuer Ware schwebte durch den Raum und ein Song von Dung Dungel trällerte aus dem Radio. Herzlich schief sang eine bekannte zweite Stimme mit und Rose musste an der Hand ihrer Mutter kichern. Onkel George hatte viele Talente, aber singen gehörte eindeutig nicht dazu. „Guten morgen“, begrüßte George sie eine Etage höher und grinste von einem Ohr zum äh... nicht vorhandenen anderen. „Ronnie-Spätzchen, schwinge deinen Hintern in das Lager und sieh nach, ob wir noch Minimuff-Futter haben, bevor sie zum Kannibalismus neigen.“ Während Hermine Rose mit sich zog und sie gemeinsam auf die bereits belebte Straße traten, rief Rose noch hastig: „Bis später Dad!“, dann sah sie zu ihrer Mutter, „Mummy, was ist Kannibalismus?“ Hermine lachte und Rose genoss es sehr ihrer Mutter zu zuhören. Dies war etwas, was sie sehr gerne tat, denn ihre Mutter war eine der Wenigen, der es nichts ausmachte, wenn sie fragte, was immer sie in Merlins großer Welt aufschnappte. Geduldig erklärte sie, in der Zwischenzeit nahm Rose das Treiben der Gasse auf. Sie kauften den Kessel für Zaubertränke, ein paar Zutaten, die ihre Mutter brauchte und machten schließlich Halt bei Ollivanders. Rose war froh, als sie danach wieder an die frische Luft kam. Mr. Ollivander war ihr unheimlich gewesen und Hermine gestand: „Als ich das erste Mal bei ihm war, ging es mir ähnlich.“ „Er ist seltsam“, führte Rose aus und ihr lief ein kalter Schauer über den Rücken, als sie daran dachte, wie er sie gespannt und fasziniert zugleich angesehen hatte, als sie ihren Zauberstab fanden. „Lorbeere, Einhornhaar, zehn Zoll, höchst interessant.“ Ollivander hatte fast die gesamte Zeit über nur gemurmelt und Rose war gewillt in ihren Büchern nachzuschlagen was genau so interessant an ihrem Zauberstab war. Dennoch beschloss sie sich nicht über ein paar Worte den Kopf zu zerbrechen und wechselte unbekümmert das Gesprächsthema. „James ärgert Albus die ganze Zeit“ sprach sie und Hermine sah sie interessiert an. Rose führte weiter aus: „Er meint, Al könnte nach Slytherin kommen, deshalb gab es gestern ein riesen Theater. Ich finde Al ist nicht listig genug, um zu den Schlangen zu kommen. James hätte dort viel besser reingepasst.“ „Und wo willst du hin?“ „Auf keinen Fall nach Gryffindor“, erwiderte Rose bestimmt und blieb dicht hinter ihrer Mutter, als sie die Apotheke betraten. Es roch nach merkwürdigen Zutaten. Skeptisch betrachtete Rose die Schnecken in einem Glas und sprach: „Ich glaube, Ravenclaw würde ganz gut zu mir passen. In Gryffindor müsste ich ständig mutig sein und das bin ich nun wirklich nicht.“ Hermine lachte entzückt. „Weißt du, Neville war in seinem ersten Schuljahr auch nicht mutig, er wurde es erst mit der Zeit.“ Rose neigte den Kopf zur Seite, dass tat sie immer wenn sie nachdachte. „Trotzdem. Ich möchte auch gar nicht mutig werden. Lieber bin ich intelligent und strebsam. Hufflepuff würde mir allerdings auch gefallen. Freundlich, fleißig und treu, dass ist doch viel wichtiger als Mut.“ „Vielleicht kann man von allem ein Bisschen haben“, warf Hermine ein, als sie schließlich die bestellten Kräuter entgegen nahm und sie in ihrer Umhängetasche verstaute. Neidvoll blickte Rose auf die Tasche. Ihre Mutter hatte immer Glück mit ausgefallenen Stücken. Hin und wieder lieh sie ihr eine, aber die Arbeitstasche bekam sie nie. „Können wir nun zu Flourish & Blotts?“, bettelte Rose und strahlte, als ihre Mutter tatsächlich die Richtung zum Buchladen einschlug. Ihr Herz klopfte aufgeregt, denn es gab in der gesamten Winkelgasse keinen einzigen Laden, der sie so sehr interessierte wie Flourish & Blotts. Alles andere erschien ihr nahezu langweilig. Hastig eilte sie die Eingangsstufen hinauf und betrat das Zentrum des Wissens, wie sie es gerne nannte. Ihre Mutter meinte, dass es in Hogwarts noch viel mehr Bücher gäbe, aber Rose konnte sich kaum etwas Größeres vorstellen. Zu Hause platzte der Wohnzimmerschrank fast vor Bücher und ihr Vater hatte damit gedroht, dass er bald einige in Kisten packen würde, um sie auf den Dachboden zu bringen. Doch leider war der Dachboden ihr Zimmer und auch dort stapelten sich die Lektüren bereits. Heimlich hatte sie sogar schon welche unter Hugos Bett gebunkert. Ein genervter Verkäufer eilte an ihr vorbei und ihre Mutter reihte sich in eine Schlange ein, die sich für die neuen Schulbücher für Hogwarts angesammelt hatte. Rose selbst schritt an den langen Regalen entlang und genoss den Geruch von gedruckter Tinte. Sie wusste überhaupt nicht, wohin sie zuerst schauen sollte und verzog sich schließlich in die hinterste Ecke, wo sie Geschichten aus aller Welt finden würde. Vielleicht war das neue Buch von Berta Buttencoute schon draußen. Mit einem glühenden Blick, fuhren ihre Augen an den hohen Regalen entlang, bis sie schließlich einen Jungen ins Auge fasste. Verzweifelt versuchte Scorpius sich zu strecken, aber ganz egal wie sehr er sich auch auf Zehenspitzen stellte, er konnte das Buch einfach nicht erreichen. Frustriert gab er auf, bis eine freundliche Stimme sprach: „Warte, ich helfe dir.“ Erschrocken fuhr er herum und sah auf ein Mädchen, dass in etwa in seinem Alter war, dafür aber einige Zentimeter größer. Sie ergriff den Einband und reichte es ihm, dabei fiel ihr Blick auf den Titel: „ The Adventures of Martin Miggs, the Mad Muggle? Das ist gut.“ „Ich weiß“, hauchte Scorpius unsicher und nahm es entgegen. Braune Augen musterten ihn neugierig und er setzte hinzu: „Mein Bruder hat meine erste Ausgabe schwer beschädigt.“ Es war, als würden seine Worte alles erklären, denn das Mädchen nickte verstehend. „Kommst du auch neu nach Hogwarts?“, wollte sie wissen und er nickte heftig mit den Kopf. Dann begann sie davon zu erzählen, dass sie mit ihrer Mutter im Laden war und am morgen mit viel Dramatik und jede Menge Schauspieltalent dafür sorgen musste, dass sie ohne ihre zwei blöden Cousins in die Winkelgasse gehen durfte. „Weißt du, sie interessieren sich nur für Quidditch und haben nur Blödsinn im Kopf.“ - „Quidditch ist sowieso langweilig“, entwich es Scorpius. „Mein Bruder findet es auch ganz toll.“ Das Mädchen strahlte ihn an und er erwiderte ihr Lächeln. „Weißt du, ob das neue Buch von Berta Buttencoute schon draußen ist?“ „Der zauberhafte Wanderzirkus?“, Scorpius runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. „Nein, ich glaube nicht. Meine Mum meint, dass es vielleicht erst Ende November kommt.“ „Wie schade“, das Mädchen schob die Unterlippe vor, dann hielt sie überrascht inne, fast so, als wenn sie etwas vergessen hätte. „Ich bin übrigens Rose. Rose Weasley.“ Scorpius starrte sie an und schluckte hart. Sofort drückte er das Buch fester an sich. Statt zu antworten, sah er sich eilig um. „Und du bist?“, fragte sie freundlich und abwartend. „N-Niemand“, stotterte er. „Zumindest niemand, den du kennen willst. Ich muss los, danke für die Hilfe.“ Verabschiedete er sich so schnell er konnte und ließ Rose stehen. Scorpius beeilte sich, zur Kasse zu kommen, wo seine Mutter bereits auf ihn wartete. Ohne etwas zu sagen, nahm sie ihm das Buch ab und bezahlte es. Rose Weasley. Scorpius sah noch einmal über seine Schulter, als er an der Seite seiner Mutter Flourish & Blotts verließ. Es fühlte sich fast so an, als würde er sie an der Tür oder am Schaufenster noch einmal sehen, doch stattdessen verschwand der Laden, weil mehr und mehr Menschen sich davor schoben. Natürlich kannte Scorpius den Name Weasley und alles, was es drumherum zu wissen gab. Heimlich und leider auch nur selten hatte seine Mutter ihm erzählt, wie mutige Harry Potter, Ronald Weasley und Hermine Granger vor neunzehn Jahren gewesen waren. Manchmal hatte er sich vorgestellt, wie aufregend es sein würde, ihre Abenteuer zu erleben, mutig zu sein und Freunde zu haben, die genauso treu waren, wie er und mit ihm in die Höhle des Löwen gehen würden. „Mum, ich habe eine Weasley getroffen“, sprach er und Astoria sah ihn vergnügt an. „Hatte sie rote Haare?“ „Nein, zählt sie dann nicht mehr?“ Erneut lachte seine Mutter und Scorpius fragte sich, was daran so witzig sein sollte. „Nicht alle Weasleys sind rothaarig, denn auch nicht alle Malfoys sind blond, wie du an Lucrezia siehst.“ Vor den Zauberstabladen von Ollivander blieben sie stehen und Scorpius zögerte einzutreten. Immerhin hatte sein Cousin Tiberius Higgs ihm erzählt, das es sehr schwer war, einen geeigneten Zauberstab zu finden. Unbarmherzig schob seine Mutter ihn in den dunklen Laden. Irgendwo läutete eine Glocke und während seine Mutter sich auf einem Stuhl in der Ecke elegant nieder ließ und die weißen Handschuhe auszog, sah sich Scorpius vorsichtig um. Bis an die Decke waren Kartons gestapelt. Staub stieg Scorpius in die Nase und er nieste heftig. Der gesamte Laden machte auf ihn einen abgenutzten Eindruck und er fragte sich, ob es hier tatsächlich die besten Zauberstäbe des Landes gab. Zum Putzen hatte scheinbar niemand wirklich Zeit. „Guten Tag“, sprach eine sanfte Stimme und Scorpius zuckte erschrocken von einem offenen Karton zurück. Er blickte auf einen alten Zauberer mit großen, leuchtenden und blasssilbernen Augen. Er schien nicht zu blinzeln, sondern seine Augen wirkten starr und forsch. Sie blickten an ihm herab, dann verzog sich der Mund zu einem undefinierbaren Lächeln. „Mr. Malfoy, ich wusste, dass Sie kommen würden.“ Kurz nickte er Astoria zu. „Mrs Malfoy, ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen. Zeder, Einhornhaar, 12 Zoll, ein edles Stück, genau wie das von Ihrem ältesten Sohn, Elder, Drachenfaser, 11, 5 Zoll.“ Kurz hielt Ollivander in seiner Bewegung inne und er nickte geistig abwesend. „Ihr Ehegatte kaufte einst ein sehr alten Stab von mir, Weißdorn, 10 Zoll, Einhornhaar, wenn ich mich richtig erinnere. Umso tragischer, dass er nie den Wert der Heilmagie begriffen hat.“ Astoria lachte bei der Vorstellung und gestand: „Ich denke, er ist im Familienunternehmen der Malfoys bestens aufgehoben. Tränke sagten ihm schon während der Schulzeit zu und ich glaube, Sie stimmen mir zu, dass es viel zu gefährlich ist, ihn auf Verletzungen loszulassen, wenn ich sage, dass er noch nicht einmal eine Schnittwunde ordentlich heilen kann.“ So viel Scorpius auch von Ollivander gehört hatte, umso faszinierender fand er ihn nun. Der Mann schien ein ausgezeichnetes Gedächtnis zu haben. Er drehte sich zu Scorpius um und bat ihn, die Arme auszustrecken. Kurz darauf rollte er ein Maßband aus. Die Augen huschten wachsam über die hüpfenden Zahlen und Scorpius schluckte aufgeregt. Hoffentlich bekam er nicht noch einen Schluckauf. „Dann wollen wir einmal sehen, welcher Zauberstab Sie aussucht.“ „Ich dachte, ich suche ihn mir aus?“, wagte Scorpius es zu fragen und die Augen des Zauberstabsherstellers glänzten vor Vorfreude und Schalk. „Nein, Mr Malfoy, der Zauberstab sucht seinen Träger, wir haben keinerlei Einfluss darauf.“ Er reichte Scorpius einen Stab, doch kurz darauf riss er ihn auch schon wieder aus der Hand und schüttelte den Kopf. „Nein, wie töricht, das ist natürlich das absolut Falsche für Sie. Nehmen Sie den.“ Scorpius ergriff ihn und wartete ab, nichts geschah. Dann schwang er den Stab und der Stuhl, auf dem seine Mutter Platz genommen hatte, verwandelte sich in einen Teppich. Erschrocken fiel sie nach hinten über, sah ihn mahnend an und zog ihren eigenen Zauberstab um das Malheur zu korrigieren. Die nächste halbe Stunde verbrachte Ollivander damit den Kopf zu schütteln und an den Regalen voller Kisten auf und ab zu laufen. Zwischenzeitlich verzauberte Scorpius die Lampe auf seiner Theke, sorgte dafür, das ein kleiner Sturm den Staub aufwirbelte und ließ die Vorhänge des Schaufensters in Feuer aufgehen. Ganz langsam bekam er Angst vor den Zauberstäben. Wenn sie taten, was sie wollten, wie würde er nur je mit seinem vernünftig zaubern können? „Mr Malfoy, erzählen Sie mir etwas über sich.“ Verblüfft sah Scorpius den alten Mann an. Zögerlich sprach er: „I-Ich lese gerne, verstecke mich häufig vor meiner Schwester, weil sie mich sonst nicht in Ruhe lässt. Ich mag keinen Käse und kriege von Erdbeeren Hautausschlag.“ - „Wissen Sie schon, welches Haus sie in Hogwarts besuchen möchten?“ Kurz sah er auf seine Mutter. „Äh, ich denke, dass ich nach Slytherin komme, denn alle Malfoys kommen dorthin.“ Ollivander rieb sich über das Kinn. „Wollen Sie denn dort hin?“ Scorpius zuckte mit den Achseln. „Lernen tut man in allen Häusern dasselbe, oder?“ Wieder blitzte etwas in Ollivanders Augen auf und erneut probierte Scorpius sämtliche Zauberstäbe aus, die er ihm reichte. Dieses Mal passierte zu seinem Glück nichts. Und dann spürte er es. Ein weiterer, fast unscheinbarer Stab, der aussah, wie alle anderen vor ihm, sprühte Wärme durch seine Adern und breitete sich im gesamten Körper aus. Sofort umfasste Scorpius den Stab fester. Das Gefühl von Macht, aber auch von Dazugehörigkeit stieg in ihm auf. Ollivander nickte zufrieden. „Da haben wir ihn doch. Walnuss, Phönixfeder, 11 Zoll.“ Schwungvoll drehte er sich zu Astoria um und sprach: „Das macht dann zwölf Sickel und acht Knuts.“ Noch immer wie erstarrt sah Scorpius auf seinen Zauberstab und drehte ihn vorsichtig in seiner Hand. Dann sah er auf und fragte: „Ist es ein guter Stab?“ Ollivander hob die Augenbrauen: „Was meinen Sie, Mr Malfoy?“ Scorpius wurde verlegen und blickte wieder auf seinen Stab. Schließlich riss er sich zusammen. „Ist es ein Stab der Gutes tut?“ Die Frage war ihm entsetzlich peinlich, doch er musste es einfach wissen. Er spürte den Blick seiner Mutter und war mehr als erleichtert, als Ollivander tatsächlich antwortete. „Jeder Zauberstab ist das, was der Träger damit macht.“ Über diesen Satz dachte Scorpius lange und gründlich nach, auch noch, als er zusammen mit seiner Mutter zusammen Malfoy-Manor erreichte. Ihre Einkäufe standen im grünen Salon auf den Tisch. Die Fenster waren weit geöffnet und ließen die warme Sommerluft herein. Glücklich zog Scorpius seine Neue Ausgabe von Martin Miggs aus einer Tüte und wollte gerade verschwinden, als seine Mutter sprach: „Scorpius, ich möchte das du noch einen Moment bleibst.“ Verunsichert hielt der Junge inne und sah, dass sich seine Mutter setzte, nachdem sie den Hut von ihrem Kopf gelöst hatte. „Komm zu mir.“ Artig nahm er auf den Sofa Platz und fühlte sich, als hätte er etwas zerbrochen. Die blauen Augen seiner Mutter musterten ihn, schließlich sprach sie: „Wie kommst du auf den Gedanken, dass dein Zauberstab nicht gut ist?“ Die Frage schnürte ihm die Luft ab. Er sah auf den Boden und begann zu erzählen: „E-Es war nur, weil... na ja...“ Ihm fehlten die passenden Worte, doch zu seinem Glück, schien seine Mutter genau zu wissen, wo der Kummer nagte. Astoria ergriff die Hand ihres Sohnes. „Scorpius, niemand ist von Natur aus böse.“ „Aber-!“ „Auch dein Vater nicht.“ Ihre Stimme klang energisch und bestimmt. „ Vor langer Zeit einmal hat er sich falsch entschieden und dass hat er wieder gut gemacht und einen hohen Preis für den Fehler bezahlt.“ Scorpius mied ihren Blick, dann spürte er, wie seine Mutter ihm sanft durch die Haare strich. Es war eine zärtliche Geste, die dazu führte, dass er die Augen schloss. Wie durch einen Nebel hörte er seine Mutter sagen: „Dein Vater ist ein guter Mann, er sorgt für euch, ist gerecht und-“ „Streng“, beendete der Junge den Satz und Astoria lachte zustimmend: „Ja, auch streng, aber das ist er nur, damit ihr nicht auf unsinnige Gedanken kommt.“ Schritte ertönten und wenig später sauste Lucrezia über den Teppich direkt in Astorias Arme. Seine Schwester sorgte dafür, dass das Gesprächsthema eine radikale Wendung nahm und Scorpius nutzte die Gelegenheit um aus dem Salon zu huschen. Er wollte sich zurückziehen und in seinem neuen, alten Buch schmöckern und nicht daran denken, dass Hogwarts auf ihn wartete. Dabei versuchte er den Gedanken daran zu verdrängen, was er im Arbeitszimmer seines Vaters gesehen hatte. Seine Mutter würde ihn sicherlich nicht verstehen, denn er bezweifelte, dass sein Vater ihr je alles über sich erzählt hatte. Noch während er die Treppen zu seinem Zimmer empor stieg, fühlte er, wie sich ein unbekannter Druck auf sein Herz legte. - - - „Ich will und werde nicht nach Slytherin kommen!“ Die Stimme von Albus Severus Potter überschlug sich vor Zorn. Sein Gesicht war rot angelaufen und er verließ mit erhobenen Kopf das Baumhaus, in welchem Lily, Dominique, Louis und James verweilten. Keine Minute länger würde er sich das anhören. Seit der Brief aus Hogwarts gekommen war, zog ihn James nur noch auf. Er stampfte durch den Garten, hörte die Erwachsenen gemeinsam lachen und beschloss durch die hohen Felder zu laufen, die sich in der Nähe des Fuchsbaus befanden. Immer wieder trat er gegen Getreide und wünschte sich nicht zum ersten Mal ein Einzelkind zu sein. Lily hatte das größte Zimmer, James bekam viel seltener Ärger und er war ständig der Sündenbock. Immer war alles seine Schuld. Wieso hatte er nicht so einen Bruder, wie Fred es war, oder eine Schwester so hübsch wie Victorie? Am liebsten würde er zu Ted ziehen. Ted war der coolste Junge, dem er je begegnet war. Er hatte nie verstanden, warum er nicht einfach bei ihnen geblieben war, sondern nur zweimal die Woche zum Abendessen kam. „Al, warte! Albus!“ Statt stehen zu bleiben, wurden die Schritte des Potters nur noch energischer. Er hörte, dass James angefangen hatte zu rennen, doch das interessierte ihn nicht. Noch immer war er so wütend, wie er nur sein konnte. Würde er noch an den Weihnachtsmann und der Zahnfee glauben, würde er sich wünschen, dass Merlin seinen Bruder zurücknahm und er endlich seine Ruhe hatte. „Jetzt bleib doch endlich einmal stehen!“ Energisch ergriff James Albus Arm, doch dieser riss sich heftig los und schubste seinen Bruder wütend von sich. „Hau ab!“ „Al-!“ Es begann eine Rangelei. Schließlich stolperten sie beide in der Dunkelheit und landeten in einer Pfütze, die sich im Feld angesammelt hatte. Erst als es James gelang den Arm seines Bruder zu drehen und sich auf dessen Rücken zu setzen, begann Albus sich zu beruhigen. Das Gesicht in Dreck gedrückt, bleib er schließlich regungslos liegen. „Ich hasse dich, du sollst Schnecken spucken!“ Mit der Gelassenheit der gesamten Welt sprach James: „Das ist nicht wahr, du hasst mich nicht.“ Schweigen breitete sich zwischen ihnen beiden aus, bis Albus zischte: „Doch, manchmal!“ Von weiten hörten sie die Stimmen der Erwachsenen und James legte den Kopf in den Nacken. Er sah auf das offene Himmelszelt und den vielen Sternen. Nächte, wie diese, hatte er am liebsten. Bislang hatte er es noch niemanden erzählt, aber manchmal löschte er abends das Licht in seinem Zimmer und setzte sich auf die Fensterbank, um das Meer aus Sterne zu sehen. Anders als Lily war er niemand, der in der Dunkelheit Angst hatte. Stattdessen empfand er sie manchmal als sehr schützend und beruhigend. „Es tut mir leid, ich werde dich heute nicht mehr ärgern, okay?“ Albus schwieg und James tat es ihm gleich, dann antwortete sein Bruder: „Gut. Moment, dass heißt, morgen ärgerst du mich wieder?“ James lächelte und zerzauste dem Jüngeren die Haare. „Natürlich, man kann nicht immer alles auf einmal haben.“ „Du bist ein blöder, stinkender Troll.“ „Ich weiß“, sprach James heiter und wollte schon hinzu setzten, dass große Brüder nun einmal so waren, doch er verkniff es sich. Er kannte schließlich nur einen, der ebenfalls ein großer Bruder war, aber Frankie Longbottom war ein ganz anderer Typ als er. Ein Bruder, wie Albus ihn sicher gerne haben würde, aber James würde den Teufel tun und sich ein Beispiel an Frankie nehmen. „Was war das?“ James schreckte aus seinen Gedanken und sah sich um. Albus hatte so weit seinen Kopf gehoben, dass er nach links schauen konnte. Getreidehalme bewegten sich und sofort beschleunigte sich James' Herzklopfen. Zu hören war lediglich der Atem der Potter-Brüder und prompt kletterte James von Albus runter. Möglichst lautlos erhob sich der Jüngere und ballte die Hände zu Fäusten. Was, wenn es ein Sumpfmonster war, dass Kinder fraß, oder ein Wesen, wie Tante Luna sagen würde, durch seine Unzufriedenheit in die Körper von Menschen schlüpfte und ihren Geist verzehrte? Er hatte es immer für ein böses Märchen gehalten, aber Tante Luna war Naturforscherin und hatte schon Bücher geschrieben, also mussten solche Wesen existieren. Albus zwang sich, nicht zurück zu weichen und mutig zu bleiben, denn er spürte, dass auch sein Bruder standhaft blieb. Erneut raschelte es und dann tauchte wie aus dem Nichts eine Hand auf. Albus brüllte. James brüllte. Und Ted ebenfalls. Zutiefst erschrocken stolperte Albus rückwärts und landete mit dem Hintern in einer Pfütze. Ted war der Erste, der sich wieder fing, sich ans Herz gegriffen hatte und deren weiße Haare sich wieder türkis färbten. Er trug noch den pflaumenblauen Mantel der Auroren von Großbritannien und holte tief Luft. „Verdammt, Jungs, was macht ihr hier?“ „Ich glaube, ich habe mich eingeschissen“, sprach James mit zittriger Stimme. „Du glaubst?“, fluchte Albus. „Für mich fühlt es sich exakt so an, als hätte ich Wasser gelassen.“ Er ergriff die Hand von Ted und besah sich seinen nassen Hintern. Angewidert verzog er das Gesicht. „Sag mal, Teddy, warum apparierst du nicht einfach in den Garten, sondern stolperst hier durch?“ Ted Lupin kratzte sich verwirrt an der Nase und sein Haar färbte sich leicht rosa. „Ich habe nicht richtig nachgedacht und bin etwas abseits gelandet. Die Überstunden rauben mir ein bisschen die Konzentration. Außerdem hätte ich fast vergessen, dass mich Onkel Harry zum Essen eingeladen hat und es heute schon Sonntag ist.“ „Wie dem auch sei, komm, bevor hier wirklich irgendetwas Unfreundliches auftaucht.“ James klopfte sich die Hose sauber, obwohl er überhaupt nicht hingefallen war. Am Gesicht seines Bruders bemerkte Albus, dass dieser genauso Angst gehabt hatte, wie er. Pah, von wegen Gryffindors seien absolut unerschrocken. „Was habt ihr überhaupt hier draußen gemacht?