Evenfall von 4FIVE ([Itachi x Sakura | non-massacre AU | dorks to lovers]) ================================================================================ Kapitel 1: Clouded Skies ------------------------ . . Haruno Sakura hatte lange und hart gearbeitet, um dorthin zu gelangen, wo sie heute war. Nun ja, nicht wortwörtlich, betrachtete man ihren derzeitigen Marsch durch Matsch und Regen nach Kumogakure no Sato. Sie war eine Kunoichi geworden, weil ihre Eltern Shinobi waren und Kinder von Shinobi nun eben auch Shinobi wurden. Eine Wahl hatte sie nie gehabt. Umso überraschender war es, dass sie sich nach all den Jahren endlich etwas gefunden hatte, für das sie Leidenschaft empfand. Als junges Mädchen hatte sie nie verstanden, weswegen Naruto und Sasuke bis spät in die Nacht hinein quälten und prügelten und in stumme Tränen der Frustration ausbrachen, wenn sie heute nicht einmal mehr die Mitte der Übungspuppe trafen als gestern. Vielleicht war das der Grund dafür gewesen, dass sich Team Sieben aufgelöst hatte und Sakura sich verzweifelt und verlassen winselnd vor Tsunade wiedergefunden hatte. Naruto war irgendwann zurückgekommen, stärker und motivierter denn je. Sasuke nicht. Also war Sakura nun hier, eine ausgebildete Iryōnin auf Chūnin-Level an der Seite ihrer beiden Jōnin-Kameraden. Mit Sais Rang hatte sie sich lange abgefunden, Narutos Ernennung vor zwei Monaten nagte an ihr. Schweiß und Tränen und einsame Nächte in der Bibliothek oder auf dem Trainingsfeld hatten sie gut gemacht, sehr gut sogar, und dennoch hinkte sie nach wie vor hinterher. Unglücklich darüber, in welche Richtung ihre Gedanken gedriftet waren, seufzte Sakura und holte zu ihrem Team auf. Wie sie Kumogakure hasste. Schrille, schrullige Leute wohnten dort und überhaupt konnte sie schwören, nicht ein einziges Mal im Trockenen hier gewesen zu sein. Tsunade wusste genau, wem sie diesen Auftrag anvertraute – Sakura bezweifelte allerdings die Umsichtigkeit dieser Entscheidung. Im Normalfall schickte sie ihren berüchtigten Chaostrupp nicht außer Landes. Sai und Sakura konnten sich wohl für ein paar Tage zusammenreißen, wenn es um eine Auslandsmission ging. Naruto stand auf einem anderen Blatt. Seine offenkundige Tendenz zur mutwilligen Zerstörung hatte ihr neu formiertes Team Sieben erst berüchtigt gemacht. »Kumogakure no Sato müsste hinter dieser Biegung endlich zu sehen sein«, informierte Sai sie. Sie waren zu früh, viel zu früh. Und niemand wollte mehr Zeit in Kumogakure verbringen als unbedingt nötig. Als hätte Sai es beschworen, begann das Dorf und seine zugehörigen Plateaus sich langsam in ihr Sichtfeld zu erheben. Sai hielt den Blick starr auf das in Sicht kommende Dorf gerichtet. »Wie lange hat sie Nara-kun eigentlich schon dort hin verbannt?« »Drei Wochen«, antwortete Sakura, die sich an Shikamarus eingefallenen Gesichtsausdruck erinnern konnte, als Tsunade ihn zum Hauptrichter ernannt hatte – abgestellt, wenn man seinen Worten Glauben schenken wollte. Seit aufgefallen war, dass überproportional viele Genin des Austragungslandes die Prüfung bestanden, hatten die großen Shinobinationen entschieden, dass jedes teilnehmende Land einen Hauptrichter vor Ort haben musste, um die faire Beurteilung zu gewährleisten. Niemand war besser dafür geeignet, Unregelmäßigkeiten zu erkennen als Shikamaru. Selbst schuld, wenn er so klug war. Nach einer weiteren Stunde kam das Dorf in Sicht. Sie waren nach wie vor zu früh, also vertrödelten sie einen halben Vormittag abseits der Stadttore unter einem großen Baum und wiesen pünktlich eine halbe Stunde vor Mittag ihren Missionsbescheid am Kontrollpunkt vor. Die dort stationierten Shinobi kontrollierten das Formular mit einem kurzen Blick, ehe sie den Weg ins Dorf freigaben. Trotz rarem Regen herrschte einiges an Trubel auf der Marktstraße, über die Planen und Tücher gespannt waren, um die Einkäufe trotz Wetterlage nicht allzu sehr zu stören. Kinder spielten in kleinen Pfützen, Marktschreier priesen ihre Waren an, Hunde liefen herum und Erwachsene drängten sich an die dicht aneinandergereihten Stände. »Wir sollen auf direktem Weg in das Verwaltungsgebäude des Dorfes gehen«, sagte Sakura und wollte einen vorbeilaufenden Passanten nach dem Weg fragen, ehe sie sich die Frage selbst beantworten konnte. Es gab eine Beschilderung, die ankommenden Chūnin den Weg wies. Shikamaru erwartete sie in einem Raum, den die Richter als Pausenzimmer benutzten. Er war mit Polstergarnituren, spartanischer Dekoration und gedeckten Tischen möbliert, die Naruto verheißungsvoll anvisierte. »Frühstück«, hauchte er, gänzlich im Bann der duftenden Speisen. Sie hatten erst vor wenigen Stunden ein Picknick gemacht, auf dessen Gedeck Naruto sich unabsichtlich gesetzt hatte, ehe sie etwas davon gegessen hatten. Ihre Mägen knurrten im Kanon, was Shikamaru von einem Dokument aufsehen ließ, über das er mit seinem Assistenten gebeugt war. Tsunade hatte also einen weiteren armen Tropf ins Exil abkommandiert. »Da seid ihr ja. Können wir gleich loslegen?