Evenfall von 4FIVE ([Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]) ================================================================================ Kapitel 2: Odd Brother ---------------------- . .   Gleich hinter Sasuke betrat Naruto die Lichtung. Er war verschwitzt und verstimmt und funkelte seinen ewigen Rivalen von der Seite an. Sasuke löste davon unbeeindruckt die Maske von seinem Gesicht. »Wir haben ihn verloren, etwa zwei Kilometer südlich von hier. Er hat das Trainingsgelände wohl längst verlassen.« »Ich verstehe«, sagte Itachi. Sakura versuchte, seinen Tonfall zu deuten. Es war unmöglich. Zumindest wenn man, so wie sie, um Mitsukis Leben kämpfte. Oder besser gesagt, sein Chakra für sich die Arbeit machen ließ. Jishukonji no Jutsu hatte den Vorteil, dass das Chakra des Anwenders selbstständig im Körper des Rezipienten arbeitete. Es war keine Patentheilung, aber zumindest hielt es den Patienten einige Zeit lang am Leben. Sie war dabei, die letzte Verknüpfung einzuspeisen, und wandte sich anschließend Sai zu, der von Naruto missmutig wachgetreten worden war. Beide hatten Verletzungen, die keineswegs lebensgefährlich waren. Sakura wandte eine rudimentäre Schnellheilung an, die weiteren Schaden verhinderte, ehe sie sich um Asuka kümmerte, die von der inzwischen ebenfalls zurückgekehrten Yūgao in die Mitte ihres kleinen Kreises geführt worden war. Das Mädchen hatte einige Blessuren davongetragen, die an empfindlichen Stellen anzuschwellen begannen. Sakura korrigierte sie beiläufig, während sie Asukas Körper nach inneren Verletzungen abtastete. Zwei Knochen waren gebrochen, drei oder vier Rippen geprellt und ihr Chakralevel war niedrig, ansonsten stand sie unter Schock. Es dauerte, bis Tränen ihren Weg nach draußen fanden, sie sich aus Sakuras Heilung losriss und ihre Arme um die Hüfte ihres älteren Cousins schlang, der mit Shisui und Yūgao die Lage besprach. »Er ist uns entwischt«, berichtete Yūgao mit verschränkten Armen. Sie hatte, wie auch alle anderen, ihre Maske abgesetzt. »Asuka-chan, deine Wunden sind noch nicht richtig behandelt.« Asuka schniefte aus Protest an Itachis Seite. Er hatte einen Arm um sie gelegt, beachtete sie jedoch nicht weiter. Es hätte in ihrem jetzigen Zustand keinen Unterschied gemacht. »Es war abzusehen, dass wir die Fährte verlieren. Immerhin konnten wir sie daran hindern, Nibi in die Hände zu bekommen. Wie steht es um Yugito-sans Gesundheit, Sakura-san?« Sie schreckte unwillkürlich auf, als sie sich direkt angesprochen fand. Ihre Aufmerksamkeit von ihrem derzeitigen Patienten abwendend, nickte sie in seine Richtung. »Sie ist bald wieder fit. Ein, zwei Tage vielleicht. Jinchūriki sind zäh. Nicht wahr, Naruto?« Zum Beweis klopfte sie ihm auf den Rücken. Etwas zu fest, denn er kippte japsend ein Stück nach vorne, von wo aus er auf die westliche Grenze der Lichtung sah, an der ein Dutzend Shinobi auftauchte. »Wir sahen das Signal«, erklärte der Vorderste, ein Sunanin, hinter dem Temari zum Vorschein kam, die angesichts des Aufgebots an Konohanin die Stirn krauszog. Sie zog es vor, zu schweigen. Jedes Wort war überflüssig. Der Zwischenfall war allem Anschein nach mit einer Mission zusammengefallen, sonst wäre dieses ANBU-Team nicht hier. Er fiel demzufolge unter Konohas Anspruch. Sakura wusste das und Temari musste es auch wissen. Sie rümpfte unzufrieden die Nase, ehe sie ihren Männern den Abmarsch befahl. Zurück blieb ein beklemmendes Gefühl auf Seiten Konohas, geschürt von einer einzigen Frage. Sakura war froh, gerettet worden zu sein. Bloß, wie war es dazu gekommen? Da die von Uchihas übervölkerte ANBU-Einheit statusmäßig weit über einer Chūnin und zwei Jōnin auf illegaler Mission stand, mussten diese sich damit zufriedengeben, sauber zu machen. Sakura brauchte nicht lange, um das alarmierte – viel zu spät kommende – Sanitätskollektiv Kumogakures einzuweisen. Bis sie ihre Utensilien ausgepackt hatten, wären mindestens vier Kumonin ohne Sakuras exzellenter Erstversorgung ihren Verletzungen erlegen, aber sie wollte nicht kleinlich sein. Itachi und sein Trupp waren abgezogen, bevor Kaminari no Kunis Shinobidelegation angerückt war, um lästigen Fragen vorzubeugen. Sakura vermutete, dass sie nicht einmal eine Genehmigung zum Betreten des Landes gehabt hatten. Sie wollte nicht meckern. Stattdessen durfte sie nach ihrer Heimreise Tsunades Missstimmung ausbaden. Naruto und Sai hatten sie mit dem Argument, sie seien zu müde dafür, zur Berichterstattung abkommandiert. Als ob sie keine Augenränder vorzuweisen gehabt hätte! »Wieso können diese selbstsüchtigen Tölpel nicht einmal kollegial denken? Man sagt unserer Kultur doch eine holistische Denkweise nach«, beschwerte die ehrenwerte Hokage sich. Sie nippte ärgerlich an einer Teetasse, deren Pendant ihre Schülerin aus Höflichkeit in den Händen hielt. Das Heißgetränk spendete angenehme Wärme. Immerhin. »Holistisch bedeutet nicht unbedingt altruistisch. Solange ihre Geninteams nicht davon gefährdet waren, war es ihnen vermutlich egal.« Um den Schein zu wahren, tätigte sie nun doch einen Schluck. Auf leeren Magen schmeckte der Tee irgendwie schal. Richtiggehend unbefriedigend. Vielleicht war es aber auch nur der dumpfe Nachgeschmack ihrer Begegnung mit dem herausragenden ANBU-Team, das ihr aufs Gemüt schlug. »Ja, ja, Fugaku war bereits hier. Er bekam einen regelrechten Tobsuchtsanfall, als er erfuhr, dass seine Nichte im Krankenhaus liegt.« »Wie geht es Asuka-chan?