Evenfall von 4FIVE ([Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]) ================================================================================ Kapitel 27: Heroes ------------------   . .     Tsunade starrte auf das Schauspiel vor ihr. Die reinkarnierten Jinchūriki hatten mit einem Mal an Kraft verloren, was es leicht gemacht hatte, sie binnen eines Satzes zu erledigen. Jiraiya hatte nicht einmal Gamabuntas Hilfe angefordert, sondern die Kröte gleich wieder zurück in deren Reich geschickt, wo sie weniger Platz wegnahm. Platz, der nun sowieso wieder en maß zur Verfügung stand. Narutos Kräfte waren unglaublich. Noch nie hatte Tsunade etwas Derartiges gesehen und sie war sich sicher, dass sie etwas Derartiges auch nie wieder sehen würde: Uzumaki Naruto stürmte, umgeben von einer gewaltigen Chakraaura, die wie die orangerote Silhouette Kuramas aussah, wenige Schritte vor B, dessen Körper eine ähnliche Form bloß in einem kühlen Eisblau umgab, auf die durch die Vernichtung ihrer Jinchūriki geschwächten Bijū zu. Inmitten der riesiegen Aura war der Shinobi kaum zu erkennen. Tsunade musste ihre Augen zusammenkneifen, um sehen zu können, wie Naruto – sein Körper war immer noch meterweit von den Bijū entfernt – seine Faust zum vernichtenden Schlag hob. Die Kurama-Form tat es ihm gleich. In perfekter Synchronität schlugen sie zusammen mit B und Gyūki auf ihre Gegner ein. Tiefes, tosendes Johlen laut wie Donner folgte einem schrillen Aufschrei. »Was zum Teufel tut der Junge da?!«, brüllte sie gegen die Chakrawirbel, die von den heftigen Attacken der Jinchūriki nach hinten wehten und ihrer Haut feine Risse zufügte. »Jiraiya! Er bringt sich um!« »Tut er nicht!«, entgegnete der Sannin zufrieden. Stolz schwang in seiner Stimme mit und sie wusste, was er getan hatte. Ob er es geplant hatte oder nicht blieb fraglich. In mittlerer Ferne sah sie Naruto, der mit mehr Händen als er haben dürfte in präziser Abfolge Fingerzeichen formte. Sie hatte diese Kombination zuvor nur auf dem Papier gesehen. »Wie ist das möglich?!« Jiraiya lehnte sich gegen die neue Druckwelle. Mit dem Ärmel seines erhobenen Arms schützte er seine Augen vor dem herumwirbelnden Dreck; darunter zeichnete sich begeistertes Grinsen ab. »Ich habe keine Ahnung!«, rief er in Ekstase verfallen. »Ich gab ihnen die Technik, um sie als Team zu stärken … wer hätte gedacht, dass er dazu imstande ist eine Jutsu auszuführen, die normalerweise mindestens drei Parteien braucht? Das ist der helle Wahnsinn!« Tsunade erkannte durch den umherfliegenden Staub, Dreck und durch die dunkle Landschaft nicht genau, was Narutos Technik bewirkte – eine Technik, die er unmöglich meistern können dürfte – und sie würde es nie erfahren, denn selbst Jahre später schwieg er darüber in der festen Behauptung, sich nicht erinnern zu können. Was sie sah, waren die Auswirkungen und sie war sich sicher, dass selbst wenn Jiraiya, Itachi und sie in Kombination diese Technik unter allem möglichen Chakraaufwand vollführt hätten, sie niemals so stark geworden wäre. Der gleißend helle Lichtblitz rief tiefes Tosen hervor, erblindete alle Umstehenden und weiter Entfernten für ein Augenblinzeln. Ihm folgten einen Herzschlag andauernde, unerträgliche Hitze sowie etwas, das aussah wie grünlich-blaue Blitze, die die Luft in schwach elektrischer Ladung verbleiben ließ. Tsunade spürte das Knistern auf ihrer Haut, während Naruto und B im Toben der Jutsu ihren finalen Schlag ausführten. Ebenso schwer wie die Bijū auferstanden waren, sanken sie formlos in sich zusammen. Jede halbe Minute einen Zentimeter weiter, während die Erde unter ihnen erzitterte. Tsunade war wegen ihres langen Komas immer noch wackelig auf den Beinen, der Kraftaufwand für ihren kurzen Kampf gegen sieben tote Jinchūriki war ihrer Genesung auch nicht gerade förderlich, dennoch lehnte sie Jiraiyas stützende Hand kategorisch ab. Sie hatte keine Zeit für Schwäche. Vor den niedergehenden Bijū fiel Naruto aus beachtlicher Höhe krachend  zu Boden. Die Aura um ihn hatte sich gänzlich aufgelöst, zurück blieb sein lädierter Körper. Unter Husten protestierte er schwach gegen Tsunades Heilung. »Es geht schon … Obāchan …«, nuschelte er, verlor jedoch kurz darauf sein Bewusstsein. Tsunade versorgte notdürftig die schweren Verbrennungen seiner Haut, die durch das nach außen gedrungene Kyūbichakra zustande gekommen waren, ehe Jiraiya sie auf die Beine zog. »Es bringt nichts, schon vergessen, Tsunade?«, belehrte er sie. »Wunden, die durch Kyūbis Chakra entstehen, heilen von selbst am schnellsten. Spare deine Kräfte lieber.« Sie antwortete nicht. In Gedanken rechnete sie nach; dass alle durch Edo Tensei und seine damit einhergehende weiterführende Jutsus erschaffenen 'Lebens'formen an Kraft verloren hatten, konnte nur bedeuten, dass Kabuto erledigt war. Tobi war längst verschwunden nachdem er gemerkt hatte, wie aussichtslos die Lage für ihn war und der Rest von Akatsuki war ihres Wissens nach gestern und heute gefallen. Ein schmales Lächeln zuckte über ihre Lippen. »Wir haben gewonnen«, stellte Tsunade fest. Sie befreite sich aus Jiraiyas Griff und ging langsam nach vorne. »Wo willst du hin?« Ihr zweites Lächeln währte länger. Die Gewissheit griff langsam. »Zu Mei und Onoki, um ihnen genau das klarzumachen: wir haben gewonnen.