Ruby von Papierkriegerin ================================================================================ Kapitel 2: Die Dunkelheit ist erst der Anfang --------------------------------------------- So, jetzt geht es hier auch weiter. Ich hoffe, es gefällt euch ^^ Kapitel 2 – Die Dunkelheit ist erst der Anfang Mein erster Tag nach meiner Ankunft fing damit an, dass mir jemand mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchtete. „Warum haste es denn hier so dunkel gemacht? Man sieht die Hand vor Augen nicht.“ Ich zog die Bettdecke höher, nachdem ich im Halbschlaf die Augen geöffnet hatte. Die Sonne war garantiert noch nicht aufgegangen. Es war gestern spät geworden, als wir uns mit meinem Onkel hingesetzt hatten. Seine Erzählung von der Hausgeburt war schillernd und ich hatte Mühe nicht zu würgen. Trotz allem war es interessant gewesen, ihm zuzuhören. Seine Arbeit war anscheinend sehr abwechslungsreich und er schien sich intensiv um seine Patienten zu kümmern. Für ihn waren sie nicht nur ein Job, sondern Menschen mit ihren ganz eigenen Problemen, Sorgen und Geschichten. Ich blinzelte in das Taschenlampenlicht, das penetrant auf meine Augen zielte. „Kannst du die bitte ausmachen?“ „Genierste dich etwa? Brauchste nich. Unterm Bademantel hab ich auch nix an.“ Sein feixendes Grinsen sagte mir, dass er das nicht ernst meinte, aber meine Phantasie war trotzdem angeregt. Was wäre wohl unter diesem Ungetüm aus neongrünem Frotteestoff? Ein Berg Muskeln, das war sicher. Aber die kräftigen Schultern, die sich darunter abzeichneten, hatten es mir noch viel mehr angetan. Ich riss mich zusammen und hielt meine Gedankengänge im Zaum. Es würde nur schlimm enden, wenn ich mich auf so etwas einließe, das hatte die Vergangenheit ja bestätigt. Für Sekundenbruchteile wurde mein Gesicht traurig. Steffen war nicht meine beste Wahl gewesen. Wenn ich mich anstrengte, spürte ich die Narbe auf meinem Arm immer noch pochen, wo er mich mit der Flasche getroffen hatte. Nie wieder. Jeder Typ würde erst einen Aggressionstest bestehen müssen und ich befürchtete, dass Ruby da sehr schlechte Karten hatte. „Ich genier mich nicht, aber ich mag meine Privatsphäre. Warum hast du mich eigentlich geweckt? Ich dachte, ich könnte heute ausschlafen?“ Ein Gähnen begleitete diese Aussage und ich machte mir nicht die Mühe, es zu verstecken. „Ausschlafen, aber dann verpasst du doch alles! Also los! Aufstehen. Sonst trag ich dich halbes Hemd einfach raus.“ Würde er das wagen? Ja, das würde er. Seufzend gab ich mich geschlagen. Dann wollte ich wenigstens vorher heiß duschen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen. Anscheinend hatten wir heute viel vor. „Dreh dich weg.“ Meine Batmanboxershorts musste er nun wirklich nicht sehen. „Nö.“ Ich sah ihn grimmig an. „Bitte?“ „Nö?“ Was sollte das? „Ruby? Warum tust du das?“ Ich war ehrlich verwirrt, was konnte er so spannend daran finden, mich halbnackt zu sehen? „Weil…“ „Ja?“ „Weil, ich es kann. So und nun weg mit der Decke.