« Tsunade zuckte die Schultern. »Den Umständen entsprechend. Sie hat zwar eine sehr robuste Natur, der Schock verlangsamt den Genesungsprozess aber dennoch. Er ließ sie gegen ärztlichen Rat aus dem Krankenhaus entlassen, was ich für nicht empfehlenswert halte. Dass sie die Prüfung abbrechen musste, setzt ihr schwer zu. Zuhause wird sie wohl eine ziemliche Schelte über sich ergehen lassen müssen. Der Klan ist äußerst streng mit seinen Talenten. Um Mitsuki-chan steht es weniger gut.« Sakura war zu müde, um die Augen aufzureißen. Ihre Lehrerin jedenfalls bemerkte ihre Zweifel. »Du hast nichts falsch gemacht«, beschwichtigte sie. »Die Jishukonji no Jutsu war fehlerfrei. Leider konnten wir die Notoperation erst durchführen, als sie in Konoha ankam. In ganz Kaminari no Kuni gibt es kein Krankenhaus, das Fachpersonal für solche Fälle stellen könnte. Der Transport hat ihren Zustand auf ein kritisches Level gepusht. Noch ist sie stabil, aber das kann sich schnell ändern. Du weißt, wie empfindlich die Physis Heranreifender ist. Ihre körperliche Konstitution ist nicht die allerbeste. Ich habe Tekuno gesagt, er soll sie noch nicht anmelden, aber nein, wer hört denn schon auf mich? Es ist ja nicht so, als wäre ich Hokage oder etwas anderes Tonangebendes!« Ein verhaltenes Kichern entwich Sakura. »Das sind die Uchiha-Gene. Asuka-chan drängte ihn regelrecht zur Teilnahme. Er hatte keine Chance.« »Natürlich will der Klan schnellstmögliche Erfolge sehen«, brummte Tsunade, brach jedoch ab. »Ich werde damit nicht anfangen.« Ihre Schülerin senkte den Blick. Es war lange her, viel zu lange. »Was geschehen ist, ist geschehen. Daran kann man nichts ändern. Letzten Endes ist es gut, wie es ist.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Nicht, dass ich nicht froh wäre über eine derart dramatische Rettung, aber was hatten die ANBU in diesem Teil des Kontinents zu suchen? Tsunade-sama, es sah nicht aus, als seien sie zufällig vorbeigekommen, um uns zu grüßen.« Tsunade zischte. »Dafür würde ich sie auch nicht bezahlen, weißt du?« Der Ton in ihrer Stimme schlug auf Ernst um. »Bei dem Zwischenfall in Sunagakure vor einigen Monaten, traten, wie du weißt, zwei wichtige Ereignisse auf. Erstens, Sasori starb durch deine Hand.« »Wortwörtlich«, warf Sakura ein. Noch heute war es ein befriedigendes Gefühl, wenn sie daran zurückdachte, wie sie diesem Akatsuki die Lebensgeister ausgetrieben hatte. Nicht im Alleingang, aber das tat ihrer Gloria keinen Abbruch. »Zweitens, Shukaku fiel ihnen in die Hände. Wobei ›fallen‹ einen Zufall impliziert, der nicht stimmen kann. Seitdem nehmen die Aktivitäten ihrerseits allerorten zu. Akatsukis Mitglieder werden immer häufiger gesichtet, Spuren, die sich im Nichts verlieren, tauchen auf, Hinweise erreichen uns. Sie haben etwas vor, das mit den Bijū zu tun hat. Itachis Einheit sollte einer Fährte nachgehen, die sie scheinbar im richtigen Moment direkt zu euch führte. Sie waren keine Stunde hinter ihren Zielen. Wir können von Glück reden, dass sie einschreiten konnten.« Glück. Ja. Sakura hatte sich während ihrer Heimreise wiederholt gefragt, wie es ohne Hilfe geendet hätte. Sie und Naruto gegen zwei Akatsuki? Naruto hätte die Kontrolle über Kyūbi verlieren können, Hidan und Kakuzu hätten sie lange davor töten können – sie zumindest, wenn schon ihr Freund nicht so leicht kleinzukriegen war. Es war kein schönes Gefühl, derart hilflos zu sein. Die Nachwehen dieser Ohnmacht zehrten an ihr. Vielleicht wegen der Übermüdung.  »In diesen Zeiten ist äußerste Vorsicht geboten, Sakura«, unterbrach Tsunade ihren inneren Monolog. »Nicht nur wegen Akatsuki. Kaze no Kuni ist um einen Bijū ärmer. Wer weiß, ob sie noch mehr haben. Falls nicht, sind sie für andere Nationen leichte Beute. Ich möchte den Teufel nicht an die Wand malen. Dennoch müssen wir die Spannungen berücksichtigen, die in letzter Zeit auftreten. Die Verträge mit Tsuchi no Kuni waren noch nie sonderlich gut formuliert und der Tsuchikage ist ein dummer Narr, wenn du mich fragst.« Sie legte den Kopf in den verspannten Nacken, den sie wohltuend mit einer flüchtigen Shōsen no Jutsu kurierte. »Was ich damit sagen will, Sakura: Sei vorsichtig, wem du welche Information entnimmst und vor allem, wem du welche preisgibst. Innerhalb Hi no Kunis sind wir ein felsenfestes Kollektiv. Die Friedensverträge mit anderen Nationen jedoch, und ich sage dies inoffiziell und nur einmal, sind bloß festgehalten auf Pergament.« »Papier ist geduldig.« Es war eine Zustimmung, die Sakura nicht völlig ehrlich meinte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Tsunades Befürchtungen tatsächlich derart fatal waren. Tsuchi no Kuni war, zugegeben, schon immer ein Krisenherd gewesen, der sich mit Territorialkämpfen und rauen Umgangstönen bei anderen Ländern nicht sonderlich beliebt gemacht hatte. Sie suchten seit Jahren nach einem Grund für eine Kriegserklärung. Um ihnen einen solchen zu liefern, müsste schon einiges passieren. Und selbst wenn: Eine Shinobigroßmacht gegen vier. Selbst im überzeichneten Fall eines politischen Affronts würde Tsuchi no Kuni von der Schlagkraft seiner Gegner schlicht überrollt werden. Das war die Situation, wie Haruno Sakura, Chūnin und Iryōnin, sie sah. Sie gab sich mit Tsunades Erklärung zufrieden. Uchiha Itachis Trupp auf Akatsukijagd zu wissen vermittelte ihr ein Gefühl der Sicherheit. Sie selbst hatte einen Akatsuki töten können. Itachi, Sasuke, Yūgao und Shisui hätten die beiden Akatsuki heute bestimmt erledigt, wären sie nicht sofort geflohen. Alleine Sasukes Bewegungen, seine Präzision, die Ausmaße seines Chakras – Sakura fiel es nicht leicht, es sich einzugestehen, doch seit er Team Sieben verlassen hatte, war