« Sakura verdrehte die Augen. In der Tat hatte sie damit gerechnet, auf mehr Widerstand zu stoßen. Vor allem, da die Wachen die Missionsbeschreibung eingehend begutachtet hatten. Kein Kage würde zwei Jōnin und einen Chūnin zum Einkaufen in ein ausländisches Dorf schicken; durch den vielen Regen waren die Pilze hier äußerst schmackhaft, dennoch wäre ein solches Aufgebot maßlos übertrieben. Entweder, Tsunade hatte einen äußerst speziellen Ruf, oder – »Die Shinobi hier sind völlig mit der Prüfung beschäftigt. Sie haben Aushilfen an das Tor gestellt«, erklärte Shikamaru. Er reichte ihnen das Dokument, über dem er gebrütet hatte. »Das ist der Lageplan des Testgeländes für die zweite Runde. Der Ablauf wurde seit den letzten Jahren kaum verändert, allerdings gibt es im zweiten Durchlauf eine Sonderregelung. Das Trainingsareal wurde komplett verriegelt. Als Versicherung wurden im Vorfeld siebzehn Chūnin und zwei Jōnin damit beauftragt, das Gelände zu säubern. Sie werden es während der Prüfung durchstreifen, um Störfälle vorzeitig auszumerzen.« »Welche Art von Störfällen?« »Akatsuki«, sagte eine weibliche Stimme. Sie betrat den Raum, dicht gefolgt von zwei Sunanin. »Gaara hat also auch davon gehört«, folgerte Sakura. Je mehr sie erfuhr, desto besorgter wurde sie. Shikamaru nickte. »Zeitgleich mit meiner Nachricht an Tsunade-sama, schickte ich Suna eine Taube.« Zuvorkommend bat er Temari samt ihren beiden männlichen Begleitern einen Platz im Kreis der Konohanin an. Sie nahm ihm die Karte aus der Hand und markierte mit den Spitzen ihres Zeige- und kleinen Fingers zwei Punkte, um die sie je einen Radius bildete. »Selbst wenn nicht, hätten wir davon erfahren. Unser Vertreter hat die Lage ebenfalls als schwierig eingeschätzt. Die Angriffe auf die Grenzposten zu Yuki no Kuni tragen eindeutige Anzeichen von Akatsuki. Den Spuren nach zu urteilen, bewegen sie sich Richtung Norden direkt auf Kumogakure zu. Sie wollen etwas hier. Zwischen diesen beiden Koordinatenpunkten verläuft ihre Route, sollten sie ihre Richtung nicht ändern.« Sakura rief sich die Missionsbeschreibung in Erinnerung. »Akatsuki plant etwas, das mit den Bijū zu tun hat, so viel steht fest. Schon bei Gaaras Entführung waren sie in Wahrheit nur hinter Shukaku her. Sie haben seitdem nie wieder einen Versuch unternommen, an ihn heranzukommen, nicht wahr?« Temari streifte ihren Kampffächer von ihren Schultern. »Nein. Sie hatten es wohl tatsächlich auf den Bijū abgesehen. Gaara ist sehr besorgt über die Entwicklungen im Problem Akatsuki. Obwohl wir längst wissen, dass sie es auf diese Monster abgesehen haben, ist unklar, nach welchem Schema sie vorgehen, oder ob sie überhaupt eines verfolgen. Die Dörfer hüten das Geheimnis um ihre Jinchūriki sehr gut, also können wir nur spekulieren, dass sich einer von ihnen hier aufhält.« Mit einem Räuspern machte Shikamaru wieder auf sich aufmerksam. Er war der Leiter dieser geheimen Mission, diesem Recht hatte man zu folgen. »Die Möglichkeiten sind unendlich. Es könnte ein Shinobi von hier sein, einer der Richter, ein Prüfer oder eines der ausländischen Geninteams. Bezieht man den Zeitpunkt mit ein, stehen die Chancen hoch, dass er oder sie etwas mit der Prüfung zu tun hat. Wir werden uns deshalb darauf konzentrieren. Die erste Runde findet in einem bewachten Saal voller Shinobi statt. Akatsuki würde hier nicht eingreifen. Die zweite Runde ist problematischer. Das Testgelände ist groß. Sein Durchmesser beträgt etwa zwölf Kilometer, was flächendeckende Überwachung nahezu unmöglich macht.« »Was schlägst du vor?«, hakte Sakura nach. Sie spürte, wie sich ihre Muskeln anspannten. Diese Nacht- und Nebelaktion machte sie nervös. Man hatte ihnen einen gefälschten Missionsbogen ausgehändigt, der ihre wahren Intentionen verschleierte. ›Um Unruhe zu vermeiden‹, war Tsunades Statement gewesen. Indem man Kumogakure ausschloss, wurde die Mission zu einer heiklen Angelegenheit, die nicht auffliegen durfte. Er räusperte sich. »Dass mindestens ein Zweierteam Akatsukis Geschäfte in Kumo zu erledigen hat, ist mehreren Nationen aufgefallen. Suna und Konoha sind nicht die einzigen, die geheime Verstärkung schickten. Heute Morgen kamen zwei Jōnin aus Iwagakure an, gestern Abend ein Quartett aus Kirigakure. Außerdem wird ein Trio aus Takigakure erwartet. Das bedeutet, alle Nationen, die einen Jinchūriki besitzen, sind versammelt. Mit den Shinobi der anderen Nationen können wir ein nahezu lückenloses Netzwerk bilden, das unser Areal überschaubarer macht. Offiziell wissen wir nichts von prüfungsfremden Ninjas hier. Auch Kumo weiß offiziell nichts von uns. Ein Konsortium zu bilden würde durch das strenge Reglement der Friedensverträge unnötig Zeit kosten.« »Deshalb sind wir also so einfach hereingekommen«, stellte Sai fest. Er besah sich eine weitere Karte, die ausgebreitet auf dem Tisch lag. »Diese Mission ist inoffiziell, habe ich das richtig verstanden? Wir sollen dafür sorgen, dass die Prüfung reibungslos abläuft, indem wir das Trainingsgelände zusammen mit allen anderen ausländischen Shinobi sichern und im Notfall einschreiten. Wäre es nicht sehr viel einfacher, Kumogakure zu fragen, wer der Jinchūriki ist, um diesen zu beschützen?