“ Damit wurde sie rüde von mir gezogen und ich saß frierend auf meinem Bett. Die Gänsehaut auf meinem Körper war leider deutlich zu sehen und ich befürchtete, dass Ruby noch ganz andere Dinge sah. Mein kleines Gedankenspiel hatte meinen Körper mehr angeregt, als ich es mir gerade wünschte. Er wackelte nur mit den Augenbrauen, was ich sehr peinlich fand. Schnell schnappte ich mir die Tagesdecke und wickelte sie wie eine Toga um meinen Körper. Noch war ich schmächtig, aber wenn dieses Muskelpaket auf dumme Ideen kam, konnte sich das vielleicht bald ändern. Frische Wäsche aus meinem Koffer in der Hand, drehte ich mich in Richtung Bad. Ich hoffte, dass er Anstand hätte, doch er folgte mir auf Schritt und Tritt. „Wenn du duschen gehst, dann zieh ich mir was an. Das Rührei von gestern war gut. Das will ich zum Frühstück.“ Und schon war ich zum Koch degradiert. „Ok, wieder mit Speck oder hat der Herr sonst noch Wünsche?“ „Hätte ich schon, aber das wäre an deinem ersten Tag unangebracht. Ich hab auch so etwas wie ein Gewissen.“ Mit einem Grinsen drehte er sich um und ging pfeifend in sein Zimmer. Ich verstand gar nichts. Wie hatte er das gemeint? Ich ging den Gang entlang, bis ich am Ende im Bad stand. Die Dusche auf sehr heiß eingestellt, ließ ich das Wasser auf mich nieder prasseln und genoss die Wärme. Meine Gedanken schweiften von ganz allein in die Zukunft und zu meinem ersten Schultag in Großbritannien. Ob es sehr anders sein würde? Ich hoffte es. Auf eine Wiederholung der Ereignisse in meiner alten Schule konnte ich gern verzichten. Ich drehte den Regler noch ein bisschen weiter. Der leichte Schmerz des heißen Wassers konnte nicht ungeschehen machen, was passiert war, aber es beruhigte mich. Es hatte lange gedauert, bis mir wirklich klar geworden war, dass ich in dieser Klasse nicht bleiben konnte. Ich hätte meine restlichen Schuljahre in Einsamkeit verbracht und manchmal hatte ich sie mir auch gewünscht. Aber völlig ohne Freunde dazustehen war hart. „Hey, Kleiner mach hin! Die Sonne geht bald auf.“ „Ja, ich beeil mich, Ruby.“ Man, konnte der nerven. Aber nichts, desto trotz, schrubbte ich schneller und vergaß meine trübsinnigen Gedanken. „Da biste ja. Biste jetzt zufrieden? Hab mich brav angezogen und alle schmutzigen Ideen aus meinem Kopf verbannt. Nun ja, vielleicht nicht alle.“ Keine Ahnung, wovon er redete, aber ich war ein bisschen enttäuscht, dass ich nun doch nicht gesehen hatte, was er unter dem Mantel trug. „Rührei und Speck kommt sofort. Was haben wir denn heute Schönes vor, dass du mich so früh wecken musstest?“ „Heute morgen haben wir Ebbe und ich will seit Ewigkeiten ein paar der Höhlensysteme am Strand erkunden und du hast die Ehre mitzukommen. Widerspruch lohnt sich eh nich, kannste also gleich lassen.“ Mein offenstehender Mund musste für sich gesprochen haben. Na super, Wasser war schon nicht meins, aber in eine dunkle Höhle kriechen, die eventuell überflutet werden konnte. Nein, darauf hatte ich ehrlich gesagt keine Lust. „Eigentlich wollte ich mich noch erkundigen, was hier in der Schule anders läuft, als in Deutschland.“ Versuch Nummer eins. „Ach, das kriegste noch früh genug mit. Sind bestimmt die gleichen Idioten hier und dort. Du bist so ein Zarter, pass lieber auf, dass die dich nich gleich mit Haut und Haar fressen. Und wenn doch, dann erwähne einfach meinen Namen. Mal sehen, wer sich dann noch traut, was zu sagen.