er sehr viel stärker geworden. Nach allem waren Naruto und sie nur ein Hindernis für ihn gewesen. Sakura hörte, wie Tsunade sie entließ. Die nächsten zwei Tage standen Team Sieben zur freien Verfügung, ehe sie erneut zu Missionen ausrücken würden dürfen. Naruto würde diese Überbrückung schwerlich gefallen, ebenso wenig wie ihr selbst. Tatsache war, dass sie in ihrer Freizeit wenig mit sich anzufangen wusste. Die Berichterstattung hatte triste Aussichten gebracht. Als sie aus dem Büro der amtierenden Hokage trat, war sie tunlichst darauf bedacht, dem durch eine Jutsu erscheinenden ANBU nicht allzu viel Beachtung zu schenken. Sie tätigte eine flüchtige Verbeugung in die Richtung, in der Sasuke sich, flankiert von seinen Kameraden, die Maske vom Gesicht nahm. Sie spürte seinen verwunderten Blick auf ihr, dem sie mit zusammengezogenen Augenbrauen begegnete. Uchiha Sasuke sollte sich ja nicht einbilden, ihr läge noch irgendetwas an jemandem, der seine Teamkollegen nach den Erlebnissen im Reich der Wellen und den Chūnin-Auswahlprüfungen im Stich gelassen hatte. Sie war wütend auf und enttäuscht von ihm. Dass Naruto und sie heute von ihm vielleicht als würdig erachtet worden wären, seine Partner zu sein, war ein schwacher Trost. Sie war immer noch Chūnin, während er im stärksten ANBU-Team Konohas Abtrünnige aufmischte. Das alles lag in dem kurzen Blick, den sie ihm zuwarf, ehe sie den Itachis bemerkte, der aussagelos auf sie fiel. Ob er sich wunderte, wieso sie seinen Bruder anfeindete? Dachte er über ihre Begegnung vor zwei Tagen nach? Sonnte er sich in Genugtuung, sie gerettet zu haben? Sie wusste es nicht. Nur eines wusste sie sicher: Uchiha Itachis Blick ruhte für ihren Geschmack einen Tick zu lange auf ihr, um Gutes zu verheißen. Er hatte in seiner Gruppe gewiss noch nie einen solchen Schwächling wie sie gehabt. Diese Erkenntnis traf sie wie ein nasses Tuch, das ein nervig feuchtes Gefühl hinterließ. Diese Mission war eine Katastrophe gewesen. . . Sakura stöhnte missmutig, als die ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Morgens ihr Gesicht wärmten. Sie saß im aufkommenden Schatten eines hohen Laubbaumes im Innenhof des Krankenhauses, von wo aus sie einer ihrer Patientinnen bei der Rehabilitationstherapie beobachtete. Die Krankenschwester, die sie zur Durchführung dieser abkommandiert hatte, wartete geduldig auf jeden neuen Schritt, den die strenge Physiotherapie ermöglichte. Sakura war als Aufsichtsperson hier, um die junge Schwester zu überwachen, und, weil sie in ihrer Pause gerne draußen saß. Sie hatte eine Tasse Tee umschlungen – wohltuender als jene, die Tsunade ihr angeboten hatte – die sie zur Hälfte geleert hatte. Die Farbe des traditionellen Früchtetees erinnerte sie an die Flecken auf ihrem weißen Kittel, den sie aus Hygienegründen im Ärztezimmer zurückgelassen hatte. Nach vier Notoperationen und einem Todesfall, hatte sie ihn wechseln müssen. Die Patienten waren in der Nacht von gestern auf heute blutiger als sonst gewesen. »Sakura-san!« Die junge Kunoichi winkte ihr stolz zu. Sie hatte bloß eine dreiviertel Stunde gebraucht, um zwanzig Meter zurückzulegen. Nach zwei Oberschenkelknochenbrüchen war dies eine hervorragende Leistung. Sakura winkte nicht minder stolz zurück. Moegis Operation vor drei Monaten war die erste Knochenrekonstruktion gewesen, die sie als Chefärztin ohne Shizune und Tsunade durchgeführt hatte. Ein voller Erfolg. Gerade solche Erfolgsmomente brauchte sie nach dem Fiasko in Kumogakure. Darum war sie hier; sie liebte die Arbeit im Krankenhaus. Nur Ärztin zu sein, widerspräche ihrem Naturell, doch die freien Tage damit zu verbringen, Menschen zu helfen, war eine produktive Freizeitbeschäftigung, auf die sie sich ihrer Meinung nach zurecht etwas einbilden konnte. Die letzten beiden Tage waren grausam gewesen. Von ihrem Platz aus räkelte sie sich im Wohlgefallen ihres Siegs über zwei zerbröckelte Röhrenknochen. Selbst als Moegi vor Übermut niederfiel, konnte Sakura nicht umhin, sich selbst zu gratulieren. Sie bildete sich nichts darauf ein, ein Menschenleben gerettet zu haben. Jeder zweitklassige Auszubildende hätte die Versorgung übernehmen können. Ihre Knochenstruktur wieder funktionsfähig gemacht zu haben, war das, worauf sie stolz war. Sie hatte kein Mädchen gerettet, sondern eine Kunoichi. Fragliche Kunoichi lag zwar eben weinend auf dem Boden – die Physiotherapie war eine schmerzvolle Angelegenheit – dennoch würde sie schon bald wieder auf den Beinen sein. Sprichwörtlich. »Haruno-sensei, ein neuer Patient erwartet Sie«, verständigte eine weitere Schwester sie. Sakuras Mittagspause war damit offiziell zu ende. Sobald sie das Krankenhaus betreten hatte, würde jeder ihrer Ärzte mit Fragen zu ihr laufen, die sogar ein Laie beantworten konnte. Sah sie dieser Tage vielleicht ein wenig schwarz? Schon möglich. Auf dem Weg in ihr Behandlungszimmer versuchte sie, die flauen Gedanken an Kumogakure beiseite zu schieben. Sich zu grämen brachte nichts, das hatte bloß Naruto noch nicht verstanden. Er war mehr als nur sauer wegen der Blamage vor Sasuke. Im Gegensatz zu Sakura, hatte er leider kein Fachgebiet, in dem er sich außerhalb schwieriger Missionen profilieren konnte. Dabei hatte er wenigstens etwas wie Freunde. Außer Naruto und Sai konnte Sakura das nicht von sich behaupten. Ino, ja, aber die war mit Shikamaru und Shino auf einem Auftrag im Süden Hi no Kunis. Sie würden sich früh genug wiedersehen, sobald sie demoliert zurückkam. Eine Frage der Zeit. »Reiß dich zusammen, um Himmels Willen!