« Verächtliches Schnauben schallte durch den Raum, dicht gefolgt von Temaris wegwerfender Geste. »Suna hat eine Anfrage gestellt, einem ausgewählten Kreis seine oder ihre Identität zu offenbaren, doch der Raikage weigert sich entschieden –« »Womit er nicht unrecht hat«, unterbrach Shikamaru sie mit erhobener Hand. »Der Frieden zwischen den Nationen gründet vor allem darauf, dass niemand eine Übermacht des anderen erkennt. Alleine die Anzahl von Jinchūriki pro Land würde Zwistigkeiten hervorrufen, geschweige denn konkrete Namen. Die Jinchūriki würden überschwemmt von Angeboten, Anfragen und Aufträgen. Hinzu kommt, dass keine Grenzen völlig dicht sind. Es gibt immer irgendwo Maulwürfe, durch die diese Namen zu Akatsuki gelangen könnten. Man muss sich nur ansehen, wie zielstrebig sie sich fortbewegen. Diese Lecks dürfen unter keinen Umständen vergrößert werden. Kumogakure sträubt sich aus ethischen Gründen, die wir nicht anfechten dürfen. Wir werden also ohne seine Hilfe operieren.« Naruto hob seine Hand. »Wie wollen wir dieses Netzwerk aufstellen? Die Kommunikation zwischen vier Nationen unter einen Hut zu bekommen, ist sehr schwierig.« Eine kleine Rauchwolke verpuffte über Shikamarus Händen, die das Fingerzeichen des Widders geformt hielten. »Optische Signale. Einige der Ninjas aus Taki und Kiri können über die Schwingungen des Bodens und der Luftfeuchtigkeit kodierte Nachrichten weiterleiten. Der Rest von uns beruft sich auf die klassische Methode. Wir werden keine Kaffeekränzchen oder Abgleiche halten. Diese Rauchschwaden dienen bloß einem Zweck: Zwischenfälle zu melden. Die Gebietsaufteilung haben wir bereits gestern Nachmittag beschlossen. Konoha wird die Südseite des Areals übernehmen, Suna den Nordosten.« Er fuhr mit einem Finger eine Linie auf der Karte nach. »Jedes Gebiet reicht vom Mittelpunkt des Geländes in einem größer werdenden Durchmesser bis zu seinem Rand, von dem jeweils drei Kilometer pro Team abgedeckt werden. Je näher ihr der Mitte kommt, desto enger wird euer Radius, behaltet also die Mitte im Auge. Wir können es uns nicht leisten, einander zu überschneiden, wenn dadurch die Hauptlinie unbewacht bleibt. Auf jeden Fall ist es wichtig, die Geninteams innerhalb eurer zugewiesenen Kimmung im Auge zu behalten. Dabei bekommt ihr Unterstützung der jeweiligen Senseis, die sich speziell auf ihre Schützlinge fokussieren. Es gilt, einen Vorfall wie damals in Konoha zu vermeiden. Akatsuki ist ein hinterlistigerer Gegner als Orochimaru. Wir können nicht sagen, hinter wem sie her sind. Dass wir in Kumogakure sind, bedeutet nicht, dass sie einen Jinchūriki von hier ins Auge gefasst haben.« Shikamaru erhielt einverstandenes Nicken. Es war seltsam, eine Mission derart auszuführen. Sakura arbeitete nicht gerne mit anderen Ländern zusammen, und zwar aus gutem Grund. Der heikle Frieden der Nationen war durch Bündnisse gesichert, aber genau diese Bündnisse konnten Probleme aufwerfen. Am Ende ging es für jeden Shinobi um Loyalität. Und die lag in erster Linie bei seinem Dorf. Suna bildete keine Ausnahme, selbst wenn der Kazekage ein enges Verhältnis zu Hi no Kuni pflegte. Sie schleppte diese Bedenken an die frische Morgenluft, die vom wolkenverhangenen Himmel kühlt gehalten wurde. Obwohl das Dorf unter den Wolken lag, regnete es so gut wie nie. Insgeheim fragte sie sich, wie deprimierend es sein musste, selten den klaren Himmel zu sehen. . .  »Träumst du?« Es hatte eine Stunde gedauert, die Umgebung einzuschätzen. Obwohl Sai und Sakura sich gewehrt hatten, bloß die Ränder ihres eigenen Teilbereichs abzulaufen, hatte Shikamaru zwecks Ressourcensparung verboten, den Auskundschaftungsradius auszudehnen. Niemand war sonderlich erpicht darauf, sich mit den Shinobi der anderen Dörfer zu bereden, weswegen es nicht zu mehr als einer kurzen, skizzenhaften Lagebesprechung gekommen war. Andere Zeichen auf den Hitai-ate riefen in jeder Situation vorsichtige Zurückhaltung hervor. Das Dorf auszukundschaften war eine minder gute Idee; Kumo könnte leicht auf den Gedanken kommen, Konoha spioniere. Die einzige Möglichkeit, die Zeit bis zum Einlass der Genin ins Trainingsgelände totzuschlagen, war, vor einem der Tore zu sitzen. »Nein.« Naruto tauchte nahe vor ihrem Gesicht auf und zog die Nase kraus. »Du siehst aus, als beschäftige dich etwas, Sakura-chan.« »Rück nicht so nah auf!« Fluchend schubste sie ihn von sich, sodass er mit dem Hintern auf den erdigen Boden fiel. Sie überschlug die Beine und stützte das Kinn auf die abgewinkelte Handfläche. »Ich frage mich, ob wir einem Akatsuki begegnen werden.« »Das hoffe ich doch!« Naruto rappelte sich, seine Hose vom Dreck befreiend, auf. »Du hast vor einigen Monaten doch einen plattgemacht, wieso sorgst du dich?« »Tue ich nicht.« Er tippte mit der Spitze seines Zeigefingers auf die Stelle zwischen ihren Augen. »Ich kann sie sehen. Die Falte über deiner Nase, wenn du bedrückt bist.« Sie löste die Verschränkung, um seinen Finger zu packen. »Ich habe keine Falte. Hör auf, mir Besorgnis, Bedrückung oder eine andere beliebige Missstimmung einzureden. Mir gefällt diese Mission nicht, das ist alles.