« . . Fünf – fünf – von den Dingern und Sabaku no Temari wusste ganz genau, wo ihr Fächer lag: dort hinten, ganz weit außerhalb ihrer Reichweite. Sie sah die halbe Kleinarmee an grünen Menschenpflanzenreplikationen auf sich zu rasen, schnell und immer schneller werdend. Sprach man normalerweise in solchen Fällen nicht sein letztes Gebet? Ihr fiel keines ein, außer – »Shikamaru!« Er war vor sie gesprungen, die Arme ausgebreitet, in einer Hand ein Kunai, die andere formte zum Angriff bereit ein Fingerzeichen. Temari konnte nicht einmal schreien, so tief saß der Schock. Ein Knall, ein Beben, ein Schrei aus dem Hintergrund, eine Explosion. Die fünf Zetsuklone stolperten und fielen zu Boden. Noch bevor sie aufkamen, waren sie zu klebriger Masse zerflossen. Dann war alles still. Temari spürte ihr Herz bis in ihren Hals hinauf schlagen. Bum. Bum. Bum. An der Art, wie Shikamaru seine Schultern angespannt hielt, konnte sie sehen, dass er in demselben Schockzustand war wie sie: hervorgerufen durch Irritation und Unglauben. Erst nach und nach realisierten sie, was geschehen sein musste. Er sagte kein Wort, half ihr bloß schweigend auf und führte sie zu ihrem Fächer, an dem sie nichtmenschlichen Halt fand, den ihr Stolz tolerieren konnte. Immerhin konnte sie so gut wie alleine stehen. Das reichte ihr vorerst. »Sie sind verschwunden!«, rief Hyūga Hanabi endlich. Sie war die erste, die es wahrhaben wollte. Tenten war neben ihr auf die Knie gefallen, perplex von dem plötzlichen Ende. Dort wo sie standen zitterte der Boden nur schwach und die Bijū waren in weiter Ferne, dennoch konnte man deutlich sehen, wie sie besiegt in sich zusammen schrumpften. »Bloß wieso?« Temari wog die wahrscheinlichste Erklärungsmöglichkeit gegen alle Alternativen ab. Shikamaru zuckte die Schulter. »Ich weiß es nicht, aber …« »Ja«, komplettierte sie, »Diese Theorie würde mir auch gefallen.« Sie spürte, wie ihre Beine wieder schwach wurden – aus irgendeinem Grund hatten ihre Gegner es vornehmlich auf diese abgesehen gehabt. Sie drohte zu fallen, wurde jedoch von Shikamaru einarmig aufgefangen. Sein Gesicht sprach genervte Bände, nichtsdestoweniger beschwerte er sich nicht. »Du bist schwer.« Naja, fast nicht. »Du bist einfach schwach«, fauchte sie und machte sich trotz ihrer protestierenden Glieder von ihm los, ehe Kankurō Shikamaru dafür verprügeln konnte, dass er seiner Schwester zuleibe gerückt war. Selbst wenn ihr Bruder schwer damit beschäftigt war, seinen Gegner zu verprügeln – wohlgemerkt der letzte in diesem Bereich der Schlucht – würde er den strengen Vater spielen wollen. Temari konnte sich nicht erinnern, seit wann sie wie jemand aussah, der beschützt werden musste. Vor allem vor Nara Shikamaru. »Dafür gewinne ich im Shogi. Allein mein Gehirn wiegt so viel wie dein Körper.« »Verwechsle deinen Dickschädel nicht mit Intelligenz«, feixte sie unbeeindruckt von seiner Attacke gegen ihre durchschnittlichen Shogikünste. »Kami, könnt ihr einem vielleicht auf die Nerven gehen«, mischte Ino sich vom Rand des geklärten Rings aus ein. Irgendwo hatte sie Sai aufgegabelt, der vor wenigen Minuten in ihren Armen zusammengebrochen war, gleich nachdem er etwas von »Sa … ra« und »Hilfe auf Pla …« gemurmelt hatte. Von wo er gekommen war und was das zu bedeuten gehabt hatte, wusste niemand, Ino jedoch hätte sowieso keine Zeit gehabt, seinen spärlichen Hinweisen nachzugehen. Sie kniete nach wie vor neben ihm und versuchte ihr Möglichstes, um ihn wieder in den aktiven Bewusstseinszustand zurückzuholen, damit er sich erklären konnte. »Du!« Shikamaru deutete anklagend mit dem Finger auf sie. »Hörst du mir eigentlich jemals zu? Es ist verboten, jemanden auf dem Schlachtfeld zu heilen!« »Dir zuhören und auf dich hören sind zwei unterschiedliche Dinge. Außerdem ist es vorbei, hast du das noch nicht bemerkt? In unserem Bereich ist niemand mehr, wo also liegt dein Problem, Shikamaru?« »Mein Problem liegt nirgendwo, es sitzt dort vorne und missachtet meine Befehle!« Ino sah sich unschuldig um, konnte aber niemanden entdecken, auf den die Beschreibung ihrer Meinung nach zutraf. »Du halluzinierst.« Temari verdrehte die Augen und bewegte sich samt ihrem Fächer, den sie kurzerhand als Stützstock missbrauchte, nach vorne, wo Kankurō mittlerweile aufgeräumt hatte. Beinahe schon selig packte er seine Marionette zusammen; die Sirenen waren noch nicht ertönt, aber Temari wusste, dass sie gewonnen hatten. Sie sah erleichtert in den dunklen Himmel, der sich langsam wieder klärte. Hinter ihr ging Shikamarus und Inos nichtiger Streit mittlerweile auf ein persönliches Level über. Sie schüttelte den Kopf. »Aber er und ich nerven, ja? Ich erkenne eindeutig Shikamaru-san als gemeinsamen Nenner.« »Ich bringe ihn um«, schlug Kankurō schlicht vor, weniger als Scherz gemeint als es geklungen hatte. Temari winkte seinen Satz nonchalant ab. »Morgen, wenn wir geduscht sind, ja?« Es war ihr egal, wie schwach und erschöpft und elend sie dabei aussah, sie ließ sich zu Boden sinken und legte sich hin, den Blick erneut hoch in den Himmel schickend. Zum ersten Mal seit Monaten waren die Falten nicht mehr auf der Stirn von Sorge geprägt, sondern um ihre Mundwinkel vor Freude. Sie lachte. Seit so langer Zeit empfand sie Freude. Kankurō hockte sich neben sie, nahm ihre Hand und zog sie wieder in eine sitzende Position. »Eine starke Kunoichi liegt nach einem Sieg nicht herum.