«, mahnte sie sich selbst genervt von ihrer Gedankenachterbahn, die sich selbstständig gemacht hatte.  »Guten Morgen, Sakura«, grüßte ihre Patientin sie freundlich. Diese Stimme war so sanft und weich, dass Sakura regelmäßig vergaß, wie zerstörerisch ihre Besitzerin sein konnte. »Hallo, Hinata.« Sie nahm sich das ausgefüllte Krankenblatt. Hinata sah ihr schweigend zu, Hände in den Schoß gelegt, Füße vom Untersuchungstisch baumelnd. Je mehr Sakura las, desto stärker drängte sich eine Schlussfolgerung in ihren Gedanken auf: diese Klans. »Tsk«, stieß sie leichthin aus und zog eine winzige Taschenlampe aus ihrem frischen Kittel. »Sieh meinen Finger an. Gut. rechtes Auge zu. Jetzt links. Beide schließen.« Während Hinata mit entspannt zusammengedrückten Lidern dasaß, schrieb Sakura ihre Erkenntnisse aus der Routineuntersuchung in die Akte. Sie tadelte sich stumm ob ihrer unschönen Schrift, die jedem Analphabeten Konkurrenz machte. Sie war froh, dass sie selbst ihre Schmiererei lesen konnte. Hinata war eine äußerst dankbare Patientin, die selten Schwierigkeiten machte. Im Vergleich zu ihrem Sturkopf von Cousin oder ihrem braunhaarigen Gift von Schwester, nahm sie verschriebene Medikamente ohne Murren, stellte sich ärztlichen Ratschlägen nicht quer und glänzte mit Kooperationsbereitschaft. Wenn Sakura sich entscheiden müsste, würde sie sie noch am ehesten zu ihrem Freundeskreis zählen, selbst wenn sie nicht über Privates sprachen. Das einzige, das sie voneinander wussten, war Sakuras frühere Vorliebe für Sasuke und Hinatas noch immer andauernde Schwärmerei für Naruto, die Sakura nicht im Entferntesten nachempfinden konnte. Sie richtete den Lichtkegel der Taschenlampe direkt auf Hinatas Augenlid. »Mach sie auf. Danke. Die Rötung ist nichts Ernstes. Überanstrengung und Wind.« Sie sah auf das Krankenblatt. »Kein Wunder, ihr ward in Kaze no Kuni. Ein paar nicht ordentlich entfernte Sandkörner können empfindliche Augen schnell reizen. Als Nutzer von Doujutsus sollte man immer Augentropfen mit sich führen, das predige ich seit Jahren – trotzdem habe ich jede Woche entweder einen Hyūga oder Uchiha deswegen auf dem Tisch. Was ist das nur mit euch Klans?« Hinata kicherte hinter vorgehaltener Hand. »Blutstolz?« »Dünkel, will ich meinen«, korrigierte Sakura. »Mit wem warst du auf Mission?« »Neji-nii, Kiba-kun und Kurenai-sensei.« Sie verdrehte die Augen. »Kurenai-san ist in Behandlungszimmer vier, aber die feinen Herren sind sich ja zu schade, den Krankenhausregeln zu folgen. Grandios. Irgendwann werden sie eine unbemerkte innere Blutung haben und sterben, bloß weil sie sich weigerten, sich wie jeder andere nach einer Mission durchchecken zu lassen.« Sie klappte die Akte zu und überschlug die Beine. »Männer.« »Du bist heute sehr pessimistisch.« »Kann schon sein. Der letzte Auftrag lief nicht wie geplant. Wir bekamen … unangemeldete Verstärkung.« Hinata legte den Kopf schief. »Und zwar?« Sakuras aufkommende Antwort wurde von lautem Fußgetrampel gepaart mit hektischen Rufen im Keim erstickt. Ein Notfall war eben in die zweite Etage verfrachtet worden, man solle einen erfahrenen Arzt holen. »Du bist in Ordnung, Hinata. Tut mir leid, ich muss los!« Ihre Patientin winkte ihr herzlich zum Abschied, was Sakura nicht mehr sah. Sie war längst auf den Gang getreten, von wo aus ihre eiligen Schritte sie in das Notfallzimmer führten, dessen Nummer die Iryōnin gerufen hatten. Als sie es betrat, stockte ihr der Atem: Sharingan. Überall. Drei Paar starrten sie an, das vierte gehörte dem Patienten, über den Shizune gebeugt war. Es war Shisui, der vor Schmerzen zitternd auf dem Behandlungstisch lag. Um seine Augen war eine getrocknete Blutspur verschmiert, deren Ursprung sie aus der Distanz nicht ausmachen konnte. »Was ist passiert?«, fragte sie, dicht an Shizune herantretend. Eine Schwester folgte ihr, in der Hand einen Lappen, mit dem sie die Blutspur so weit als möglich abwischte. »Kibakufuda. Verbrennungen zweiten Grades. Man hatte es auf seine Augen abgesehen, der Anschlag konnte verhindert werden. In zwei null acht ist das vierte Mitglied des angegriffenen Teams. Er war bereits tot, als er eingeliefert wurde. Du bist Expertin für Dōjutsus, Sakura. Wie schlimm ist es?« Seit wann sie eine bessere Optikerin geworden war, war Sakura schleierhaft, Fakt war, dass sie am meisten Erfahrung damit hatte. Augen waren heikel, vor allem diese. Vor seinen Angehörigen mochte sie lieber keine Prognose machen. »Schafft sie raus«, befahl sie zwei Schwestern, die ein Tablett mit Operationswerkzeug präpariert hatten. Die beiden kleingewachsenen Frauen hatten Mühe, drei männliche Uchihas aus dem Behandlungszimmer zu werfen, vor allem der größte von ihnen weigerte sich vehement. Die Dosis Schmerzmittel, die sie Shisui pro forma verabreichte, ließ ihn still werden. »Bereitet Operationssaal eins vor«, wies sie die beiden Schwester an, die mit den drei Uchihas zu kämpfen hatten. Zwei davon waren nicht einmal in Shisuis Team; sie hatten keine Berechtigung, hier zu sein. Sich vor den dreien aufbauend – egal, ob sie einen Kopf kleiner war oder nicht – stemmte sie die Hände in die Hüfte. »Das Wartezimmer ist um die Ecke, bitte warten Sie dort. Wir werden Sie verständigen, wie die Operation verlaufen ist.« Erst sah es so aus, als würden sie einen Streit anzetteln, doch überraschenderweise leisteten sie dem Befehl folge. Bloß einer blieb einen Augenblick länger stehen. ANBU Captain Uchiha Itachi sah sie geduldig an, als erwarte er eine Antwort auf die Frage, die sie ihm nicht beantworten konnte. Sie vermutete, dass Shisui durchkommen würde. Es waren keine lebensbedrohlichen Verletzungen zu sehen gewesen. Allerdings waren Menschen schon an geringeren Verletzungen gestorben. Sehr viel mehr musste er ihr eine Frage beantworten. »Ich muss es wissen, Itachi-san«, sagte sie – ihr Mund wurde spürbar trockener. »Wer starb auf dieser Mission?