« Sai stieß sich von der hohen Erle ab, in deren schwachem Schatten er ein Bild skizziert hatte. Es zeigte Naruto, der auf einem Felsen ein Picknick machte. »Wieso? Es gibt keinen Grund, unseren Verbündeten zu misstrauen. Wenn wir Glück haben, irren sich alle und wir werden für eine Woche Sightseeing auf der Nordroute bezahlt.« Er reichte ihr das Bild zur Aufheiterung, doch sie streckte zwei Finger in die Luft. »Zwei Denkfehler. Erstens, das Nara-Axiom: Shikamaru irrt nie. Zweitens, das Team Sieben-Axiom: wann – und ich möchte ein konkretes Datum hören – gab es jemals keine Komplikation während einer Mission, an der wir drei gemeinsam beteiligt waren? Etwas an unserer Konstellation scheint Unruhen heraufzubeschwören. Rechnen wir lieber nicht damit, dass es diesmal anders sein könnte.« Naruto legte lachend einen Arm um sie. »Immer so negativ, Sakura-chan! Ich mache mir eher Sorgen um Hayama-senpai. Er sah nicht sonderlich glücklich darüber aus, mit seinem Team anzutreten.« »Wer kann es ihm verdenken?«, seufzte Sakura. Sie ließ entmutigt von der Vorstellung die Schultern sinken. »Keinem Geninteam, das bei der ersten möglichen Prüfung antrat, ist Gutes widerfahren. Shikamaru war der einzige, der es damals ohne nennenswerte Blessuren zum Chūnin geschafft hat. Was wiederum ein Beweis für das Nara-Axiom ist.« »Zweifelsohne«, stimmte Sai zu. »Ich habe eher Mitleid mit Tekuno-senpai. Er ist viel zu nachgiebig mit seinem Team. Es wird nicht einmal die erste Runde überstehen, ohne in Tränen auszubrechen. Mit zwei Mädchen in einem Team wäre das zumindest sehr –« Er brach ab, als eine Faust auf ihn zeigte. »Suchst du Streit?«, fragte Sakura zähnebleckend. »Seit wann bist zu zum Sexisten mutiert?« Er hob abwehrend die Hände. »So war das nicht gemeint. Mitsuki-chan und Asuka-chan sind zu sehr Mädchen, um gute Kunoichis zu sein. Sie weinen doch bei jedem toten Hasen –« Sai setzte sein unschuldigstes Lächeln auf, als er merkte, dass seine Präzisierung auf wenig positiven Widerhall stieß. »Du weißt, was ich damit sagen will!« »Gnade vor Recht«, murmelte sie und streckte sich. Sollten ihre beiden tollen Jōnin-Freunde doch ihre Senpais bemitleiden, wo sie als Chūnin eine sehr viel formellere Anrede zu wählen hatte. Narutos Berufung wollte ihr immer noch nicht in den Kram passen, doch sie wusste sich zu beherrschen. Erst, wenn er Herr eines Geninteams würde, würde sie auf die Barrikaden steigen. Das konnte man Konohas Jugend wahrhaftig nicht antun! Tekuno war zwar viel zu lasch und Hayama konnte niemanden unter eins sechzig leiden – Glück für Sakura, dass sie einen Zentimeter darüber maß –, nichtsdestoweniger waren sie zumindest kompetent. Nicht, dass Naruto nicht gut war. Sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als zu behaupten, Uzumaki Naruto gehöre nicht zu den besten Shinobi des Landes, aber seine didaktischen Fähigkeiten konvergierten in einer gepflegt spöttischen Kurve gegen Null. »Sie beginnen.« Sai richtete sich zu seiner vollen Größe auf, während Naruto und Sakura sich mit verschränkten Armen neben ihn stellten. Aus der Ferne konnten sie eine Gruppe kleiner Menschen sehen, die einem bärigen Kumonin folgten. Hinter ihnen trotteten die fünf nationalen Hauptrichter. Die Senseis der Teams waren längst in den Wald entschwunden. »Hat jemand von uns bestanden?«, fragte Naruto. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, als würde er damit die Distanz verringern können. »Ich sehe Hamaki-senpais Team ganz hinten. Weiter vorne ist – echt jetzt? Tekuno-senpais Team! Asuka-chan hat wohl den ersten Teil bestanden! Sechs von neun Teilnehmern ist nicht schlecht.« Sakura schüttelte hoffnungslos den Kopf. Uchiha Asuka war talentiert, fürwahr. Sie war immerhin eine Uchiha. Andererseits fand Sakura ihr Temperament ähnlich zu dem, das sie damals an den Tag gelegt hatte. Der Wille war vielleicht oberflächlich vorhanden gewesen, doch ihr hatte es an so vielen anderen Dingen gemangelt, die auch durch einen Nachnamen nicht auszumerzen waren. Sie selbst hatte damals die Prüfung nur durch Kabutos Hilfe und Sasukes und Narutos Stärke überlebt. Asuka mochte ein wenig mehr Talent haben, doch sie hatte eine weinerliche kleine Göre und einen schwerknochigen Legastheniker, der Fingerzeichen prinzipiell seitenverkehrt machte, als Lebensversicherung. Dies war einer der Gründe, wieso Sakura die Mission nicht mochte. Sie fing bereits an, schwierig zu werden. »Wir müssen achtsam sein«, murmelte sie leise, sodass keine fremden Ohren sie hören konnten. Die Fläche um sie herum war zwar leer, doch man konnte nie sicher genug gehen. »Bei unserer Prüfung galt der Zwischenfall Sasuke. Diesmal haben wir erneut einen Uchiha an Bord. Selbst wenn sie kein Jinchūriki ist, dürfen wir nicht nachlässig mit ihr sein. Wenn ihr etwas zustößt –« Die drei schauderten synchron. »– häutet Fugaku-san uns bei lebendigem Leib.