Bump. von YunYang ================================================================================ Kapitel 7: Erinnerungen ----------------------- Als ich zu mir kam, sah ich kaum etwas. Es war wohl Nacht, schon wieder. Einen Tag hatte ich locker verpennt. Ich drehte mich zur Seite. Jack lag nicht neben mir, doch ich konnte seine Stimme hören, er telefonierte wohl. Mein Kopf grub sich noch einmal in das Kopfkissen. Ich war noch immer so erschöpft, ich spürte jedes einzelne Haar. Ich schwang meinen Arm so vor mich, dass ich ihn mir ansehen konnte, ohne mein Blickfeld zu ändern. Die Narbe schimmerte zart rosa, sie tat nicht mehr allzu sehr weh. Die Schürfwunden an meinen Armen schienen auch schon etwas verheilt zu sein. Es wird doch., dachte ich zufrieden und schloss meine Augen, nachdem ich ein leises Gähnen von mir gegeben hatte. Ich musste noch einmal eingeschlafen sein, denn ich träumte plötzlich. Ich sah mich selbst, ich stand auf einem große Gebäude, es ähnelte der Eden Mall. Mein Blick wirkte starr und verkrampft. Aus meiner Hosentasche zog ich eine Uhr. Was war das nur für ein Traum? Plötzlich drehte ich mich um, ein Mann mit einem Runner Tattoo unterhalb des Gesichts begrüßt mich. Er drückt mir etwas in die Hand. Ein Schlüssel?, ich verstand noch immer nicht, was dieser Traum zu bedeuten hatte. Meine Miene veränderte sich. Der Mann hatte mich kurz in den Arm genommen. Sein Blick hatte einen melancholischen Ausdruck, als ich mich von ihm gelöst hatte und mich auf den Weg gemacht hatte. Mein anderes Ich sprang von dem Dach des Hauses und hangelte sich an Rohren entlang, auf die andere Seite der Straße. Welche Seite von mir war das nur? Ich sah mich selbst als emotionskalte Person mit eisernem Blick. Es erschreckte mich ein wenig. Mein Ich drehte sich um. Plötzlich hörte ich Schritte, doch ich sah niemanden. Schüsse. Sie treffen mich. Es ist genau wie kurz vor meinem Fall. Ich konnte hören, wie mir jemand etwas zu schreit. „..afen! Der Hafen, Venuum! Venuum!” „Hey, Venuum!”, ich schreckte hoch. Und atmete den Atem stockend aus, den ich soeben angehalten hatte. Jack hatte mich wachgerüttelt. „Puh…. Jack! Erschreck’ mich doch nicht so!”, sagte ich verärgert. Ich strich mir meine Haare zur Seite und stütze mein Gesicht in meine Hände. Der Traum hatte mich innerlich aufgewühlt. Es hatte sich so real angefühlt, dass ich einen Moment brauchte, um mich zu beruhigen. „Alles okay?”, er setzte sich an die Bettkante. Ich nickte schwach. „Ich hab nur… schlecht geträumt.”, entgegnete ich leise. Ich konnte ihn aus einem Augenwinkel heraus nicken sehen, er wusste wohl, dass ich keine Lust hatte, darüber zu reden. „Wie dem auch sei.”, fing er schließlich an. „’Ne Freundin von mir hat vorhin angerufen. Sie ist so’ne Type, die alles und jeden in dieser Stadt kennt.” „… Meinst du, sie weiß etwas über mich?”, meine Frage schien ihn zum Grübeln gebracht zu haben. Er fuhr sich durch die Haare und fuhr fort: „Ich hab sie mal gefragt, ob sie ‘nen Runner namens Venuum kennen würde. Sie meinte, dass sie mal nachsehen würde. Und sie hat was gefunden. Das einzige Problem bei der Sache: Laut dem Runnerverzeichnis, dass innerhalb der Gegend geführt wird, gibt es sieben Leute mit diesem Namen.” „Und weiter?”, harkte ich nach. Ich blickte ihm in die Augen. Er erwiderte meinen Blick, doch ich konnte einen Anflug von Sorge in ihm erkennen. „Dazu kommt, dass keiner dieser Runner weiblich ist.” „Und das heißt?” „In diesem Verzeichnis stehen echt alle Runner, die es gibt, Venuum. Dass du nicht drin stehst heißt entweder, dass du kein aktiver Runner mehr bist oder… das du nie einer warst.” „Was…..?”, meine Gedanken setzten für einen Moment aus. Ich versuchte das Gehörte zu verarbeiten, doch