« Ihr hätte klar sein müssen, dass es nicht Sasuke war. Sasuke starb nicht einfach so auf einer Mission. Trotz allem war sie erleichtert, als er einen Namen nannte, den sie bloß vom Hörensagen kannte. Er war erst kürzlich zur ANBU berufen worden. Eine Fehlentscheidung, ganz klar. . . Die mehrstündige Operation verlief ohne Komplikationen. Es war nicht schwierig, die geschädigten Nerven zu heilen. Sie waren durch die Explosion gereizt, ohne bleibenden Schaden davongetragen zu haben. Sakura ließ sich bewusst Zeit mit der Routineoperation, um jeden extra präzisen Handgriff dreimal zu überprüfen. Sie wollte sich gewiss keine Schlamperei nachsagen lassen. Es stimmte, dass sie, bedingt durch die regelmäßige Zusammenarbeit mit Kakashi, Hinata und Neji und ihre zahlreichen persönlich durchgeführten Check Ups von Asuka, viel Erfahrung im Umgang mit diversen augenabhängigen Kekkei Genkai Variationen gesammelt hatte. Uchiha Fugaku würde dennoch etwas zu bemängeln finden. Darum stellte sie sicher, dass er nichts Relevantes finden konnte. Es dauerte vier Stunden, bis sie sich vom Pausenraum in das Wartezimmer begab. Shisui war vor einer halben Stunde in den Aufwachraum gebracht worden. Während dieser Zeit hatte sie sich einen Tee geholt, ihn gemächlich getrunken und kurzen Smalltalk mit Kollegen gehalten, ehe sie es fertigbrachte, den Wartenden gegenüberzutreten. Sie hatte eine der Schwestern von vorhin gebeten, den positiven Verlauf kundzugeben. Als sie eintrat, um etwaige Fragen zu beantworten, stockte sie. »Wo ist der Rest?«, wunderte sie sich vor dem einzig Übriggebliebenen. Itachi stand in voller ANBU Montur von dem unbequemen Holzklappsessel auf, auf dem er sich häuslich eingerichtet hatte. »Als sie hörten, dass es Shisui gut geht, beschlossen sie, wichtigeren Dingen nachzugehen.« Sakura unterstand sich, darüber zu urteilen – verbal wie mental. Stattdessen blätterte sie flüchtig Shisuis bemerkenswert dicke Akte durch. In den meisten Missionsberichtauszügen war herauszulesen, dass er sich meistens selbst mit unbedachten Manövern in die Bredouille ritt. Diesmal jedoch war das Feld für die Ursache der Verletzung leer geblieben. Sie zog überrascht die Augenbrauen zusammen. »Wie kam es zu der Explosion?« »Das ist Angelegenheit der ANBU.« »Wenn es die Anamnese meines Patienten betrifft, ist es die Angelegenheit des behandelnden Arztes«, gab sie trocken zurück. Sie ließ die Zettel auf dem Klemmbrett fallen, aufkommende Wut gegen ihr eigenes früheres Versagen vor seinen Augen im Bauch. »Euer Verein denkt, er sei etwas Besseres. Von mir aus, das seid ihr da draußen natürlich auch. Aber wir befinden uns in einem Krankenhaus und hier bin ich die Chefärztin. In dieser Szene bin ich deine Vorgesetzte, Itachi-san, die zu wissen verlangt, wie es zu Shisui-sans Zustand kam.« Er durchschaute ihre blanke Lüge ohne zu blinzeln. »Er wird wieder gesund, nicht wahr, Sakura-san? Alles andere ist irrelevant. Hätte der Grund etwas zu seiner Genesung beigetragen, hätte ich ihn dir nach Absprache mit Hokage-sama gerne genannt. Im tatsächlichen Fall …« Itachi ließ seine Schlussfolgerung ausklingen. Tsk. Er hatte durchaus recht, so viel war sicher. Kein ANBU war verpflichtet, vor einem Iryōnin Rechenschaft abzulegen. Schon gar kein Wunderkind eines angesehenen Klans. Sakura wusste, wann sie verloren hatte. Sie hatte nicht das Recht, weiter nachzubohren. Gegen Itachi kam sie ohnedies nicht an. Tiefe Frustration, die ihr vor Augen führte, wie klein sie im Vergleich zu ihm war, keimte in ihr auf. Wie einfach er ihre Autorität untergraben konnte. Tsk. Sie bemerkte eine blutige Schramme an seinem Oberarm. »Behandlungsraum sieben ist frei, Erdgeschoss.« »Es geht mir gut«, stellte Itachi verwundert über diese subtile Order fest, die sie wagte, ihm zu geben. »Du bist verletzt«, erwiderte sie mit Deut auf die lächerlich kleine Schramme. »Es ist mir egal, ob du Sasukes verschrobener großer Bruder bist, oder der Daimyō von Hi no Kuni persönlich, Itachi-san, es ist Krankenhausvorschrift, dass sich jeder Shinobi nach einer Mission untersuchen lässt. ANBU oder Genin, das Protokoll duldet keine Unterscheidung.« Sie deutete mit dem Klemmbrett in Richtung der Tür, eine strenge Hand in die Hüften gestemmt. »Behandlungsraum sieben, Erdgeschoss.« Es dauerte, bis er wortlos das Zimmer in Richtung Treppen verließ. Ein Teilsieg. Immerhin. . . Die weißen Transparentgardinen wippten im warmen Wind, der durch das beinahe menschenleere Zimmer hinaus auf den weitaus mehr bevölkerten Gang strich. Itachi ließ sich mit verschränkten Armen auf dem kahlen Bett nieder, das bloß von einer papierenen Unterlage bedeckt wurde. Sie raschelte unter seiner Bewegung, mit der er seiner Sitzposition den letzten Schliff verpasste, sodass er sich in einem perfekten rechten Winkel hielt. Es war das vierte Mal, dass er sich ohne nennenswerte Verletzungen zu einem Routinecheck in einem der Behandlungsräume einfand. Einmal hatte seine Mutter ihn aus reinem Prinzip hierhin geschickt, als er dreckverschmiert von einer Mission in einer Tümpelregion wiedergekommen war, einmal war ihm Shisui so sehr auf die Nerven gefallen, dass er keinen anderen Ausweg gewusst hatte, um sich zu befreien, und das dritte Mal hatte er auf Yūgao gewartet, als ihn sich eine kompromisslose, rüstige Krankenschwester ohne zu fragen geschnappt hatte. Er hatte an Konohas Krankenversorgung nichts auszusetzten, im Gegenteil. Sie war hervorragend. Bloß musste er sie selten in Anspruch nehmen. Zum Glück. Haruno Sakura schien das noch nicht begriffen zu haben. Aus irgendeinem Grund – angestaute Frustration vielleicht? – hatte sie sich auf ein Protokoll berufen, an das sich kein Mensch hielt.  