« Naruto quiekte jämmerlich bei der Erinnerung an die Drohung, die Uchiha Fugaku vor zwei Jahren über sämtliche Konohanin ausgesprochen hatte, als seine Nichte Genin geworden war: ›Wenn Asuka etwas im Beisein irgendeines anderen halbwegs fähigen Shinobi zustößt, ziehe ich ihm die Haut mit meinen bloßen Fingernägeln ab und koche seine Eingeweide anschließend in einer versalzenen Konsommee‹. Das war salbungsvoll, markierte seinen Standpunkt aber überdeutlich. Der Himmel wusste, wieso er dieses Mädchen derart protegierte. Schweigend beobachteten sie unter dem dunkler werdenden Wolkenhimmel, wie die Genin ihre Instruktionen bekamen. Während kalter Wind aufzog, der die Blätter rascheln ließ, wurden jedem Team Boxen ausgeteilt. Team Sieben gab nach dem ersten Fehlversuch auf zu eruieren, wie das diesjährige System funktionierte. Wenn Shikamaru es für wissenswert befunden hätte, hätte er es ihnen gesagt. Für die Mission schien es unerheblich, also ließen sie Boxen Boxen sein. Es gab Relevanteres, das zu beachten war. Zum Beispiel die Anzahl der Teilnehmer. Es waren elf Teams, was für die Maßstäbe der letzten Jahre eine äußerst niedrige Zahl war. Kumos Prüfer waren dabei als nicht sonderlich streng bekannt. Auf dreiunddreißig Genin in einem dreißig Quadratkilometer großem Areal aufzupassen, war ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man alle zusätzlichen Faktoren mit einberechnete. Wahrlich, Sakura mochte diese Mission nicht. Der Aspekt der ›Unmöglichkeit‹ kam ihr zu häufig vor. Die Prüflinge waren fertig instruiert und wurden von jeweils einem Prüfer an ein ihnen zugewiesenes Tor gelotst. Team Sieben hatte sich in den Wald verabschiedet, ehe Tekunos Team sich zu seinem Eingang begab. Sie wollten ihre Landsleute nicht unnötig nervös machen; denn, wenn Sakura ehrlich war, hätte es sie maßlos beunruhigt, wenn sie bei ihrer ersten Prüfung ein derartiges Aufgebot erlebt hätte. Sie liefen lautlos in den Wald, blindlings einer vagen Linie folgend, die Shikamaru auf der Karte gezeichnet hatte. Sais Orientierung war in solchen Situationen Gold wert. Er führte das Trio einige hundert Meter in den Wald, wo sie sich dreiecksförmig auffächerten, um einige hundert Meter weiter wie eine Raute wieder zusammenzukommen. Dieses System behielten sie bei, bis sie den Turm in der Mitte erreichten, der im Normalfall als Erholungsraum während des Trainings diente. Von dort aus führten sie ihre Formation zurück an den Rand. Das Zeitlimit der Prüfung betrug drei Tage. Insgeheim hofften alle, dass, wenn schon etwas geschehen würde, es am Anfang passierte. Von zweiundsiebzigstündigem Auf- und Ablaufen konnte ein Shinobi schnell einen Drehwurm bekommen. . .  Sakura bereute diesen zynischen Wunsch am Morgen des zweiten Tages. Das Morgenlicht drang vereinzelt durch die dichten Baumkronen, die den Blick auf den morgens meist heiteren Himmel verdeckten. Sie streckte ihre Handfläche aus während Sai eine Spur am Boden überprüfte. Binnen weniger Minuten war der Himmel komplett zugezogen. »Es beginnt zu regnen«, meinte sie verheißungsvoll und trat an Naruto heran, der mit einem seiner Kunai spielte. »Sämtliche Spuren werden bald verwischt sein«, vermutete Sai. Er ließ die feuchte Erde durch seine Finger fallen. »Sie sind hier. Das Profil der Fußabdrücke passt nicht zu unseren handelsüblichen Shinobistiefeln. Wenn wir davon ausgehen, dass jeder der Prüflinge Chakrasignaturen hinterlassen würde, und jene ausländischen Kameraden, die sie perfekt unterdrücken können, sich nicht in diesem Teil des Waldes aufhalten, müssen die Abdrücke einer dritten Partei entstammen.« »Es ist merkwürdig.« Sakura ging in die Knie, um mit den Fingern über die Rillen zu streichen. »Die Fußabdrücke beginnen und enden im Nichts. Sie stellen keine durchgehende Spur dar, der wir folgen könnten. Sollen wir die anderen verständigen?« »Zu spät«, entschied Naruto, der sie an der Schulter aufzog. Seine blauen Augen waren auf einen Punkt zwischen den Bäumen gerichtet. Seine Teamkameraden standen reglos neben ihm, schweigend, als es zu regnen begann. »Der Regen verwischt ihren Geruch, aber ich kann die vage Richtung erahnen.« »Wo?« Es war Sai, der angespannt sprach, eine seiner unzähligen Schriftrollen zur Vollführung einer Jutsu gezückt. Zur Antwort lief Naruto in eine scheinbar willkürliche Richtung davon. Seine Kameraden folgten ihm lautlos, ihr Chakra mit aller aufzuwendenden Präzision unterdrückend. Sakura hielt ihr Schaudern zurück, als der niederprasselnde Regen ihre Chūninkleidung durchweichte und ihre Haut erkalten ließ. Sie entschied sich dagegen, sie mittels Chakra auf konstanter Temperatur zu halten. Wenn es um Akatsuki ging, brauchte sie jeden Tropfen Kraft, den sie aufbringen konnte. Es dauerte vierhundert Meter, die sie gen Nordosten liefen, als Naruto schlagartig auf einem Ast an der unteren Baumkrone einer Eibe stoppte. Ein paar Blätter raschelten, doch ihr sanftes Wispern wurde von einem Horrorschrei übertönt. »Haut ab!« Es war Mitsuki, die verzweifelt schrie. Sie und Asuka hatten sich vor ihrem bewusstlosen Teamkameraden aufgebaut, um eine Kohorte Iwanin von ihm fernzuhalten. Ihre zittrigen Finger umklammerten eine kleine Urne. Die Box, die den Genin am Anfang anvertraut worden war, lag geöffnet abseits der Szene. »Ich warne euch!« Mitsukis Stimme zitterte nicht weniger als Asukas Finger, die das kleine Gefäß beinahe zerdrückten. Es sah fragil aus, hielt dem Druck jedoch einwandfrei stand. Sakura warf ein flüchtiges Auge auf das Szenario, das sie schmerzlich an jene Prüfung erinnerte, in der Orochimaru aufgetaucht war. Mit Iwanin war nicht zu spaßen. Sie waren mindestens so hart wie der steinerne Boden, von dem sie kamen. »Was ist los, Naruto? Wir haben keine Zeit, Babysitter zu spielen. Selbst wenn, es ist nicht erlaubt, ohne abgefeuertes Notsignal in die Prüfung einzugreifen.