“, wollte Ted erneut wissen, als sie den Weg Richtung Fuchsbau anschlugen. Unsicher sah James seinen Bruder an, doch Albus antwortete knapp: „Wir haben uns die Sterne angesehen, wenn es hell ist kann man sie nicht gut erkennen.“ Überrascht, dass seinem Bruder diese Kleinigkeit aufgefallen war und er listig log, grinste James und fand wieder einmal, dass Albus perfekt nach Slytherin passen würde. Doch für heute Abend zog er ihn nicht mehr auf, denn morgen war auch noch ein Tag. „Erzähl“, begann James begeistert, „Hast du ein paar böse Leute festnehmen können?“ Ted lachte und verzog missmutig das Gesicht. Er wusste, dass die beiden Potter-Jungs seine Arbeit viel interessanter fanden, als die ihres Vaters, obwohl Onkel Harry der Leiter der Aurorenzentrale war. Ted selbst wäre viel lieber ein voll ausgebildeter Auror, stattdessen lernte er viel Theorie und ging eigentlich nur auf nichtige Streife. Wenn es endlich einmal etwas hitziger wurde, dann durfte er fanatische Quidditch-Fans trennen, die nach einem langen Spiel und viel Alkohol aufeinander losgingen. Eigentlich hatte er sich das Auror-Dasein sogar viel spannender vorgestellt. Für den heutigen Abend wollte er sich jedoch nur entspannt zurücklehnen und ein Butterbier trinken. Als er mit James und Albus in den Garten trat und den Tisch entdeckte, an dem ein Teil seiner Familie saß, hellte sich seine Miene auf. Kerzen spendeten Licht, es roch nach Molly's leckeren Essen und die Stimmung schien gut zu sein. Harry entdeckte ihn und sofort stand er auf: „Teddy, schön, dass du es doch noch geschafft hast.“ Sofort wurden Stühle gerückt und er nahm Platz in einem gesonderten Kreis. Für Ted gab es kein schöneres Gefühl, als Teil von etwas zu sein. Molly füllte ihm direkt den Teller, Bill reichte ihm ein Butterbier und Arthur wollte alles über seinen Dienst wissen. Während er erzählte, Gelächter folgte, glitt sein Blick am Tisch entlang zu Victoire. Ihr langes, blondes Haar fiel in leichten Wellen über ihre Schulter, die blauen Augen glänzten und über ihre Wangen legte sich ein leichter Rotschimmer. Ted bemühte sich, dass seine Haare den türkisen Ton beibehielten und wendete den Blick wieder ab. Die Familie war ein Grund, warum er so spät noch einmal losgezogen war, aber wenn er ganz ehrlich mit sich war, dann gab es noch einen weiteren. Einen, der ihm bislang verlegen und glücklich machte. Ted sah auf seinen Teller, das Lächeln auf seinen Lippen wurde breiter und er genoss die Nacht unter den offenen Himmelszelt, umgeben von Glück. - - - Ein letztes Mal schritt Astoria Malfoy von einem Kinderzimmer zum nächsten. Der hohe Flur des Westflügels war dunkel, lediglich vereinzelte Kerzen spendeten Licht. Neugierige Porträtbewohner folgten ihr. Die Vorfahren der Malfoys legten allesamt eine amüsante Neugierde an den Tag. Astoria kicherte verhalten, als Cunzelius Malfoy heimlich von einem Bild zum anderen sprang. Am Ende des Flures öffnete sie lautlos die Tür zum Zimmer ihres Ältesten. Das Fenster war weit offen und die dunkelgrünen Vorhänge bewegten sich zum Spiel des Windes. Vorsichtig trat Astoria durch den Raum und versuchte dabei nicht auf ein Spielzeug zu treten, dass sich mal wieder wie eine Lawine über den Teppich ergossen hatte. Sie schloss das Fenster und trat an das viel zu große Bett, indem Abraxas regelmäßig verschwand. Liebevoll deckte sie ihn zu und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Morgen würde er nicht mehr alleine nach Hogwarts fahren und während sie erneut durch das Zimmer ging, fiel ihr Blick auf den neuen Besen, der direkt neben seinem Gepäck stand. Am liebsten würde sie den Besen gegen seinen alten eintauschen, denn der neue Silberpfeil war eindeutig zu wild für ihn. Astoria seufzte tief, schloss die Tür hinter sich und fragte sich, warum ihr Ehemann Abraxas jedes Mal nachgab, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Natürlich wusste sie, dass ihr Spross äußerst gut argumentieren konnte und stur wie ein Esel war, aber es war ihr ein Rätsel, warum er Draco erweichen konnte, schließlich war er der König aller Esel. Sie unterdrückte ein Kichern und hoffte, dass ihr dieser Vergleich niemals über die Lippen rutschen würde. Draco war etwas empfindlich was Humor anging. Lucrezia schlief ebenfalls tief und fest. Immer wieder hörte Astoria etwas von Erdbeertörtchen und Käsekuchen. Sie machte das Lichtspiel aus, was immer wieder sanfte Bilder von Feen an die Wand warf und hob zwei Puppen vom Boden auf. Obwohl Astoria noch nie danach gefragt wurde, war die Zeit, wenn sie nachsah, ob ihre Kinder allesamt schliefen, für sie die Schönste. Dann konnte sie ihre Zwerge im Schlaf beobachten, sich daran erinnern, wie lebhaft sie am Tag durch die Gegend sprangen und wie verschieden sie doch waren. Während Abraxas eindeutig Tendenzen für einen Anführer zeigte, selbstbewusst, angriffslustig und ein bisschen rechthaberisch, war Scorpius eher ruhiger Natur. Obwohl er seine Geschwister häufig durch die Gegend schubste, wusste sie, dass er gleichzeitig aber auch auf sie acht gab. Er verlangsamte sein Schritttempo von selbst, wenn er bemerkte, dass Scorpius und Lucrezia ihm nicht folgen konnten. Es waren die Kleinigkeiten, die zeigten, dass er nicht so egoistisch war, wie Lucrezia manchmal behauptete. Ihre Kleine hatte sich oft genug bei ihr beschwert, dass Abraxas gemein zu ihr war, weil er keine Lust hatte mit ihr zu spielen, oder es langweilig fand, ihr etwas vorzulesen. Scorpius dagegen hatte regen Gefallen daran gefunden. Bücher schienen sein Leben zu sein. An sich hatte Astoria nichts dagegen, aber sie hoffte, dass er sich nicht zu tief in eine Fantasiewelt vergrub, sondern in Hogwarts Freunde fand, die ihn in die wirkliche Welt holten. Ansonsten könnte es sehr einsam für ihn werden. Bei Lucrezia machte sie sich Sorgen darüber, dass sie sich weiter so herum schubsen ließ. Ihre Kleine musste langsam anfangen sich zu wehren. Astoria betrat das letzte Zimmer und unterdrückte ein Lachen. Ganz so, wie sie es erwartet hatte, war Scorpius über sein Buch eingeschlafen. Vorsichtig nahm sie ihm den Wälzer unter dem Arm weg und löschte das Licht. Es war ihr ein Rätsel, warum er zweimal dasselbe Buch haben wollte, aber scheinbar lag ihm dieser Martin Miggs sehr am Herzen. Wenn sie sich nicht irrte, dann ging es um einen mutigen Muggel. Draco würde das alles andere als witzig finden. Nach ihren kleinen Rundgang verließ Astoria die obere Etage und betrat das Arbeitszimmer ihres Mannes. Draco klappte gerade das Geschäftsbuch zu und rollte Unterlagen ein. Liebevoll drückte sie ihm einen Kuss auf die Stirn und strich durch sein Haar. Schweigend zog er sie in die Arme und Astoria genoss es gehalten zu werden. Ihrer Meinung nach zeigte ihr Gatte seine Zuneigung viel zu selten. Dass es ihm nicht leicht fiel, wusste sie. Trotzdem wünschte sie sich immer wieder, dass er offener und herzlicher werden würde. Allerdings war ihr durchaus bewusst, dass Draco genau all dies niemals sein würde. „Ab morgen sind wir nur noch zu dritt“, sprach sie langsam und bemerkte, dass ihr Gatte gedanklich noch immer bei den Verkaufsbüchern war. Das Familienunternehmen der Malfoys agierte unter den Namen 'Chief Warlock' und war äußerst erfolgreich mit Zaubertränken aller Art. Es gab sehr viele Zauberer und Hexen, die nicht in der Lage waren einen vernünftigen Trank zu brauen und genau dort setzten die Malfoys an. Seit drei Jahren gingen die Produkte bereits ins Ausland, doch obwohl es nie Beschwerden gegeben hatte, weigerte sich Draco den Namen Malfoy mit dem Familiengeschäft in Verbindung zu bringen. Astoria vermutete, dass er glaubte, es könnte die Leute davon abhalten von 'Chief Warlock' zu kaufen. „Draco, sag, hat Scorpius etwas Seltsames zu dir gesagt?“ Ihr Mann zeigte einen kurzen Augenblick seine Aufmerksamkeit, dann zog er mit der freien Hand ein Pergament hervor und linste über eine Liste von Zahlen. „Was meinst du?“ Astoria beschloss, dass sie es für besser befand, wenn sie ihrem Mann erzählte, was sie seit einigen Tagen vermutete und welcher Gedanke sie nie richtig losgelassen hatte. Sie löste sich von Draco und lehnte sich gegen den mächtigen Schreibtisch. Das Büro ihres Mannes war zu beiden Wänden hin eingerichtet mit Regalen, welche vollgestopft mit Büchern waren, lediglich das große Fenster, dem er den Rücken zukehrte, spendete am Tag Licht. In einer Ecke stand ein großer magischer Globus und Astoria hatte sich gefragt, ob Draco dort heimlich eine Flasche Feuerwhisky versteckt hielt, damit er ein Glas zum Feierabend trinken konnte, wenn sie es missbilligte. „Ich war vor ein paar Tagen mit Scorpius seinen Zauberstab kaufen“, begann sie und ohne die Miene zu verziehen fragte Draco: „Und, welchen hat er? Einen für Langnasen und Träumer?“ Statt darüber zu lachen, schluckte Astoria lediglich und sprach: „Nein, das ist es nicht. Viel mehr mache ich mir Gedanken über seine Frage an Mr. Ollivander. Er wollte wissen, ob sein Zauberstab gut ist.“ Nun hielt Draco inne, allerdings sah er sie immer noch nicht an. „Was möchtest du mir damit sagen?“ Astoria nahm ihren Mut zusammen und sprach offen aus, was sie beschäftigte: „Hast du mit Scorpius darüber geredet?“ „Nein“, wies Draco ab und Astoria griff nach seiner Hand: „Aber woher weiß er dann-!“ „Er weiß überhaupt nichts, das bildest du dir ein.“ Zum ersten Mal an diesem Abend hatte sie die volle Aufmerksamkeit ihres Mannes, denn Draco wehrte ihre Hand ab und sah sie kühl an. „Du glaubst doch nicht im ernst, dass ich mit einen elfjährigen Jungen über so etwas spreche.“ „Nein, natürlich nicht, aber“, sie suchte nach den richtigen Worte, „in Hogwarts sollte er davon hören, du weißt, dass Abraxas die anderen hat reden hören und auch wenn er das Ganze als Lüge straft, so frage ich mich, wie Scorpius auf die Idee kommen könnte, sein Zauberstab ist nicht gut, oder er müsste Angst vor dir haben.“ Draco ließ die Unterlagen sinken, seine Miene war kühl und ausdruckslos. „Scorpius hat keine Angst vor mir. Astoria, so langsam glaube ich, du bildest dir das Ganze lediglich ein.“ Sie wusste ganz genau, dass sie sich nichts einbildete und biss sich auf die Unterlippe. Frustriert darüber, dass er so reagierte, stieß sie sich vom Tisch ab und sprach: „Schön. Belassen wir es dabei. Dein Wort in Merlins Ohr.“ Draco wollte nie darüber reden, wohl wissend, dass ihm vor langer Zeit der Kopfmagier dazu gedrängt hatte. Sie wusste, dass es Nächte gab, in denen er sich immer noch mit Alpträumen plagte. Sie wandte sich zum Gehen und ließ ihren Mann mit einem bitteren Beigeschmack zurück. In all den Jahren hatte Astoria ihr Bestes gegeben, um für ihre Kinder ein Umfeld zu schaffen, dass sich friedlich nannte. Mit den Eintritt in Hogwarts würde dies nun vorbei sein. tbc. Kapitel 2: Mut, Intelligenz, Treue & Stolz. ------------------------------------------- 1. September 2017 Genervt atmete Albus tief durch und blieb auf dem oberen Ansatz der Treppe sitzen. Er hatte einen guten Blick in das untere Stockwerk, wo er seine Eltern bereits wieder hetzen sah. James hatte Mal wieder zu spät gepackt, am Frühstückstisch eine Überraschungsbombe hochgehen gelassen und nun waren sämtliche Sachen, die eigentlich in den Koffer gehörten, im gesamten Haus verteilt. Immer wieder murmelte seine Mutter einen Spruch nach dem nächsten, während sein Vater von einem kurzen Abstecher aus dem Ministerium wieder zurück kam. Natürlich hatte der Abstecher länger gedauert und während Lily nun plärrend zwischen seinen Beinen hin und her hopste, raffte James seine Quidditchausrüstung in den Flur und bestand darauf, dass sie am Wichtigsten wäre, schließlich dürfte er sich als Zweitklässler endlich bewerben. Als wäre das nicht schon genug Chaos, flog Kleopatra, James weiße Eule fiepend um den Kopf seiner Mutter, ganz so, als hätte sie Angst zurück gelassen zu werden. An der Ader auf der Stirn seiner Mutter konnte Albus erkennen, dass sie kurz davor war, vollkommen auszuflippen und dann wollte er sich todsicher nicht in ihrer Nähe befinden. Albus rollte mit den Augen, als James damit anfing sich zu verteidigen. „Aber Mum! Quidditch ist wichtig! Die dummen Schulbücher kannst du mir auch noch nachschicken!“ Es war das Ende vom Anfang, oder zumindest so ähnlich. Die Stimme seiner Mutter donnerte nun wie ein gefährliches Unwetter sowohl über den Kopf seines Vaters als auch über den von Lily und James. Schließlich ließ sie Kleopatra mit einem gezielten Zauber erstarren und begann nun erst richtig wie eine Sirene zu keifen, zu toben und zu explodieren. Manchmal fragte Al sich, ob Onkel George daher seine Inspiration für Knaller bekam. Vorsichtig linste Albus nach links und bemerkte, dass sein Vater vor seinem Aufbruch das Arbeitszimmer unverschlossen gelassen hatte. Es war eine einmalige Chance. Hastig stand er auf und schob die Tür auf. Es war ihnen alle verboten das Arbeitszimmer ohne ihren Vater zu betreten und James hatte schon häufig Vermutungen angestellt, was sich alles dort drin befinden müsste. Einmal, als er zu viel Butterbier getrunken hatte, hatte Onkel Ron verlauten lassen, dass es einen Tarnumhang gab und sein Vater diesen besitzen würde. Als Albus danach gefragt hatte, bekam er lediglich zu hören, dass ein Tarnumhang kein Kinderspielzeug war. Innerlich wurde er ganz aufgeregt, als er daran dachte, dass er ihn vielleicht in diesen unachtsamen Moment finden würde und ihn nach Hogwarts schmuggeln konnte. Mit angehaltenen Atem betrat Albus das Arbeitszimmer und blickte auf einen großen Schreibtisch, der überladen von Briefen, Akten und anderen Schriftrollen war. Die Wand zu seiner rechten Seite war zu einem Bücherregal verzaubert worden, dass seine Tante Hermine mit Bücher vollgestopft hatte. Doch Albus vermutete, dass sein Vater in seinem Leben noch nicht eins davon hervor gezogen hatte. Zumindest ließ die dicke Staubschicht darauf schließen. Wo sollte er zuerst suchen? Der Stimme seiner Mutter nach zu urteilen hatte er maximal noch drei Minuten. Er sah nach links, wo zwei abgenutzte Sessel zueinander geneigt standen und in der Mitte den Blick auf einen kleinen Kamin zuließen. Albus fragte sich, wozu sein Vater im Arbeitszimmer einen brauchte, immerhin hatten sie einen im Wohnzimmer. Mehrere vereinzelte Kommoden standen herum, aber der junge Potter war sich sicher, dass er darin nichts finden würde, was wirklich wichtig war. So etwas, wie den Tarnumhang, würde sein Vater sicher mit doppelten Boden im Schreibtisch aufbewahren. Schnell trat er um den Schreibtisch herum, schob den Stuhl beiseite und hielt inne, bevor er die Schubladen aufriss. Was, wenn sie verzaubert waren? Nein, sein Vater hätte einen Zauber bereits über die Türschwelle gelegt, damit James und er erst gar nicht so weit kamen. Doch da die Tür aufgeblieben war, hatte sich der Zauber nicht noch einmal aktiviert. Albus öffnete direkt die unterste Schublade, doch er bekam nur noch mehr Papier zu sehen. Dann beeilte er sich in die anderen zu schauen. Doch er traf nirgendwo auf einen doppelten Boden. Ein Schnatz wollte herausfliegen, doch Al fing ihn flink wieder ein und stopfte ihn zurück. „Denken, denken, denken“, flüsterte er angestrengt. Wo würde er so etwas Wichtiges, wie einen Tarnumhang, aufbewahren? Sein Blick fiel auf den Schreibtisch und er bemerkte, dass die Platte ziemlich dick war. Die von Onkel George im Büro des Scherzartikelladens war dünner. Auch bei seiner Tante Hermine im Ministerium hatte er so etwas nicht beobachten können. Albus schob die große Unterlage, auf der die neue Mannschaft der Chudley Cannons abgebildet waren und ihm zuwinkten, beiseite und sah auf einen schmalen Umriss, etwas so groß, wie ein Schuhkarton. Und nun? Albus runzelte die Stirn und tat das, was sein Instinkt ihm riet. Er drückte die Platte nach unten, dann schob sie sich zur Seite und er sah überrascht auf den Inhalt. Kein Tarnumhang weit und breit. Wie enttäuschend. Stattdessen sah er auf ein magisches Taschenmesser, einen zerbrochenen Spiegel, ein leeres Pergament, das merkwürdig gefaltet war und eine Ausgabe der Hexenwoche, die seine Mutter bestimmt nicht in die Finger bekommen hatte. Albus grinste breit und sah, warum sein Vater genau diese Ausgabe versteckt hielt. Scheinbar war sein Vater zum Sexiest Wizard of Britain gewählt worden. Es wunderte Albus, dass niemand aus seiner Familie gequatscht hatte, aber genauer betrachtet hatte Tante Hermine keine Zeit zum Lesen solch eines Käseblatts gehabt und Granny hatte ihre Zeitung wohl ebenfalls nicht bekommen. Albus war fasziniert über die Leichen, die sein Vater im Keller, oder wörtlich gesprochen, im Schreibtisch versteckt hielt, doch das konnte seine getrübte Laune über den Tarnumhang nicht vertreiben. Dann schreckte er hoch. Seine Mutter hatte aufgehört zu schimpfen, jetzt musste es schnell gehen. Er wusste nicht warum, aber die Tatsache, dass sein Vater ein leeres Pergament versteckt hielt, machte ihn stutzig. Hastig steckte er es in den Bund seiner Jeanshose und strich sein Shirt drüber. Dann raste er aus dem Büro und wollte gerade lautlos und möglichst vorsichtig die Tür schließen, als er die Stimme seines Vaters hörte: „Al, was tust du da?“ Erschrocken zuckte er zusammen und ließ das Schloss klicken. „Du hast die Tür offen gelassen“, sprach er in einem vorwurfsvollen Ton und machte eine verstimmte Miene. Harry überwand die letzten Stufen und hob beide Augenbrauen, dann sprach sein Sohn: „Und du hältst James und mir Vorträge über Dinge, auf die wir achten sollen? Stell dir vor Sherlock Holmes wäre durch die Tür gehuscht, wäre er dann in Flammen aufgegangen?“ Der alte graue Kater der Familie war bekannt dafür, dass er sich überall herumtrieb, wo er besser niemals gewesen wäre und es kam Albus äußerst gelegen, dass genau jenes Pelztier nun die Beine seines Vaters umschnurrte. Möglichst erwachsen hob er Sherlock Holmes hoch und sprach: „Siehst du?“ Innerlich klopfte sein Herz bis zum Hals, doch dann entspannte sich die müde Miene seines Vaters. Er strich ihm durch das Haar und seufzte: „Tut mir leid. Und jetzt beeile dich bitte. Wir wollen gleich los.“ „Hast du Mum schon von den Wänden gekratzt, oder darf ich das wieder übernehmen?“ Sofort grinste sein Vater breit und Albus wusste, dass die Aufgabe, seine Mutter wieder zu beruhigen, bei ihm hängen bleiben würde. Er seufzte dramatisch und schritt die Treppen runter, dabei entging ihm nicht, wie sein Vater noch einmal die Tür zu seinem Büro überprüfte. Was in Merlins Namen versteckte er, dass er es so absichern musste? Und warum konnte er dann nicht zumindest den Tarnumhang herausrücken? Immerhin war er doch Auror genug, dass er solch ein Ding auf der Arbeit nicht brauchen würde. Während Albus Sherlock Holmes im Erdgeschoss los ließ und sich daran machte, dass Geschirr zu spülen und den Tisch abzuräumen, dachte er darüber nach, was er nun mit dem leeren Stück Papier anfangen sollte. Dafür hatte sich der Mut wohl kaum gelohnt. - - - Mit großen Augen sah Scorpius zum Hogwarts-Express. Die Lok machte einen so gewaltigen Eindruck auf ihn, dass er kaum den Mund schließen konnte. Immer wieder wurde er angerempelt, doch es war ihm egal. Erst, als er hörte, wie jemand seinen Namen rief, drehte er sich um und sah, dass Abraxas bereits verschwunden war. Wahrscheinlich konnte er es kaum erwarten aus den elterlichen Fängen zu verschwinden. Lucrezia weilte an der Hand ihrer Mutter und schien genauso wie Scorpius vollkommen gefesselt von der Lok. Letztes Jahr hatten sie nicht mitgehen dürfen und den Vormittag bei Granny Zissy verbracht. Irgendwo rechts von ihnen kreischte eine Gruppe von Jugendlichen lauf auf. „Da war ein haariges Bein!“, quiekte ein junges Mädchen und Scorpius rieselte ein eiskalter Schauer über den Rücken, als er den Jungen mit der Kiste in den Händen verschwörerisch lächeln sah. „Vater“, begann er zögerlich, „Hogwarts ist doch nicht gefährlich, oder?“ Dem skeptischen und leicht verblüfften Gesichtsausdruck seines Vaters nach wohl eher nicht. Hastig wandte Scorpius sich ab und sprach zu Lucrezia: „Wehe, du räumst mein Zimmer nicht wieder auf, wenn du drin spielst.“ „Ich räume es immer auf!“, beschwerte sich seine kleine Schwester. „Du bist derjenige, der Erol immer die Arbeit machen lässt und dein Chaos nicht wegräumst.“ Sie streckte ihm die Zunge raus, doch dann reckte sie kurz, wie es sich für eine Malfoy gehörte das Kinn und sprach bestimmt: „Und schreib gefälligst. Nicht so wie Abraxas, einmal im Monat und dann auch nur drei Sätze.“ „Wenn du willst, schicke ich dir Bilder aus Hogwarts. Tante Daphne hat mir doch zu Weihnachten diese Kamera geschenkt und ich habe sie eingepackt.“ Sofort strahlte Lucrezia begeistert, dafür würde sie hoffentlich zumindest seine sorgfältig nach dem Alphabet geordneten Bücher in Ruhe lassen. Die Lok ließ Dampf ab und gab somit das Zeichen, dass sie bald losfahren würde. Herzlich schloss Astoria ihren Sohn in die Arme. „Pass gut auf dich auf, schreib hin und wieder und verlauf dich im Schloss nicht allzu oft und halt dich aus Ärger raus.“ Scorpius nickte und spürte mit einem Mal einen ziemlich heftigen Kloß im Hals. Sein Vater nickte lediglich und er verstand, dass dies seine Art zu sagen war, dass er nun gehen sollte. Mit viel Kraft wuchtete er seinen Koffer in den Zug, rutschte allerdings immer wieder ab, bis ihm eine helfende Hand zuvor kam. Es wurde heftig gedrängt und Scorpius drehte sich gerade um und sprach. „Danke“, als ihm halb das Gesicht stehen blieb. Ein rothaariger Mann mit nur einem Ohr grinste ihn breit an und schien äußerst vergnügt über seinen erschrockenen Gesichtsausdruck. Noch bevor er erneut etwas sagen konnte, wurde er unbarmherzig in den Zug geschoben und stolperte mit seinem Koffer über jede Menge anderer Gepäckstücke. Zum Glück hatte er seine Eule schon zu Hause Richtung Hogwarts fliegen lassen. Sir Lancelot würde den Weg schon finden. In diesem allgemeinen Tohuwabohu hätte er kaum noch einen Käfig halten können. Die Lok setzte sich in Bewegung und Scorpius zog mit aller Kraft das Fenster herunter, um winken zu können. Viel zu schnell verlor er seine Familie aus den Augen. Während sich die anderen Hogwartschüler schnell trollten, blieb er noch eine ganze Weile lang am Fenster stehen. Die Landschaft zog an ihm vorbei und Scorpius fühlte sich mit einem Mal schrecklich alleine. Auf die Hilfe seines Bruders brauchte er nicht zu warten, denn Abraxas hatte ihm nach dem Frühstück unmissverständlich deutlich gemacht, dass er ihm nicht am Rockzipfel hängen sollte. So war sein Bruder nun einmal. Gemein, manchmal ziemlich fies und niemand, auf den man sich verlassen sollte. „Scorpius, na alles klar bei dir?