Sie hatte ihn verschroben genannt. Er war doch nicht verschroben! Oder? Nicht, dass er etwas auf die Meinung anderer Menschen gab. Au contraire! Bis auf ein paar wenige Ausnahmen war ihm egal, was andere von ihm hielten. Befehle anzunehmen von kleinen Kunoichis, die weit unter ihm rangierten, war schon eher etwas, das er nicht duldete. Leider – und dieses 'Leider' war ein 'Aber' mit vier Ausrufezeichen – hatte sie durchaus recht mit dem, was sie gesagt hatte. Protokoll war Protokoll und solange sie sich in einem klinischen Setting befanden, war sie der Boss. Oh, die Genugtuung hatte er ihr angesehen. Er kannte dieses Mädchen. Sakura. Sasuke hatte als Genin oft von seiner nerventötenden Teamkameradin in einem Atemzug mit seinem nachlässigen Erzrivalen gejammert. 'Sakura tat dies, Sakura tat das, Naruto hat ihr auch noch dabei geholfen!' Er selbst hatte sich stets köstlich über diese bezaubernde Naivität der Kinder amüsiert. Allem Anschein nach hatte sie sich von einem liebestollen Schwächling zu einem Chūnin ge– Er wollte 'gemausert' denken, aber es klang falsch. Konnte man sich zu einem Mittelklasseshinobi mausern, wenn beide Eltern einst angesehene Jōnin gewesen waren? Sie hatte sich verbessert. Dieses Adverb konnte er ihr guten Gewissens zuschreiben. Er hatte Sasuke oft damit aufgezogen, dass seine kleinen Spielkameraden ihn übertrumpfen würden, wenn er dies oder jenes nicht tat. Ein schöner Zeitvertreib, bevor er von Tsunade persönlich zur ANBU berufen worden war. Allmählich wurde Itachi ungeduldig. Er vertrieb sich seine kostbare Zeit mit philosophischen Diskursen über seinen Bruder und dessen ehemalige Freunde, während er längst hätte Zuhause sein können, um ein paar Onigiri seiner Mutter vor Sasukes gierigen Griffeln zu retten. Wo blieb seine Ärztin, die ihn verschroben genannt hatte? Wo blieb irgendein Arzt? Just als er aufstehen wollte, betrat eine zierliche Krankenschwester das Behandlungszimmer durch die offene Tür. Sie verbeugte sich höflich, die zarten Finger ordentlich zusammengeschoben, wobei ihre braunen Locken über ihre schmalen Schultern fielen. Der Windhauch, der draußen wehte, hätte sie hinfort fegen können, geschweige denn eine ungeduldige Bewegung eines Eliteninjas. Seine rosahaarige Ärztin hatte einen eigentümlichen Sinn für Humor. Und ihn nannte sie verschroben. Paradox. »Haruno-sensei lässt sich entschuldigen, Uchiha-san. Sie wurde zu einem anderen Patienten gerufen. Ich werde sie vertreten.« Itachi ließ die kurze Prozedur widerstandslos über sich ergehen. Die Schwester überprüfte seine Augen, Gelenke und oberflächlichen Schürfwunden und gab ihm ein Vitamintablette, die er ganz gewiss nicht zu nehmen gedachte. Zehn Minuten verschwendete Zeit. Er war gesund, quod era demonstrandum. Was war es bloß mit Iryōnin und deren Drang, jedes noch so kleine Wehwehchen zu inspizieren? . . Als er das Uchihaviertel nach dieser kleinen Odyssee betrat, trug der Wind den köstlichen Duft seines Abendessens auf die Straße, wo ihm neidvolle Blicke nachstarrten. Jeder beneidete den Patriarchen um die Kochkünste seiner Frau, die er zugunsten verschiedenster geschäftlicher oder klanbezogener Zusammenkünfte regelmäßig versäumte. Seine Söhne störten sich nicht daran, ganz im Gegensatz zu seiner Angetrauten, die mit ihrem hölzernen Kochlöffel auf ihren Ältesten zeigte, als dieser sich an den Esstisch setzen wollte, an dem Sasuke bereits ungeduldig wartete. »Händewaschen!«, befahl sie streng. »Wir sind hier nicht in Hinterland von Takigakure!« Milde lächelnd, aber hungrig, küsste er ihre Wange und folgte stumm ihrem Befehl, ihre wachsamen Argusaugen nach wie vor auf ihn gerichtet. »Es gibt Misosuppe.« »Schon wieder?«, stöhnte Sasuke. Er tat, als ließe er seinen Kopf auf die Tischplatte fallen. Mikoto verschränkte tadelnd die Arme, nur um sie zu lösen, als die Suppe umgerührt werden musste. »Du kannst gerne selbst kochen, wenn dir nicht passt, was ich mache, Sasuke.« »Genau, Sasuke, hör auf, Mutter zu kritisieren«, trug Itachi nüchtern zum Vorwurf seiner Mutter bei, während er sich neben seinen Bruder setzte. »Was – jetzt hör' aber auf! Wir hatten am Abend vor unserer Mission Misosuppe, den Tag davor und den anderen davor sogar mittags und abends! Hat Konohas Markt denn nichts anderes?« »Dein Vater wollte sie unbedingt essen.« Itachi brach vorsorglich seine Stäbchen auseinander, um sofort mit dem Hauptgang loslegen zu können, sobald dieser samt den duftenden Onigiri angerichtet war. Suppe oder keine Suppe, was machte das für einen Unterschied. »Also schafft Otōsan es wieder nicht zum Essen. Er arbeitet viel in letzter Zeit.« »Könnte das mit den neuen politischen Entwicklungen zu tun haben?«, fragte Sasuke nachdenklich. »Keine Ninjagespräche bei Tisch!«, schnitt Mikoto ihrem Sohn das aufkommende Wort ab. Sie stellte drei Schüsseln Suppe auf den Tisch, die sie wenig begeistert zu essen begannen. Keines ihrer Kinder wagte es, das Wort zu erheben, da es außer 'Ninjagesprächen' wenig andere Themen gab, die es wert waren, besprochen zu werden, bis sie selbst – ironischerweise einst eine begabte Jōnin – wieder sprach. »Wie geht es Shisui-kun? Er war verletzt, als ihr zurückkamt, nicht wahr?