« »Er hat recht, Temari«, stimmte Shikamaru zu. Er hatte seinen Disput mit Ino beendet, besser gesagt ignorierte er ihre auf ihn abzielenden Flüche mittlerweile einfach. Ungefragt setzte er sich neben sie. Temari brummte missmutig. »Wann habe ich dir jemals die Erlaubnis gegeben, das Suffix hinter meinem Namen zu streichen, Shikamaru?« Er antwortete nicht, sondern beobachtete die sich auflösenden Wolken. Bald schon würde der Himmel wieder klar und heiter sein. Temari langte nach seiner Hand, lenkte sie jedoch schnell wieder ab und schlug ihm stattdessen gegen die Schulter. Der unverhoffte Schlag brachte ihn kurz aus dem Gleichgewicht, bevor er seine Balance wieder fand. »Wofür war das denn, Temari-sama?« Sie zischte gespielt abfällig. »Dafür, dass du ein Blödmann bist. In wirklich jeder Hinsicht.« »Dann musst du noch viel blöder sein, weil du diesen Blödmann nicht im Shogi schlagen kannst –« »Halt einfach deine Klappe.« »Dann gib mir keinen Zündstoff.« »Ich geb dir gleich –« Temaris Drohung verhallte unausgesprochen. Die Zeit würde kommen, da würde er seine Retourkutsche schon bekommen. Nun, da bald alles wieder seine gewohnten Bahnen gehen konnte, hatte sie genügend Zeit, sich ihre Vergeltung auszudenken. Sie lächelte verheißungsvoll. »Rache wird am besten kalt serviert.« »Auch das noch …« . . Terumī Mei fiel auf die Knie, was sie immer noch größer bleiben ließ als den ungläubigen Tsuchikage neben ihr. Er starrte entgeistert ins Nichts, während die Mizukage sich so hart auf die Lippen biss, dass Blut aus ihnen trat. Ihre Faust traf lautlos auf dem Erdboden auf, Tränen der Verbitterung folgten. »Die Kapitulation«, stieß sie widerwillig aus zusammengepressten Zähnen hervor. »Die Kapitulation … ist ... rechtskräftig. Mizu no Kuni ergibt sich und … erkennt seine Niederlage … mit allen Konsequenzen … kompromisslos an.« »Ich hatte nichts anderes erwartet.« Tsunade gab einem provisorisch zusammengesuchten ANBU Team den stummen Befehl zum Abführen der Vertragsbrecherin. »Was ist mit dir, Onoki?«, fauchte sie so respektlos wie möglich. Selbst wenn sie ihn vor ihren Vertrauten immer beim Vornamen nannte, hatte sie ihn offiziell immer höflich mit 'Tsuchikage-sama' adressiert. Ab heute war er dieses Privileg los. Sollte sie auch nur irgendein Mitspracherecht beim Ausmaß seiner Strafe haben, würde sie darauf bestehen, ihm seinen Titel abzuerkennen. Ein so törichter, machtbesessener seniler Mann war viel zu lange Kage eines mächtigen Dorfes gewesen. »Tsuchi no Kuni …« »Ja?«, drängte sie ungeduldig. »… ergibt sich bedingungslos.« Tsunade nickte zufrieden. »Abführen«, lautete ihr letztes Wort, das sie bis zu dem Tag, an dem er sich vor Gericht für seine Verbrechen verantworten musste, an ihn richtete. Im Hintergrund ertönte endlich das Horn, das den Sieg der Alliierten Shinobimächte verkündete. Suna, Kumo und Konoha. Sie hatten gewonnen. Mei und Onoki würden vorerst in Gewahrsam verbleiben, bis man über ihr Schicksal entschieden hatte. Es lag in der Hand der Siegermächte, die Strafe zu bemessen. Sie würde schon gerecht ausfallen. Vielleicht. . . Der Himmel war strahlendblau. Es wurde wärmer, der Wind ließ nach. Das Wetter war heiter geworden, schlagartig, von einer Sekunde auf die andere. Der Kampf war vorbei. Von der letzten Minute auf diese hatte sich alles geändert. Nur das eine nicht: dass Itachi regungslos unter ihr lag und sie nicht einmal schalt, weil sie ihren Emotionen freien Lauf ließ. Sakura schrie. Sie hörte ihren Schrei, der gedämpft von seiner Brust an ihre Ohren drang. Spürte ihre Hände, die unter all dem Druck, den sie gegen den Stoff seiner Uniform ausübte, in einen Krampf verfallen waren. Wie ironisch, dass sie gerade noch so viel Energie übrig hatte, um sich ihrem Schmerz hinzugeben. Verglichen mit dem seelischen Leiden war ihr körperliches kaum der Rede wert. Irgendwo kroch die Erschöpfung über sie, wollte sie einhüllen in einen Mantel der Empfindungslosigkeit, weil sie es nicht ertragen konnte, Itachi tot zu wissen. Hätte sie einen Wunsch frei gehabt, nur einen und für immer nur diesen einen, sie hätte sich gewünscht, Tsunades Sōzō Saisei zu beherrschen. Seit Jahren trainierte sie dafür, doch ihre Shishō hatte bis jetzt nicht erlaubt, ihr diese geheime Technik anzuvertrauen. Wie sehr sie Tsunade gerade dafür hasse. Das Wissen zu haben, theoretisch über eine Technik verfügen können zu haben, die einen geliebten Menschen – den geliebten Menschen – hätte retten können, war so sehr von Konjunktiven durchzogen, dass es in Sakuras Brust zog. Ihr Herz fühlte sich an, als zerspringe es auf der Stelle. Der Adrenalinstoß war das einzige, was sie noch bei Bewusstsein hielt. Wieso war sie nicht gestorben? Man konnte an Erschöpfung sterben, wenn man das Leben aufgab. Statt in einen erlösenden Schlaf zu sinken, wie sie es sich gewünscht hatte, weinte sie. Weinte immer weiter, bis sie nicht mehr konnte. Ihr Hals war rau, ihre Augen brannten, ihre Kehle angeschwollen und ihre Lippen blutig gebissen von dem verzweifelten Versuch, den unkontrollierten Heulkrampf und die spontane Wutattacken gegen alle Kami und die Welt zu ersticken. Jemand legte seine Hand auf ihre Schulter, federleicht und schwach – Sasuke. Er stand über ihr, die Augen schwarz gleichsam wie ausdruckslos mit einer Mischung aus Anklage und Unglaube auf sie niedergeschlagen. Sie schaffte es nur für wenige Sekunden, den Blick zu halten, dann verschleierten ihr die neuen Tränen ihre ohnehin schon trübe Sicht. »Itachi …«, sagte er lautlos in die Luft hinein. Sie schien dünn geworden zu sein, kaum zu atmen ohne Gefahr zu laufen zu ersticken, oder war es Sakuras Kehle, die sich immer weiter zuschnürte? Sie brach erneut über Sasukes Bruder – dem Klanerben, dem Eliteshinobi, dem Ausnahmetalent, dem Mann, den sie liebte – zusammen. Mit der Zeit versiegten ihre Tränen vor Erschöpfung und weil sie einfach keinen Sinn mehr darin sah. Weinen, was würde es ändern? Wenn sie noch ein wenig länger durchhielt, vielleicht würde dann alles von alleine aufhören. Sakura schüttelte den Kopf an Itachis Brust. So naiv war nicht einmal sie. »Kannst du gar nichts tun, Sakura?