“ Sein Gesichtsausdruck versprach einen langsamen Tod, für diejenigen, die mir eventuell ein Haar krümmen wollten. Das gefiel mir, aber auf der anderen Seite wollte ich auch nicht abhängig sein. „Das ist lieb von dir. Vielleicht muss ich auf das Angebot zurückkommen, aber ich hoffe das Beste. Onkel Charles muss heute nicht arbeiten, oder? Immerhin ist Sonntag. Ich hatte gedacht, dass wir vielleicht gemeinsam etwas unternehmen könnten.“ Versuch Nummer zwei. „Das können wir danach auch noch. Charlie ist Langschläfer, wenn de den vor 11 weckst, dann brät er dir eins über. Ich weiß, wovon ich rede.“ Verlegen kratzte er sich am Kopf und ich hatte Mühe den Pfannenwender in der Hand zu behalten, weil die Geste einfach zu süß aussah. Schnell drehte ich mich wieder um. Ich häufte seinen Teller voll und schmierte mir nur ein Brot. Ich war mir nicht sicher, ob ich in seiner Gegenwart vernünftig essen konnte, da mein Magen ein wenig verrückt spielte. „Aber…hm…wie soll ich das jetzt sagen? Hast du denn nichts dagegen, etwas mit so einem jungen Typen wie mir zu unternehmen. Du könntest doch auch einen Kumpel fragen. Ich…ich weiß doch gar nicht, worüber ich mit dir reden soll.“ Ich wusste nicht, was ich von seinem Ausdruck halten sollte. Er sah wehmütig, traurig und wütend zugleich aus. Die Frage war nur, was davon überwog und ob ich mich schleunigst in Sicherheit bringen sollte. Übrigens: Das war Versuch Nummer drei. „Ich bin gar nicht so viel älter. Und du kannst mir einfach alles über dein Leben in Deutschland erzählen. Das ist viel spannender als mein Eigenes. Und du brauchst gar nich versuchen, mich abzulenken. Du kommst mit und damit basta. Du wolltest doch Bruder spielen.“ Ja, aber nicht, wenn er dann aussah, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte. „Ist gut, ich komm mit. Du lässt sowieso nichts anderes zu.“ „Jetzt verstehen wir uns.“ Ich aß den letzten Happen meines Brotes und sah Ruby beim Essen zu. Er hatte einen gesegneten Appetit und ich fragte mich, ob alles, was er aß, sofort in Muskelmasse umgewandelt wurde. Aber dann sollte er langsam aufhören. So wie jetzt war es genau richtig. Ich würde wohl nie aus meinen Fehlern lernen. Aber allein wie die Ränder des T-Shirts sich an den Armen spannten, sah heiß aus. Und wenn man es genau betrachtete, war er insgesamt nicht so schlecht. Die schmale Nase und Lippen, ob er helle Haare hatte? Ich war mir nicht sicher, aber ich glaubte blonde Stoppeln zu erkennen. „Von wem träumst du denn? Das dämliche Grinsen im Gesicht steht dir überhaupt nicht. Flennst du jemandem hinterher oder was soll das?“ Der war wirklich frech. „Geht dich gar nichts an.“ „Aha, also voll ins Schwarze. Aber kann ja nich so doll gewesen sein, wenn de hierher abgehauen bist. War doch der Grund, oder?“ Was fragte er überhaupt, wenn er die Antwort schon wusste? „…“ „Thema vermeiden. Verstehe. Aber interessieren würde es mich schon. Du bleibst also über die Ferien und wenn alles glatt geht, dann wohnst du hier. Guter Plan, wer hat sich den ausgedacht?“ Sarkasmus konnte ich überhaupt nicht leiden. „Ist daran was nicht in Ordnung? Warum soll es denn hier nicht besser werden? Hier kennt mich keiner und ich kann von vorn anfangen. Du hattest wahrscheinlich nie Probleme, weil sich keiner traut was zu sagen.“ Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund. „Das würde ich so nicht sagen, du halbe Portion. Ich frage dich mal direkt: warum sollten die Menschen hier anders sein?