“ Verblüfft, aber auch grenzenlos erleichtert, sah der Malfoy nach links und entdeckte seinen Cousin. Tiberus Higgs kämpfte sich an mehreren Schülergrüppchen vorbei. Sein dunkelblondes Haar wirkte etwas durcheinander und blaue Augen sahen ihn strahlend an. Obwohl er noch eine ältere Cousine namens Giulia hatte, empfand er Tiberius als angenehmer und freundlicher. Obwohl er ganze sechs Jahre älter war als Scorpius, hatte er es noch nie erlebt, dass Tiberius bei Familien-Treffen genervt von ihm gewesen war. Weihnachten nahm er sich immer etwas Zeit, um zuerst mit Lucrezia ins Puppenparadies zu verschwinden und dann mit ihm neue Spiele durchzuprobieren, bis hin das er sich mit Abraxas hinaus in den Schnee wagte. Tiberius war ein ruhiger Geselle und sowohl Scorpius als auch Lucrezia vergötterten ihn. Früher hatten sie sich sogar regelrecht um ihn gestritten und schon Stunden vor seiner Ankunft nur Krawalle gemacht, sodass sie schließlich bei seiner Ankunft mit Hausarrest in ihren Zimmern schmollten. „Ich hätte mir denken können, dass Abraxas wieder einen auf Oliver Twist macht“, sprach Tiberius und tippte mit den Zauberstab gegen Scorpius' schweren Koffer. Dieser erhob sich und schwebte über die Schülermasse hinweg. „Komm, du kannst bei meinen Freunden und mir im Abteil sitzen.“ Sichtlich erleichtert darüber strahlte Scorpius und antwortete: „Danke. Abraxas meinte, ich sollte nicht hinter ihm herlaufen und mir, so wie er, meine eigenen Freunde suchen. Er habe keine Zeit sich um mich zu kümmern.“ An der Art und Weise, wie sein Cousin den Kopf schüttelte, wusste Scorpius, dass sein Bruder letztes Jahr ebenfalls bei Tiberius im Abteil gesessen hatte. Innerlich wurde er wütend darüber, dass Abraxas immer so gemein war, doch gleichzeitig kannte er es fast schon nicht anders. „Du solltest nicht alleine durch die Gegend turnen.“, sprach Tiberius und half Scorpius über einen Turm von Koffern. „Auch in Hogwarts nicht, merk dir das.“ „Okay“, nach dem Warum fragte er besser erst nicht. Überall waren Leute dabei ihre Sachen ins Abteil zu stecken, sich zu begrüßen oder noch nach einem Platz zu suchen. Hier und da musste sich Scorpius vor einem Vogelkäfig bücken und als er gerade versuchte über eine große Reisetruhe zu kommen und stolperte, hüpfte eine Katze auf seine Schulter. Erschrocken bemerkte er, dass sie nur ein Auge hatte und fürchterlich hässlich wirkte. Ihr weißes Fell war dafür jedoch umso weicher, als sie gegen seine Wange schnurrte. „Na hallo“, sprach er und streichelte sie vorsichtig. Anders, als Abraxas, wartete Tiberius auf ihn. „Hast du dich verlaufen?“ Tiberius kam näher und betrachtete sie: „Sie muss jemand Neuem gehören, denn ich schwöre, so etwas Hässliches habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.“ Als würde die Katze ihn verstehen, fauchte sie laut und Tiberius zog belustigt seine Hand zurück. „Jemand wird sich doch sicher Sorgen um sie machen.“, überlegte Scorpius. „Ich frage, wem sie gehört und dann komme ich zu dir. Wo genau ist euer Abteil?“ „Ganz vorne, bevor die Abteilungen für die Schulsprecher kommen, aber bevor du alleine losziehst, komme ich mit dir.“ Tiberius hatte bereits bemerkt, dass Scorpius seinen Rat nicht ernst nahm. Doch bevor sein jüngerer Cousin direkt am ersten Tag einer Gruppe Leute in die Hände fiel, die es nicht so genau nahmen mit Friede, Freude, Eierkuchen, ging er lieber mit. Sobald Scorpius vom sprechenden Hut in Slytherin eingeteilt worden war, würde es immer jemanden geben, der auf ihn Acht gab. Aber bis nach Hogwarts waren es noch einige Stunden und Leute mit schlechter Erziehung würden sich bestimmt böse Scherze erlauben. Sie fragten sich durch mehrere Abteile, immer wieder wichen Leute zurück und sahen sich angewiderte das Katzenvieh an. Ein Siebtklässler sprach sogar offen aus, was er dachte: „Ey Mann, das Ding gehört in den Zoo!“ Einige Jüngeren verneinten schlicht und hin und wieder runzelte Scorpius die Stirn, wenn sie in ein Abteil traten, indem sich eine Mädchengruppe aufhielt. Sie kicherten verhalten und schienen sämtliche Geschützte aufzufahren, damit sie etwas länger blieben. Einmal drückte man ihn schlicht in das Sitzpolster und reichte ihm einem Keks nach dem anderen, während sämtliche Augen auf Tiberius lagen. Er fand das Verhalten albern, doch diese Gänse ließen einfach nicht locker. „Nein, ich will keinen Keks mehr, wir müssen weiter. Nein, ich habe genug, nein ich- Tiberius!“ Sein Cousin unterhielt sich immer glänzend und verstand die Hektik nicht. Hier und da wurde er von jemanden begrüßt und je weiter sie durch den Zug gingen, umso mehr wurde Scorpius bewusst, dass sein Cousin ziemlich beliebt zu sein schien. „Ich weiß gar nicht was du hast.“, sprach Tiberius, als sie sich mit Mühe und Not von drei hübschen Hexen losreißen konnten. Eine davon hatte Scorpius ein Stück Kuchen in den Mund geschoben, dass ihm die Zähne miteinander verklebt hatte. Er war überhaupt nicht dazu gekommen sich zu beschweren. „Wenn ich noch einen Keks essen muss, dann rolle ich nach Hogwarts!“, empörte sich Scorpius. „Sind das alle deine Freundinnen?“ - „Die eine oder andere“, meinte Tiberius und half ihm erneut über die Koffer. Er schüttelte den Kopf. „Ich möchte einmal wissen, was die Vertrauensschüler machen, normalerweise ist der Gang immer freigeräumt.“ Ein Junge mit kurz geschorenen Haaren steckte den Kopf aus dem Abteil und rief: „Hey Higgs, Glückwunsch zum Abzeichen.“ „Danke Griffith, ich sehe dich beim Probespiel.“ Tiberius wollte kurz die Katze nehmen, als sie erneut fauchte und Scorpius gab es auf, sie abzugeben. Jedoch wurde er bei der Erwähnung des Probespiels hellhörig. „Du bist Quidditchkapitän von Slytherin?“ Seine Augen wurden groß und er sah staunend zu seinem Cousin auf. Unwirsch zuckte Tiberius mit den Achseln. „Irgendjemand muss das ja machen und Sluggy dachte wohl, ich würde das ohne dem üblichen Tara hin bekommen.“ Scorpius wusste, dass der Hauslehrer von vielen liebevoll Sluggy genannt wurde, aber was Tiberius mit Tara meinte, war ihm ein Rätsel. Er wollte gerade zum nächsten Abteil, als er einen Haarschopf erblickte, den er kannte. Hastig wollte er weiter ziehen, als Tiberius ihn am Hemdkragen packte und sprach: „Nicht so schnell, wir sind lieber gründlich, als das wir dieses Vieh länger als notwendig mit uns herumschleppen.“ Es war deutlich zu hören, dass er die Katze nicht mochte. Noch bevor Scorpius etwas sagen konnte, riss sein Cousin die Abteiltür auf und innerhalb von Sekunden veränderte sich etwas an ihm. Etwas, was Scorpius bislang vollkommen unbekannt war. Seine Haltung bekam etwas seltsam Arrogantes und der Blick auf seinem Gesicht wirkte herablassend und leicht provozierend. „Sieh an, so viele Weasleys auf einem Haufen. Wird euch das nicht zu viel Gryffindor-Luft auf einmal?“ Scorpius sah in das Abteil und sein Magen zog sich leicht zusammen, als er Rose Weasley entdeckte. Die überhebliche Stimme ließ sie aufsehen und Rose blickte in das Gesicht eines älteren Schülers. Ihre Cousine Roxanne spannte sich sofort an und James ließ von Albus ab, sodass dieser sich den Schokofrosch schnappen konnte. Dabei stürzte er halb über Fred und hing in dessen Schoß. Noch nie hatte Rose erlebt, dass ihre halbe Familie sofort auf Abwehr geschaltet hatte. Alle außer Al sahen grimmig in die Runde und James zog sogar seinen Zauberstab. Es war schließlich Roxanne, die sich erhob. Als Sechsklässlerin hätte sie wohl eindeutig größere Chancen gegen den blonden Jungen. „Was willst du, Higgs? Wenn du Ärger suchst, dann bist du hier an der falschen Adresse.“ Ein feiner Rotschimmer legte sich über die Wangen der ältesten Weasley und Rose bemerkte, dass dieser Higgs nun äußerst breit grinste. „Nur zu, stell dich zum Duell!“, krähte James und Higgs brach in lautes Gelächter aus. Es war keineswegs ein freundliches Lachen, sondern vielmehr ein spöttisches. „Wenn du mehr als einen halben Meter misst, Potter.“ James lief feuerrot an und wollte gerade den ersten Spruch über die Lippen zischen, als Fred ihn davon abhielt. Higgs sah sich langsam um, dann sprach er: „Ich bin hier, weil Scorpius etwas Hässliches gefunden hat, was eventuell zu einem von euch passen würde.“ Dann schob er einen hellblonden Jungen vor und Rose riss überrascht die Augen auf. „Dornröschen!“ Erleichtert ihre Katze zu sehen, eilte sie auf den Jungen zu, den sie in der Buchhandlung getroffen hatte. Sie nahm ihm die weiße Katze ab und bemerkte, dass Dornröschen ihn nicht ein einziges Mal gekratzt hatte. Normalerweise mochte sie keine Fremden, alle voran ihren Vater nicht. „Sie ist mir im Gang auf die Schulter gesprungen“, sprach der Junge und zeigte ein scheues Lächeln. Rose bedankte sich überschwänglich: „Danke, ich habe mir schon Sorgen gemacht, aber meine blöden Cousins meinten, sie würde schon wieder auftauchen. Scorpius heißt du, habe ich das richtig verstanden?“ Unsicher nickte er und stotterte: „Ja... S-Scorpius Malfoy.“ Rose hob die Augenbrauen. Natürlich hatte sie schon von der Familie Malfoy gehört. Ihr Vater riss regelmäßig Witze über sie und zusammen mit Onkel Harry hatte er so einige Anekdoten zu erzählen. Sie wusste, dass beinahe alle Malfoys blond waren und von Natur aus nach Slytherin kamen. Fast so, als wäre es ein unbeschriebenes Gesetz. Ihrem Vater nach waren alle Malfoys arrogant, feige und hinterhältig. Elende Frettchen, um es mit seinem Wortlaut zu sagen. Ihrer Mutter nach, hätten sie auch ihre guten Seiten, nur soll es ihrer Meinung nach schwer sein sie aufzudecken. „Na ja, jedenfalls, wollte ich sie dir zurück geben, bevor sie von einem Koffer da draußen erschlagen wird.“ Rose streichelte ihre Katze zufrieden, dann bot sie an: „Bleib doch bei uns, willst du einen Keks?“ „Kleine, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich meinen Cousin den Löwen zum Fraß vorwerfe“, mischte sich Higgs ein und zog Scorpius wieder mit sich nach draußen. Roxanne ballte die Hände zu Fäuste und hob den Zauberstab. „Du solltest lieber auch das Weite suchen, Higgs. Sonst könnte es sein, dass ich mich vergesse und das willst du doch nicht!“ Das Grinsen auf seinen Lippen wurde noch breiter und schließlich sprach er: „Och, das letzte Mal, als du dich vergessen hast, hat mir ganz gut gefallen und dir auch, wenn ich mich nicht irre.“ „VERSCHWINDE! SOFORT!“ Roxannes Stimme war regelrecht schrill geworden. Scheppernd fiel die Tür zum Abteil zu und Rose schob traurig die Unterlippe vor. Sie hätte sich gerne noch weiter mit Scorpius unterhalten, er schien nett zu sein und das obwohl er ein Malfoy war. Sie ließ sich zusammen mit Dornröschen wieder auf das Sitzpolster fallen und sah in die Runde. Albus hatte sich mittlerweile wieder normal hingesetzt und schien genauso verwirrt zu sein wie sie. Allerdings wirkte er erleichtert, das James endlich einmal nicht mehr das 'Du-kommst-nach-Slytherin-Lied' sang. Nur mit viel Selbstbeherrschung ließ James sich zurück auf seinen Platz nieder und zischte: „Ich hasse diese elenden Slytherins, allesamt arrogante Snobs!“ Roxanne fuhr sich wütend durch ihre Haare, anders als ihr Bruder Fred, war sie wie gefährliches Dynamit. Und überhaupt, Rose fand, dass ihre Cousine sehr jungenhaft wirkte. Auf ihren T-Shirt sprang übergroß das B.ELFE.R- Logo und vor fünf Minuten hatten sie alle erfahren, das Roxanne der neue Kapitän der Hausmannschaft von Gryffindor war. Sie hatte James bereits wissen lassen, dass er keinerlei Verwandtschaftsbonus bekam, weil sie vor hatte Slytherin dieses Jahr den Erdboden gleich zu machen. Alles in einem war Roxanne alles, aber keineswegs mädchenhaft. Die Tür des Abteils glitt erneut auf und der wandelnde Beweis für Mädchenhaft trat ein. Sofort sahen alle auf, als sie das klangvolle Lachen hörten. Schön, wie die Morgensonne selbst, mit leuchtenden blauen Augen und silberblonden Haaren zog Victoire Weasley sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Sie trug schon die Schuluniform und hatte das Abzeichen für die diesjährige Schulsprecherin auf der Brust haften. „Na, na Roxanne, willst du mir nicht näher erläutern was Higgs meinte, es hätte ihm gefallen als du die Fassung verloren hast?“ Sie zwinkerte amüsiert, weshalb Roxanne noch einen Ton röter wurde. Rose fragte sich, ob es daher rühmte, dass sie wütend oder eher verlegen war. Anmutig ließ Victoire sich neben James nieder und warf ihr silberblondes Haar zurück. Sie schien äußerst gut gelaunt. „Es gibt wahrlich schlimmere Slytherins, als Higgs. Barrington und Griffith zum Beispiel.“ Bevor die Diskussion um den Schlimmsten aller Schlimmsten richtig Form annahm, quakte James dazwischen: „Vic, warum hast du Teddy auf dem Bahnsteig geküsst? Beim letzten Abendessen habt ihr nicht geknutscht!“ Sofort war das Haus Slytherin vergessen und Rose musste zugeben, dass sie das auch viel mehr interessierte. Sie grinste: „Sind Ted und du jetzt ein richtiges Paar?“ Roxanne verzog süffisant die Lippen: „Ja genau“, äffte sie mit kindlicher Stimme nach, „erzähl Vic, haltet ihr jetzt auch Händchen?“ Die frisch ernannte Schulsprecherin wurde tomatenrot und stammelte: „J-Ja... wir... mögen uns und... na ja...“ „Wie lange seit ihr denn schon zusammen?“, stichelte James neugierig. „Und ist knutschen nicht schrecklich eklig?“ Beide Potters verzogen synchron angewidert das Gesicht bei dem Gedanken ein Mädchen küssen zu müssen. Rose dagegen seufzte verträumt. „Einen Jungen, wie Ted, würde ich auch gerne küssen.“ Bei diesen Worten lachte Victoire amüsiert. „Gut zu wissen, Rosie. Aber ich bin sicher, du findest einen Ted in deinem Alter. Hat jemand Hunger? Maman hat mir Kürbiskuchen mitgegeben.“ Sofort war die Stimmung im Abteil wieder ausgelassen. Vergessen war jener Zwischenfall. Es wurde Zauberschach gespielt, indem Albus sie einer nach dem Anderen schlug. Fred erzählte von neuen Scherzartikeln, die Onkel George erfunden hatte und tauschte mit James Kotzpastete. Roxanne erzählte von dem schrecklichen Camp: „Wir mussten jeden Morgen um sieben Uhr aufstehen und so komische Spiele machen.“ - „Und selber kochen!“, empörte sich Fred noch dazu. Als sie zwei Wochen später nach Hause gekommen waren, hatten sie so gestunken, dass Tante Angelina sie eine halbe Stunde in der Wanne einweichen gelassen hatte. „Mum lässt uns jedenfalls nicht mehr so schnell mit dieser Jugendfreizeit fahren“, beendete Roxanne die Horrorgeschichte, über eine Tageswanderung, bei der sie in Strömenden Regen durch die Pampa gelaufen waren und von den ganzen Seltsamkeiten, was die Muggelspiele anging. Schnatzjagt und Leuteball, oder so ähnlich. Manchmal musste man sogar gegen einen Ball treten, damit der in einem Kasten landete und das war es dann. „Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich Quidditch vermisst habe!“ „Und ein eigenes Bett.“, pflichtete Fred bei, „Wir haben die ganze Zeit in Zelte gepennt, die wirklich nur so groß waren, wie sie aussahen.“ Fakt war, beide gingen lieber mit Grandpa Arthur campen, als noch einmal so etwas Idiotisches mitzumachen. Ehe Rose sich versah, zogen sie sich auch schon für Hogwarts an. Der Zug wurde langsamer und im Gang wurde es voll. Sie konnte die Wappen der vier Häuser als Abzeichen auf den Umhängen der Schüler erkennen und folgte den Anweisungen ihrer Cousine. Victoire hatte sie bereits wissen lassen, dass sie ihr am besten erst einmal folgte. Auf dem Bahnsteig war die Hölle los, nachdem der Zug gehalten hatte. Albus stolperte direkt hinter ihr her und James konnte es sich nicht verkneifen noch einmal sein 'Du-kommst-nach-Slytherin-Lied' zu singen. „Irgendwann gebe ich ihm eins auf die Nase, versprochen!“ „Lass dich nicht immer so ärgern“, sprach Rose und reichte Roxanne ihre Katze. Innerlich hoffte sie, ihre Cousine würde auf Dornröschen aufpassen. Dann hörte sie Hagrid rufen: „Erstklässler hierhin. Erstklässler zu mir!“ Es dauerte, bis sie den Halbriesen erreichten. Viele Erstklässler sahen ihn bereits mit großen Augen staunend an und Hagrid selbst begrüßte Albus und sie herzlich. „Na ihr zwei, schon aufgeregt?“ „Aber sehr!“, hauchte Rose und Albus nickte lediglich an ihrer Seite. Nachdem sich das Chaos etwas gelegt hatte und Hagrid sicher sein konnte, dass sämtliche Erstklässler zu ihm gefunden hatte, zog er mit ihnen los. An einem Steg ließ er sie in Boote steigen und kaum, dass Rose sich zusammen mit Albus und zwei weiteren Schülern hingesetzt hatte, konnte sie das beleuchtete Hogwarts sehen. Noch nie hatte sie so etwas Schönes vor sich gehabt. Ihre Augen glänzten und sie war unfähig irgendetwas zu sagen. Wie von selbst fuhren die Boote über den See. Es war so still, dass man lediglich das Rauschen des Windes hören konnte. Zu sehr schien der Anblick des Zauberschlosses die Erstklässler zu faszinieren. Der Weg von der anderen Seite des Sees bis hoch ins Schloss war weit und als sie endlich die steinigen Treppen empor huschten, war Rose erleichtert. Aufgeregt erkannte sie am Kopfende der Treppe Professor McGonagall. Obwohl Rose ihr ein Lächeln schenkte, sah Professor McGonagall sie weiterhin streng an. Albus murmelte: „Scheint so, als hätten ihr Mum's letzte Muffins nicht sonderlich geschmeckt.“ Unter ihrem ungehaltenen Blick kehrte Ruhe ein und Professor McGonagall sprach mit einer eleganten Würde: „Ich heiße Sie alle herzlich willkommen in Hogwarts. In wenigen Augenblicken werden Sie die große Halle betreten und vom sprechenden Hut in ihr zuständiges Haus einsortiert. Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff und Slytherin. Jedes einzelne Haus ist etwas Besonderes.“ „Von wegen ein Duell mit einer Todesfee!“, schimpfte leise hinter ihnen ein Junge und schien zugleich erleichtert zu sein. Mit halben Ohr hörte Rose der Professorin zu, wie sie von den Hauspunkten berichtete und dazu riet, dass sich jeder von seiner besten Seite zeigen sollte. Erst dann wandte sie sich um und die Schar an Schüler folgte ihr in die große Halle. Bei der plötzlichen Bewegung verlor sie Albus, aber auch das Gleichgewicht. Bevor sie jedoch die Treppe herunter stolpern konnte, hielt sie jemand fest und sie sah in das weiße Gesicht von Scorpius Malfoys. „Danke“, hauchte sie und er nickte: „Kein Problem. Tut mir übrigens leid, dass Tiberius so unfreundlich zu dir und deiner Familie war. Normalerweise ist er nicht so.“ Zusammen schritten sie Seite an Seite in die große Halle und Rose schenkte ihm ein Lächeln: „Roxanne ist normalerweise auch nicht so forsch, aber James ist leider tatsächlich so ein Troll.“ Scorpius erwiderte ihr Lächeln und gestand: „Mein Bruder ist ein bisschen wie er, nur noch viel gemeiner.“ Rose wusste nicht warum, aber die Anspannung wich aus ihrem Körper und sie fühlte sich nicht mehr ganz so alleine. Als sie den Blick nach vorne richtete, tat Scorpius es ihr gleich. Der junge Malfoy hatte kaum Zeit die verzauberte Decke zu betrachten. Es war, als würde er direkt in den Himmel schauen. Erst, als die Ersten stehen blieben, konnte er vorne, direkt vor dem Lehrertisch auf einem Hocker, den bekannten sprechenden Hut sehen. Professor McGonagall rollte eine lange Liste auf und sprach: „Wenn ich Sie aufrufe, kommen Sie bitte nach vorne, setzten sich den sprechenden Hut auf und warten darauf, Ihrem Haus zugeteilt zu werden.“ Erschrocken zuckte Scorpius zurück, als der Hut tatsächlich anfing zu sprechen, seine Stimme hallte an den Wänden wieder, denn er trällerte vergnügt: „Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw, Slytherin, die Auswahl ist groß. Reiche mir deinen Kopf und wir finden das perfekte Haus für dich.“ Kurz darauf folgte ein längeres Lied, doch statt sich auf den Inhalt zu konzentrieren, starrte Scorpius immer noch stumm den Hut an. Laut seiner Mutter hatte Granny Zissy ihn schon aufsetzten müssen und er fragte sich, wie alt der Hut tatsächlich war. „Ich weiß in Hogwarts am besten Bescheid und bin für jeden Schädel bereit. Setzt mich nur auf, ich sag euch genau wohin ihr gehört, denn ich bin schlau. Vielleicht seid ihr Gryffindors, sagt euer alter Hut, denn dort regieren wie man weiß, Tapferkeit und Mut. In Hufflepuff dagegen ist man gerecht und treu. Man hilft dem andern wo man kann und hat vor Arbeit keine Scheu. Bist du geschwind im Denken, gelehrsam auch und weise, dann machst du dich nach Ravenclaw, so wett ich, auf die Reise. In Slytherin weiß man noch List und Tücke zu verbinden, doch dafür wirst du hier noch echte Freunde finden. Nun los so setzt mich auf nur Mut. Habt nur Vertrauen zum sprechenden Hut!“ Während die Schüler nach dem Ende des Liedes laut klatschten, hörte Scorpius, wie jemand hinter ihm sprach: „Ich bin weder schlau, mutig, treu noch listig...“ Die Stimme des Jungen klang panisch, so als würde er befürchten wieder nach Hause geschickt zu werden. Sein mausbraunes Haar wirkte etwas zu kurz geschnitten und seine kindlichen blauen Augen sahen unruhig zum Hut. Scorpius drehte sich zu ihm um und bemerkte, dass er an den Saum seines Umhangs herum zerrte. „Das glaube ich nicht. Der sprechende Hut findet für jeden einen passenden Platz.“ Neben ihm nickte Rose zustimmend: „Und von meiner Mutter weiß ich, dass er dabei sehr gründlich vorgeht.