«, fragte Sasuke ohne Hoffnung auf Bejahung. Sakura wusste, dass er nie sonderlich viel auf ihre Fähigkeiten als Iryōnin gegeben hatte, weil in Sasukes Augen nur kämpfende Ninjas gute Ninjas waren. Ebenso wusste sie, wie sehr er sich jetzt wünschte, diese stets von ihm belächelten Heilkräfte seien allmächtig. Seine Erkenntnis spendete kaum Trost, stattdessen trieb sie sie weiter in diese eine Frage: wieso konnte sie in diesem Krieg niemanden retten? Sie war nutzlos, schwach, ihre Fähigkeiten gegenstandslos im Angesicht der ernstesten Situation. Nicht einmal das Märtyrer-Spielen konnte sie richtig machen. Erneut legte sich Sasukes Hand auf sie, diesmal auf ihr Haar. Er wollte ihr Trost spenden, obwohl er selbst den größten Schmerz verspürte. Es war etwas, das sie ihm für alle Zeit immer höher anrechnen würde als jeden anderen Dienst, den er ihr jemals würde erweisen können. Getrieben von diesem Trost, der keiner war, bildete sie sich unter ihr einen Herzschlag ein, der trügerisch echt wirkte. Ba-dum]. Sakura versuchte die Hand mit Kopfschütteln von sich zu schubsen, doch Sasuke war hartnäckig. Wie gerne würde sie ihn von seinen Füßen reißen, bloß um ihm zu zeigen, wie wahr diese Situation hier war! Er schien es immer noch nicht zu verstehen, denn er begann seelenruhig und zittrig über ihr Haar hinab zu ihrer Schulter zu streichen. Die Erkenntnis dämmerte nur langsam: Sasuke stand links von ihr. Sie wusste, wie er aussah, darum wusste sie auch, dass er nicht jene anatomischen Abstrusitäten aufweisen konnte, die es verlangte, um sie von seiner Position aus in einer derartigen Bewegungslinie zu trösten. Dann der Herzschlag – Ba-dum – sie konnte sich die feine Muskelbewegung, die sie an ihrer Wange spürte, doch nicht einbilden. Während ihre Gedanken rasten, schlug ihr eigenes Herz schneller. Ihre Kehlte schnürte sich komplett zu, sodass sie unter akutem Luftmangel nach Luft japsen musste. Als sie sich aufrichtete, um atmen zu können, rutschte die Hand von ihrer Schulter, streifte ihre Wange und fiel schwach von ihr. Im letzten Moment fing Sakura sie am Handgelenk auf, fassungslos in das zugehörige Gesicht starrend. Es sah toter aus als das einer Leiche und doch … »Unbe –« Röchel. »– herrscht wie –« Hust. »– immer, Sakura.« Sakura ließ in ihrer Perplexität Itachis Hand samt Arm fallen. Das war … er war … sie hatte gesehen … und doch … sie konnte nur an eines denken – »Du dämliches Arschloch!«, kreischte sie aus heiserer Kehle und warf sich erneut auf Itachi, der sich eben versucht hatte aufzurichten. Sie umschlang seinen Hals, während immer neue Tränen ihren Weg nach draußen fanden. Ihr Schluchzen über seinen Tod war nichts im Vergleich zu jenem über seine Lebendigkeit. Sie spürte ihn unter ihrer Umarmung leise lachen. Irgendwo am Rand ihrer Aufmerksamkeit bemerkte sie, wie Itachi seinem zu Stein erstarrten Bruder eine Art Zeichen gab, das dieser schal nickend zur Kenntnis nahm. »Du mieser Scheißkerl«, fluchte sie weiter. Sie war sich sicher, dass sogar die Shinobi hinten im Basislager ihren Schrei gehört haben mussten. Tsunade färbte immer mehr auf sie ab, wie es schien. Zuerst mit ihrer Genialität in Sachen Heilkunst, danach in Taijutsu und zuletzt wohl auch charakterlich. Sakura hätte zu gerne dem Himmel gedankt, dass Itachi noch am Leben war, wäre ihr gerade sowas von nicht nach Demut zumute gewesen. »Mich in dem Glauben zu lassen, du seist tot!«, fauchte sie und schlug auf Itachis Brust. Er ächzte unter ihrer Schelte, die ihr noch nicht wirklich leid tat. »Sakura …« »Klappe!« Sie richtete sich auf, um sichergehen zu können, dass sie nicht komplett den Verstand verloren hatte. Es sollte bereits Fälle gegeben haben, in denen Menschen einer Posttraumatischen Belastungsstörung wegen Halluzinationen gehabt hatten. Der Mann unter ihr sah jedoch nicht aus wie eine Halluzination. Dafür war sein überlegener Gesichtsausdruck viel zu Uchiha. Unter ihren neuen Flüchen drangen immer mehr Tränen aus ihren Augen. »Uns so zu erschrecken, was denkst du dir, du Idiot? Mistkerl! Einfach so den Helden spielen!« Trotzdem Sakura liebend gerne weitergeschimpft hätte, weil sie so viel Glück nicht anders verarbeiten konnte, streifte sie unter Itachis entschuldigendem Blick ihre Handschuhe ab, um die schwerwiegendsten Wunden schnellstmöglich zu heilen. »Tut mir leid.« »Das ist das Beste, was du zu sagen hast? Idiot.« Itachi lachte. Obwohl es weh tun musste, verzog er keine Miene. »Gehen dir langsam die Schimpfwörter aus?« »Nicht im Geringsten. Ich bin noch nicht einmal ansatzweise fertig.« Er schüttelte tadelnd den Kopf, während sein Bruder ihm half, sich aufzusetzen. »Ich wusste, du würdest mich irgendwann übertreffen, Sasuke.« »Bitte«, murmelte Sasuke irgendwo zwischen betreten, stolz und verblüfft. »Ich konnte Madara nur ausschalten, weil seine Bewegungen durch deine Attacke gestoppt worden ist.