« Sasuke klopfte den letzten Rest aus seiner Schale, ehe er einen zufriedenen Laut ausstieß. »Den bekommt man nicht klein. Unkraut vergeht nicht. Wegen ihm mussten wir die Mission abbrechen, wie ärgerlich. Nicht wahr, Aniki?« Itachi nickte zur Antwort. Er war damit beschäftigt, die warme Flüssigkeit seinen leeren Magen füllen zu lassen. Sasuke hatte durchaus recht. Sie waren nicht weit gekommen, als sich der Angriff von Akatsukis – vermeintlichen – Handlangern ereignete hatte. Mit Yūgao wäre es gewiss leichter gewesen, dem Hinterhalt Paroli zu bieten, doch sie war mit Genma und Aoba in die entgegengesetzte Richtung gereist, wohin der zweite Teil der Spur führte, dessen erstem Itachis provisorisches Team nachgegangen war. Ihr Ersatz hatte mit seinem Leben dafür zahlen müssen, woran dieser zweifelsohne selbst Schuld getragen hatte. Er hatte die Befehle seines Kommandanten ignoriert, war vorgestoßen, anstatt sich zurückzuziehen, darum war er gestorben und alle anderen hatten überlebt. Fatale Aussichten und eine durchwegs unerwünschte Schmälerung von Itachis Reputation. Er hatte vor diesem hier nur einen einzigen Untergebenen verloren, woran er keine Schuld getragen hatte. Sasuke, Shisui und Yūgao hielten sich seit Jahren tapfer. Ein Glück, dass sie bald zurückkommen würde. . . »Hoffentlich hat Yūgao-chans Team mehr Glück bei der Suche nach Isobu, sonst müssen wir noch einmal los«, seufzte Sasuke, sich selig den Bauch klopfend. Sie hatten viel zu viel gegessen. Was hatten zwei ausgehungerte Shinobi den besten Reisbällchen Konohas schon entgegenzusetzen? Selbst Itachi war es schwergefallen, sich nicht zu überessen. Er ließ die Füße zufrieden von der Veranda baumeln, von wo aus die untergehende Sonne ihren Horizont in goldumrahmtes Orangepink tauchte. »Wäre es dir wirklich recht, wenn sie Erfolg hätte, obwohl wir versagt haben? Du weißt, sie würde es uns ewig vorhalten, Sasuke.« »Das stimmt leider«, gab er wenig erfreut über diesen Gedanken zurück. »Manchmal kann sie ein richtiges Mädchen sein. Wieso verspüren alle Frauen den Drang, sich vor uns Männern zu beweisen?« Itachi stupste ihn an der Schulter an. »Weil es Shinobi gibt, die denken, Kunoichis seien minderwertig. Möchtest du wirklich über Emanzipation reden? Ich für meinen Teil bin sehr viel mehr daran interessiert, Akatsukis Schema herauszufinden.« Sein Bruder kreuzte die Knöchel, stützte die Hände hinter sich auf dem Holzboden auf und lehnte den Oberkörper zurück, sodass er bequem der Sonne zusehen konnte, wie sie tat, was sie um diese Uhrzeit immer tat, bloß immer in anderen Farbschemata. Sie bot sich hervorragend als Analogie zu dem Problem an, an dem sein und sämtliche andere ANBU Teams seit Monaten arbeiteten. »Akatsuki hat ein Schema, so viel wissen wir. Bloß nach welchem sie vorgehen, ist unklar. Es könnte Zufall gewesen sein, dass sie Shukaku zuerst entwendeten, weil er am ehesten zugänglich war oder der einzige, dessen Jinchūriki sie kannten. Gaara ist als amtierender Kazekage natürlich weit über die Grenzen Kaze no Kunis bekannt. Jeder wusste mit der Zeit, dass er einen Bijū in sich trug. Dass sie es nun auf Nibi abgesehen hatten, könnte bedeuten, dass sie eine bestimmte Reihenfolge einhalten. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun? Mir jedenfalls erscheint das sehr profan.« Sasuke nickte. »Dass sie Nibi nicht bekommen konnten, bedeutete nicht, dass jetzt nicht Sanbi dran ist«, korrigierte er. »Wer weiß schon, was diese Verrückten aushecken?« »Fest steht, dass wir so gut wie nichts wissen. Nicht einmal ihre genaue Mitgliederanzahl oder ihren Kopf. Es wäre eine große Hilfe, zu wissen, auf wessen Befehle sie agieren. Kein Haufen blutrünstiger Abtrünniger kann sich auf ein Ziel ausrichten, ohne dass es zu Reibungen bis hin zu Blutvergießen käme. Sie befolgen jemandes Anweisungen. Yamato-sans Team versucht Informationen darüber zu beschaffen, nicht wahr?« Sasuke zuckte die Schultern, als Itachi ihn fragend ansah, obgleich er bloß eine Bestätigung für sein organisatorisches Wissen verlangte. »Ich führe kein Tagebuch darüber.« »Vielleicht solltest du das«, schlug Itachi vor, »Dann würdest du beispielsweise nicht vergessen, dass wir heute eine Trainingsstunde vereinbart hatten.« »Oh bitte!« Sein kleiner Bruder rollte die Augen, während er seine ANBU-Maske geschickt auf einem Finger balancierte. »Ich habe es nicht vergessen – ich dachte du würdest. Ist nicht Hyūga in Yamato-sans Team dabei? Ich dachte, ihn bei unserem Aufbruch mit Kakashi-sensei gesehen zu haben.« »Ich führe kein Tagebuch darüber, nicht wahr?«, wiederholte Itachi Sasukes Worte. ANBU Team zwei war ein operatives Team, das keine fixen Mitglieder hatte. Diesmal hatte es das Hyūga-Talent Neji getroffen. Niemand arbeitete gerne mit Yamato und Kakashi gleichzeitig zusammen. Schon gar nicht, wenn es keinen zweiten Puffer zwischen ihnen gab. »Hey, Aniki. Denkst du, wir steuern auf eine Katastrophe zu?« Itachi legte den Kopf in den Nacken. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden langsam hinter den Dächern der Häuser, die sie in spiegelndes Gold tauchten. Sie verblassten, als das Licht sich ihrer entzog und damit der Tag zur Nacht wurde. Steuerte Konoha auf eine Katastrophe zu? Er würde nicht so weit gehen. Akatsukis Aktivitäten waren wohl Anlass zur ernsten Sorge. Aber war das genug? Langsam schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es nicht. Wir müssen mehr herausfinden, wenn wir Klarheit wollen.