« »Ja, ja«, machte er abwesend, die Augen fest zusammengepresst, um ja keinen Sonnenstrahl durchzulassen. »Es muss hier in der Nähe sein.« »Die arme Asuka wird ganz schön zugerichtet.« Ungerührt deutete Sai auf den Kampf, der zwischen den zwei weiblichen Genin und den sechs Iwanin ausgebrochen war. Ein nettes Geplänkel nach Sakuras heutigen Standards; mit zwölf hätte sie nichtsdestotrotz eine sehr viel schlechtere Figur als Asuka gemacht. Sie hielt sich wacker in der Prügelei, die aus Waffenwerfen – ohne zu treffen – ein wenig Taijutsu und Kawarimi bestand. Die Iwanin waren gut, aber Asuka war eine Uchiha. Selbst wenn ihre Sharingan noch nicht erwacht waren, sie bewegte sich beherrscht durch den Regen, wie nur ein Talent es konnte. »Naruto«, murmelte Sakura ungeduldig. Die dicken Tropfen schlugen gegen ihren Kopf und durchnässten ihr Haar bis auf die Wurzel. Es war unangenehm, wie ihre Kleidung an ihrem Körper klebte, dem die sonnige Wärme Hi no Kunis fehlte. »Sie kommen!« Naruto schlug die Augen auf. Noch ehe er ausgesprochen hatte, hatten Sakura und Sai die näherkommenden Präsenzen endlich erspürt, die auf einen Schlag schwallartig losgelassen wurden. Die Chakraflut glich einer Druckwelle, die die Schwende, auf der die Genin ihren Disput ausfochten, unheilvoll überschwemmte. Donnergrollen fegte hinter ihr darüber hinweg, und wo zuvor noch Asuka eine Attacke eines Iwanin geblockt hatte, standen nun breitbeinig vier Shinobi in einer Parade verschränkt. Es war alles so reflexartig passiert, dass Sakura im Nachhinein nicht mehr wusste, wie genau sie Asuka an der Taille umfasst und sie und den Genin aus Iwa mit sich aus der Linie gezogen hatte. Sai hatte es ihr mit dem reglosen männlichen Teammitglied gleichgetan. Bloß Naruto, dieser Poser, hatte sich zusammen mit einer blonden Kunoichi in die Blockade gegen die beiden Akatsuki verkeilt. Sein Kunai war nur knapp unter ihrem Wakizashi gegen eine überdimensionierte Sense geprallt, die von dem jüngeren der beiden Akatsuki geführt wurde. Der ältere war von Narutos Kagebunshin zwischen seinem Schaffer und der Kunoichi pariert worden. Sakura raffte sich auf und formte die Fingerzeichen, die Shikamaru ihr gezeigt hatte. Die dicken Rauchschwaden, die aufstiegen, wurden vom herabkommenden Regen niedergeschlagen. Hoffentlich sah jemand das Signal. »Ist alles in Ordnung, Asuka-chan?«, fragte sie das Mädchen, das seine dunkelblauen Augen geschockt geweitet hatte. »Asuka-chan, hör mir zu«, sprach sie weiter, als diese nicht reagierte, »Ihr müsst von hier verschwinden. Nehmt euren Freund und lauft, hast du verstanden?« »J-ja«, wimmerte sie. Ihre Lippen waren blutig gebissen, ihr blasser Teint aschfahl. Die schwarzen Stirnfransen klebten nass und verschwitzt an ihren Schläfen, und obwohl sie gesprochen hatte, bewegte sie sich kein Stück. Während Sakura versuchte, Asuka zum Reagieren zu bewegen, hatte Sai sich bereits aus Mitsukis hilfesuchenden Klammergriff befreit und war in das Handgemenge gestürzt, das sich zwischen den drei Parteien gebildet hatte. Er ließ die Fronten mit einem Tintenlöwen auseinanderstieben, sodass die beiden Akatsuki nach rückwärts taumelten. »Sind sie hinter dir her?«, rief er der Kunoichi zu, deren Hitai-ate sie als Kumonin auswies. Sie griff ihr Wakizashi um, während sie ihren Stand festigte. »Ja. Ich konnte sie auf halber Höhe abhängen, doch sie müssen mich wieder aufgespürt haben!« »Yugito-san!«, drang plötzlich ein Männerchor durch die Bäume. Vier Kumonin hechteten auf die Lichtung; sie wurden mit einer flüssigen Sensenbewegung aus dem Weg gewischt. Wie leblose Fliegen klatschten sie an umstehende Baumstämme, die verheißungsvoll im Kanon mit ihren Knochen knackten. Der grauhaarige Akatsuki hatte jedenfalls Kraft. »Kakuzu«, sagte er mit einem verstörenden Lächeln auf den Lippen. »Lass sie uns töten.« Seine Worte waren wenig überraschend. Furchteinflößender war sein verzerrtes Grinsen. Sakura hatte diese Art Grinsen zuvor gesehen. Es war das Lächeln der eiskalten Mörder. Wenn sein Partner Kakuzu hieß, war er selbst Hidan. Sarutobi Asumas Mörder. Naruto schien es im selben Moment realisiert zu haben, denn er sprengte nach vorne und rammte ihm mithilfe zweier Kagebunshin ein provisorisches Rasengan in den Magen. Zumindest versuchte er es; Hidan wich mit einem Seitenschritt aus, dann ging alles ganz schnell. Die Bewegungen, die jeder einzelne anwesende Shinobi in dem blutigen Reigen vollführte, waren mit ungeübtem Auge kaum zu erkennen. Sakura, die am Rand der Lichtung Asuka im Arm hielt, erfasste nur einen Bruchteil dessen, was geschah, bis ein gellender Schrei die angespannte Atmosphäre zerriss. Sai lag ohnmächtig am Boden, Yugito war ausweichend zurückgesprungen und die beiden Akatsuki hatten blitzschnell eine Verteidigung gegen Narutos Rasen Shuriken aufgezogen, die ihn fluchend zurückwarf. Sakura sah sich hektisch um. Woher war der weibliche Schrei gekommen, wenn nicht von Yugito und ihr selbst? Ihre Augen suchten mit wachsender Ungeduld die Umgebung ab, bis sie auf ein zusammengekauertes Bündel fielen. »Mitsuki-chan!