« »Könntet ihr das später ausdiskutieren?«, empfahl Sakura. Der Adrenalinstoß hatte sie wieder hellwach gemacht, ihr scheinbar neue Chakraressourcen gegeben, sodass Itachis Heilung unter ihren geübten Händen schnell voranging. Sie kannte sein Chakrasystem inzwischen so gut, dass sie kaum suchen musste, um die zerstörten Stellen auszumachen. »Sakura hat recht. Wir werden zu Hause entscheiden, wem der Ruhm gebührt, Sasuke. Fürs Erste: gut gemacht, Otōto .« Nachdem Itachi Sasuke gedankt hatte – ein Handschlag war das absolute Höchstmaß an offen gezeigten Emotionen, zu dem die beiden Uchihas fähig waren, was Sakura stumm bekrittelte – legte er seine Finger an ihre Wange und sie revidierte. Sollten ruhig alle Uchihas der Welt ihre emotionale Seite verbergen; solange Itachi ihr die seine nicht verweigerte, sollte ihr alles recht sein. »Ich muss mich konzentrieren«, wehrte sie ab. Sie wusste nicht, wie sie so viel Freude auch nur ansatzweise fassen konnte, darum wollte sie nicht von ihrer Arbeit ablassen. Irgendwie konnte sie Itachis Fixation auf sein Training und seine Missionen damit besser verstehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wusste sie absolut nicht, was sie tun sollte. »Dein Körper hat wohl einfach ein paar Minuten gebraucht, um sich von dem plötzlichen Schock zu erholen und ich habe geweint, darum konnte ich den leisen Herzschlag nicht hören und –« »Sakura …« Der tadelnde Unterton, mit dem er ihren Namen sagte, lockte ihre Aufmerksamkeit von der Routineheilung auf ihren Patienten, der sie mit hochgezogener Augenbraue ansah. Sie hatte keine Ahnung, was er erwartete. Verlangte. Wissen wollte? Sie wusste ja noch nicht einmal, was sie selbst wollte! Itachi nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sie in eine Umarmung zog und küsste. Es war kein leidenschaftlicher Kuss oder gar ein fordernder, ebenso wenig wie unschuldig. Er war die einfache Bestätigung, dass er sie liebte. Mehr brauchte sie für den Moment nicht.  »Würdet ihr bitte kurz unterbrechen, damit die einzige medizinisch Versierte sich auch um andere Verletzte kümmern kann?«, unterbrach Sasuke die beiden genervt. Sakura rollte mit den Augen, ließ jedoch nicht von Itachi ab. »Hallooo? Nehmt euch ein Zimmer!« Erneutes Augenrollen, diesmal jedoch löste Sakura den Kuss auf, um Sasuke vorwurfsvoll anzufunkeln. »So schwer kannst du nicht verletzt sein, wenn du blöde Scherze machst.« Er wollte protestieren, zog es dann schlussendlich aber doch vor, nichts weiter zu erwidern. Egal was er gesagt hätte, nichts hätte Sakura in ihrem Glücksgefühl trüben können. Itachi lebte. Sie würde einige Stunden brauchen, um sich von dem Schock seines Todes bis hin zum unverhofften Schock seines Doch-nicht-Todes zu erholen. Bis dahin würde sie einfach seine Hand halten, um sich langsam wieder daran zu gewöhnen. . . Fünf Tage später fiel sie ihren Eltern überglücklich und weinend um den Hals. Wie auch jeder andere Zivilist hatten sich Mebuki und Kizashi vor den Toren Konohas versammelt, um die Heimkehrer zu empfangen. Während Sakura sich nicht einmal darüber brüskieren konnte, dass ihre Eltern viel zu überrascht über ihre faktische den Umständen entsprechende Unversehrtheit waren, wanderte Itachi an Sasukes und Shisuis Seite zu den restlichen Uchihas. Seit sie nach seinem Beinahe-Ableben ins Lager zurückgekommen waren, hatten sie einander nicht mehr angesehen. Sakura war nach ihrer eigenen Genesung, die von Tsunade höchstpersönlich übernommen worden war und nur wenige Stunden gedauert hatte, viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, Verletzte zu heilen, der Hokage zu helfen und Shizunes Aufgaben zu übernehmen, als dass sie Zeit für Privates gehabt hätte. Nur am Rand hatte sie mitbekommen, dass Yūgao gestorben, Uchiha Izuyas gesamte Einheit von einem Trupp Oinin Butai ausgelöscht und neben Neji auch noch Chōji einer Herde Zetsus zum Opfer gefallen war. Maito Gai und Rock Lee galten seit der gegnerischen Kapitulation als vermisst; vermutlich hatten sie sich verlaufen, eine Wette verloren oder jagten noch einigen obskur anmutenden Gestalten hinterher, bis sie endlich begriffen, was diese Kapitulation eigentlich bedeutete. »Komm schon her«, heulte sie, löste sich von der Brust ihres Vaters und zog den unsicher danebenstehenden Naruto in eine Umarmung. »Sakura-chan, keine Tränen mehr, sonst fange ich auch noch an zu weinen …«, bat er mit wässrigem Blick, der seine blauen Augen glänzen ließ. Irgendwo hörte er Iruka nach sich rufen. Sakura beendete die platonische Zärtlichkeit und schubste ihn in Richtung Menschenmenge. »Geh, bevor er sich noch Sorgen macht. Aber dass du mir spätestens morgen ins Krankenhaus kommst, ja? Naruto, hey, hörst du? Du bist noch nicht wieder ganz gesund!