“ Der fremde Junge schien ein wenig beruhigt und kurz darauf rief Professor McGonagall auch schon den ersten Namen auf. „Abber, Nicholas.“ Ein schlaksiger Junge trat vor, setzte sich auf den Hocker und kurz darauf verkündete der sprechende Hut mit fester Stimme: „Gryffindor!“ Der Tisch der Löwen brach in lauten Jubel aus. Nach der zweiten Einteilung wurde Scorpius bewusst, dass es durchaus im Bereich des Möglichen lag mit einem Hut zu diskutieren. Er schien zu wissen was er tat, aber wenn es etwas dauerte, konnte er am Gesicht des Schülers sehen, dass sie stumm miteinander redeten. „McLaggen, Eric.“ Scorpius wurde ungeduldig und spürte, dass seine Hände feucht wurden. Es fröstelte ihn und er hatte das dringende Bedürfnis sich zu übergeben. Dann hörte er seinen eigenen Namen und trat vor. Unsicher kletterte er auf den Stuhl. Die große Halle war ruhig, alle sahen ihn an und er fühlte sich schrecklicher denn je. Erst, als Professor McGonagall ihm den Hut aufsetzte, verschwand die Sicht vor seinen Augen. »Na hallo, ich hatte den nächsten Malfoy erst in zwanzig Jahren erwartet.« „Meine Schwester kommt in zwei Jahren noch“, flüsterte Scorpius der piepsigen Stimme zurück und rutschte ungeduldig auf den Stuhl hin und her. Er hörte ein Lachen, dann sprach der Hut: »Dann wollen wir einmal sehen, was in deinem Kopf so vor sich geht. Hoppla, jede Menge Wissensdurst und Intelligenz, bist ein helles Köpfchen. Aber da ist auch Mut, versteckt, aber er ist da, Gryffindor wäre sicherlich eine gute Wahl für dich.« Sofort versteifte sich Scorpius. „Nein, nein. Nicht Gryffindor, bitte. Slytherin wäre gut. Mein Bruder ist schon dort, außerdem kommen alle Malfoys nach Slytherin.“ Der Hut schwieg und Scorpius hörte sein Herz heftig klopfen. Wenn er nach Gryffindor kommen würde, dann könnte er nie wieder nach Hause. »Du bist kein Slytherin«, sprach der Hut schließlich bestimmt. »Nein, nein, da werde ich dich nicht hinschicken. Aber wenn du nicht willst, dann auch nicht nach Gryffindor. Hm...« Der Hut schien zu grübeln und Scorpius war unmerklich erleichtert. »Du hast recht, Gryffindor hat eindeutig schon genug große und kleine Helden hervorgebracht.« Sofort bekam Scorpius Angst und lauschte gebannt. »Versprich mir, dass du deinem Haus zu einer neuen Größe verhilfst, wenn ich dich als eine kleine Gefälligkeit nicht nach Gryffindor schicke.« „Alles“, versprach er, auch wenn er die Worte nicht verstand. Was meinte er damit, zur Größe helfen? Als hätte er seinen Gedanken laut ausgesprochen, kicherte der Hut. »Das wirst du noch früh genug verstehen, nun denn Scorpius Malfoy, ich bin gespannt auf dich.« »HUFFLEPUFF!« Es war totenstill in der großen Halle. Vorsichtig nahm Scorpius den Hut ab und starrte ihn an. Huffepuff? War das sein Ernst? Ratlos blickte er zu Professor McGonagall, doch auch sie schien nicht zu wissen, wie sie reagieren sollte. Stattdessen musterte sie ihn mit offenen Mund. Scorpius räusperte sich, schluckte und begriff erst langsam, was der sprechende Hut ihm angetan hatte. Alle Mafloys kamen nach Slytherin. Alle! Er wollte keine Ausnahme sein. Dann erinnerte er sich an die Worte des Hutes, als sie einen Deal gemacht hatten, von dem er erst jetzt die Tragweite registrierte. Ganz langsam schritt er zum Tisch der Dachse und dort begannen die ersten zu klatschen. Zögerlich, aber dann immer lauter. Der Knoten in seinem Magen drang bis zu seinem Hals hinauf und Scorpius fühlte sich, als würde er keine Luft mehr bekommen. Zittrig ließ er sich am Tisch nieder und fühlte sich schrecklich beobachtet, denn sämtliche Hufflepuffs sahen ihn regungslos an. Sein Blick glitt zum Tisch der Slytherin, dorthin, wo er eigentlich nun sitzen sollte. Im Gesicht seines Bruders konnte er nicht lesen und wandte sich schließlich ab. Was würden erst seine Eltern dazu sagen? Die Tatsache, dass Professor McGonagall eine weitere Schülerin aufrief und sich endlich die Aufmerksamkeit wieder verschob, erleichterte ihn sehr. Es folgte noch eine lange Liste an Namen. Potter, Albus wurde unter tosenden Applaus ein Gryffindor und Scorpius konnte beobachten, wie der Potter einem anderen Gryffindor überschwänglich eine Kopfnuss gab. Da beide eine gewisse Ähnlichkeit miteinander hatten, vermutete er, dass es sich um dessen Bruder handeln musste. Ein paar Schüler später trat Rose Weasley vor. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis der Hut sich zu entscheiden schien. Schließlich wurde aus ihr eine Ravenclaw und der Tisch mittig johlte laut auf. Ein Junge mit einer übergroßen Brille und ein Mädchen mit leuchtenden roten Haaren – bestimmt ebenfalls eine Weasley begrüßten sie herzlich. Sofort fühlte Scorpius sich wieder einsam und er suchte nach seinem Cousin Tiberius, doch von seinem Platz aus konnte er ihn nicht entdecken. „Lass sie doch endlich eine Rede halten“, murmelte der Junge ihm gegenüber und Scorpius wurde bewusst, dass er ihn bereits im Zug gesehen hatte, zusammen mit Rose im Abteil. „Wenn sie noch länger braucht, dann sterbe ich vor Hunger.“ Als hätte Professor McGonagall seine Gedanken gelesen, entließ sie mitsamt den Hut das letzte Kind Richtung Slytherin und klatschte freudig in die Hände. Prompt erschien auf den Tisch der Häuser ein Festessen. Mit ungläubigen Augen und offenen Mund starrte Scorpius am Tisch entlang. Sämtliche Dachse griffen beherzt zu, doch er war immer noch zu fasziniert. „Wow!“, sprach jemand neben ihm und erst da begriff Scorpius, das jener Junge neben ihm saß, der so viel Angst vor der Hutauswahl gehabt hatte. „Ist ja Wahnsinn und das ist alles magisch erschienen?“ Er griff zu den Kartoffeln und häufte sich eine ordentliche Portion auf. „Du auch? Ach, bevor ich es verschwitzte, ich bin Quinn Hayes.“ Er grinste breit. Irritiert, aber auch erleichtert nahm Scorpius die Hand an und stellte sich vor, dann griff er ebenfalls zu und spürte zum ersten Mal, was für einen Hunger er eigentlich hatte. „Man, wie lecker!“ Quinn schmatzte laut neben ihm und Scorpius konnte nicht anders, er vergaß seine Tischmanieren etwas. „Hey, ihr müsst noch Platz für den Nachtisch lassen“, wies sie der Junge ihnen gegenüber darauf hin, als sie sich zum dritten Mal Nachschlag nehmen wollten. Nachdem sie sich immer wieder schmatzend gegenseitig versichert hatten, dass sie alle noch nie besseren Schokoladenpudding gegessen hatten, wusste Scorpius, dass er einem Weasley gegenüber saß. Fred war bereits im zweiten Schuljahr und schien ein aufgeschlossener Geselle zu sein. Er machte Witze und sorgte immer wieder dafür, dass Holundersaft aus Quinn's Nase schoss, wenn er trank. Noch nie hatte Scorpius so viel bei einem Abendessen gelacht. Sein Bauch tat hinterher nicht nur vom Essen weh, sondern auch vom Lachen. Und als Professor McGonagall in ihrer Abschlussrede darauf hinwies nicht den verbotenen Wald zu betreten, bekam er davon nicht mehr besonders viel mit, denn er war zu beschäftigt damit nicht an seinem Kürbissaft zu ersticken, nachdem Fred einen Witz über einen Troll, einen Hauselfen und einer Todesfee erzählte, die zusammen eine Kneipe aufsuchten. Wenn er zu Hause solche Manieren bewiesen hätte, hätte er sicherlich eine gesamte Woche Hausarrest bekommen. Am Ende stimmte ganz Hogwarts noch ein Lied an, jeder sang, wie es ihm gefiel und dabei entstand ein großes Durcheinander. „Die Vertrauensschüler begleiten euch zu den Gemeinschaftsräumen“, erklärte Fred, als sämtliche Erstklässler sich hinter einem Jungen einordnen sollten, der eine so lange Nase hatte, dass er sie als Wäscheleine hätte benutzen können. Es war, als würden sie dasselbe denken, kicherten Quinn und Scorpius hinter vorgehaltener Hand. Zusammen reihten sie sich hinter der Langnase ein und hörten, wie er sich mit einem anderen Mädchen stritt, das ebenfalls ein großes 'V' auf der Brust hatte. Als sie ihren Streit beiseite legten, wurden sie harsch aufgefordert ihnen zu folgen. „Von wegen Hufflepuffs sind freundlich und ausgeglichen. Der fette Mönch hat uns Unsinn erzählt“, flüsterte Quinn, kurz darauf sagte jedoch keiner von ihnen mehr etwas. Sie waren zu fasziniert davon Hogwarts zu erkunden. Die Treppen schienen ein Eigenleben zu führen, die Porträtbewohner musterten sie neugierig und einmal mussten sie anhalten, weil drei Erstklässler nicht schnell genug die Treppe empor kamen und sich auf der anderen Seite des Stockwerkes befanden. Scorpius wäre beinahe in einer Tricktreppe stecken geblieben, wenn Quinn ihn nicht herausgezogen hätte. Dann trappten sie die Treppen wieder runter und am Ende hatte Scorpius das Gefühl unter der Erde zu sein. Der Zugang zum Gemeinschaftsraum befand sich im selben Korridor, wie der zur Schulküche. Scorpius konnte die Hauselfen spülen und arbeiten hören. Die Gruppe schritt am Stilleben vorbei und blieb vor einer Wand hohen Lagerung von großen Fässern stehen. Dort klopfte Langnase in einem bestimmten Rhythmus gegen das zweite Fass von unten in der Mitte des Stabes. „Merkt euch den Rhythmus und das Fass gut! Wenn ihr im falschen Takt klopft, dann werdet ihr mit Essig aus einem Fass übergossen.“ Das richtige Fass gab eine Tür frei, Langnase bückte sich und alle folgten ihm brav wie Schäfchen. Als Scorpius den kleinen Gang ein Stück nach oben trat, erreichte er einen gemütlich eingerichteten Raum, mit gelben Wandbehängen und dicken, komfortablen Sesseln. Der Kaminsims wurde geschmückt mit geschnitzten Dachsen. Oben drüber hing ein Porträt von Helga Hufflepuff, dass sie mit ihrem Trinkpokal zeigte. Die Fenster waren klein und rund, doch trotzdem strahlte der Gemeinschaftsraum eine angenehme Wärme aus. „Die Schlafsäle der Mädchen liegen auf der linken Seite, die der Jungen auf der rechten Seite“, sprach die Langnase arrogant und Quinn rollte mit den Augen. Nachdem sie sich ausreichend umgesehen hatten, huschten sie drei Stufen durch eine runde Tür. Am Ende des schmalen Ganges waren mehrere ebenfalls runde Türen zu sehen. Quinn und Scorpius schoben sich ins letzte Zimmer und erkannten einen leeren Schlafsaal. Drei breite Betten empfing sie. Auch hier waren die Fenster rund und Scorpius erkannte drei dunkle Schreibtische, die direkt an den Nachtkonsolen grenzten. Sein Koffer stand bereits im Zimmer und Scorpius ließ sich erschöpft auf sein Bett fallen. Der Schock in seinen Knochen nicht nach Slytherin gekommen zu sein, hatte sich mittlerweile etwas gelegt. „Man, bin ich vollgefressen“, murmelte Quinn rechts von ihm. Scorpius musste sich zwingen aufzusehen, als die Tür zu ihren Schlafsaal noch einmal auf glitt und ein Junge mit schwarzen Haaren, die ihm immer wieder in die Augen fielen, eintrat. Anders als Quinn, dessen Gesicht Freundlichkeit ausstrahlte, sah der neue Junge Scorpius finster an. Ohne ein Wort zu sagen, steuerte der Junge sein Bett an. Eine Katze mit drei Beinen folgte ihm. Stumm betrachteten Scorpius und Quinn ihn, bis Letzter seine Beine aus dem Bett schwang und sprach: „Und du bist wer?“ Beide erwarteten sie keine Antwort, doch zu ihrer Überraschung konnte der Neue durchaus sprechen: „Nathaniel Steel.“ „Ahoi, ich bin Qinn.“ „Und ich-!“, begann Scorpius, doch Nathaniel unterbrach ihn: „Ich weiß wer du bist, Malfoy. Todessernachkommen. Das sagt doch alles.“ Der Magen von Scorpius zog sich brutal zusammen. Er presste die Lippen aufeinander und zwang sich nicht komplett einzuknicken. Verwirrt sah Quinn zwischen ihnen hin und her: „Was ist ein Todesser?“ „Muggelstämmig?“, wollte Nathaniel forsch wissen und als Quinn nickte, lachte er verächtlich. Erst als er das Zimmer wieder verließ, fühlte Scorpius sich wieder besser. Trotzdem blieb ein bitterer Nachgeschmack und er spürte, dass Quinn ihn misstrauisch anblickte. „I-Ich will noch einmal in den Gemeinschaftsraum, kommst du mit?“, wollte Quinn wissen und Scorpius verneinte. Erst, als sein neuer Mitbewohner den Raum verlassen hatte, nahm er sich die Zeit, tief durchzuatmen. Noch nie hatte er solch einen schlimmen Tag hinter sich gebracht. Beim Abendessen hatte er sich noch sehr wohl gefühlt und sich davon täuschen lassen, was er eigentlich längst wusste. Nämlich, dass er in Hogwarts kaum ein zweites zu Hause finden würde. Scorpius war nicht blauäugig in den Zug gestiegen, er wusste was die Leute redeten. Schon früh hatte er sich bei Flourish & Blotts verbergen können, wenn die Frauen seine Mutter an der Kasse sahen und über sie tuschelten. Und seit er an jenem späten Nachmittag unerlaubt in das Arbeitszimmer seines Vaters getreten war, wusste er, warum seine Familie nur selten aus ging und nur einen kleinen Kreis an Bekannte und Freunde pflegte. Etwas klopfte gegen eines der kleinen, runden Fenster und Scorpius stand auf. Erfreut sah er, dass Sir Lancelot, seine Eule, noch den Weg zu ihm gefunden hatte. Er öffnete das Fenster und der kleine Kauz ließ sich auf seinem Arm nieder. Der Kloß wurde kleiner und Scorpius setzte sich mit ihm zusammen auf seinen, noch leeren, Schreibtisch und streichelte ihn sanft. Schließlich setzte er sich richtig hin und griff zu einem Blatt Papier und tunkte die Feder in Tinte. Sir Lancelot saß derweil auf seiner Schulter, fast so, als würde er jedes Wort mitlesen, dass er schrieb. Je eher er seinen Eltern schrieb, desto eher brach die Familien-Schande über ihn herein und er hätte es hinter sich. Gleichzeitig wünschte sich Scorpius jedoch, als er den Brief an Sir Lancelots Bein band, dass er niemals ankommen würde. tbc. Kapitel 3: Klatscht Beifall, die Komödie ist zu Ende. ----------------------------------------------------- „Morgen.“ Überrascht sah Scorpius von seinem Frühstück auf. Seit einer Woche besuchte er nun schon Hogwarts und mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt, dass sein komplettes Haus so tat, als wäre er unsichtbar. Quinn sprach nur noch wenig mit ihm, während Nathaniel ihn vollständig ignorierte. Es gab genau zwei Leute, die ihn nicht mieden. Fred und Rose Weasley. Erster hatte ihn zu den Auswahlspielen von Hufflepuff mitgenommen und halb Hogwarts gezeigt. Er schien tatsächlich Spaß daran zu haben, ihm zu erklären, wo sich welcher Geheimgang befand, den er bislang schon gefunden hatte und ihn darauf hinzuweisen, wo er sich besser zu seinem eigenen Wohl nicht aufhielt. Rose Weasley dagegen schien ihn ständig irgendwo abzupassen. Sie setzte sich in der Bücherei einfach neben ihm und auch in dieselbe Bankreihe, wenn sie zusammen Kräuterkunde, Verwandlung und Zauberkunst hatten. Nicht das Scorpius etwas dagegen hatte, aber er sah die Blicke der anderen und machte sich Sorgen darüber, was sie über Rose denken könnten. Jetzt sah er in ihr gut gelauntes Gesicht. Ohne Hemmungen zu haben, ließ sie sich am Hufflepuff-Tisch nieder und häufte sich Rührei auf den Teller. Scorpius beschloss, das er lange genug geschwiegen hatte und packte die Dinge aus, die ihn beschäftigten: „Hör mal, Rose. Du weißt schon, dass du eine Ravenclaw bist, ja?“ „Und eine Weasley, natürlich weiß ich das“, sprach Rose fröhlich und goss sich Milch in den Becher. Scorpius sah sie stumm an und sie tat, als würde sie seinen ermahnenden Blick nicht bemerken. Als er jedoch sein Essen nicht mehr anrührte, gab Rose auf. „Na schön. Ja, ich habe auch gemerkt, dass uns einige nicht ganz zurechnungsfähige Leute beobachten und ja, als ich meinen Eltern nach Hause geschrieben habe, dass ich mich mit dir angefreundet habe, war die Reaktion nicht gerade kuschelig.“ Scorpis wusste nicht, was ihn mehr überraschte. Die Tatsache, dass sie ihn als Freund betrachtete, oder das sie dies ihren Eltern geschrieben hatte. „Mein Vater hält alle Malfoy für arrogante Frettchen“, erzählte Rose unbekümmert. „Aber du kriegst im Unterricht kaum drei Wörter hinter einander gepackt ohne zu stottern und mal ehrlich, du hast so viel Arroganz in dir, wie ein Minimuff.“ „Herzlichen Dank auch“, sprach Scorpius trocken, konnte sich aber ein Zucken des Mundwinkels nicht verkneifen. Kurz bevor er jedoch in sein Brot biss, gestand er: „Und du hast so viel Aufmerksamkeitsdrang in dir, wie ein schlafender Wichtel.“ Rose blies die Backen empört auf, doch bevor sie los schimpfen konnte, sprang Dornröschen auf die Bank und umschnurrte Scorpius. Mittlerweile hatte sich der Malfoy an diese hässliche Katze gewöhnt und Rose merkte verächtlich an: „Ja, du untreues Katzenvieh, umgarne deinen neuen Liebhaber und lass dich bei mir nur noch blicken, wenn du auf meinem Kissen nächtigen willst.“ Scorpius streichelte Dornröschen routiniert und rollte mit den Augen. „Kein Grund eifersüchtig zu werden, Rose.“ Sie bewarf ihn schließlich mit einen Stück Brot, dann kicherten sie wie zwei alberne Kinder, wohl wissend, dass sie genau dies waren. Scorpius sah dann zum Slytherin-Tisch und entdeckte seinen Bruder, der bislang kaum mit ihm geredet hatte. Als er ihm einen Brief von zu Hause gereicht hatte, war seine Antwort ein stummes Nicken gewesen. Dann hatte er sich abgewandt. Das einzige, was Scorpius froh gestimmt hatte, war das Schreiben seiner Mutter gewesen, indem sie versicherte, dass sein Vater den Stammbaum der Malfoys noch nicht in die Luft gejagt hatte und Grandpa Lucius noch unter den Lebenden weilte. Der Sarkasmus war ihm nicht verborgen geblieben und ohne Bauchschmerzen hielt Scorpius sich an dem Versprechen Lucrezia einmal in der Woche einen Brief zu schreiben. Besonders glücklich schien Sir Lancelot nicht darüber zu sein, dass er ständig Routen zum Malfoy-Manor und zurück nach Hogwarts fliegen durfte. „Du solltest aufhören deinem blöden Bruder hinterher zu heulen. Von James habe ich gehört, dass er ein echtes Ekelpaket ist“, riss Rose ihn aus seinen Gedanken und Scorpius rollte mit den Augen: „Du hast gestern auch erst behauptet, dass James solch einer wäre. Langsam verlierst du an Glaubwürdigkeit.“ Die Potterbrüder traf man meistens nur dann an, wenn sie sich stritten und nach allem, was Scorpius beobachten konnte, taten sie das eigentlich ständig. Auch Fred sprach von seiner Schwester Roxanne nur in einem genervten Tonfall. Rose biss gerade von ihrer Stulle, als sie bemerkte: „Mist, es ist schon spät, wir müssen uns beeilen, wenn wir pünktlich zu Verwandlung kommen wollen.“ Hastig packte Scorpius seine Tasche und Sekunden später rannten Rose und er die verzauberten Treppen empor. Die Porträtbewohner plauschten uninteressiert miteinander. Unter viel Seitenstechen zog er sich in den zweiten Stock und sprang über eine fehlende Stufe, dann sah er, dass Rose vor ihm verschwand und er streckte gerade rechtzeitig den Arm aus, um sie am Kragen zu packen. Sie steckte in eine Trickstufe und ihr Unterkörper fehlte ab der Hüfte. „Verdammt!“, fluchte sie und Scorpius ergriff sie unter den Armen, um sie herauszuziehen, doch Rose steckte so fest, wie sie nur feststecken konnte. Und dann bewegte sich zu allen Überfluss auch noch die Treppe und änderte so ihre Richtung. Egal wie sehr sich Scorpius auch anstrengte, er schaffte es nicht seine neue Freundin zu befreien. Zu seinem Zauberstab griff er lieber nicht, schließlich hatte er erst in der letzten Zauberkunststunde dafür gesorgt, dass seine Feder sich schwarz färbte, anstatt das sie zu schweben begann. „Ich kriege dich nicht raus!“, ätzte Scorpius unter der Anstrengung und er bemerkte, dass Rose langsam panisch wurde. Krampfhaft hielt sie seinen Ärmel fest und sah ihn flehentlich an. Gerade, als er ihr vorschlagen wollte, Hilfe zu holen, sprach eine Stimme: „Zum Henker, was tut ihr da? Der Unterricht hat schon angefangen.“ Scorpius drehte sich um und erkannte Albus Potter. Als er seinen Blick begegnete, verfinsterte sich die Miene des Gryffindors. Das dunkle Haar wirkte zerzaust, die Krawatte lediglich zu einem simplen Knoten in der Mitte gebunden und das Hemd hing halb aus der Hose. Es sah ganz danach aus, als hätte er verschlafen. „Al!“, keuchte Rose. „Ich stecke fest.“ Potter sah von seiner Cousine, die sich immer noch an Scorpius klammerte, zu der Trickstufe, dann legte er seine Tasche beiseite: „Vielleicht kriegen wir dich da raus, wenn wir zusammen ziehen.“ Mit vereinter Kraft gelang es ihnen tatsächlich Rose zu befreien. Scorpius lief der Schweiß über die Stirn und Rose rieb sich schmerzhaft die Hüfte. Noch bevor Scorpius sich den Luxus herausnehmen konnte und tief Luft holte, griff Rose auch schon nach seinem Arm und zog ihn mit sich. Diese ganze Herumrennerei trieb Scorpius geradewegs in die Atemnot. Seine Wangen leuchteten wie zwei Bratäpfel und das hellblonde Haar klebte wirr auf seinem Kopf. Als sie zu dritt in den Klassenraum für Verwandlung stürzten, brüteten sämtliche Mitschüler über einen Aufsatz. Hastig sah Rose sich um, doch sie konnte keine Spur von Professor McGonagall entdecken. Lediglich eine gestreifte Katze saß auf ihren Pult und musterte sie. „Was meinst du, was die alte McGonagall uns erzählt, wenn wir uns verspäten“, murrte Albus Richtung Rose, da Scorpius fachmännisch damit beschäftigt war, nicht zu ersticken. Keuchend hielt er sich die Hüfte, ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Gerade, als Albus noch etwas sagen wollte, verwandelte sich die getiegerte Katze und mit offenen Mund starrten alle drei Erstklässler auf ihre Schuldirektorin. Unter ihrem strengen Blick wurden sie direkt kleiner. „Entschuldigen Sie, Professor“, sprach Rose bekümmert. „Ich bin in eine Trickstufe gerutscht. Al und Scorpius haben mir geholfen und sind durch mich aufgehalten worden.“ Die kleine Lüge am Rande entlockte der Professorin lediglich eine gehobene Augenbraue. Noch einmal sah Professor McGonagall über sie hinweg und merkte an: „Sind Sie sicher, dass nicht Mr Malfoy in der Stufe saß? Er sieht für mich so aus, als würde er jeden Moment mit Abwesenheit, aufgrund von Luftmangel, glänzen.“ Hektisch bemerkte Rose erst jetzt, dass sie ihn erbarmungslos mit sich gezogen hatte und half ihn fürsorglich in der letzten Reihe auf seinen Platz. Wie es sich für eine klischeehafte Leseratte gehörte, war er nicht nur unsportlich, sondern hatte auch noch eine sehr schlechte Kondition. Bevor sich Albus neben Jane Nolan setzte, sprach er: „Professor, sind Sie ein Animagus?