« Asuka hinter einen Baum in Deckung schleifend, sprang sie auf und hastete zu der jungen Kunoichi, die blutüberströmt auf dem nassen Erdboden zusammengebrochen war. Die charakteristischen Verletzungen ihrer Haut, die vom strömenden Regen reingewaschen wurde, ließen nur auf eines schließen. Und es war schlecht. Während Naruto und Yugito mit geballter Schlagkraft nach vorne stürmten, zerrte sie Mitsukis schlaffen Körper an den Rand des Schlachtfeldes, wo sie neben ihm auf die Knie fiel. »Halte durch, Mitsuki-chan«, wisperte sie in geschäftiger Hast, in der sie sich an die Arbeit machte, die Wunden des abgelenkten Rasen Shuriken zu heilen. Die Verletzungen waren nicht so tief wie bei einem direkten Treffer, doch die Ausläufer der Jutsu hatten lebensbedrohliche Spuren hinterlassen. Sakura hatte nicht gesehen, wie einer der Akatsuki Narutos Angriff ihres umgeleitet hatte; das tröstete schwerlich über Mitsukis Zustand hinweg. Hoffentlich kam Naruto alleine klar. »S-Sakura-sensei …« Mitsukis schwaches Säuseln war Musik in Sakuras Ohren. Ihre leeren braunen Augen tasteten die Umgebung ab, ohne etwas zu fokussieren. Sie war an der Kippe zur Bewusstlosigkeit. »Du hast sehr viel Blut verloren, Mitsuki-chan«, erklärte Sakura. Sie musste sie um jeden Preis wachhalten. »Wieso rauscht es dann so in meinen Ohren?« Ihr Wimmern war herzzerreißend, hätte Sakura nicht Übung darin gehabt, Störvariablen auszublenden. Mehr als einmal war ein Mensch unter ihren Händen gestorben. Sie hatte den Tod abonniert; heute würde es keine neue Ausgabe geben. Zumindest nicht mit Mitsuki-chan. »Du bist sehr tapfer, hörst du? Willst du Chūnin werden? Deshalb bist du doch hier. Wenn du deine Augen offenhältst, bist du einen Schritt näher an deinem Ziel. Asuka-chan ist dort hinten, sie macht sich Sorgen, und dein Freund – wie heißt er? Kannst du mit den Namen deines Teamkameraden sagen?« Der Name, den sie wisperte, war im erbarmungslosen Strömen des Regens unverständlich. Er begann mit T, mehr konnte Sakura nicht in Erfahrung bringen. Als sie mit ihrer Shōsen no Jutsu die gröbste Erstversorgung leistete, ehe sie zu dem akuten Teil übergehen konnte, begannen Mitsukis Lider über den nach innen verdrehten Iriden zu beben. Sie war drauf und dran, ihr Bewusstsein zu verlieren. Sakura durfte es nicht zulassen. »Mitsuki-chan, sieh mich an!«, blaffte sie ihre Patientin in harschem Ton an. Sie gebrauchte diesen Ton in der Regel bei Behandlungsverweigerern. Normalerweise war sie effektiv damit, doch Mitsukis leerer Blick verflüchtigte sich in eine andere Realität. »Scheiße!« Der Fluch kam laut und rau und Sakura beugte sich weit über sie, um ihre Reichweite zu vergrößern. Sie kappte ihre Shōsen no Jutsu zugunsten einer riskanteren Behandlung, die sie noch nicht ausreichend geübt hatte. So oder so, Mitsuki hatte nur eine geringe Chance zu überleben. Gerade als sie das Chakra in ihren Handflächen neu formierte, durchschnitt ein weiterer Schrei ihre Konzentration. In der Peripherie ihres Sichtfeldes sah sie die Kunoichi aus Kumogakure auf dem Boden aufschlagen; sie blieb regungslos mit von sich gestreckten Gliedmaßen liegen. Das bedeutete Naruto gegen Kakuzu und Hidan. Ein kürzlich zum Jōnin ernannter Konohashinobi gegen zwei S-Klasse Nukenin. Naruto war stark, aber er konnte nicht gewinnen. Für einige Sekundenbruchteile befand Sakura sich in einem Dilemma: sollte sie Mitsuki helfen und Naruto sterben lassen, oder Naruto helfen und Mitsuki und sich selbst umbringen? Für alle drei von ihnen gab es keine Garantie, mit einer der Möglichkeiten lebend von der Lichtung zu entkommen. Bruchteile einer Sekunde, nicht einmal ein Blinzeln verging. Dann tauchten sie auf. Ihre Präsenz explodierte auf der Lichtung wie ein strahlender Knall grellster Hoffnung, die Sakura metaphorisch blendete. Sie hatten ihre Chakrasignaturen so perfekt unter jeder merkbaren Schwelle gehalten, dass sie sie nicht hatte kommen spüren. Eine Woge der Erleichterung schwappte über sie hinweg. Jemand hatte ihr Signal gesehen! Nein, nicht jemand – Sie. Unter allen elitären ANBU Teams, die Konoha zu bieten hatte, hatte es ausgerechnet diesen Kader nach Kumogakure verschlagen. Sakura hatte nicht gewusst, dass sie auch hier waren, sonst hätte sie sie verständigt. »Teme!