« Er winkte bloß grinsend ab und sie fühlte sich erneut von ihrer Mutter in Beschlag genommen. Die nächsten vier Stunden brachte Sakura damit zu, Mebukis aufgebrachte Fragen zu ihrem Wohlbefinden höflich aber bestimmt abzuwehren, ehe sie sich mit der Ausrede, Tsunade brauche sicherlich Hilfe, loseisen konnte. Itachi sah sie an diesem Tag nicht mehr. Die nächste Woche verging schleppend, als sie jedoch vorbei war, fragte Sakura sich, wo die Zeit geblieben war. In routinierter Schnelligkeit war der Papierkram der Hokage erledigt – Shizunes Fehlen war eine menschliche Katastrophe und vielleicht kam es Sakura nur so vor, aber sie bildete sich ein, Tsunade öfters als sonst trinken zu sehen, trotzdem fügte sich die junge Jōnin hervorragend in die bürokratischen Vorgänge ein. Das Krankenhaus lief nach anfänglichen Führungsstreitigkeiten wie ein Uhrwerk – Tsunade hatte beschlossen, Sakura die Leitung der Klinik zu übertragen, nicht zuletzt weil ihre akribische Schülerin die pathologische Pedanterie eines gewissen Uchihas übernommen hatte, womit sie der nicht ganz so akribischen Hokage, die es nie lernen würde, tierisch auf die Nerven ging – und überhaupt verlief die Woche bis hin zum Begräbnis in farbloser Monotonie. Jeder funktionierte. Irgendwie zumindest. Manchmal verspürte sie das Bedürfnis zu weinen, ihren Frust herauszulassen, doch ihre Wut gegen das Leben in Energie für ihre Arbeit zu investieren, erschien ihr produktiver. Dann kam der Tag der feierlichen Beisetzung, an dem ihr die erste Träne aus Trauer und nicht aus Verzweiflung, Erschöpfung oder Wut aus dem Augenwinkel rollte. Es war einer jener Tage, der nicht zur allgemeinen Stimmung passte: hell, klar, heiter. Der Himmel an diesem Nachmittag war alles, was Sakura nicht empfand. Er strahlte, war freundlich, als könne man unter ihm heute wie immer einen unbeschwerten Tag begehen. Sie hasste ihn dafür. Sie hasste ihn von der Sekunde, in der sie nach dem Aufstehen zum ersten Mal aus dem Fenster sah, über jene, in der Naruto, Ino und Tenten sie vom Krankenhaus abholten, bis hin zu der, in der sie neben ihren Freunden in einer der vordersten Reihe stand. Um sie herum war das Schluchzen väterloser Kinder, verwitweter Ehepartner. Nicht nur das; es gab niemanden im ganzen Dorf, der um niemanden trauerte. Freunde, Familie, Kollegen, Partner, Kameraden. Dieser Krieg hatte jedem jemanden genommen, vom Jüngsten bis zum Ältesten, vom Stärksten bis zum Schwächsten, jeder weinte um jemanden, und als Sakura in den falschen schönen Himmel sah, hasste sie das Leben. Das Leben, das einem genommen werden konnte. Das Leben, in dem man so viel Leid erfuhr. Das Leben, das nicht mehr wert zu sein schien als ein paar Tränen in den Augen eines Menschen. Während erst Jiraiya, dann Utatane Koharu und zuletzt Tsunade bewegende Reden hielten, hinterfragte Sakura zum ersten Mal den Sinn des Lebens. Während Rose um Rose vor den IKA Felsen gebettet wurde, warf sie immer wieder einen Blick zu Itachi, zu Sasuke, zu Hinata und zu Hanabi. Da standen sie: im Schutz ihres Klans, Unbesiegbarkeit vortäuschend. »Aber wozu?«, fragte sie sich selbst ganz leise. Wozu tun, als sei man unbezwingbar, wenn doch ein jeder hier wusste, wie zerbrechlich ein Menschenleben war. Sakura legte ihre Rose für Shizune vor das Grab. Nicht nur für sie, auch für Asuka, Izuya und Neji. Für jeden Ninja, der jemals irgendwo gestorben war. Als sie sich zurück in die Reihe fügte, fing sie zuerst Tsunades Blick auf – inzwischen konnte sie sehr viel besser den unbehelligt-egalitär wirkenden Stoizismus verstehen, den erfahrene Shinobi dem Tod gegenüber nach außen kehrten – danach traf sie auf Itachis. Er nickte ihr zu, doch sein Vater schnitt den Sichtkontakt ab. Ob unbeabsichtigt oder nicht, Sakura verstand das Zeichen. Sie machte Itachi keinen Vorwurf, dass er keine Bemühungen angestellt hatte, sie zu sehen. Die hatte sie ebenfalls nicht angestellt. Es wäre falsch gewesen, Trost bei ihm zu suchen, wo sie doch nicht einmal wusste, ob Trost das war, was sie wollte. Es stimmte: er stand dort, sie war hier. Sein Platz war bei seiner Familie, nicht beim gemeinen Volk. Schon gar nicht an der Seite einer Kunoichi, die gerade erst wirklich verstanden hatte, was es bedeutete, ein Ninja zu sein. Die Zeremonie klang mit einem Lied aus, das sie leise und jeder für sich summten. Jede einzelne Stimme fügte sich zusammen wir ein geübter Chor, obwohl jeder in seinem eigenen Rhythmus sang. Vielleicht kam es ihr aber auch nur so vor, weil Naruto ihre Hand hielt, was eine ungeahnt beruhigende Wirkung auf sie ausübte. Wäre er nicht an ihrer Seite gewesen, hätte sie angefangen zu weinen. Dabei war sie sich sicher, inzwischen keine Tränen mehr übrig zu haben. Niemals wieder für niemanden, außer vielleicht für sich selbst, wenn sie sich bedauerte, weil aus ihr dasselbe geworden war wie aus Itachi, Kakashi oder Sasuke: ein Shinobi, der den Glauben an das Gute verloren hatte. Ino drückte tröstlich ihre Hand, doch Sakura befreite sich sowohl aus dieser Berührung, als auch aus Narutos, dessen Aufmerksamkeit instinktiv zu Hinata wanderte. Die Hyūgaerbin kam flankiert von Kiba und Sasuke auf die geschrumpfte Truppe zu, vor der sie weinend stehenblieb, bis Naruto sich erbarmte und einen Arm um sie legte, was sie bloß noch mehr aufzuwühlen schien. Den inneren Konflikt, den sie durchmachen musste, wollte Sakura sich lieber gar nicht erst vorstellen. Daneben versuchte Tenten Teil der Umarmung zu werden. »Wir sollten etwas trinken gehen«, schlug Shikamaru vor. Den missbilligenden Blick, den Ino ihm zuwarf, lenkte er mit einer Geste gen Boden. »Verurteile mich ruhig dafür, aber ich für meinen Teil möchte Chōji und Neji nicht still gedenken. Auf sie anzustoßen halte ich für eine der angebrachtesten Arten eines Abschieds.« »Wenn du das so sagst …« Ino schnaubte und schluchzte zugleich. »Sakura?« Die Angesprochene wehrte kopfschüttelnd ab. »Ich habe noch so viel im Krankenhaus zu tun. Jemand muss auch noch nach Tsunade-sama sehen. Sobald ich fertig bin, komme ich nach.