“ „Natürlich“, erwiderte Professor McGonagall, als sie sich wieder der Tafel zu wandte. „Was glauben Sie denn, was es sonst war, eine optische Täuschung?“ Statt dies als Tadel aufzufassen, entwich ihm lediglich ein: „Ist ja abgefahren!“ Damit zauberte Albus nicht nur ein zartes, beinahe angedeutetes Lächeln auf die Lippen der alten Lehrerin, sondern heimste sich die ersten Sympathiepunkte ein, die sie zu vergeben hatte. Verwandlung war ein Fach, dass Scorpius sehr mochte. Es war entspannend, nicht ganz so anspruchsvoll, wie er Zauberkunst fand. Nach der ersten Stunde wurde Scorpius den Verdacht nicht los, dass Professor Callahan ihn nicht mochte. Der buckelige Zauberer mit der langen Hakennase hatte ihn immer wieder Fragen überfallen, auf die er keine Antwort hatte. Woher auch, es war schließlich seine erste Zauberkunst-Stunde gewesen. Alle anderen Fächer gefielen ihm. Besonders Zaubertränke bei Professor Slughorn und Kräuterkunde bei Professor Longbottom machte ihm sehr viel Freude und Scorpius konnte kaum die nächste Stunde abwarten. Einen Trank zu brauen, den wunderbaren Geruch einzuatmen, hatte für ihn etwas entspannendes. Professor Longbottom jedoch, konnte so spannend und begeisternd erzählen, dass Scorpius ihm nahezu an den Lippen hing. Geduldig und ohne Hektik machte Scorpius sich Notizen und konnte den Drang seiner Banknachbarin, sich den Arm auszureißen, nicht nachvollziehen. Rose schien es wichtig zu sein, möglichst viel aufzufallen und ihr Wissen zu teilen. Und erneut schoss ihr Arm in die Höhe und verfehlte Scorpius knapp an der Wange. „Mann, Rose, pass auf, sonst stichst du jemanden noch ein Auge aus“, flüsterte er ungehalten, doch die Weasley ließ sich davon nicht abhalten. Nach dem Ende der Stunde trennten sich leider ihre Wege. Während er zur Verteidigungsstunde aufbrach, zischte Rose zu Pflege magischer Geschöpfte von Professor Hagrid. Scorpius Laune hob sich und obwohl er in der vorletzten Reihe alleine an einem Doppelpult saß, lauschte er Professor Finnigan mit großer Aufmerksamkeit. Professor Finnigan erzählte mit solch einer Lebendigkeit, das er überhaupt nicht bemerkte, wie schnell die Zeit verging. Mit vielen dramatischen Gesten und einem scherzenden Unterton in der Stimme erzählte er von Hinkepank, ein einbeiniges Wesen, das immer eine Laterne bei sich hat. „Der Hinkepank scheint auf den ersten Blick aus Rauschwaden zu bestehen, aber lasst euch nicht täuschen.“, drohend hob Professor Finnigan den Zeigefinger und schritt durch die Reihen. „Er ist keineswegs so schwächlich und harmlos. Überwiegend sind Hinkepanks in der Nähe von Sümpfen und dem Moor zu finden. Ihre Lieblingsbeschäftigung ist es verirrte Wanderer zu täuschen, sodass der arme Irre glaubt, wenn sie mit ihrer Laterne leuchten, dass sich dort festes Land befinden würde.“ Seine Stimme wurde dunkler und er erzeugte eine ungemeine Spannung. „Ständig ändern sie ihre Richtung und sorgen so dafür, dass der Wanderer komplett die Orientierung verliert und einsam im Moor stecken bleibt und grausam stirbt.“ Hinter Professor Finnigan sprang der Bücherschrank auf und sämtliche Hufflepuffs und Gryffindors kreischten laut auf. Selbst Albus Potter, der genau zwei Reihen vor Scorpius saß und bislang teilnahmslos Löcher in die Luft gestarrt hatte, zuckte zusammen. Lachend schritt Professor Finnigan zurück zu seinem Pult, schwang den Zauberstab und die Kreide kratze über die Tafel. „Nun denn, meine ach so mutigen Schüler, ich möchte, dass ihr euch Notizen macht. In der nächsten Stunde werden wir uns Werwölfe, die Sabberhexen und Dementoren genauer ansehen.“ Obwohl Professor Finnigan sie aufgefordert hatte, von der Tafel abzuschreiben, sprach er munter weiter. Schwungvoll setzte sich auf sein Pult und sah gespannt in die Runde. Es schien, als wollte er testen, ob sie an zwei Dinge gleichzeitig denken konnten. Scorpius hörte prompt auf, weiter zu schreiben, sondern achtete auf seinen Lehrer. Spielend ließ dieser den Zauberstab durch seine Finger gleiten und sah vergnügt auf seine Schüler herab. „Wir haben noch fünfzehn Minuten. Ich gebe euch die Möglichkeit euch ein paar Hauspunkte dazu zu verdienen.“ Sofort hatte er die Aufmerksamkeit sämtlicher Huffelpuffs und Gryffindors. Mit großen leuchtenden Augen sahen sie ihn an und Professor Finnigan wippte belustigt mit den Beinen. „Für jedes beschriebenes Wesen gibt es zehn Punkte. Nun denn, kann mir jemand sagen, was ein Occamy ist?“ Scorpius schluckte und sah sich gespannt in der Klasse um, doch niemand meldete sich, stattdessen waren die Gesichter ratlos. Einige strichen sich durch die Haare, andere stöhnte frustriert vor sich hin. Gespannt blickte Professor Finnigan von einem zu anderen und ganz langsam schlich sich Enttäuschung zu seiner Vorfreude. Scorpius' Herz schlug bis zum Hals und seine Hand zitterte leicht, als er sich tatsächlich meldete. Der Blick seines Lehrers traf ihn und schließlich nickte er: „Ja, Scorpius? Bist du sicher, dass du uns sagen kannst, was ein Occamy ist?“ Scorpius befeuchtete noch einmal seine Lippen, denn er spürte plötzlich sämtliche Augen auf sich. „E-Ein Occamy ist ein Zwischenwesen aus einem... großen V-Vogel und einer S-Schlange.“ Professor Finnigan hört sofort auf, mit seinem Zauberstab zu spielen und neigte leicht den Kopf. „Erläutere dies bitte näher.“ „S-Sein Körper ist etwa fünf Meter lang und sieht schlangenartig aus, aber er ist auch gefiedert und steht auf zwei Beinen. E-Ein Occamy ernährt sich von Ratten, Vögeln und m-manchmal auch... von Affenjungen.“ Professor Finnigan nickte und sprach: „Richtig. Occamys sind sehr angrifflustig. Sie verteidigen ihr Eiergelege sehr arrgressiv gegen sämtliche Lebenswesen.“ Er schwang seinen Zauberstab und ein Bild von einem Occamy erschien in der Luft. Ein Raunen ging durch die Schulreihen. „Dies ist durchaus begründet, denn Occamy-Eier haben eine Schale aus reinem, besonders geschmeidigem Silber, die sicherlich Nesträuber anzieht.“ Das Bild verschwand wieder. „Und jetzt nehmen wir zehn Punkte für Hufflepuff.“ Scorpius wurde rot und wollte verlegen auf seine Notizen schauen und dabei begegnete er den Blick von Quinn, der ihm scheu zulächelte. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, doch die zehn Punkte machten ihn durchaus stolz. Immerhin waren dies die ersten, die er für sein Haus holte. Erleichtert griff er zu seiner Feder und wollte weiter von der Tafel abschreiben, schließlich war es reiner Zufall, dass er das erste Wesen gekannt hatte. Eher nebensächlich lauschte er der Stimme seines Lehrers. „Kommen wir zum nächsten Wesen, wer kennt Abraxaner?“ Ruckartig sah Scorpius auf und grinste breit. Als er das erste Mal in dem Buch von Newt Scamander geblättert hatte, war das Werk 'Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind' direkt zu seinem Liebsten geworden. Dabei war er über die Abraxaner gestolpert und hatte es witzig gefunden, dass ihr Name den von seinem Bruder so ähnelte. Gespannt sah er durch die Klasse und runzelte die Stirn. Erst nach einer Weile meldete sich Reeva Mitford, eine unscheinbare gebrechlich wirkende Gryffindor. Allerdings verwechselte sie die Abraxaner mit den Aethons. Scorpius fühlte sich verpflichtet erneut die Hand zu heben, weil Professor Finnigan immer noch sehr erwartend und abwartend in die Runde sah, dass er sich schlecht fühlen würde, wenn er weiter schwieg. „Scorpius?“ „A-Abraxaner sind eine Rasse geflügelter Pferde. Sie sind ungeheuer kräftig und können so groß wie ein Elefant werden. E-Eigentlich haben sie immer ein goldenes Fell mit einer silberner oder weißer Mähne.“ Begeistert zauberte Professor Finnigan erneut ein Bild, dabei rutschte er von seinem Pult und schritt durch die Bankreihen. „Exakt. Abraxaner ziehen im übrigen die bekannte Kutsche von Beauxbatons und unsere Nachbarschule ist euch doch hoffentlich bekannt, oder?“ Er zwinkerte und sofort lachte die Klasse. Das Hologramm des Abraxaners begann wie ein Patronus durch den Klassenraum zu springen, einige der Schüler kreischten und eine Reihe vor Scorpius kicherten zwei Mädchen. Scorpius folgte dem Tier mit seinem Blick und hörte die Frage seines Lehrers, als würde sie von weit weg kommen. Zu sehr faszinierte ihn das magische Hologramm. „Weiß jemand, was die Abraxaner der Beauxbatons-Kutsche gerne trinken?“ „Single Malt Whiskey“, entwich es Scorpius prompt und recht laut. Alle sahen ihn fragend an, dann lachte Professor Finnigan laut auf. „Das ist richtig!“ Amüsiert drehte er sich um und verkündete: „Und erneut zehn Punkte für Hufflepuff. Scorpius, bist du bereit dir auch die letzten Zehn zu hohlen?“ Unangenehm berührt von so viel Aufmerksamkeit, weil sich nun sämtliche Mitschüler auf ihren Stühlen drehten, liefen seine Wangen rot an. Er schluckte zum wiederholten Mal und nickte stumm. Währenddessen rieb sich Professor Finnigan nachdenklich das Kinn, dann sprach er: „Nun zur 30-Punkte-Frage, was sind Chimäras?“ Kurz blieb ihm die Luft weg und er schwieg. Sein Kopf war wie leer gezaubert, doch dann sah Scorpius das Bild vor sich und auf seine Lippen schlich sich ein sanftes Lächeln und er stotterte: „Chimäras sind feuerspeiende Mischwesen mit dem Körper einer Ziege, dem Kopf eines Löwen und einem Drachenschwanz. Alte Sagen behaupten, sie kämen aus Griechenland. Sie sollen blutrünstige Wesen sein und konnten alles töten und verschlingen.“ Es knallte und ein buntes Feuerwerk explodierte über den Köpfen der Schüler hinweg. „Das ist ebenfalls richtig“, trompetete Professor Finnigan heiter und ließ ein übergroßes Hologramm durch die Klasse sausen. Das gewaltige Wesen erschreckte sämtliche Erstklässler und auch Scorpius rutschte fast von seinem Stuhl. Professor Finnigan schwang sich leichtfertig auf die freie Seite des Tisches und Scorpius sah zu ihm auf, als er zu sprechen begann. „Gruselig, nicht wahr? Einzig dem Helden Bellerphontes gelang es schließlich, eine schreckliche Chimära zu besiegen. Allerdings kam er tragischerweise nach seinem erfolgreichen Kampf selbst vor Erschöpfung zu Tode. Ebenso wie Drachen vermehren sie sich durch Eier. Wie die Eier anderer hochgefährlicher magischer Wesen gehören Chimära-Eier heutzutage in der magischen Welt zu den Gütern der Handelsklasse A, mit denen jeglicher Handel strengstens untersagt ist.“ Es klingelte und in Form eines Feuerwerkes ließ Professor Finnigan das Hologramm verschwinden. Hastig begannen alle ihre Sachen für das Mittagessen einzupacken und er rief über ihre Köpfe hinweg: „Vergesst nicht die Hausaufgaben und lasst es euch nicht nehmen die Wesen für die nächsten Stunde schon einmal nachzuschlagen, denn wer weiß, ob ich euch nicht heimtückisch von einer Sabberhexe anfallen lasse!“ Er lachte laut und einige Schüler rauschten panisch aus dem Klassenraum. Scorpius steckte gerade seine Unterlagen ein und lächelte, dies bemerkte sein Lehrer und sprach, als das Klassenzimmer fast leer war: „Du weiß genau was eine Sabberhexe ist, nicht wahr?“ Wie so oft, nickte er stumm, dann wollte sein Lehrer wissen: „Hast du das Buch von Newt Scamander gelesen?“ - „Ja, 'Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind'. Es war außerdem nicht schwer, sich die Abraxaner zu merken.“ Professor Finnigan lachte: „Weil dein Bruder Abraxas heißt, ja, das ist eine hübsche Eselsbrücke. Gib' dir weiter so viel mühe, Scorpius und ich bin sicher, du wirst für Hufflepuff in Verteidigung gegen die dunklen Künste noch viele Hauspunkte holen.“ Zum erste Mal an diesem Tag strahlte er und erneut schlich eine Röte in seinem Gesicht empor. Er sah sicherlich aus, wie eine reife Kirsche, doch trotzdem konnte in diesem Moment nichts seine Laune trüben. Scorpius bekam selten lobende Worte zu hören, sowohl zu Hause, als auch in Hogwarts. „Danke, Professor.“ Gut gelaunt wollte er nach draußen huschen, dann hörte er: „Ach ja, fast hätte ich es vergessen, das macht natürlich fünfzehn Punkte für Hufflepuff.“ Scorpius strahlte und fühlte sich in diesem Moment, als würde er auf einer Straße von Wolken gehen. Im Korridor konnte er sein breites Grinsen immer noch nicht ablegen und stieß dabei mit einen älteren Jungen zusammen. Prompt rutschten ihm zwei Bücher aus der übervollen Tasche. Im Flur lärmten sämtliche Schüler und es hätte ihn nicht überrascht, wenn der Ältere einfach weiter gegangen wäre. Stattdessen bückte er sich und reichte Scorpius die beiden Bücher für Verwandlung, die Professor McGonagall als wichtig empfand. „Entschuldige“, sprach der Junge trocken und Scorpius sah auf nussbraune Haare, ebenfalls braune Augen und entdeckte auf seiner Brust das Abzeichen von Ravenclaw. Lorcan Scamander blickte in ein erschrockenes, aber auch überraschtes Gesicht. Der kleine Hufflepuff nahm hastig seine Bücher entgegen und verschwand so schnell er konnte in der Masse. Verwirrt konnte Lorcan nicht anders, als ihm hinterher zu sehen. Weshalb wirkte er so verängstigt? Fast so, als würde er erwarten, dass er sich mit den fremden Büchern auf und davon machen würde. Noch bevor er einen weiteren Gedanken fassen konnten, wurde er von hinten angesprungen. Zwei Arme schlangen sich um seinen Hals, dann zerzauste jemand ihm heftig die Haare. Nach dem wer musste Lorcan nicht fragen. Er kannte nur einen einzigen Menschen, der ihn so brutal anfiel, dass er zwei Schritte vor stolperte. „Na, Lori, was schaust du den kleinen Malfoy so verträumt hinterher, du willst mir gedanklich doch nicht etwa fremdgehen?“ Lorcan verdrehte die Augen und sah in das strahlende Gesicht seines Bruders. Lysander war, anders als er, in Slytherin gelandet. Etwas, was niemand so richtig verstand, außer vielleicht Lorcan. Nicht, dass sein Bruder listig war, nein, dafür war er allerdings ein sehr stolzer Mensch, der niemals um eine Gefälligkeit betteln würde. Zwar glichen sie äußerlich immer noch einem Ei dem anderen, aber charakterlich waren sie schon immer sehr verschieden gewesen. Trotzdem konnten die Leute in Hogwarts sie nur auseinander halten, wenn sie ihre Schuluniformen trugen. „Das war der kleine Malfoy?“ Natürlich kannte Lorcan die Malfoy-Familie, zumindest von hörensagen. Wenn sie zu Besuch bei den Potters und Weasleys gewesen waren, hatte immer ein Wort das andere ergeben. „Ich hatte ihn mir nur irgendwie anders vorgestellt.“ „Bösartiger!“, krakelte Lysander und hörte sich dabei an, wie ein buckeliges Männchen aus der Addams Familie. „So wie der Satansbraten Abraxas. Gehässig, falsch und absolut ekeler-“ „Ekelerregend bist hier nur du!“, mischte sich eine dritte Stimme ein und Lorcan sah, wie Molly Weasley seinem Bruder ohne eine Spur der Zurückhaltung das schwere Buch für Zaubertränke auf den Hinterkopf schlug. „Das hast du übrigens mal wieder vergessen.“ Sie reckte majestätisch das Kinn und rümpfte ungehalten die Nase. Dann schob sie sich mit den Zeigefinger die große Lesebrille wieder zurück. Ihr rotes Haar war so ordentlich geflochten, dass sie sicherlich den gesamten Morgen gebraucht hatte. Lorcan kannte keine Hexe weit und breit, die Ordnung und Korrektheit so sehr verkörperte, wie Molly. Sie war immer tadellos gekleidet, pünktlich, perfekt für den Unterricht vorbereitet und schien nie in Hektik zu verfallen, weil sie ja – gelobe Merlin – immer gewissenhaft und planhaft vorging. Lysander brummte und rieb sich den Kopf, dann nahm er das Buch entgegen: „Kein Grund gleich gewaltbereit zu werden.“ - „Ich könnte dich auf den Mond hexen und es wäre immer noch nicht Gewalt genug, um dir den Kopf zu waschen“, entgegnete Molly sofort und Lorcan grinste breit, es sah mal wieder ganz so aus, als würden sie sich jeden Moment gegenseitig mit den Zauberstäben in die Rippen zwicken, weil sie sich nicht trauten magisch anzugreifen. Als seine Voraussage eintraf, rollte er mit den Augen und drehte sich um. Das Mittagessen rief und er hatte keine Lust es zu verpassen. „Lori, warte, du kannst mich mit dieser maulenden Myrte nicht alleine lasse!“ „Wer ist hier die verkorkste Myrte?“, empörte sich Molly und zwei Schritte später reihten sie sich links und rechts von ihm ein. Die Weasley war die Erste, die das Kriegsbeil weg warf und sprach: „Stimmt es, was Danielle Cloud gestern im Gemeinschaftsraum gesagt hat?“ „Wer ist Danielle Cloud?“, wollte Lysander verwirrt wissen und geistig schlug Lorcan sich gegen die Stirn. Ein Gedächtnis wie ein Sieb, denn er hatte seinem Bruder schon mindestens drei mal von Cloud erzählt. Bevor er antworten konnte, sprach Molly so selbstgefällig, als hätte sie einen Merlins Orden erster Klasse gewonnen: „Sie ist der Quidditchkapitän von Ravenclaw und jetzt rate mal, wen sie den besten Jäger des Jahrhunderts nannte.“ Innerhalb von Sekunden glaubte Lorcan zu ersticken, so fest hatte Lysander ihn von hinten am Kragen gepackt und zum Anhalten gezwungen. Mit leuchtenden Augen blickte er sein Ebenbild nun an und krakelte lauthals: „Du bist im Quidditchteam? Das ist ja Wahnsinn!“ „Ganz genau“, nickte Molly zustimmend. „Und er fliegt für Ravenclaw“ „Mir doch egal für wen er fliegt“, wies Lysander mit einer Handbewegung ab. „Hauptsache Stammspieler, Mann, Glückwunsch!“ „Roxanne und Higgs haben noch Probespiele, aber gegen Lorcan können sie einpacken.“ Molly klang, als wurde sie selbst aufgestellt. „Malfoy und James wollen sich bewerben, aber wir wissen alle, das Roxanne eher Eulenscheiße fressen würde, als James aufzunehmen und Higgs nimmt aus Prinzip keinen aus der Ersten und Zweiten Klasse. Das hat er zumindest gestern gesagt, nachdem ich seine Kumpels und ihm nach Verwandlung aufgelauert habe.“ Lorcan und Lysander blieben wie auf Kommando stehen und sprachen unisono mit verwirrter Miene: „Wer zum Teufel bist du?“ Wo war die liebe, korrekte und Quidditchuninteressierte Molly? Erst im letzten Jahr hatte sie fest behauptet, dass dies nur ein Sport war, wo man sich legal die Köpfe einschlagen konnte, um noch ein paar Gehirnzellen zu verlieren. Aber sobald alle alt genug waren Alkohol zu trinken, würden sie den Quatsch schon aufgeben und sich mit der prozentigen Substanz bleibende Schäden zufügen. „Ihr hättet mal hören müssen, wie Nott und Roxanne über die Spielpläne gesprochen haben. Natürlich will sich Slytherin den Pokal unter die Nase reißen, so wie seit fünf Jahren und Gryffindor tut mal wieder alles um das zu verhindern. Aber dabei wird völlig vergessen, dass es auch noch Ravenclaw und Huffelpuff gibt!“ Staunend hörte Lorcan seiner besten Freundin zu, es klang, als hätte sie sich richtig Gedanken gemacht. „Na ja“, sprach Lysander. „Slytherin hat nur den Pokal gewonnen, weil wir Schlangen einfach die Besten sind.“ Lorcan hätte es ahnen sollen, denn sofort fühlte sich Molly angegriffen und die beiden stritten sich, wie der Kaiser von China mit Friedrich Barbarossa. Schrecklich. „Ihr habt nur wegen fauler Tricks gewonnen. Ganz plötzlich konnte Jonathan Winkel nicht fliegen, Amanda Jones war nicht aufzufinden und- “ „Na und, Sieg ist Sieg.“ „Ein falscher Sieg! Betrug!“ „Erzähl das mal Professor Slughorn, dann war es das mit deinem Ohnegleich.“ „Ich habe meine guten Noten, weil ich fachlich gut bin, oder willst du mir etwas anderes unterstellen?“ Er hatte es satt. Seit das Schuljahr wieder angefangen hatte, hörte er sich diesen Zwist an. Lorcan war es ein Rätsel, warum sowohl Lysander als auch Molly an ihm kleben blieben, wenn sie sich einander nicht ausstehen konnten. Als er seinem Großvater Newt einmal sein Leid geklagt hatte, hatte dieser nur gelacht und etwas von 'Was sich liebt, das neckt sich' erzählt. So ein Blödsinn, für die Liebe waren sie drei Jahre zu jung! Dieser kindische Streit schien einfach nur ein Hobby beider zu werden und er wünschte sich, dass sie sich etwas anderes an Beschäftigung suchen würden. Schließlich konnte das doch nun wirklich nicht so schwer werden. Er rauschte durch den fast kopflosen Nick und hörte seinen Bruder rufen. „Ey, Lori, wo willst du hin?“ „Mir neue Freunde suchen!“ So viel dazu. In schnellen Schritten ließ er den Korridor hinter sich und hörte den Zoff seiner beiden Freunde. Manchmal stellten sie sich aber auch wirklich an. Als Lorcan einen Blick über seine Schulter warf, wurde ihm wieder bewusst, wie sehr sich Molly und Lysander unterschieden. Sein Bruder hatte mal wieder auf die Krawatte seines Hauses verzichtet, das braune Haar, was seinem so ähnlich war, hatte zumindest heute keine Bürste gesehen und das Hemd war eindeutig falsch zugeknöpft. Bei Molly auf der Schuluniform fand er noch nicht einmal eine Knitterfalte. Gerade, als Molly seinen Bruder erneut mit einem Buch schlug und Lysander amüsiert lachte, entdeckte Lorcan die Röte auf Mollys Wangen und er konnte mit absoluter Sicherheit sagen, dass sie bald vor Wut in die Luft gehen würde. Das Resultat würde ergeben, dass sie tagelang nicht mit ihnen sprechen würde und er am Ende wieder derjenige war, der Lysander unter viel Gejaule und Gezetter dazu brachte, sich zu entschuldigen. „Leute, bitte. Könnt ihr nicht-!“ Weiter kam er nicht. Er hatte gerade die große Treppe erreicht und wollte die erste Stufe nach unten zur großen Halle nehmen, als er die Stufe verfehlte und ins bodenlose zu stürzen drohte. Alles ging viel zu schnell, als das Lorcan überhaupt reagieren konnte, er spürte lediglich, dass er unbarmherzig in die Tiefe fiel. Dann, ganz ruckartig, blieb die Welt um ihn herum stehen. Es war als würde er schweben. Kurz darauf griff eine Hand nach ihm und setzte ihn schwebend, wie er war, sicher auf der vierten Stufe ab. Sein Herz raste und er sah auf. Das erste, was er vernahm, war ein würziger Geruch, dann fiel sein Blick auf das Wappen von Slytherin, kräftige Hände und blasser Haut. Erst jetzt drang Mollys erschrockene Stimme an sein Ohr und die panischen Wörter seines Bruders. Statt sich seinen Freunden zu zuwenden, blickte Lorcan noch immer steif in das Gesicht eines Siebtklässlers. Er hatte rabenschwarzes Haar, wachsame blaue Augen und der Griff um seinen Arm war kalt. Sofort fröstelte es Lorcan und er stieß unbemerkt den Atem aus, als der Ältere ihn losließ. Ein kühles Lächeln, was seine Augen nicht erreichte, traf ihn und als Lorcan die Stimme des Slytherins vernahm, war ihm kurz, als würde das Blut in seinen Adern gefrieren. „Scamander, sag deinem Bruder, er soll besser auf sich acht geben, wenn er in einem Stück für Ravenclaw antreten will, wenn er gegen Slytherin fliegt.