« »Diese Diskussion ist redundant«, nörgelte Sasuke, die Arme hinter dem Kopf verschränkend. Er streckte seine Beine durch, sodass sie in einem nahezu perfekten rechten Winkel zu seinem Oberkörper waren. Mehr als die Beinahe-Perfektion schaffte er nicht und er warf Itachi einen beleidigten Blick zu, als er ihm stumm vorzeigte, wie es richtig gemacht wurde. »Deine Körperspannung ist zu lax.« »Deine Kommentare nerven, Aniki. Ehrlich, du bist das Wunderkind unserer Familie. Ich hätte mir mehr als vage Vermutungen erwartet. Du bist heute nicht ganz bei der Sache.« Itachi verzog den Mund zu einem herausfordernden Lächeln. So, so, er war also nicht ganz bei der Sache? »Sogar ich kann keine Prognosen stellen, wenn mir der Hintergrund fehlt. Ich bin Stratege, kein Orakel. Du kannst gerne Kartenlegen oder Kaffeesatz lesen. Es würde in etwa genauso präzise werden.« Er stand auf und streckte einen Arm in Angriffshaltung nach vorne, wo Sasuke mit hochgezogener Augenbraue auf der Veranda lehnte. »Für den Fall, dass du deine Zeit lieber sinnvoll nutzen möchtest, kann ich dir anbieten, dir zu zeigen, wie viel besser als du ich bin, selbst in abgelenktem Zustand.« »Angeber«, pfiff Sasuke durch die angriffslustig gebleckten Zähne. Er stieß sich ab, um seinen Körper mit dem Schwung einige Schritte nach vorne zu bringen, wo er mit in den Hosentaschen versenkten Händen vor Itachi stand. Als dieser seinen zweiten Arm hob, wechselte er in einer geschmeidigen Bewegung in seine übliche Kampfpose. »Zwei Runden, drei bei Einstand. Keine Ninjutsu, Genjutsu, Doujutsu und Waffen. Der Verlierer muss Okāsan beichten, dass er es war, der vor drei Wochen ihr Gemüsebeet unabsichtlich in Brand gesteckt hat.« Itachi spannte seinen Körper an. »Bist du dir sicher, dass du Shisuis Schuld auf dich nehmen willst? Sie wird dich köpfen.« »Wir werden ja sehen!« Sasuke preschte mit einem Angriffsschrei nach vorne, sodass Itachi mit einem Sprung nach oben auswich, in dem er eine Kopfüberdrehung vollführte, die ihn direkt hinter dem Angreifer zu Boden brachte. Der darauffolgende gezielte Stoß traf Sasuke an der Schulter, wodurch er nach hinten taumelte und erst in der Mitte des Teiches sein Gleichgewicht wiederfand. »Deckung«, riet Itachi tadelnd. »Klappe!«, konterte Sasuke, der mit einem Satz erneut zum Angriff brüllte. Sein Schlag traf auf die Parade seines Bruders – wie geplant. Während Itachi seinen Arm blockte, ging er in die Hocke und warf ihn über seine Schulter nach hinten, wo Wasser spritzte, als Itachi haltsuchend darüber glitt. Sasuke hatte sich stark verbessert, seit er der ANBU angehörte, und er wurde in beachtenswerter Geschwindigkeit mit jedem Tag spürbar besser – Itachi machte einen Ausfallschritt, sodass sein Angreifer vornüberkippte.  – es fehlte ihm trotz allem noch eine Menge auf seinen Bruder. Dieser rammte ihm den Ellenbogen in den gebuckelten Rücken und trat mit der Sole seines Schuhs nach, sodass Sasuke auf der Wasseroberfläche niedersank. Itachi kniete blitzschnell neben ihm nieder, brachte seine Arme in einen unangenehmen Hebel und hob an. Sasuke machte zu seinem Bedauern keinen Laut, was es nur halb so lustig machte. Er würde ihn schon noch zum Winseln bringen. Indem er den Hebel anzog, drückte er Sasukes Oberkörper so weit nach unten, dass seine Nasenspitze das stete Wasser berührte. »Wer ist nun abgelenkt, Sasuke?« Itachis gespielt diabolisches Lachen schallte durch den ruhigen Garten, wenn nicht sogar durch das gesamte Uchihaviertel. »Denkst du vielleicht an deine kleine Ex-Teamkameradin?« »Wieso fängst du jetzt mit Sakura an?«, fauchte Sasuke, dem die Schweißperlen auf der Stirn standen. Er biss die Zähne zusammen, hinter denen ein Frustrationsschrei stumm verebbte. Sein Peiniger drückte weiter nach unten und er spürte Wasser in seinem Gesicht. »Itachi!«, hallte plötzlich die Stimme seiner Mutter an seine Ohren. Ihr verärgerter Ton hatte etwas Maßregelndes, »Hör auf, deinen Bruder zu ertränken! Wie oft habe ich es euch schon gepredigt: keine. Kämpfe. im. Garten!« Sie warf unwirsch die Hände in die Luft, die sie wütend in die Hüften gestemmt gehabt hatte. »Entschuldige, Okāsan«, rief Itachi über den gepflegten Rasen zurück, ohne Sasuke loszulassen, dessen Gesicht inzwischen vollends von Wasser umgeben war. »Hörst du, Sasuke? Entschuldige dich!« Es folgte Blubbern, das wohl eher ein ziemlich kreatives Schimpfwort denn der geforderten Höflichkeit gegen ihrer beider Mutter war. Itachi interpretierte es, wie es ihm passte, und entließ seinen Bruder aus der Geißelung. Dieser japste keuchend nach Luft und sprang in einem unkoordinierten Satz mit vorgestreckten Händen auf ihn. Seiner herausragenden Chakrakontrolle sei Dank, gingen sie nicht gemeinsam unter, obwohl Sasuke seine Finger um Itachis Hals krampfhaft zusammenpresste. »Keine. Kämpfe. im. Garten. Teufel nochmal! Raus!«, brüllte Mikoto. Bevor sie etwas nach ihren Söhnen werfen konnte, befreite Itachi sich aus seiner Gefangenschaft und verschwand, dicht gefolgt von Sasuke aus dem heimischen Garten. Etliche hundert Meter weiter setzten sie ihre Rangelei auf dem uchihaeigenen Trainingsplatz fort, die unter den dafür ausgelegten Bedingungen alsbald zu einem handfesten Kampf ausartete. Sasuke war hervorragend in seinem Fach. Das musste er auch sein. Sie alle mussten sich wappnen, das hatte Itachi im Gefühl. So wie Tiere aufkommende meteorologische Unwetter verspürten, hatte jeder Shinobi ein mehr oder minder gut ausgeprägtes Gespür für aufkommende militärische Unwetter. Sein Instinkt hatte ihn noch nie betrogen. Er würde es auch diesmal nicht tun. Das war sicher.   . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)