« Sie ließ ihren Freunden keine Zeit zum Protest, sondern machte auf den Zehenspitzen Kehrt und lief Richtung Krankenhaus, ehe sie es sich anders überlegen konnte. Vielleicht kamen Shikamaru und Ino in Gesellschaft besser klar, für Sakura verhielt sich die Sache anders. Es gab nur einen Menschen, mit dem sie reden wollte, doch der – Itachi löste die Verschränkung seiner Arme, als er sich von der Wand, an der er gewartet hatte, abstieß.  »Sollte ich mich bei deinem Vater entschuldigen?«, war das erste, das zu fragen Sakura in den Sinn kam. Sie konnte sehen, wie Itachis erster Impuls – wir sehen uns sieben Tage lang nicht und du erkundigst dich nach meinem Vater? – zu einer ernsthaften Antwort verpuffte. »Lass es lieber auf sich beruhen. Asukas Tod war nicht deine Schuld, das weißt du. Otōsan ist kein sehr fairer Mensch; er würde keine Sekunde lang zögern, ihn dir anzukreiden, wenn du ihm die Chance bietest.« Er schluckte seinen nächsten Satz, mit dem er bestimmt noch expliziter auf Fugakus Veranlagung eingegangen wäre, hinunter, und streckte seine Hand aus. »Komm her.« Es war weniger eine Aufforderung als eine Bitte, doch Sakura weigerte sich. »Wir sollten nicht hier draußen rumstehen. Du bist immer noch in ambulanter Behandlung. Ich nehme an, du hast einen Termin?« Sakura brauchte seine Bestätigung nicht. Als neue Leiterin des Krankenhauses wusste sie alles, was darin vorging. Sie wusste auch, dass die behandelnde Ärztin eine gute Iryōnin war und ihren Sohn im Krieg verloren hatte, weswegen sie Doppelschicht um Doppelschicht schob. Rein rechtlich war es verboten. Sakura hatte als erste Amtshandlung beide Augen zugedrückt, sonst hätte sie sich ebenfalls ermahnen müssen. Sie hatte zuvor die Akte der Iryōnin studiert, immerhin überließ sie Itachi nicht jeder x-beliebigen Angestellten. Er mochte gesund aussehen, aber sie wusste, wie seine inneren Organsysteme aussahen. Mit diesen Überlegungen vergingen Minuten, in denen sie sich gegenseitig anschwiegen. »Möchtest du weinen?« Ohne zu überlegen schüttelte Sakura den Kopf. Der Hintereingang des Krankenhauses war kein geeigneter Platz für emotionale Ausbrüche. Ihre Mitarbeiter sollten sie niemals so sehen. Nicht nur das … »Wenn es etwas gibt, das ich nicht mehr möchte, dann ist es weinen.« »Jeder hat eine andere Form der Trauerbewältigung. Verdrängung ist eine der schlechtesten, schätze ich.« »Mag sein«, lenkte sie behutsam sein. Solange sie selbst nicht wusste, inwieweit das Erleben von Tod und Sterben Auswirkungen auf ihre Psyche hatte, wollte sie lieber keine Pferde scheu machen. Sie verstand, wieso Itachi ihre menschliche Seite an ihr schätzte. Diese zu verlieren bedeutete jenen Teil einzubüßen, der ihm an ihr am wichtigsten war. »Möchtest du lieber darüber reden?« Erneutes Kopfschütteln. »Lieber nicht. Ein andermal vielleicht.« »Weißt du, an wen du mich erinnerst?«, fragte er, nahm ihr Gesicht in seine Hände und senkte seinen Kopf, sodass seine Stirn an ihrer lag. »An Sasuke nach einer unserer Missionen bei der ANBU. Ich erkenne die Anzeichen, wenn ich sie sehe, Sakura. Ich werde nicht schlechter von dir denken, wenn du wirst wie wir anderen, aber solange es eine Möglichkeit gibt, es zu verhindern, würde ich sie an deiner Stelle ergreifen. Es gibt nichts Schlimmeres als zu verlieren, was uns menschlich hält.« Sakura versuchte zu lächeln, doch sie brachte es nicht über sich. Seine Nähe ließ sie ihre Augen schließen, vor deren Lider ein Bild aus Blut tanzte. Es war in Ordnung. Sie war eine Kunoichi. Irgendwann wurde jeder so. Der Shinobi, der sein Mitgefühl nicht verlieren konnte, hatte in seinem Beruf nichts verloren. Diese Erkenntnis behielt sie für sich. Dass es nie wieder werden würde, wie es war, wussten sie beide. »Ich möchte nicht darum nicht nicht weinen«, log sie, »Sondern weil du der einzige Mensch bist, der mich wirklich glücklich macht.« Er verstand, was in ihrer Beschwörung mit schwang. Die Bitte, sie nicht zu verlassen. Die Angst vor dem Klan, seinem Klan, seiner Familie, die sie nicht dulden würde. »Vergiss sie für einen Moment, Sakura«, bat er sie und küsste ihre Stirn. »Vergiss alle Uchihas nur für einen Augenblick und was bleibt ist das, was uns niemand nehmen kann.« Sakura nickte, selbst wenn sie es nicht ganz glauben konnte. Doch sie lächelte, weil die Vorstellung, er könne rechthaben, für diesen Herzschlag genügte. . . Es war einer jener sonnigen Nachmittage, die einem schöner vorkamen als sie sein sollten. Sakura hatte ihre Schicht im Krankenhaus früher als geplant beendet, hatte bei Ino Blumen gekauft, sich ihre wöchentliche Portion Sticheleien abgeholt und ihr dafür kein Trinkgeld gegeben. Es war wie immer. Die Leute, das Wetter, die Straßen, die Arbeit. Alles war wie immer. Nur sie nicht. Die letzten Wochen hatten sie verändert, ihr gesamtes Weltbild auf den Kopf gestülpt. Ein Teil von ihr war in diesem Krieg gestorben. Ein wichtiger Teil, den sie sich geschworen hatte niemals zu verlieren. Es war das, was sie Itachi niemals beichten würde verloren zu haben. Mitgefühl. Vor Shizunes Grab zu sitzen und zu trauern fühlte sich falsch an, wo sie doch hätte froh sein müssen, überlebt zu haben. Doch was gab es Positives am Leben zu sehen? Positiveres als den Tod? Für sie als Iryōnin war es eine Katastrophe, diesen Teil von sich eingebüßt zu haben. Welcher Heiler hieß den Tod ebenso willkommen wie das Leben? Jemand setzte sich wortlos im Schneidersitzt neben sie, die Hände auf die Knie gestützt und die Augen geschlossen. Sie schwiegen sich eine Weile an, bis Sakura die Stille nicht mehr ertrug. Es gab viele Menschen, mit denen sie nicht reden musste. Uzumaki Naruto gehörte nicht dazu. »Schöner Tag heute.