“ Es dauerte ein paar Sekunden, dass der Ältere mit Lysander sprach, denn sein Bruder antwortete prompt: „J-Ja, natürlich.“ Dann nickte der Dunkelhaarige und setzte unbeirrt seinen Weg fort. Dabei bemerkte Lorcan, dass er noch nicht einmal zu seinem Zauberstab gegriffen hatte, trotzdem war er sich sicher, dass Magie seinen Sturz aufgefangen hatte. Wie aus weiter Ferne registrierte er, dass Molly überprüfte, ob er sich tatsächlich nichts getan hatte, während Lysander zwei Bücher aufhob, die ihm beim Sturz aus der Tasche gefallen waren. „Wer war das?“, wollte Lorcan wissen und sein Bruder sprach: „Tavian Alastor.“ - „Unser Schulsprecher“, setzte Molly hinzu und gab dann ihr ganzes Wissen preis: „Meine Cousine Victoire meinte, er würde seine Aufgaben dermaßen perfektionistisch machen, dass sie Mühe hat, mit ihm Schritt zu halten. Außerdem sollte eigentlich er das Abzeichen des Quidditchkapitäns kriegen, statt Higgs. Aber viele Gryffindors halten das für ein Gerücht. Jedenfalls ist Alastor sehr höflich, zuverlässig und wird das Jahr wohl als Jahrgangsbester abschließen, seine Noten sind demnach hervorragend. Aber bei seiner Familie kann das egal sein.“ „Wieso?“, wollte Lorcan wissen und die Weasley erzählte mit belegter Stimme: „Weil die Alastors so viel Gold besitzen, wie sie im Leben niemals ausgeben können. Mein Vater meinte einmal, dass sie einen großen Einfluss im Ministerium haben, weil sie viele Wahlkämpfe finanzieren und durch die Leihgabe von Gold, stehen viele alte Familien in ihrer Schuld. Ihr wisst was das heißt.“ Lysander nickte wie ein Wackeldackel, dann schüttelte er heftig den Kopf. „Äh nein. Was heißt das?“ Molly verdrehte die Augen, ganz so als wollte sie beide dafür rügen, dass sie bei einer wichtigen Lektion im Unterricht nicht aufgepasst hatten, aber Lorcan wusste genau, dass solch ein Klatsch und Tratsch nicht durchgenommen wurde. „Na ja, es ist irgendwie immer noch Tradition, dass es unter Reinblüter so etwas wie einen stummen Kodex gibt. Erfährt man Hilfe, muss man eine Gegenleistung erbringen und das kann alles Mögliche sein. Früher war dies oft mit einer Ehe verbunden, oder mit einem Gefallen, bei dem es um Mord ging.“ Lysander fröstelte und murmelte: „Klingt wie aus einem alten Horrorroman.“ Molly schenkte ihm ein schmales Lächeln. „Könnte man meinen. Laut meinem Onkel Bill haben sich die Gefallen nun auf Einfluss und hohe Positionen fokussiert. Demnach hat unser Schulsprecher eine glänzende Zukunft vor sich. Er ist jetzt schon äußerst beliebt und Roxanne munkelt, dass er nur so freundlich und höflich tut, aber in Wirklichkeit ein durchtriebener Fuchs ist. Na ja“, Molly wehrte mit einer Handbewegung ab. Fast so, als wollte sie sagen, dass man sich auf Roxannes Aussage nicht stützen sollte, schließlich redete sie viel und gerne, wenn der Tag lang war. „Man“, Lysander kratzte sich hinter dem Ohr, „wo hast du das nur alles her?“ „Ich bin ein Mädchen und Klatsch und Tratsch gehört dazu“, schloss Molly. Lorcan hatte für den Tag genug über Tavina Alastor gehört. Sein Unbehagen dem Siebtklässler gegenüber hatte ihn selbst erschreckt und er versuchte das beklemmende Gefühl zu vertreiben. Sein Blick fiel auf den Eingang der großen Halle und er sah den kleinen Malfoy mit einen anderen Huffelpuff reden. Dabei wirkte der blonde Zwerg nicht einmal annähernd wie ein erhabener Reinblüter, der in den Kreis der Verschwörer von Gefallen und Gegenleistungen gehörte. Ausnahmen gab es wohl immer und für Gewöhnlich in den ungewöhnlichsten Familien. - - - Tavian Alastor streckte die langen Beine aus und kreuzte sie schließlich, als er sich an seinem pompösen Schreibtisch zurücklehnte. Geschickt lockerte er mit den Fingern die Krawatte um seinen Hals und ließ den Blick durch den beharrlich eingerichteten Raum gleiten. Es hatte durchaus seine Vorteile Schulsprecher zu sein, wie er fand. Zusammen mit Victoire Weasley teilte er sich einen Gemeinschaftsraum, dazu kam, dass sie beide ein Einzelzimmer besaßen. Zwar hatte der runde Gemeinschaftsraum, in dem er sich nun befand, eindeutig zu viel vom Haus Gryffindor zu bieten – die roten Sessel am Kamin, die dazu passende Couch schräg gegenüber und der ebenfalls rote Teppich – könnten einen glauben lassen, dass das Haus Gryffindor für dieses Jahr beide Schulsprecher stellte. Doch tatsächlich zeugte das Wappen auf Tavians Brust davon, dass er ein Slytherin war. Der Siebtklässler legte den Kopf in den Nacken und sah gedankenverloren auf die gläserne runde Kuppel, welche die letzten Sonnenstrahlen des Tages herein ließ. Seine Arbeit für den heutigen Tag war getan und er überlegte, wie er ihn ausklingen lassen konnte. Sämtlicher Schreibkram war auf direkten Weg zu Professor McGonagall und die Tatsache, dass Tavian genau wusste, dass Weasley mit ihren Pflichten hinterher hinkte, verschaffte ihn Genugtuung. Er mochte sie nicht und der Verdacht, dass sie ihr Abzeichen nur bekommen hatte, weil sie lieblich, hübsch und eine Weasley war, verstärkte sich von Tag zu Tag. Aus seiner Sicht war sie hässlich, gewöhnlich und überaus anstrengend. Ihr Getue nervte ihn, ebenso die Blicke, die seine Klassenkameraden ihr zuwarfen. Mit glänzenden Augen verfolgten sie jede ihrer Bewegungen und Tavian hatte es aufgegeben zu erklären, dass ihre Anziehungskraft lediglich von ihren Veela-Gen rühmte und es nichts mit ihr selbst zu tun hatte. Doch niemand wollte ihm zuhören. Etwas, was er nicht gewohnt war. Normalerweise rissen sich die Mitglieder des Hauses Slytherin um ihn und auch außerhalb erfreute er sich großer Beliebtheit. Ein Kinderspiel. Es war ihm schon immer leicht gefallen, den Erwartungen seines Umfeldes zu entsprechen. Die Lehrer liebte ihn, weil er ein begabter Schüler war, seine Mitschüler bewunderten ihn für zahlreiche Talente, unter anderem dafür, dass er als Hüter von Slytherin nur selten Tore kassierte und trotz seiner guten Noten immer bereit war, Schwächeren auszuhelfen. Und dann gab es da noch das andere Geschlecht. Tavian wusste, dass er arrogant klingen würde, aber es ließ sich nicht leugnen, dass er ein geschicktes Händchen für Hexen hatte. Es war leicht ihnen etwas vorzugaukeln, denn schließlich war ihm bewusst, was sie hören wollten und das er recht passabel aussah, hinderte einfältige Mädchen nicht daran, ihn anzuhimmeln. Alles in einem machten seine Mitmenschen es ihm leicht, sie an der Nase herum zu führen. Nur gut ausgewählte Ausnahmen wussten, wie er wirklich dachte und er war vorerst nicht daran interessiert dies publik zu machen. Mit einer lässigen Geste fuhr er sich durch das kohlrabenschwarze Haar und strich sich eine störende Strähne aus der Stirn. Gerade, als er sich die Krawatte vom Hals ziehen wollte und mit der rechten Hand seinen Zauberstab schwang, sodass sich die Tasse auf seinem Schreibtisch mit Tee füllte, hörte er, dass das große Porträt von Sir Odin, dem Hüter von Ordnung und Gerechtigkeit, bewegt wurde. Überrascht wandte er sich um und erkannte Carl Griffith, einen Mitschüler der letztes Jahr für Slytherin als Treiber geflogen war. Seine Vorderzähne standen stark hervor, er war hager und sein Gang wirkte wie der eines Wiesels. Trotzdem ließ sich Octavian schon lange nicht mehr von Griffith's täuschen. Die grauen Augen, die im eingefallenen Gesicht lagen, waren wachsam und er hatte schon häufig eine erschreckend genaue und detailgetreue Beobachtungsgabe bewiesen. Zwar würde Tavian ihn nicht als Freund betrachten, nichts desto trotz pflegten sie gewissen Umgang miteinander. „Griffith, was gibt es, hat Higgs die Auswahlspiele immer noch nicht angesetzt?“, begann er ungezwungen eine Unterhaltung, doch ganz, wie Tavian es von ihm gewohnt war, ging Griffith darauf nur knapp ein: „Doch hat er, in einer Woche.“ Tavian nahm die Füße vom Tisch, er sparte sich die Höflichkeit Griffith einen Tee anzubieten, denn dieser blieb akkurat vor seinem Schreibtisch stehen. Er war sich sicher, dass Higgs für dieses Jahr ein passables Team zusammenstellen würde, auch wenn er Slughorns zweite Wahl war. Tavian hatte es nicht laut in Welt posaunt, aber das Abzeichen war zuerst bei ihm gelandet, er hatte es jedoch mit einem schmeichelnden Brief zurück an seinen Hauslehrer geschickt, denn sein Ziel war etwas anderes, als den Quidditchkapitän zu geben. Außerdem hatte er genug Vertrauen in Higgs. Anders als Griffith traute er Higgs bedeutend mehr zu. Schon in den Sommerferien hatte Tavian daran gedacht, den Kontakt zu Higgs auszubauen. „Ich komme, wegen eine Anfrage der Brüder“, sprach Griffith langsam und Tavian verstand. Die 'Brüder' waren ein innerer Kreis an Slytherins. Sie bestand seit einigen Jahren und ihre Mitglieder wurden mit großen Bedacht ausgesucht. Einst war sie aus ehemaligen Kindern von inhaftierten Todessen gegründet worden. Als eine Art Schutz vor jenen, die ihnen mit Missgunst gegenüber standen. Es mochte sein, dass das Zaubereiministerium und diverser Klatschblätter davon predigten, dass es noch nie solch eine friedliche Zeit gegeben hatte, wie seit dem Tod von Lord Voldemort, doch sie irrten. Für Nachkommen aus Familien, die mit den einstigen Schreckensherrscher in Verbindung gebracht worden waren, begann in Hogwarts das gesellschaftliche Überleben. Häufig ernteten sie die Verachtung anderer und als es vor Jahren zum ersten Mal zu einem üblen Streich auf einem Nachkommen kam, der aufgrund der Folgen in St. Mungos landete, bildeten sich die 'Brüder'. Seit dem zweiten Schuljahr war Tavian Mitglied und seit dem sechsten Jahr der Kern. Er hatte den Kreis 'Soggetto' getauft und dafür gesorgt, dass er sich weiter ausbaute. Die Mitglieder von Soggetto gaben gegenseitig aufeinander acht und unterstützen sich in verschiedenen Angelegenheiten. Häufig war es sogar so, dass sie einen kleinen Einfluss auf die Ämter innerhalb der Schule hatten. So war Higgs durch sein Schreiben Quidditchkapitän geworden, ebenso Cloud für Ravenclaw. Auch die Vertrauensschüler waren durch einen dezenten Wink aufgerückt. Lediglich die Gryffindor Unity Mitfords hatte das Abzeichen strikt abgelehnt und schrieb weiter für die Schülerzeitung 'Hogwarts Times Today'. Schon in der fünften Klasse wollte er ihr helfen den Schulclub auf die Beine zu stellen, doch Unity hatte jegliche Unterstützung von sich gewiesen und nach einem langen Gespräch mit Professor McGonagall durchsetzten können, dass sich Hogwarts an solch ein Experiment wagte. Das erste Gold hatte sie sich noch aus der Schulkasse geliehen, es mittlerweile jedoch zurück gezahlt, sodass sich die Schülerzeitung selbst finanzieren konnte. Aus Tavians Sicht war sie bemerkenswert. Aber zurück zu Griffith's Anliegen. „Was möchten die Brüder?“, wollte Tavian wissen und Griffith räusperte sich: „Sie bitten um die Aufnahme von Scorpius Malfoy.“ Einen Augenblick schwieg Tavian. Natürlich hatte sich die Soggetto bereits unter die anderen Häuser zerstreut, doch noch immer war er äußerst vorsichtig damit, jemand Neues in die Gemeinde aufzunehmen. „Sein Bruder, Abraxas hat die Prüfung in seinem letzten Jahr mit Bravour gemeistert und die Malfoys-!“ „Ich bin im Bilde, was die Familie betrifft“, unterbrach Tavian knapp und dachte daran, wie häufig er den kleinen Malfoy bislang alleine gesehen hatte. Obwohl er in Hufflepuff gelandet war, mied ihn das Haus, typisch für Dachse, da ihnen nachgesagt wurde, dass es ihnen grundsätzlich an Charakterstärke fehlte. Doch wer sagte ihm, dass es bei Scorpius Malfoys anders sein sollte? Er dachte nach und ließ sich damit Zeit. Andererseits sollte er beachten, dass alle Malfoys nach Slytherin kamen. Der sprechende Hut musste in dem Jungen etwas gesehen haben, was für Außenstehende nicht ersichtlich war. „Gut, meinetwegen prüfe ihn, sollte er jedoch durchfallen, wünsche ich, dass ihr die nötigen Konsequenzen einleitet.“ Griffith nickte bestimmend, es schien ihm fern zu liegen, dass jemand Auserwähltes die Prüfung nicht bestehen könnte. Tavian war anderer Meinung und er erinnerte sich an jenen hässlichen Vorfall, den es vor zwei Jahren mit einem Ravenclaw gegeben hatte, von dem alle geglaubt haben, dass er in den Kreis der Soggetto gehörte. Während Griffith sich zum Gehen wandte, bewegte sich das lebensgroße Porträt erneut und Tavian sah erneut auf. Überrascht hob er beide Augenbrauen, als er erkannte, wen Griffith höflich den Vortritt gewährte und schließlich selbst durch das Loch in der Wand verschwand und das Bild wieder zurück an seinen ursprünglichen Platz glitt. „Unity“, sprach Tavian und musterte die junge Siebtklässlerin. Sie war ungewöhnlich groß für ein Mädchen, ihr brünettes Haar war zu einer Welle frisiert, wie es die Damen in den 20er Jahren getragen hatten und an der Art, wie sie auftrat, erkannte man, dass sie nicht nur aus einer alten reinblütigen Zauberfamilie stammte, sondern ihr Stammbaum auf den Adel zurückführte. „Für dich immer noch Mitfords, Alastor“, sprach sie distanziert und einen Hauch unfreundlich. Ihre hellblauen Augen sahen sich kurz in dem runden Raum um und Tavian hatte das Gefühl, dass sie ihn ein wenig für den Luxus, einen Rückzugort zu haben, beneidete. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass sich alle drei Mitfords Schwestern in drei Dingen ähnelten, obwohl sie in unterschiedlichen Jahrgängen waren. Genauso, wie Unity, hatten auch Diana und Reeva dunkles Haar, blaue Augen und einen Gang, der nur so trotzte vor Würde. Bei Reeva, war der Gang für eine Erstklässlerin noch nicht sehr ausgeprägt, doch bei Diana konnte man schon mit zwölf Jahren erkennen, dass sie nicht nur stolz war, sondern alles darauf hinwies, dass sie einmal sehr schön werden würde. Doch Schönheit interessierte Tavian nicht so sehr, wie Stärke und Selbstbewusstsein. „Wie kann ich dir helfen?“, fragte er und sie kramte in ihrer Umhängetasche nach etwas, dann reichte sie ihm einen Bogen Papier. „Hogwarts Times Today möchte für die nächste Ausgabe ein Interview mit den neuen Schulsprechern drucken. Das von Weasley habe ich bereits und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du die Fragen bis übermorgen ausfüllen könntest.“ Als er das Papier annahm, berührte seine Hand die ihre, doch Unity zuckte nicht einmal mit der Wimper. So war es immer und Tavian begann sich zu fragen, woher ihre Distanz rühmte. „Natürlich. Wenn du eine viertel Stunde wartest, kannst du sie direkt wieder mitnehmen.“ „Nein danke“, Unity schloss ihre Tasche. „Ich möchte dich nicht hetzten und gewiss hast du genug zu tun.“ Dann drehte sie sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren um und ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr mit den Blick zu folgen. Die Abweisung kränkte ihn und das Papier in seiner Hand zerknitterte und ging schließlich in Flammen auf. Etwas, was Tavian nicht registrierte, da er mit verkniffener Miene auf den geschlossenen Eingang starrte. Irgendwann, so schwor er sich, würde er sie für die Abneigung büßen lassen und ihren Stolz brechen, indem er sie betteln ließ. Irgendwann. - - - Die große Halle lärmte an diesem Abend besonders. Herzhaft griff der Großteil der Schülerschaft zu und eine von ihnen war Rose Weasley. Sie biss in einen Hähnchenschenkel und dabei verteilte sich das Fett auf ihren Wangen. Scorpius verzog leicht das Gesicht, da er ihr gegenüber saß und ihren seligen Gesichtsausdruck nicht so recht zu deuten wusste. Quinn, der neben Rose hockte, reichte ihr eine Servierte: „Du solltest echt aufhören, wie ein Schwein zu fressen.“ Nach Verteidigung gegen die dunklen Künste, hatte Quinn auf Scorpius gewartet und zu seiner Überraschung entschuldigte er sich für sein unhöfliches Verhalten der vergangenen Woche. Die Erzählungen von Nathaniel und der Einfluss anderer hatten ihn abgeschreckt. Doch letzten Endes entschied sich Quinn gegen den Strom zu schwimmen. Warum, war Scorpius noch ein Rätsel. Ohne falscher Scham erzählte sein Mitbewohner, was ihn verunsichert hatte und das er als Muggelgeborener mit dem Gefasel über Reinblut, Halbblut und „früher“ vollkommen überfordert war. „Es klang, wie ein schlechter Scherz“ - waren seine Worte gewesen. Scorpius war die Aufrichtigkeit, mit der sich Quinn bei ihm entschuldigte, fremd. Gleichzeitig freute er sich jedoch darüber und den Rest des Tages hatten sie gemeinsam hinter sich gebracht. Er war kein nachtragender Mensch und fühlte sich, als hätte er ein Stück Wohlgefühl wieder zurück gewonnen. „Ich habe gehört, in Gryffindor gibt es jemanden, der kann sich drei Eier auf einmal in den Mund schieben“, durchbrach Quinn eifrig seine Gedanken und Scorpius starrte ihn angewidert an, dann glitt sein Blick zu Rose und diese schluckte hastig ihr Hähnchen herunter: „Nein, ausnahmsweise ist es mal keiner meiner Cousins.“ - „Von wem hast du denn solch einen Unsinn gehört?“, wollte Scorpius wissen und Quinn verteidigte sich direkt: „Das ist kein Unsinn! Außerdem hat Potter mir erzählt dass-!“ Rose rollte mit den Augen und widmete sich wieder dem Essen. Alles was mit den Potter-Brüdern zu tun hatte, interessierte sie herzlich wenig und Scorpius fragte sich, woran das liegen könnte. Er nahm sich fest vor, sie in einem günstigen Moment nach ihren Gründen zu fragen. Sie diskutierten darüber, ob es möglich war noch ein viertes Ei in die Backen zu schieben und ob es sich lediglich um eine abgefahrene Geschichte handelte, oder einer Tatsache. Gerade, als Scorpius mit Vernunft darauf hinweisen wollte, dass es doch völlig egal war, erschien links von seinem kleinen Teller eine Eule. Genauso schnell, wie sie gekommen war, war sie auch schon wieder verschwunden. Erschrocken starrte er auf einen Brief. An einigen Stellen war er vom Feuer leicht braun und die tiefschwarze Schrift, sie von seinem Namen zeugte, verblasst. Als er ihn zur Hand nahm, spürte er, dass er noch warm war. „Und ich sage euch, irgendwann mache ich den Eier-Typen ausfindig und dann...“ Quinn verstummte und auch Rose sah Scorpius verwirrt, aber auch neugierig an. Er wollte ihn öffnen, da ergriff eine Hand seine Schulter. Konfus drehte er sich um und erkannte die Gestalt seines Bruders. Abraxas sah ihn ausdruckslos an und nickte mit den Kopf Richtung Ausgang. Es war das erste Mal, dass er von sich aus mit Scorpius sprach. Drei kleine Worte machten Scorpius in diesem Augenblick naiv glücklich. Dabei übersah er den ablehnenden Blick, den sein Bruder sowohl Rose, als auch Quinn zuwarf und wie sich dessen Lippen angewidert verzogen. „Wir müssen reden.“ tbc. Kapitel 4: Es nennt sich Buchclub. ---------------------------------- „E-Eine P-Prüfung?“, stotterte Scorpius und umklammerte den Brief in seiner Hand noch fester. Er befand sich mit seinem Bruder außerhalb der großen Halle in einer dunklen Nische. Vor wenigen Sekunden hatte er die Karte, welche mit einem Wappen bedruckt war, dass er nicht kannte und mit dem Wort 'Soggetto' beschriftet war, gelesen. Doch nun war die Karte leer, ein simpler Zauber hatte die Nachricht verschwinden lassen und er war vollkommen auf die Worte seines Bruders angewiesen. Abraxas regte sich kaum, er schien beinahe schon gleichgültig dieser Tatsache gegenüber zu sein. „Genau, du musst sie unbedingt bestehen, ganz egal was passiert, in Ordnung?“ - „Aber warum?“, wollte Scorpius verwirrt wissen. „Und was will diese 'Soggetto' von mir?“ Die Miene seines Bruders wurde nur noch verschlossener und dieser setzte hinzu: „Wenn du die Prüfung bestehst, dann bist du aufgenommen und glaub mir, es ist für die gesamte Familie besser, wenn du sie besser nicht in den Sand setzt.“ Bei Scorpius schrillten sämtliche Alarmglocken. Tausend Fragen stürzten über ihn herein und er wusste überhaupt nicht, welche er zuerst stellen sollte. „Was bringt es mir Mitglied zu sein?“, sprach Scorpius und unterdrückte das Gefühl, dass er froh war, dass Abraxas wieder mit ihm redete. Sein Bruder schien das ganze jedoch eher als lästig anzusehen, denn er musterte ihn wütend: „Hör einfach auf Fragen zu stellen und bestehe diese dämliche Prüfung. Alles andere ist unwichtig!“ Scorpius schluckte, dann nickte er. Allerdings war er sich noch nicht einmal sicher, ob er überhaupt in diesen mysteriösen Ding aufgenommen werden wollte. Abraxas ließ ihn ohne ein weiteres Wort stehen und er sah ihm nach. Wie gerne würde er mit seinem Bruder reden, mit ihm Hausaufgaben machen oder einfach nur dazu gehören? Der Hufflepuff ballte die Faust mit dem Brief in der Hand. Diese 'Soggetto' war ihm gelinden gesagt ziemlich egal. Aber wenn er mehr Zeit mit seinem Bruder verbringen könnte, wenn er dort Mitglied wurde, dann würde er das tun. Etwas beunruhigt ließ er sich bei Rose und Quinn wieder am Tisch nieder und ignorierte, dass ihn beide gespannt ansahen. „Also“, nahm Scorpius das Gespräch wieder auf. „Ist es jetzt möglich sich vier Eier in die Backen zu schieben, oder erstickt man vorher?“ Sofort sprang Quinn drauf an und zählte die Gründe auf, warum es möglich wäre, während Rose nur den Kopf schüttelte und schnippisch meinte: „Das ist einfach nur widerlich!