« Naruto raffte sich auf, blutüberströmt, und wischte sich ein rotes Rinnsal vom Kinn. Noch vor einer Minute hatte er gewirkt, als sei er fertig mit der Welt. Uchiha Sasukes Auftauchen gab ihm neue Energie; wütende, rivalisierende Energie, die Sasuke völlig kalt ließ. Keiner der Konohanin brauchte die Gesichter hinter den Masken der ANBU zu sehen, um zu wissen, wer sie retten würde. Asukas erleichtertes Japsen war Zeugnis genug, hätte ihre aufdringliche Gegenwart einen einzigen Zweifel gelassen. Naruto schien sich nichts aus dem eindrucksvollen Auftreten des berühmten Quartetts zu machen, denn er preschte mitsamt neuem Kampfgeist nach vorne, direkt auf Hidan zu, dicht gefolgt von Sasuke, der hinter seiner Waschbärenmaske deutlich herausfordernd grinste. Sogar Sakura konnte es durch das maßgeschneiderte Porzellan sehen. Auf ein Handzeichen ihres Captains hin setzten die anderen zwei Mitglieder des Teams samt ihm selbst nach. All das war in nicht einmal zwanzig Sekunden geschehen, in denen Sakura instinktiv das Chakralevel in ihren Händen an Mitsukis körperliche Konstitution und den Schweregrad ihrer Verletzungen angepasst hatte. Sie sah nicht, wie Naruto an der Seite der vier ANBU gegen Kakuzu und Hidan kämpfte, doch sie konnte pulsierende Wellen ihres Chakras spüren, die bei jedem physischen Aufeinandertreffen freigesetzt wurden. Kein Zweifel, dieser ANBU Kader hatte nicht umsonst seinen Ruf. Es waren bange Augenblicke, in denen sie begann, ihr eigenes Chakra mit dem Mitsukis zu verweben. Dies war der Anfang einer Prozedur, die sie kein einziges Mal an noch lebenden Subjekten geübt hatte. Sie versuchte, sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, ihr Chakra mit Mitsukis System zu harmonisieren, dennoch hörte sie mit halbem Ohr die scharfen Kommandos, die sein Captain dem Team gab. »Sasuke, Naruto, folgt Hidan! Yūgao, Shisui, übernehmt Kakuzu! Ich kümmere mich um Yugito-san«, fegte Uchiha Itachis Stimme über die schlagartig still gewordene Lichtung, die inzwischen mehr einem Kahlschlag ähnelte. Plötzlich stand er mit gezücktem Kunai neben ihr. Sakura hatte das vibrierende Chakra in ihrem Stresslevel nicht einmal ansatzweise bemerkt. Es waren zu viele Präsenzen, als dass sie sie hätte ausdifferenzieren können. Die Überraschung, mit der sie Nii Yugitos chakraumhüllten Körper sah, hätte tödlich sein können. Unprofessionelle Panik schlug ihr ins von Emotionen leergefegte Gesicht; sie brachten es einem bei, keine Emotionen zu zeigen. Es war schwach. Sie war nicht schwach. Doch sie war überfordert. Es waren zu viele Verletzte. Wenn sie Mitsukis Behandlung unterbrach, würde sie neu anfangen müssen. Sai würde schon durchkommen, er war hart im Nehmen, trotz allem blieben noch die schwerverletzten Kumonin und Asuka, die während ihres Kampfes mit den Iwanin erheblich schwerere Wunden davongetragen zu haben schien als angenommen und von dem Ableger von Narutos Rasen Shuriken ebenfalls schwer getroffen worden zu sein schien. »Das Chakra von Nibi drückt durch ihr eigenes«, riss Itachi sie aus ihrem kurzen Schock. »Bist du verletzt, Sakura-san?« Sie schüttelte mit dumpfem Gesichtsausdruck den Kopf. »Aber alle anderen. Selbst wenn ich noch all meine Chakrareserven hätte, könnte ich sie nicht alle auf einmal heilen!« Sie sah durch einen Schleier der Ratlosigkeit, wie Itachi seinen Stand festigte, einen Kunai zückte und sich bereit machte, sie und Mitsuki gegen Yugito zu verteidigen, die zwar das Bewusstsein wiedererlangt, dafür aber langsam die Kontrolle über ihren Körper verloren zu haben schien. Sakura gab es nicht gerne zu, aber sie hatte Angst. Es war wie damals, als rotes Chakra Naruto umwabert hatte; todbringend und giftig für ihn selbst. Bei Yugito sah es anders aus, aber letztendlich war auch sie ein Jinchūriki. »Jinchūriki!«, japste sie. Itachi drehte sich nicht um. »Wenn du ihren Körper heilst, geht das Chakra des Bijū zurück, ist das korrekt?« »Ja, aber wie soll ich an sie herankommen? Selbst im beginnenden Stadium einer Übernahme durch den Bijū ist sie schneller und stärker als normal!« »Wenn ich sie festhalte, könntest du es schaffen?« Es war keine Frage, sondern ein Befehl den er ihr erteilte. Sie würde sich später stumm über den vermessenen Tonfall brüskieren, in dem er jemanden herumkommandierte, der keiner seiner Untergebenen war. Für den Moment war sie froh, Uchiha Itachi als Frontmann zu haben. Als dieser schnellte er vor, wich einer willkürlichen Attacke Yugitos aus, umrundete sie und schlug sie zu Boden. Die formlose Andeutung eines Schwanzes war immer noch da; natürlich, ihr Körper war nach wie vor verletzt. Durch Itachis rüden Angriff sogar noch schlimmer. Es war riskant, Mitsuki ihrem Schicksal zu überlassen, wenn auch nur für kurz, und Sakura spürte im Aufstehen, dass es für sie selbst ebenfalls keine gute Idee war. Ihre Beine waren wackelig, trotzdem sie nicht aktiv mitgekämpft hatte. Die vorangegangenen Stunden auf dem Übungsgelände, gepaart mit Mitsukis Heilung, hatten ihr genügend abverlangt. Reiß dich zusammen!, schalt sie sich. Ihr Gang wurde schneller und fester; vor Uchiha Itachi Schwäche zu zeigen war keine Option. Vor keinem anderen Shinobi war es das. Sie war die Schülerin der Hokage höchstpersönlich, dieses Recht würde sie behaupten! Froh, angekommen zu sein, ließ sie sich neben Yugito nieder, die flach, aber schwer atmete. Itachis Blick auf ihr nahm Sakura nicht unbedingt die Nervosität. Sie versuchte ihn so gut als möglich auszublenden. Eine Überdosis Shōsen no Jutsu reichte für die oberflächlichen Wunden der Jinchūriki und als das Nibichakra zurückgegangen war, unterstand sie sich, sich erschöpft nach hinten sinken zu lassen. Es gab viel zu tun. Wenn sie sich keine Blöße vor dem älteren Uchihabruder geben mochte, würde sie es vor dem gerade zurückgekehrten jüngeren noch weniger. . . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)