« »Hmm …«, gab er ungewöhnlich einsilbig zurück. Ohne sie anzusehen öffnete er die Augen. »Ich habe schon schönere erlebt.« »Es wird wieder bergauf gehen«, meinte Sakura zögerlich und setzte nach einer Weile hinzu, »Hoffe ich.« Er nickte wenig überzeugt von ihrer Überzeugung. Die nächsten Minuten verbrachten sie schweigend in ihren eigenen Gedanken, ohne den jeweils anderen wirklich wahrzunehmen. Als Naruto seine Stimme auf ein glattes, für seine Verhältnisse leises Level erhob, klang er ernster als ihr gefiel. »Was wirst du nun tun, Sakura?« Das fehlende Suffix hinter ihrem Namen war nicht, was sie störte. Es war die Frage selbst, mit der sie überfordert war. Normalerweise war Naruto ein Garant für Ablenkung von trostloser Stimmung. Egal wie hoffnungslos die Lage jemals erschienen war, er hatte immer ein aufmunterndes Wort auf den Lippen gehabt. Dass selbst ihm nichts mehr einfiel, ließ ihr Herz sich schmerhaft zusammenziehen. Sie waren beide erwachsen geworden, doch zu welchem Preis? »Na was wohl?«, seufzte sie schlussendlich. »Weiterleben.« »Einfach so? Ich wünschte es wäre möglich, ich jedenfalls kann es nicht. Wie soll man leben, wenn man schon so oft hätte sterben können? Mir kommt diese Welt vor wie Verschwendung.« »Es wird besser werden«, hoffte Sakura ohne selbst daran zu glauben. »Mit der Zeit werden wir die guten Dinge wiederfinden und die schlechten werden in den Hintergrund rücken. Veränderungen sind unaufhaltsam. Uns war seit dem ersten Tag an der Akademie klar, dass wir irgendwann werden würden wie alle anderen. Es sollte uns nicht überraschen, dass genau das nun geschehen ist.« Naruto ließ seinen Blick auf die weißen Grabblumen fallen, die sie für Shizune deponiert hatte, dabei sah er sie nicht einmal richtig an. Irgendwann nahm er ihre Hand in seine, tröstend und schützend wie der Freund, der er war. Es war dieser Moment, an dem Sakura realisierte, dass es Dinge gab, die sich nie ändern würden. Narutos Optimismus mochte gedämpft sein, doch er würde bald wieder lachen und scherzen wie zuvor. »Weißt du, was ich denke, Naruto?« Sie machte eine kurze Pause, um in den Himmel zu sehen und Worte zu suchen. »Egal wie viel man uns auch nimmt, egal wie viel Tod wir jemals sehen werden, eines wird uns immer bleiben: wir selbst. Und auch wenn wir andere Ansichten bekommen, Teile von uns verlieren und andere dazubekommen, sind wir trotzdem noch wir selbst. Oder?« Er antwortete nicht auf ihre Frage, was sie beide wieder ins Grübeln zurückwarf. Vielleicht war ihre Annahme zu pauschal formuliert gewesen, das hinderte sie nicht daran, sie als die für sie wahre zu erachten. Es war wie es war. Wieso die Gegenwart hassen, wenn sie doch das einzige war, das man hatte? »Ich bin jetzt übrigens bei der ANBU«, murmelte er nach einiger Zeit abwesend. So unzusammenhängend dieses Gespräch auch war, sie hatten einander immer noch nicht angesehen. »Meine Bewerbung liegt auf Tsunade-obāchans Schreibtisch. Ich hoffe trotzdem, dass wir irgendwie ein Team bleiben können.« Nach Sasukes Austritt aus Team Sieben hatte Sakura tagelang geweint. Aus Frust, Enttäuschung, Trauer. Wann immer sie sich das schlimmste nur denkbare Ereignis ausgemalt hatte – dass nach dem einen nun auch der andere Pol des Teams eigene Wege gehen würde – hatte sie erwartet, die Tränen wochenlang nicht stoppen zu können. Der Gedanke, alleine zurückzubleiben, war grauenhaft gewesen. Umso überraschter war sie, dass sie keine Tränen mehr übrig hatte. Weil sie alle geweint hatte und weil sie verstand, dass sie den Entschluss über ihre Zukunft längst getroffen hatte. »Ich wollte nie zur ANBU, weil ich Iryōnin bin. Ich dachte immer, alle Werte der ANBU gingen gegen meine Überzeugungen. Bloß denke ich nun, dass sich meine Überzeugungen geändert haben …« Sie ließ ihre Augen ebenfalls auf die Blumen sinken. Wer einmal tausend Tode gestorben war, der hatte keine Skrupel mehr, sie zu bringen. Das war, was sie tief in ihrem Herzen dachte, aber niemals aussprechen würde. Die letzten Monate hatte sie eine Menge verstanden, nun auch die Wahrheit hinter jedem ANBU. Es waren keine Ninjas, die ein Menschenleben nicht schätzen. Es waren jene, die sein Ende akzeptiert hatten. Die Reise zu diesem Punkt war lange gewesen und sie hoffte, dass viele, viele Shinobi sie nie bis hierhin machten.  Von hieran gab es kein Zurück mehr. Ohne dass sie es merkte, waren Minuten vergangen, ehe sie weitersprach. Ihre Überzeugungen hatten sich geändert … »… darum ist es wohl das Beste, ebenfalls zur ANBU zu gehen. Ich kann Itachi, Sasuke und dich den Laden doch nicht alleine auseinander nehmen lassen.« Sakura lachte tonlos und eine Oktav zu tief, um vorzutäuschen, dass es echt war. Narutos Lachen hingegen war hell und freundlich. Das Hellste und Freundlichste, das sie seit langem, so schien es ihr, gehört hatte. Er stand auf, legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte sie kurz an sich, ehe er die einzigen Worte flüsterte, die sie hören wollte. Als er weg war, wiederholte sie seine Worte immer und immer wieder und würde es immer und immer wieder, bis sie selbst daran glauben konnte.   . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)