“ Während sich die drei Erstklässler den unwichtigen Dingen zuwendeten, seufzte zwei Tische weiter am Gryffindor-Tisch eine dunkelhaarige Hexe. Die Haare elegant frisiert, die Lippen in einem dunklen rot geschminkt und die strahlenden blauen Augen fest auf das ungleiche Trio gerichtet. Unity Mitfords konnte nicht sagen warum, aber seit seiner Ankunft beobachtete sie den Jüngsten der Malfoys. Es war, als würde er eine gewisse Vorahnung bei ihr auslösen. Sie verließ sich viel auf ihr inneres Gespür, da sie hin und wieder seltsame Tagträume plagten. Professor Trelawney würde ihr dazu sicher jede Menge zu sagen haben, aber Unity behielt dies lieber für sich. Sie erinnerte sich daran, als Kind davon geträumt zu haben, dass sie ihrer Familie einen Schrecken versetzen würde, indem sie nach Gryffindor kam und genauso war es auch gekommen. Auf ihrer Brust war das Wappen für den Mut gestickt worden und sie war charakterlich keiner Schlange ähnlich. Sie tippte mit der Feder auf ein leeres Blatt und versuchte die lärmende Bande neben sich zu ignorieren. Obwohl sie seit sieben Jahren eine Gryffindor war, hielten sich ihre Mitschüler noch immer distanziert von ihr fern. Sie wusste zu gut an was es lag. Es war nämlich allgemein bekannt, dass die Mitfords zu der alten reinblütigen Gesellschaft gehörten und es sich nicht schickte sich mit Halbblütern oder Schlammblütern anzufreunden. Unity war dies ziemlich egal, aber ein Ruf sorgte für einen gewissen Stempel. Unity sah auf das Blatt vor sich und wollte die Notizen für die neue Hogwarts Times Today noch einmal durchsehen, als ein neuer Tagtraum sie erfasste. Zuerst war es, als würden sich ihre Ohren abstellen, der Lärm verschwand und wie durch einen dichten Nebel formte sich auch das Bild vor ihren Augen neu. Alles ging so schnell, dass Unity kaum nach Luft schnappen konnte. Denn immer, wenn sie einen Tagtraum hatte, fühlte sich ihr Körper kalt und kraftlos an. So, als würde das Blut in ihren Adern aufhören zu fließen. Es war dunkel und regnete. Unity sah sich um, nur schwer konnte sie die Nokturngasse erkennen. Die meisten Dächer waren zerstört, irgendwo roch es verbrannt und viele Fensterscheiben von Geschäfte wiesen auf ein gewaltsames Eindringen hin, denn sie waren zerschlagen und das Innere ausgeraubt. Unter ihren Füßen bildeten sich Pfützen. Unity suchte nach einem Unterschlupf und rannte zu Borgin & Burke's. Dort brannte im Eingang schwach Licht, der Laden jedoch war leer, als sie vorsichtig hinein linste. „Was zum-!“ Ein dumpfer, gewaltiger Knall ließ Unity herumfahren, aus Angst verbarg sie sich halb im Hauseingang, denn nur acht Meter von ihr entfernt explodierte gewaltsam der halbe Weg zum Bekleidungsgeschäft von Marquise Isabelle de Merteuil. Unity ging in die Hocke und ihr stieg der beißende Geruch vom verbrannten Fleisch in die Nase. Angewidert schlug sie die Hand vor den Mund. Ganz in ihrer Nähe flackerte eine Straßenlaterne. Donner grollte über ihr und Unity fragte sich, wo bei Godric's Unterhose sie hier gelandet war. Bislang war noch keiner ihre Tagträume so brutal und schrecklich gewesen. Nichtigkeiten waren bislang vorgekommen, ein nicht weit entferntes Abendessen mit Verwandten, eine Begegnung, von der sie eigentlich schon gewusst hatte, oder einen Moment, der ihr vorkam, wie etwas Unnützliches. »Komm raus, ich weiß, dass du hier steckst!« W-War das die Stimme von Carl Griffith? Unity schluckte schwer, ihr Herz klopfte angestrengt bis zum Hals. Erneut krachte etwas und gegenüber von ihr, auf der anderen Straßenseite, zersplitterte das Schaufenster von der kleinen schwarzmagischen Bücherei Whizz Hard Bücher. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Unity wie die Scherben durch die Luft flogen und dabei wirkten, wie tausend kleine Diamanten. Dann schossen die Bücher aus dem Laden. Es glich einem Kanonenfeuer. Sie versuchte den aufkeimenden Schluckauf zu unterdrücken, als sie dabei zusah, wie die beschriebenen Seiten Feuer fingen und in Fetzen auf den nassen Boden segelten. Angst erfasste ihren Körper und ein Unverständnis darüber, was zur Hölle das für eine Welt war. Ihre Beine fühlten sich an wie Gummi, sie wollte gerade aufstehen, da sie hofft, dass Griffith ihr nichts tun würde. Immerhin kannten sie sich doch aus Hogwarts. »Ich bin hier.« Unity sah auf. Ein hochgewachsener junger Mann mit schwarzen Haaren, die ihm in die Stirn fielen, trat an ihre Seite, direkt inmitten der Gasse. Der pflaumenblaue Aurorenumhang war durchnässt, eingerissen und abgenutzt. Den Zauberstab fest umschlossen, stellte er sich Griffith in den Weg. Unity blinzelte, er kam ihr seltsam bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht direkt zuordnen. Erst, als sie sein arrogantes Grinsen sah, war es, als würde sie der Schlag treffen. Albus Potter. Sie blinzelte, das konnte unmöglich sein. Er war erst elf und dieser schien um die zwanzig zu sein, erwachsen und absolut entschlossen. Von dem kindlichen Jungen war nichts mehr übrig. »Du solltest aufhören, Griffith«, sprach der Auror, doch Griffith lachte nur laut und zynisch. Unity war versucht einen Blick auf ihren Mitschüler zu werfen, doch etwas an der Geste des Potters hielt sie davon ab. Stattdessen hörte sie Griffith sagen: »Begrüße die Hölle, Potter. AVAD-« Grünes Licht erschien, doch Potter bewegte sich nicht, Unity biss sich in den Unterarm, um nicht zu schreien und dann war das Licht ganz plötzlich weg, ohne, dass Potter etwas getan hatte. Nichts passierte. Es regnete weiter. Stille breitete sich aus. Schließlich hörte Unity, dass jemand näher trat. Die Gesichtszüge von Albus Potter entspannten sich. »Das war die Lektion, die er noch nie begriffen hat: Erst erledigen, dann prallen.« Albus hob die Faust, damit die seine gegen eine andere stoßen konnte. Unity sah um die Ecke und erkannte Griffith, der ausgestreckt auf alle Vieren am Boden lag. Sein Zauberstab war in zwei gebrochen und die Macht somit auch. Dann blickte sie zu den Mann, der Potter begrüßte. Er trug eine völlig durchnässte dunkelgrüne Jacke und wirkte unscheinbar, aber als sich seine Gesichtszüge entspannten, machte sich Perfektion breit. Sein Gesicht hatte etwas ausdrucksstarkes. Etwas, was sie an eine weit vergessene Vergangenheit denken ließ. Er wandte sich nach links und sah sie direkt an. Unity öffnete den Mund, die Erkenntnis traf sie hart, aber bevor sie etwas sagen konnte, knipste jemand das Licht vor ihren Augen aus. Das Glas neben ihr fiel um. Ihr Kopf ruckte hoch und sie befand sich wieder in der großen Halle. Da war sie wieder, in der Gegenwart. Unity bemerkte, dass ihr der Schweiß von der Stirn lief. Ihr war kalt. Sie sah auf ihren Ärmel und begriff, dass es nicht der Schweiß war, der sie durchnässt hatte, sondern der Regen. Hilflosigkeit und Angst breitete sich in ihrem Magen aus und sie sah sich panisch um. Doch die große Halle schien zu sein wie immer. Der kleine Malfoy saß immer noch am Hufflepuff-Tisch, Potter machte sie bei seinem Bruder aus, mit dem er sich erneut stritt und Griffith saß bei Alastor. Dieser hörte ihm gelangweilt zu, dann traf sein Blick sie. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen und obwohl er äußerst hübsch und attraktiv war, machte ihr dieses Lächeln Angst. Unity begriff nicht sofort warum, erst als sie hastig den Blickkontakt brach, wurde ihr klar, dass sein Lächeln seine Augen nicht erreichte. Mit tauben Fingern sammelte sie ihre Sachen ein und verließ den Tisch der Gryffindors. Nach Essen war ihr nicht mehr zumute. Als sie die große Halle verlassen wollte, stieß sie am Ausgang mit jemanden zusammen. Ihre Bücher verteilten sich auf dem Boden, das Tintenfass zerbrach und hinterließ hässliche Flecken auf ihrem Rock. Doch es war ihr egal. „Tut mir leid, Mitfords“, sprach der Übeltäter und bückte sich ebenfalls um ihr zu helfen. Sie schnitt sich fast an dem zerbrochenen Glas und das machte ihren Tagtraum nur noch lebendiger. „Jetzt mal langsam, du siehst aus, als würde dich der Teufel verfolgen“, die belustigte Stimme sorgte dafür, das Unity tief durchatmete. Die Gryffindor sah in das verwirrte Gesicht von Tiberius Higgs. Sie war zu Hause und nicht inmitten dieser Straßenschlacht, sie sollte sich nun wirklich beruhigen. „Warst du draußen? Aber es regnet doch gar nicht“, sprach Tiberius und spielte auf ihre nasse Kleidung an. Dann reichte er ihr die Bücher und tippte er mit seinen Zauberstab gegen ihr Tintenfass, sodass dieses sich wieder zusammensetzte. Unity versuchte sich zu beherrschen und bedankte sich. „Unwichtig“, wies sie seine Frage ab und wollte an ihm vorbei hetzten, als sie zögerlich noch einmal stehen blieb. Da Tiberius sie immer noch rätselhaft ansah, schluckte sie einmal ehe sie sprach: „Dein Cousin wird die Prüfung von Alastor nicht bestehen.“ Woher sie von dieser Aufnahmeprüfung wusste, ließ eine weitere Frage in Higgs aufkommen, sie sah es an seinem Gesicht. Aber heute würde sie ihm nichts davon beantworten. „Pass also lieber ein bisschen auf ihn auf.“ Damit wendete sie ihm den Rücken zu und hetzte die große Treppe empor. Sie brauchte erst einmal ein heißes Bad und dann... würde sie nachdenken. Vielleicht sogar einen Termin bei Professor Trelawney machen. So ganz sicher war sie sich da nicht, aber irgendjemand musste ihr schließlich erzählen, was sie mit diesen brutalen Tagträumen anfangen sollte und ob sie dem eine Bedeutung geben sollte. - - - Den Rest der Woche konnte sich Scorpius kaum richtig konzentrieren. Er wartete immer panisch darauf, dass jemand aus dieser geheimen Bruderschaft mit den Namen Soggetto an ihn heran trat. Einmal zuckte er sogar ängstlich zusammen, als Quinn im Korridor plötzlich hinter ihm stand und ihm eine Hand auf die Schulter gelegt hatte, nur um ihn zu begrüßen. Ständig glaubte er beobachtet zu werden und nachts lag er oft lange wach und stellte sich die seltsamsten Fragen. Warum war es für seinem Bruder so wichtig, dass er diese Prüfung bestand? Warum durfte er mit niemanden darüber reden und was bei Merlins gestreiften Poncho tat diese Soggetto? Tauschten sie Schokofroschkarten? Was brachte ihm überhaupt eine Mitgliederschaft, und würden sie einen Beitrag verlangen? Sein Taschengeld war ja jetzt schon knapp bemessen. Große Ausgaben kamen deshalb kaum in Frage. Schließlich kam es sogar so weit, das Scorpius in seinem Lieblingsfach nicht richtig aufpasste. Normalerweise schaffte Verteidigung gegen die dunklen Künste es spielend, ihn zu begeistern, aber heute war er nur körperlich anwesend. Als die Stunde zu Ende war, packte Quinn so schnell seine Sachen, das Scorpius erschrocken aus seiner Starre aufsah und hektisch seine Bücher in den Rucksack gleiten ließ. „Man habe ich einen Kohldampf, ich könnte ein ganzes Schwein vertilgen“, freute sich Quinn auf das Mittagessen, sein Magen hatte die gesamte Stunde unanständig laute Geräusche von sich gegeben. Hinter Quinn räusperte sich jemand und Scorpius erkannte mit einem beklemmenden Gefühl Professor Finnigan. „Dann würde ich vorschlagen, dass du dich schon einmal zum Mittagessen begibst, Quinn“, sprach der Lehrer freundlich, „dein Magen schien den Anschein zu machen, dass er dabei ist sich selbst zu verdauen.“ Der Angesprochene bekam rote Ohren und huschte mit den anderen aus den Klassenraum. Scorpius blieb zurück und schluckte, dann sprach er hastig: „Es tut mir leid, dass ich nicht aufgepasst habe. Das wird nicht wieder vorkommen.“ Mit einer erschreckender Ruhe, lehnte sich Professor Finnigan gegen den Tisch. Sein Gesicht war weiterhin freundlich und ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. „Ich wollte dich nicht bitten ein wenig zu warten, damit ich dich tadeln kann, Scorpius. Viel eher wollte ich etwas mit dir besprechen, also setzt dich wieder.“ Der Malfoy tat, worum ihn sein Lehrer bat und ließ den Rucksack sinken, dann sprach Professor Finnigan: „Deine Vorliebe zu Verteidigung gegen die dunklen Künste erfreut mich sehr, allerdings habe ich ein wenig Angst, dass dich der Unterricht zunehmend unterfordert.“ Überrascht hob Scorpius beide Augenbrauen. „Deshalb wollte ich dich fragen, ob du Interesse hast, dich einem kleinen Grüppchen von Schülern anzuschließen, die sich eingefunden haben und in ihrer Freizeit zwei Stunden in der Woche damit verbringen dich mit ihnen über das Fach auszutauschen. Die Gruppe forscht ein bisschen und wenn sie möchten, dann probieren sie in meinem Beisein ein paar Zauber aus.“ „S-Sie probieren aus?“, stotterte Scorpius verwirrt. „Aber nichts Gefährliches, oder?“ Professor Finnigan lachte herzlich und schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Ich würde es eher als eine Gruppe bezeichnen, die selbstständig aus eigener Interesse das Fach weiter studiert. Sie ist noch sehr frisch und sehr viel älter als du sind sie nicht. Die Idee hat erst letztes Jahr Form angenommen und die älteren Schüler sind nicht interessiert. Wahrscheinlich sind sie mit ihren UTZs und ZAGs beschäftigt genug.“ Scorpius bekam große Augen, dann strahlte und nickte er. Professor Finnigan reichte ihm einen Notizzettel. „Wenn du also Interesse hast, sie treffen sich jeden Donnerstag um kurz nach Acht hier im Klassenraum. Und jetzt mach, dass du zum Mittagessen kommst.“ Erleichtert ließ Scorpius sich das nicht zweimal sagen. Er schnappte sich den Zettel und hoffte, das Quinn sich in der Zwischenzeit nicht schon den zweiten Nachschlag nahm. Eifrig erzählte er Quinn beim Nachtisch, was er wusste. Sein Freund zuckte nur mit den Schultern und meinte: „Wenn du auf Zusatzarbeit Lust hast, dann geh' hin.“ Dann schaufelte er weiter Pudding in sich hinein. Noch bevor die nächste Stunde anbrach, hatte Scorpius für sich entschieden, dass er die Möglichkeit ergreifen würde. Schließlich hatte er in der Bibliothek erst wieder Unmengen von spannenden Büchern über Verteidigung entdeckt. Zwar konnte er mit Rose über das Eine oder Andere sprechen, aber sie schien seine Leidenschaft nicht in dieser Menge zu teilen. Verwandlung fand sie in dieser Hinsicht spannender, außerdem las sie in letzter Zeit auffallend außerschulische Lektüre mit der er nichts anfangen konnte. Zumindest noch nicht, denn sie hatte ihm versprochen ihm die Bücher zu leihen, so bald sie diese ausgelesen hatte. Die Titel waren teils verwirrend. Da gab es 'Das fliegende Klassenzimmer' oder etwas, was 'Moby Dick' hieß und in dem es um einen Wal ging. 'Oliver Twist' und 'Das kleine Gespenst' sprachen ihn auch nicht mehr an. Zwei Bücher hatte Rose ihm schon gegeben, aber Scorpius hatte weder in 'Die kleine Hexe' noch in 'Krabat' reingesehen. Ihm fehlte einfach der Anreiz, oder viel mehr die Lust dazu. „Du verpasst etwas“, hielt ihm Rose deshalb immer wieder vor und rümpfte dabei ihre Nase. „Das sind absolute Muggelklassiker. Ich dachte, du hast mit diesem Blutsrassismus nichts am Hut?“ „Das hat nichts damit zu tun, dass Muggel die Bücher geschrieben haben“, hielt Scorpius seit dem verzweifelt dagegen. Langsam war er es wirklich leid, ständig gesagt zu bekommen, dass er etwas gegen Muggel und vor allem gegen muggelstämmige Mitschüler hatte. Er teilte sich ein Zimmer mit Quinn und hatte diesen im Schlaf noch nicht mit einem Kissen erstickt, obwohl er ständig im abwesenden Zustand von einem FC Arsenal faselte. Der dritte in ihrem Schlafsaal, Nathaniel Steel, sprach immer noch nicht mit ihm und Scorpius hatte es aufgegeben diesem Typen beweisen zu wollen, dass er anders war. Mit der Vorfreude auf Donnerstag, vergaß er sich ständig Sorgen um diese Soggetto zu machen. Nach dem Abendessen verließ er den Gemeinschaftsraum und überließ es Quinn sich um Dornröschen, Rose hässlicher Katze zu kümmern. Sein Freund war mit solch einem kindischen Eifer dabei, Dornröschen mit einer Schnur zu ärgern, dass Scorpius sich sicher war, dass er es kaum bemerken würde, wenn er erst einmal weg war. Der Korridor war nicht stark besucht. Bewaffnet mit seinem Zauberstab und einer Tasche mit zwei Büchern und einem Block machte er sich auf den Weg ins Klassenzimmer für Verteidigung. Offen gestanden, Scorpius hatte nicht direkt gewusst, was er zu diesem Treffen am besten mitbrachte. Kurz stolperte er über das Quidditchteam von Slytherin und versteckte sich in eine Nische. Ältere Slytherins waren so oder so nicht besonders freundlich zu ihm und Scorpius verspürte wenig Lust sich von ihnen herum schubsen zu lassen. Allerdings war er etwas zu hektisch und stürzte direkt in die Arme seines Cousins. Tiberius hatte frisch geduscht, seine Haarspitzen waren noch nass und sein Besen wurde von einem anderen Schüler getragen, während er die Kiste für die Klatscher und Quaffel bei sich hatte. „Hoppla, Scorp wohin so eilig.“ Obwohl Scorpius seinen Cousin wirklich mochte und sich schon oft gewünscht hatte, dass statt Abraxas einfach Tiberius sein Bruder wäre, hatte er das Gefühl, er müsste das Treffen erst einmal verheimlichen. „In die Bücherei“, platzte es prompt aus ihm heraus. „I-Ich muss Bücher zurückgeben.“ Falls sein Cousin Misstrauen hegte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Er zerzauste ihm die Haare, wie es nun einmal seine Art war und folgte seinen Kameraden. Erleichtert setzte Scorpius seinen Weg fort. Er begegnete der hübschen Schulsprecherin Victoire Weasley, doch sie bemerkte ihn kaum. Zu sehr war sie mit Notizen beschäftigt, die sie sich im Laufen ansah. Irgendwo hörte er Leute lachen und schließlich stand er mit klopfenden Herzen vor dem Klassenzimmer. Scorpius atmete tief durch, dann klopfte er und drückte die Türklinke nach unten. Als er in den Raum trat, drehten sich drei Leute verblüfft nach ihm um. Ein Gesicht kannte er mit Namen. Reeva Mitfords. Mit ihr hatte er Verteidigung, meistens war sie still und unscheinbar. Doch von einigen hatte er gehört, dass die zierliche und blass aussehende Gryffindor tolle Aufsätze schreiben würde. So wie ihre ältere Schwester Unity. Das braune, glatte Haar war zu einem strengen Zopf zurück gebunden und sie schenkte ihm ein wackeliges Lächeln. Dann blickte Scorpius zu den beiden Jungen. Einen davon hatte er schon einmal gesehen. Doch einen Namen konnte Scorpius ihm nicht zuordnen. Ruhig sprach dieser: „Dann bist du der Neue, von dem Professor Finnigan gesprochen hat.“ Scorpius nickte und trat unsicher auf sie zu, denn sie hatten sich alle an einen Tisch gesetzt. Erst als er näher kam, erkannte er, dass Kekse und zwei Tüten Bonbons vor ihnen lagen, sowie jeder einen bunten Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit sein eigen nennen konnte. Hier und da lag ein geschlossenes Buch und als Reeva mit ihrem Stuhl rückte und der namenlose Junge einen neuen heran zog, begriff er, dass sie noch jemand weiteren erwarteten, der am Kopf des Tisches platz nahm. Scorpius fühlte sich linkisch und unsicher in der neuen Truppe, aber wie Professor Finnigan gesagt hatte, sie schienen alle kaum älter als er zu sein. „H-Hallo“, sprach er stotternd, als er endlich saß. „I-Ich bin S-Scorpius und ähm... P-Professor Finnigan meinte, es... wäre in Ordnung, wenn ich kommen würde.“ „Trinkst du Tee?“, wollte der Junge wissen, dem Scorpius bislang noch überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er trug eine übergroße Brille mit dicken Gläsern und hatte sehr kurz geschorenes Haar. „J-Ja“, stotterte Scorpius ihm entgegen. Er wollte gerade peinlich darauf hinweisen, das er leider nichts Süßes dazu steuern konnte, als er beobachtete, wie der Brillenjunge, seinen Zauberstab schwang, eine Tasse erschien und sich direkt vor seiner Nase mit heißen Früchtetee füllte. Vollkommen baff, starrte Scorpius auf das magische Kunststück. War das ein nonverbaler Zauber gewesen? Grundgütiger, er hatte noch nie gesehen, dass ein Schüler so etwas fertig bringen konnte. „Oh verzeih“, sprach der Brillenjunge ruhig. „Ich habe dich gar nicht gefragt, welche Sorte Tee du magst.“ - „S-Schon okay“, wehrte Scorpius ab und versuchte seine Bewunderung nicht mit offensichtlichen Gaffen zum Ausdruck zu bringen. Scorpius fragte sich gerade, in was für eine Truppe er hinein geraten war, als die Tür zum Klassenzimmer energisch aufsprang. Erschrocken drehte er sich um und erblickte ein Mädchen mit leuchtend orangfarbenden Haaren. In einem gestreiften Pullover und einem schwungvollen Gang stiefelte sie auf den Tisch zu und sprach herrisch: „Meine Güte, wusstest ihr, dass Rennen in den Korridoren dazu führt, das man Punkte abgezogen bekommt? Gibt es die Regel wirklich, oder hat der Schweinehund von Alastor sich das gerade ausgedacht?“ Das Mädchen, eine Hufflepuff, die er schon häufiger im Gemeinschaftsraum gesehen hatte, ließ sich am Ende des Tisches auf ihren Platz fallen und zog eine Tüte mit Zitronenchips aus ihren Rucksack. „So korrekt unser blöder Schulsprecher auch angeblich ist, ich halte ihn für einen ausgemachten Schwachkopf, der nur Vorteile für sein Haus rausschlagen will und- hey, bist du nicht der kleine Malfoy?“ Die blauen Augen musterten ihn forsch und Scorpius nickte mit trockenen Hals. Dann wandte sie sich auch schon ab und krakelte: „Frankie, du hast ihm Tee gegeben? Hallo? Hast du vergessen wie man eine heiße Schokolade zaubert?“ „Nicht gerade ein Getränk, das wirklich gesund ist“, antwortete statt Frankie der andere Junge. Das rothaarige Mädchen rollte mit den Augen: „Wer bist du, die Gesundheits-Aurorenzentrale? Du solltest anfangen an deinem knurrigen Charakter zu arbeiten, Lorcan. Man könnte dich sonst für unfreundlich und eine Spaßbremse halten.“ Scorpius versuchte so viel wie möglich in sich aufzunehmen. Immerhin kannte er nun fast alle Namen der Anwesenden. Reeva, Frankie und Lorcan. Zweiter war also der Sohn von Professor Longbottom, seinem Lehrer in Kräuterkunde und Letzter hatte einen Zwillingsbruder. Die Scamanders. „I-Ich habe das Buch von deinem Großvater gelesen, es ist fantastisch“, plapperte Scorpius und konnte ein strahlendes Gesicht nicht verhindern. In seinen Augen war Newt Scamander ein fantastischer Forscher und Autor. Die rothaarige Hexe lachte schallend auf und klopfte Scorpius hart auf den Rücken. „Zwecklos sich bei Lorcan einzuschleimen, er ist so grantig wie die harte Kruste des Brotes.“ Sie nahm von Frankie eine Tasse entgegen und Scorpius vermutete Kakao darin. „Ich bin übrigens Dominique, eine Cousine von Rose, mit der du um die Häuser ziehst.“ Sie riss die Tüte mit den Chips auf. „Dann erzähl mal kleiner Malfoy, wie bist du hier herein geraten?“ „Trau ihrer freundlichen Masche nicht“, teilte Lorcan ihm kühl mit. „Sie ist nur so nett zu dir, weil sie in deinen Bruder verknallt ist.