“ Der konnte einem echt alles mies machen. „Ich muss doch nicht von allen sofort das Schlimmste denken. Das solltest du vielleicht auch mal probieren. Positiv sein.“ Zumindest würde ich mich an diesen Vorsatz halten. „Hat dir ja viel gebracht. Egal. Themawechsel. Wir müssen nämlich los. Also los hopp hopp.“ Auf dem Weg zu den Höhlen, stiegen wir über Stock und Stein. Meine armen Füße beklagten sich schon eine Weile, aber ich würde nicht jammern. Ruby sollte mich nicht für völlig verweichlicht haben. Aber anscheinend hatte er mich bereits vollkommen durchschaut. Das Gestocher in meiner Vergangenheit war zumindest sehr unangenehm gewesen. Mich überkam immer Übelkeit, wenn ich daran dachte, wie blind ich gewesen war. Das würde mir nie wieder passieren. Und davon musste auch niemand etwas wissen. Besonders Ruby nicht. „Ist es noch weit?“ Ich sah mich um und genoss den Ausblick. Diese Gegend war wirklich wunderschön. Aber sie machte mir auch Angst. Die Klippen sahen teilweise sehr steil aus und die Wege, die wir nahmen, luden nicht dazu ein, sie zu benutzen. Aber Ruby kletterte wie eine Gazelle. Es schien ihm egal zu sein, wie uneben der Boden aussah und jeder Schritt schien zu sitzen. Entweder er war schon sehr oft hierher gekommen oder er hatte Erfahrung im Bergsteigen. „Wir sind gleich da. Ich hab nach einem nicht so steilen Abstieg gesucht, aber wir sollten uns wirklich beeilen, sonst ist die Flut schneller da, als mir lieb ist. Guck mal!“ Er zeigte mit den Fingern gen Horizont und ich hielt den Atem an. Die Sonne ging über dem Meer vollständig auf und tauchte alles in goldenes Licht. Es war atemberaubend und ich war nicht mehr böse, weil ich so früh hatte aufstehen müssen. „Wunderschön.“ Wir hielten einen Moment an und nahmen den Anblick in uns auf. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich für die Schönheit der aufgehenden Sonne begeistern könnte. Aber ich hatte ihn wohl unterschätzt. Es war eben nicht immer alles so, wie es aussah. „Wir müssen weiter, Winzling.“ Ich zuckte zusammen. So nannte mich Onkel Charles immer. Und nur er durfte das. Aber ich würde es ignorieren. Es war bestimmt nur ein Versehen. „Sei vorsichtig hier. Schön einen Fuß vor den anderen setzen. Dort kommt ein Vorsprung, den werden wir nutzen, um herunterzukommen.“ Das war nicht sein Ernst. Ich sollte da runter klettern?! Nie im Leben! „Das kann ich nicht, Ruby. Gibt es keinen anderen Weg?“ „Ach, jetzt sei nicht so‘n Schisser. Wirst dir schon nich alle Knochen brechen. Ich fang dich auch auf, wenn du fällst.“ Er zwinkerte mir schon wieder zu. „Danke. Ich verzichte.“ Schweigend machten wir uns an den Abstieg. Es sah wirklich schlimmer aus, als es war. Doch kurz vor dem Ende, griff ich daneben und strauchelte. Mein Sturz wurde weich aufgefangen und ich errötete garantiert wie eine Jungfrau in Not. Rubys starke Arme umschlossen meinen Körper und ich spannte mich unwillkürlich an. „Hallo. Schönheit. Da ist mir ja was in die Hände gefallen. Und nun werde ich die Prinzessin in meine Höhle verschleppen, um sie zu fressen. Muhahaha.“ Er war wirklich blöd…und süß. „Na los, du Monster. Dann trag mich.“ Wir kicherten los und er warf mich kurzerhand über seine Schulter. Der Aufprall war schmerzhaft und nahm mir kurzzeitig die Luft. „Lass mich runter! Ich bin doch kein Mehlsack!