“ - „Sagt der Kerl, der seit dem Kindergarten hinter Molly hereiert, wie ein liebestrunkener Romeo.“ Reeva kicherte an Scorpius' Seite und Frankie räusperte sich schließlich: „So gerne ich auch noch weiter tratschen würde, wer in wen verliebt ist, will ich daran erinnern, warum wir uns eigentlich hier treffen.“ Aufmunternd lächelte er Scorpius an und fragte: „Was gefällt dir an dem Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste am besten?“ Gerade, als Scorpius antworten wollte, plärrte Dominique dazwischen: „Natürlich die Flüche und die Tatsache, dass man jemanden mit einem gezielten Spruch zum Teufel schi-!“ Sie verstummte just, als Lorcan ihr ein klebriges Bonbon in den Mund steckte. Reeva verschluckte sich prompt an ihrem Tee und Scorpius grinste breit, dann begann er davon zu erzählen, dass er eigentlich die magischen Wesen am liebsten mochte. Jene, gegen die man sich verteidigen musste. Außerdem schnitt er an, dass er sich fragte, was man in der Bibliothek in der Verbotenen Abteilung finden würde. Schwarzmagische Flüche? Nur damit niemand auf falsche Gedanken kam, setzte er direkt hinzu, dass er Angst vor schwarzer Magie hatte. Je länger er also in dieser gemütlichen Truppe weilte, umso wohler fühlte er sich. Sie waren alle offen und ehrlich. Es gab keine Anspannung und dumme Fragen. Schneller, als ihm lieb war, schaute Professor Finnigan schließlich nach ihnen und schickte sie zurück in ihre Gemeinschaftsräume, weil es bereits halb zehn war. Sie räumten ihre Sachen zusammen und als Scorpius neben Frankie Longbottom und Lorcan Scamander auf dem Gang entlang lief, nahm er all seinen Mut zusammen und fragte: „Kennt ihr die Soggetto?“ Frankie sah ihn erstaunt an, während Lorcan keine Miene verzog. Schließlich antwortete Lorcan: „Ja, aber viel ist nicht über sie bekannt. Hin und wieder kriegt jemand eine Einladung in Form einer Prüfung und danach sprechen die Leute nicht mehr drüber, was die Soggetto ist oder was sie tut.“ Scorpius biss sich leicht auf die Unterlippe und Frankie nickte zustimmend: „Hast du nicht selbst einmal eine Einladung in der ersten Klasse bekommen?“ Lorcan sah ihn gleichgültig an und Scorpius wollte wissen: „Hast du die Prüfung gemacht?“ Daraufhin schüttelte der Scamander den Kopf. „Nein, es interessierte mich nicht. Denn offen gestanden Scorpius, alles was Geheim und Elitär ist, kann nicht gut sein.“ Über diese Worte dachte Scorpius noch lange nach und schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass Lorcan Recht hatte. An der großen Treppe trennten sie sich und er wurde zum ersten Mal verabschiedet. Zusammen mit Dominique Weasley trottete Scorpius Richtung Gemeinschaftsraum. Kaum waren sie bei den Fässern angekommen, drehte sich Dominique schwungvoll zu ihm um. „Also kleiner Malfoy“, sprach sie autoritär, „wenn du zum nächsten Treffen kommen willst, dann sind wir offiziell der Buchclub.“ Verwirrt starrte Scorpius sie an. „Weshalb?“ Dominique rollte mit den Augen: „Damit genau solche Unwissenden, wie du nicht mit Fragen kommen was genau wir tun und weshalb wir uns treffen. Frankie ist sowieso schon als Streber verschrieen, aber ich muss mein Image wahren.“ Offen gestanden verstand Scorpius nur Hexenkessel und genauso glotzte er Dominique auch an. Diese schien die Geduld mit ihm zu verlieren. „Hör mal zu, du Traditionsbrecher von einem Malfoy, was meinst du werden die Leute denken, wenn du erzählst, du wärst in einem Club, indem du dich mit Leuten über Verteidigung gegen die dunklen Künste austauschst?“ „Das ich, äh, das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste sehr mag?“, warf Scorpius naiv ein und die Weasley fuhr ihn heftig an: „Nein Man! Das Erste, was die Klatschmäuler hier machen, ist ein falsches Gerücht in die Welt zu setzten und simsalabim, schon bist du der rassistische, rebellische Hufflepuff, der bei der nächsten Gelegenheit Klowasser als den neuen Kürbissaft anpreisen darf.“ Endlich begriff Scorpius, was sie ihm hatte sagen wollen und er schluckte heftig. Dominique schien sich wieder zu beruhigen, denn sie atmete tief durch und schenkte ihm ein herrliches, breites Lächeln. „Deshalb sagen wir ja Buchclub. Ist das angekommen, du Schnellchecker?“ Er nickte heftig. Wer hätte gedacht, dass es so schwierig sein würde sich eine kleinen Truppe von Liebhabern anzuschließen. Zuerst hatte Scorpius die Übersorge Dominique's für übertrieben gehalten, bis ihn Tiberius einen Tag später darauf ansprach, ob er sich schon einen Club angeschlossen hätte und für den Schachclub immer noch Leute gesucht wurden. „Zwar ist es nicht sonderlich cool dort gesehen zu werden, aber du spielt doch ganz passabel Schach“, warf sein Cousin ein, als sie sich im Gang trafen und Tiberius Scorpius dabei geholfen hatte, den Knoten der Krawatte richtig herum zu binden. „I-Ich gehe schon zum B-Buchclub“, stotterte Scorpius daraufhin hastig. „Wir diskutieren über... Bücher die wir gelesen haben und trinken Tee.“ Tiberius lachte und fragte nicht weiter nach, dann bemerkte Scorpius etwas wirklich Seltsames. Sein Cousin hob den Kopf, nur leicht und wendete ihn in eine bestimmte Richtung, fast so, als habe er etwas Ungewöhnliches wahrgenommen. Scorpius folgte seinem Blick und sah auf ein Mädchen mit dunklen Haaren, schokoladiger Haut und hörte ein ausgelassenes Lachen. Er erkannte das Mädchen wieder und wusste sogar ihren Namen. Roxanne Weasley. Sie war eine Cousine von Rose und Dominique und noch dazu Kapitän der Gryffindor Hausmannschaft. Bereits im Zug war Scorpius nicht entgangen, dass Roxanne Weasley und Tiberius sich anscheinend besser kannten, als sein Cousin zugeben wollte. Ihm war ein Rätsel, warum sich beide deshalb so komisch benahmen, aber Scorpius beschloss Tiberius nicht in Verlegenheit zu bringen und sprach etwas anderes an: „Die Uhr, die du trägst, sie verwirrt mich. Kriegen wir die Uhren nicht erst immer zu unserem 17. Geburtstag?“ Tiberius blinzelte, dann sah er auf die silberne Uhr mit dem dunkelbraunen Lederband, das er um sein linkes Handgelenk trug. Etwas machte Scorpius misstrauisch, vielleicht die Geste, mit der sein Cousin über die Uhr strich oder wie er sie ansah, jedenfalls begriff er sofort, dass Tiberius ihn anlog, als dieser antwortete: „Ach, die ist alt, ich habe sie vor Ewigkeiten geschenkt bekommen.“ Um nicht direkt Unmut auf sich zu ziehen, machte Scorpius ein interessiertes Gesicht. „Ist schon cool, dass Abraxas und du genau dieselben Uhren habt.“ Nun überraschte Tiberius ihn, denn er grinste: „Kann sein, dass du bald auch eine hast.“ Mit diesen Worten zerzauste er ihm die Haare und verabschiedete sich mit einen Zwinkern. Es schellte zur ersten Stunde. - - - „Ich traue diesem Malfoy-Bastard nicht“, sprach Dominique entschieden, als sie neben Frankie und Lorcan in Zauberkunst saß und sie einen Schweigezauber über sie geworfen hatte. Mehrere Kissen flogen durch die Luft, manche explodierten und es regnete Federn. Ungehalten sah Dominique die beiden Jungen an. Doch ihre Aussage schien überhaupt keine Wirkung zu haben. Frankie starrte angestrengt sein Kissen an und murmelte die Zauberformel vor sich hin, während Lorcan sich zu langweilen schien und in einem Buch für Zaubertränke blätterte. „Wir wissen wie Malfoys sind, Frettchen, hinterhältig und absolute Flubberwürmer, die sich verhalten wie Trolle“, stänkerte Dominique weiter. „Vielleicht kommt er im Auftrag seines Bruders, nur um uns lächerlich zu machen.“ Plötzlich sah Lorcan auf und sah sie total entsetzt an. „Du hast recht!“, sprach er schockiert. „Wahrscheinlich ist Scorpius ein Spion-!“ „ Sag ich doch die ganze Zeit!“ „-er will an unsere geheime Fluchbibel, sie stehlen und die Weltherrschaft an sich reißen. Abgesehen davon, wir haben ja nicht mal eine Bibel.“ Lorcan rollte mit den Augen und tippte sich gegen die Stirn, seine Panik war weg und Dominique begriff, dass er sie auf den Arm genommen hatte. Also schlug sie ihn. „Aua.“ Die Weasley wendete sich an Frankie, dessen Gesicht mittlerweile putenrot angelaufen war. Schlussendlich stieß er heiße Luft aus und legte den Zauberstab nieder. „Lorcan hat Recht, hör auf, dir über Scorpius Sorgen zu machen.“ „Du nennst ihn schon Scorpius?“ Die beiden Jungen warfen sich einen Blick zu. Dann sprach Frankie: „Er ist einsam, deshalb hat Professor Finnigan ihn für unseren Buchclub vorgeschlagen. Außer Rose und den kleinen Hayes hat er niemanden. Außerdem sagt Fred, dass er in Ordnung ist.“ Dominique hob beide Augenbrauen. „Und auf Fred's Urteil verlassen wir uns natürlich.“ Ihre Stimme tropfte nur so vor Ironie. Lorcan blätterte eine Seite im Buch um, dann seufzte er und erklärte: „Frankie und ich vermuten, dass Scorpius von der Soggetto angeworben wurde und er bald seine Prüfung hat. Denn er hat uns gestern gefragt, ob wir etwas darüber wüssten und er sah nicht so aus, als hätte er auch nur irgendeine Ahnung, was da auf ihn zukommen wird.“ Dominique machte den Mund auf und schloss ihn wieder. Dies nutzte Frankie um seinen Gedanken Ausdruck zu verleihen: „Bei Lorcan war es recht egal, aber bei Scorpius wird es anders sein. Die Soggetto setzt voraus, dass er als Malfoy die Prüfung besteht und ganz ehrlich? Nach allem, was wir gestern von ihm zu sehen bekamen, ist er alles andere als jemand, der so eine Prüfung durchziehen würde. Er ist höflich, freundlich, fast schon schüchtern und passt vorzüglich in das Haus Hufflepuff.“ „Anders als du“, warf Lorcan ein und sah Dominique direkt an und Frankie fuhr fort: „Scorpius ist überhaupt nicht der Typ, der auch nur ein bisschen Slytherin ist, oder gar jemanden schaden würde. Er hat mehr Angst vor dieser Geheimnistuerei, als das er sie genießen würde.“ Dominique lehnte sich zurück, denn an den Worten ihres Freundes schien etwas dran zu sein. Ein stotterndes Kerlchen passte nicht in diesen ominösen Kreis. „So eine Prüfung ist schon schwer und wenn man sie nicht besteht, dann bricht die Hölle auf Erden für einen los“, sprach Lorcan. „Das einzig Gute ist, dass man ganz zu Beginn ablehnen kann, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass Scorpius das machen wird.“ Dominique runzelte die Stirn. „Wieso nicht?“ Es war Frank der antwortete: „Wegen seinem Bruder und der Familienehre.“ Weiter erklärte er sich nicht und Dominique wurde bewusst, dass es dunkel für den kleinen Malfoy aussah. Er wäre besser dran, wenn er sich von der Soggetto fern halten würde. „Mr Longbottom, Miss Weasley und Mr Scamander, Sie sollen arbeiten, nicht quatschen“, wies Professor Flickwick sie zurecht und sie zogen zu dritt den Kopf ein, als er ihren Lauschzauber zerstörte. Obwohl er den Kopf schüttelte, sahen sie keine Verärgerung in seinem Gesicht. Das er ihnen zudem keine Punkte abzog, erleichterte sie alle drei. Erst als sich der Professor abwandte, beugte sich Lorcan vor und sprach leise: „Wir sollten ein bisschen auf Scorpius aufpassen. Ihn nicht unbedingt in dunklen Ecken allein lassen und so.“ „Und wie stellst du dir das vor?“, fauchte Dominique, „Sollen wir ihn den ganzen Tag beschatten?“ „Nein“, warf Frank ein. „Ich kenne jemanden, der könnte uns was geben, was uns eventuell helfen würde.“ Sie dachten alle an einen rothaarigen Weasley, der die Tendenz zum experimentieren hatte. Etwa vier Reihen vor ihnen saß der Ahnungslos und kaum, dass es klingelte, schnappten sie sich ihn. Fred fühlte sich regelrecht überfallen, als drei Leute ihn einkreisten. „Jetzt Mal langsam mit den wilden Hippogreifen, ihr wollt etwas von mir, damit man jemanden beschatten kann?“ Dominique nickte heftig und ihr Cousin sah sie an, als hätte sie nicht mehr alle Besen im Schrank. „Sehe ich aus, wie ein Special-Auror Rang A7? Das einzige, was mir einfallen würde wäre die Karte des Rumtreibers.“ Lorcan war irritiert und Dominique erklärte: „Das ist eine Karte, die Hogwarts abgebildet hat und auf der man genau sieht, wer sich an welchem Ort aufhält. Sie wurde von James Potter, Sirius Black, Remus Lupin und Peter Pettigrew geschrieben. Onkel Ron hat erzählt, dass sie sich schon seit Jahren im Besitz von Onkel Harry befindet.“ - „Und der wird sie auch nicht rausrücken“, warf Fred ein. „Letztes Jahr, als James nach dem Tarnumhang gefragt hat, weil es unheimlich erleichtern würde, Hogwarts bei Nacht zu erforschen, hat er sich ein eiskaltes 'Nein' abgeholt, plus das Versprechen, dass er den Tarnumhang erst sehen wird, wenn er seinen Schulabschluss gemacht hat.“ Frankie nickte gleichgültig. Das konnte er sogar irgendwie verstehen, denn James Sirius Potter war alles andere als ein Vorbildskerlchen. Immerhin war er alleine in diesem Schuljahr schon zweimal zum Nachsitzen angetreten. „Sieht so aus, als müssten wir uns etwas anderes einfallen lassen“, sprach Frankie in die Runde und ignorierte dabei den Einwurf Fred's: „Könnte mir einmal jemand erklären, was hier los ist?“ Stattdessen tauschten Dominique, Lorcan und er einen Blick aus, so, wie sie es immer taten, wenn sie ausnahmsweise einmal alle einer Meinung waren. - - - Enttäuscht und wütend auf seine Cousine Roxanne schleppte Albus an einem Dienstag Abend seinen Besen hinter sich her. Er hatte versucht bei den Auswahlspielen für Gryffindor mitzumachen, aber Roxanne hatte ihn mit harschen Worten des Feldes verwiesen, da es Erstklässlern nicht zustand, sich zu bewerben. Mit deutlichen Missmut erinnerte sich Albus daran, dass sein Vater durchaus als Erstklässler geflogen war. Welch eine Ungerechtigkeit. Sein Besen wurde lieblos die Treppen hochgezogen und er versuchte den übergroße Gräm in seinem Magen zu ersticken. Wieder einmal durfte James etwas machen, was er nicht durfte. So war es immer, denn James war älter, größer und wahrscheinlich auch noch mehr mit Glück von Merlin bepudert worden. Welch eine trollhafte Ungerechtigkeit! Mit den Ärmel putze sich Albus die Nase und stieß in der Eingangshalle fast mit Rose zusammen. Dieses Mal zog sie ausnahmsweise einmal nicht diesen Malfoy hinter sich her. Seit das Schuljahr angefangen hatte, sah er die beiden ständig zusammen und so ganz recht war es ihm nicht, schließlich wusste jeder in ihrer Familie, dass man einen Malfoy nicht trauen durfte. Außerdem war er in James' Begleitung schon häufig mit Abraxas Malfoy aneinander geraten. Es gab immer etwas, warum sie sich die Köpfe einschlugen und mittlerweile verstand Albus auch, warum sich sein Bruder von dieser Schlange so sehr reizen ließ. Mit einer widerlichen Arroganz terrorisierte dieser kleine Gryffindors und zauberte sie unter Schreien an die Decke. Einmal hatten sie ihn gerade noch aufhalten können, als er einen kleinen dicken Hufflepuff in eine Rüstung hexen wollte. Erschreckend viele Slytherins verhielten sich so. Dabei hatten viele Erstklässler noch nicht einmal eine Ahnung, wer sie da überhaupt an die Decke zauberte. Seine Tante Hermine war der Meinung, dass die Rivalität zwischen den Häusern früher einmal schlimmer gewesen war. Albus grunzte jedoch nur vor sich hin und konnte das kaum nachvollziehen. Slytherins waren einfach schrecklich, Hufflepuff feige und langweilig und Ravenclaws schreckliche Klugscheißer. Auch jetzt war er sich sicher, dass Rose auf dem Weg zur Bibliothek war, denn sie trug zwei Bücher unter den Arm mit sich. Albus schüttelte den Kopf und zog seinen Besen lieblos hinter sich her. Vielleicht würde Malcolm Doherty mit ihm eine Runde Zauberschach spielen. Sein Onkel Ron fehlte ihm mehr, als sein eigener Vater. Dies lag zum großen Teil daran, dass Albus früher jeden Samstag zu seinem Onkel gezischt war und sie zusammen am Fenster stundenlang eine Schlacht der besonderen Art geschlagen hatten. Sein Onkel Ron war genial und die Stunden mit ihm waren sogar noch toller, als die Abende, an denen dieser von den großen Abenteuern erzählte. So in Gedanken vertieft bemerkte Albus nicht, wie ihm jemand folgte. Er achtete nicht auf seine Umgebung und als es zu spät war, wurde er überrumpelt. Ein Zauber traf ihn im Rücken, seine Hand ließ den Besen fallen, die Augen wurden merkwürdig schwer und noch bevor er erschrocken nach Luft geschnappt hatte, knipste jemand das Licht aus und alles war dunkel. Der Überfall war leise, unauffällig und so schnell vonstatten gegangen, dass er sich der Aufmerksamkeit der Umwelt entzog. Noch nicht einmal ein Porträtbewohner bemerkte etwas. Die Spur von Albus verlor sich nach der Begegnung mit Rose. . . . In der Bibliothek knallte Rose etwa eine halbe Stunde später einen ganzen Stapel Bücher direkt neben Scorpius auf den Tisch. Er zuckte zusammen und hätte mit der Feder beinahe einen langen Strich über den gesamten Aufsatz gezogen, so als wollte er alles Geschriebene streichen. Quinn, der seinen Kopf auf die Tischplatte gelegt hatte und ein bisschen döste, schreckte direkt auf. „Man, Rose, was hast du bitte zu dir genommen, dass du hier einen Lärm machst, wie eine Dampfwalze?“ „Wir sind hier um Hausaufgaben zu machen und nicht, damit du sie hinterher bequem von Scorpius abschreiben kannst. Denke zur Abwechslung einmal selbst“, erwiderte Rose schnippisch und ganz so, wie sie es beabsichtigt hatte, packte Quinn beleidigt seine Sachen und sprach an Scorpius gewandt: „Ich warte im Gemeinschaftsraum auf dich, wenn du dich in der Streberfreien Zone befindest.“ Scorpius grinste und sah seinem Freund hinterher. An sich verstanden sich Quinn und Rose oberflächlich betrachtet ganz gut, aber wenn sie längere Zeit aufeinander saßen, dann tendierten sie dazu, sich zu streiten und Beleidigungen auszutauschen. Erfreut über die Ruhe ließ Rose sich auf Quinn's freien Platz nieder und schlug ein Buch für Kräuterkunde auf. „Und lass ihn später bloß nicht abschreiben“, sprach sie und warf ihm dabei einen mahnenden Blick zu. „Sonst wird er nie lernen pünktlich mit Hausaufgaben anzufangen.“ Scorpius seufzte: „Aber du solltest mal seine Aufsätze sehen, dass ist pure Folter, selbst Professor Slughorn würde ich so etwas nicht antun.“ „Trotzdem“, hielt Rose dagegen. „Sonst lernt er nie etwas.“ Er zuckte mit den Schultern und widmete sich wieder seinem Aufsatz. Rose war wirklich eine Streberin und das in sämtlichen Fächern. Sie musste ein Ohnegleich unter ihren Hausaufgaben stehen haben, sonst war sie den gesamten Tag über deprimiert. Über sie legte sich eine Stille, die aussagte, dass sie stumm für sich arbeiteten. Scorpius mochte genau diese Stille gerne, denn dann hörte er nur das Kratzen der Feder und konnte sich ganz auf die Unterlagen konzentrieren, die vor ihm lagen. Heute allerdings fiel ihm dies schwer, denn Reeva hatte ihm mitgeteilt, das der Buchclub vor hatte, bei seinem nächsten Treffen ein paar praktische Zauber auszuprobieren. Welche wusste er nicht und das steigerte seine Vorfreude. Der Buchclub, der ja eigentlich keiner war, machte ihn ziemlich glücklich, weil die Mitglieder ihn auch außerhalb der Treffen aufsuchten. Reeva Mitfords wirkte etwas schüchtern, aber wenn sie etwas sagte, dann ertappte sich Scorpius häufig dabei, wie er genau darüber nachdachte. Dominique Weasley machte ihm etwas Angst. Ihr Temperament und ihr Mundwerk waren ziemlich furchteinflößend. Aber wahrscheinlich hatten das die meisten Weasleys einfach an sich. Frankie Longbottom war jemand, den Scorpius anfing zu bewundern. Er war außerordentlich klug und es störte ihn nicht, dass andere sich über ihn lustig machten. Ihn schubsten und seine Brille klauten, obwohl sie wussten, dass er stark kurzsichtig war. Der Ravenclaw war die Ruhe selbst und ließ sich nicht provozieren. Eben so ruhig schien Lorcan Scamander zu sein. Zwar beobachtete Scorpius häufig, dass dieser nicht ganz so gelassen war, wie Frankie, aber er symbolisierte eher einen Denker, statt einen Schäger. Außerdem hatte er sich ganz schön Respekt verschafft, als er letzten Donnerstag der einzige Zweiklässler war, der in die Hausmannschaft von Ravenclaw aufgenommen wurde. Viele tratschten darüber, dass er unheimlich toll flog. Die Truppe war bunt und wie er da hinein passte, wusste er nicht, aber Fakt war: Er fühlt sich wohl. Rose hatte bislang noch keine Fragen gestellt über diesen Buchclub. Wahrscheinlich war sie einfach zu beschäftigt dafür und Quinn interessierten Bücher eher weniger. „Malfoy.“ Scorpius drehte sich um und erkannte Carl Griffith, einen Slytherin, dessen Vorderzähne stark hervor standen und der erstaunlich starke Ähnlichkeit mit einem Wiesel zu haben schien. Dessen Miene wirkte ausdruckslos und Scorpius sprach höflich: „Ja, was gibt es?“ Der Slytherin trat an den Tisch und musterte ihn knapp. Rose ignorierte er vollständig. „Ich bin hier um dich abzuholen.“ Mit einem mal wurde Scorpius eiskalt und er dachte an diese Soggetto. Am liebsten hätte er direkt gefragt, was auf ihn zu kommen würde, oder wofür Griffith ihn abholen wollte, aber er war sich sicher, dass er an Ort und Stelle keine Antwort bekommen würde. Hastig packte er ein paar Sachen zusammen und schob Rose zwei Bücher zu. „Kannst du die für mich wieder wegräumen?“ Diese nickte und er bedankte sich. Dabei bemerkte er, dass sie Griffith skeptisch musterte. Scorpius folgte dem Älteren und spürte dabei, dass sein Herz heftig schlug. Nun würde sie also kommen, die Prüfung. Sie verließen die Bücherei und schritten durch dunkle Korridore. Innerlich wusste Scorpius nicht, ob er aufgeregt sein sollte, oder ob dieses Nervenflattern Angst bedeutete. Sein Bruder hatte gemeint, die Prüfung sei wichtig, also musste er sie bestehen. Und wenn schon Leute vor ihm diese bestanden hatten, dann sollte es doch auf für ihn möglich sein, oder? Stumm sprach er sich selbst Mut zu. Er würde das schon schaffen, denn wenn es wichtig war, dann hatte es oberste Priorität und seinen Bruder wollte er nun wirklich nicht enttäuschen. Gerade, als Scorpius sich fragte, wohin sie gingen, stieß Griffith eine Tür nach draußen auf. Kalte Luft schlug ihnen entgegen und gleichzeitig hörte Scorpius auf zu atmen. Während er den ersten Schritt in die Dunkelheit machte, beschlich ihn eine böse Vorahnung. tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)