“ Doch er hörte nicht auf mich, sondern lief einfach mit seiner schweren Fracht weiter, als würde ich nicht mehr als eine Feder wiegen. Wenn mir bloß von dem Geschaukel nicht so schlecht geworden wäre. „Ruby. Bitte, lass mich runter. In meinem Kopf dreht sich schon alles.“ Würg. „Na gut, aber nur, damit du mich nicht vollkotzt.“ Aber anstatt mich normal herunterzulassen, glitt ich an seinem warmen Körper hinab. Voller Körperkontakt! Mein Herzschlag beschleunigte sich gefährlich und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er das mit Absicht gemacht hatte. „Da vorn ist es. Gut, wir sind noch rechtzeitig da.“ Er ging voraus und die Höhle, die sich vor uns auftat, war nicht mehr, als ein schmaler Durchgang. Es war stockfinster. „Da willst du rein?“ Mir war echt nicht wohl bei der Sache. Hausten hier Fledermäuse? Der Boden sah schlammig aus und glitschig von den Algen, die es hier in Massen gab. „Haste Schiss? Komm schon! Ich will wissen, ob sich meine Theorie bestätigt.“ Wir balancierten auf den rutschigen Steinen und ich war froh, als ich merkte, dass der Boden trockener wurde. Dafür wurde es aber auch immer dunkler. „Hast du eine Taschenlampe mitgebracht?“ Der Muskelprotz nickte und schaltete eine Lampe an, die jeden Technikfreak neidisch gemacht hätte. So helles Licht und allerhand Sonderfunktionen. Hatte eher was von einem Schweizer Taschenmesser deluxe. „Wow, wo bekommt man denn so was her?“ Ich war wirklich beeindruckt. „Na, nirgends. Marke Eigenbau. Ich hab ein Händchen für technische Dinge.“ Er grinste mich breit an und ich merkte schon wieder dieses komische Ziehen. Bisher schien er auch ganz anders zu sein, als ich gedacht hatte. Auch wenn er wie ein Problemkind aussah, schien er eher friedlicher Natur zu sein. Obwohl…den Vertreter wollte er schlagen und mich auch… und jeden, der mir in der Schule was tun wollte. Vielleicht sollte ich mein Urteil nicht so voreilig fällen. „Kommst du, Winzling? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Es sei denn, du kannst unter Wasser atmen.“ Gut, dass er das erwähnte, ich hatte völlig vergessen, dass die Höhle sonst überflutet war. Aber warum, war der Boden dann so trocken? Ich sah mich um und entdeckte eine Stelle, die nasser wirkte, als der Rest. „Kannst du mal hierher kommen? Ich glaube, das Wasser sickert hier durch.“ Er trabte zu mir rüber und irgendwas war komisch. „Christopher. Komm da weg!“ Er zog mich zu sich, in dem Moment als der Sand unter mir nachgab. Das war eine Mördergrube! Treibsand. Nur locker aufgeschichtet und darunter war wahrscheinlich ein Hohlraum. Kein Wunder, dass das Wasser an dieser Stelle abfloss. Mein Herz puckerte und mein Adrenalinpegel war hoch. Das hätte verdammt schief gehen können. Erst in diesem Moment bemerkte ich, dass mein Herz nicht das Einzige war, das raste. Ruby hatte mich dicht an sich gepresst und sein Atem ging schnell. „Eine Falle. Für Schmuggler, die sich hier nicht aufhalten sollten. Geht es dir gut?“ Er betrachtete mich von oben bis unten und schien dann erleichtert zu sein, dass mir wirklich nichts fehlte. „Ja, aber warum an dieser Stelle?“ „Na, je eher der Feind aufgehalten wurde, desto besser. Wir sollten vorsichtig sein. Wahrscheinlich gibt es noch mehr Fallen. Am besten, du bleibst bei mir.“ Ich war damit einverstanden, aber es schockierte mich, als er meine Hand, wie bei einem kleinen Kind, in seine nahm. „Ich kann alleine laufen. Ich pass schon auf.“ Ich lächelte ihn zögerlich an, damit meine Worte nicht zu harsch rüberkamen. „Nichts da! So kann ich dich besser festhalten, falls du wieder ausrutschst.“ Resigniert ließ ich meine Hand in seiner liegen. Der Ton duldete keinen Widerspruch. Seine Hände waren groß und warm. Dieser Mann hatte die Körpertemperatur einer Ofenheizung. In der Höhle war es frisch und ich bedauerte, mich nicht wärmer angezogen zu haben. Außerdem hatte ich das Gefühl, das mein T-Shirt klamm an meiner Haut lag. Je weiter wir kamen, desto trockener wurde die Luft und der Gang immer enger. Als der Tunnel abrupt endete, musste ich mich zusammenreißen. Nicht panisch werden. Es gibt immer einen Ausweg. Aber der war jetzt mit Wasser versperrt. Zumindest hatte Ruby das nach einem Blick auf seine Uhr behauptet. Es würde nicht mehr lange dauern und alles würde unter Wasser stehen. Beeilung! „Was ist los? Du bist plötzlich so blass geworden.“ Die Wände kamen immer näher und ich hatte das Gefühl, dass der Raum immer dunkler wurde. Ruby. Er würde wissen, wo der Ausgang war. Er hatte mich hier rein geschleppt. Atmen. Tief ein und aus. „Christopher? Hallo? Geht-es-dir-gut? Sag mal, kannst du mich überhaupt hören?“ Ja, ich höre dich. „Hey. Nicht herumstehen. Ich glaube, ich weiß, wo der Türöffner ist.“ Er trat an einen Vorsprung und tastete ihn mit der Hand ab. Als ein Stein locker heraus fiel, machte er ein triumphierendes Geräusch. „Wusste ich es doch. So, Winzling. Gleich ist alles vorbei. Ich hol dich hier raus.“ Die Steine knackten und langsam konnte man im Dunkeln eine Treppe erkennen. „Mit dir erlebt man was.“ Er redete beruhigend auf mich ein. Ich weiß nicht mehr alles, was er sagte, nur dass er mich an sich presste und ermutigte, einen Schritt vor den anderen zu machen. „Schön weiterlaufen. Hier kann dir nichts passieren. Wir sind schon lange über dem Meeresspiegel.“ Über mir sah ich eine Holztür, die quietschte, als er mit ganzer Kraft dagegen drückte. Seine Körperwärme dicht hinter mir und seine Gelassenheit sorgten dafür, dass ich wieder zu mir kam. Langsam kletterte ich aus dem Loch und wir kamen in einen riesigen Keller mit großen Weinfässern. „So, Winzling. Was war das?“ Er drückte mich an sich und ich konnte nicht anders, als meine Nase, in seinem Hemd zu vergraben. „Weiß nicht.“ „Sah aber nicht danach aus. Warum hast du denn nich gesagt, dass du solche Angst hattest? Ich hab doch vorhin nur Spaß gemacht. Shit, das war echt gruselig, wie de da vor dich hingestarrt hast.“ Ich zitterte immer noch am ganzen Körper. Auch wegen der Kälte. „Ich hab Panik bekommen.“ Er sah nur auf mich runter, aber ich konnte keine Verachtung in seinem Blick sehen, nur ehrliche Sorge. „Nächstes Mal, sagste früher Bescheid. Dann kann ich dich beruhigen. Ich kenn mich hier aus. Kannst dich also auf mich verlassen.“ Ich nickte und er schien zufrieden zu sein. „Ich hab mir doch gedacht, dass wir hier rauskommen. Lust auf einen Schluck Wein? Der ist so alt, der haut uns glatt die Beine weg.“ Er lachte laut und ich fing an, mich wieder normal zu fühlen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)