es viel mir schwer. Meine Finger krallten sich in die Bettdecke. „A-Aber ich bin mir sicher, dass ich einen Auftrag an dem Tag damals ausgeführt hab! Wirklich!” „Umso schlimmer.”, war alles, was er dazu sagte. Er ließ sich auf das Bett zurückfallen. Er griff nach dem Telefon und wählte eine Nummer an. Ich schwieg und wartete ab, ich war so verwirrt, dass ich ohnehin nichts sagen konnte. „Yo, Jimmy. Ich brauch Kairo noch mal. … Mhm, es geht immer noch um die Sache von vorhin.”, ich rückte an ihn heran, bis ich etwas hören konnte. Jack schien das nicht zu stören. Zu hören war nur ein leichtes Rauschen und schließlich der Klang einer weiblichen Stimme. „Du schon wieder?”, sie schien nicht gerade glücklich über seinen Anruf zu sein. „Ja, Süße, ich kann’s nich’ ändern. Hör zu.”, meinte Jack ernst. „Ich brauch sofort die Handlungs- und Aktendaten aller Venuums aus der Stadt.” „Sonst noch was, du egoistisches Arschloch?? Boaahh man! Du versaust mir meinen freien Tag!…. Bleib halt dran, in fünf Minuten hab ich’s.”, dass sie seinen Wunsch trotz ihrer Laune ausführte, beeindruckte mich. „Deine Freundin?”, fragte ich leise. Er lachte und schüttelte seinen Kopf. „Fast.”, flüsterte er amüsiert. „Meine Ex.” „Soo…..”, die Frau namens Kairo hatte tatsächlich nur fünf Minuten gebraucht, um all die Daten zusammen zu sammeln, nach denen er verlangt hatte. Jack hatte die Hörerlautstärke so hochgedreht, dass ich auch was hören konnte, ohne im gleich am Hals zu hängen. Die Anspannung in mir wuchs stetig, besonders, als Kairo einen langen Seufzer von sich gegeben hatte. „Da hätten wir zum Einen Venuum Enderson, vierundzwanzig, Runner Tattoo auf dem linken Schulterblatt. Der Gute hat sich letztes Jahr bei ‘nem Sprung den Knöchel so ausgerenkt, dass nix mehr ging, zum Anderen Venuum Sing, zweiundzwanzig. Das Tattoo geht an der Wirbelsäule lang. Er hat keine dicke Akte, er scheint sich nie mit den Bullen angelegt zu ham. Venuum Brink, achtundzwanzig, Runner Tattoo am rechten Handgelenk. Ist gestürzt, weil seine Runner Vision ihn verlassen hat. Dann noch Venuum Brown, er ist vor ein paar Tagen zwanzig geworden. Der Typ hat schon so einigen Mist fabriziert. Wegen ihm musste die untere Etage der Eden Mall renoviert werden. Dann noch…”, ich konnte nicht fassen, dass es in dieser Stadt so viele Menschen gab, die denselben Namen trugen wie ich. Immer mehr Fragen häuften sich in meine Kopf an, sorgten dafür, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich dem Ausweis, den Jack mir nach einem Fall gegeben hatte, glauben schenken sollte. Doch das Foto war eindeutig eins von mir gewesen und auch beim Ausweis selbst konnte es sich unmöglich um eine Fälschung handeln, das Policedepartement hatte ihn abgestempelt. Anscheinend hatte Jack mitbekommen, dass ich dem Ganzen nicht mehr folgen konnte. „Okay, danke.”, sagte er eilig. „Danke für die ganzen Infos, Süße, aber die Venuum, die ich suche, scheint immer noch nicht dabei zu sein, oder?”, die junge Frau schien etwas verärgert darüber gewesen zu sein, dass er sie einfach so unterbrochen hatte. Ihre Stimme klang noch gereizter als zuvor. „Nein, man! Haste doch gehört! Wer soll das überhaupt sein?! Deine Neue?!” „Nope, sie ist von ‘nem Dach runtergesegelt, nachdem die Bullen auf sie geschossen haben. Ich hab sie bei mir aufgenommen, aber sie kann sich an nix erinnern, Amnesie wegen dem Aufprall, denk ich.” „…verstehe. Und untersuchen lassen kann man die Kleine ja nicht, da wird sie ja sofort verhaftet…. Man, was ‘ne scheiße. Wart’ mal ‘ne Sekunde, Jack.”, anscheinend hatte sie den Hörer kurz beiseite gelegt. „Keine Angst.”, Jack wandte sich mir zu. „Auch, wenn sie echt mürrisch is’, sie hat die besten Kontakte.”, so gerne ich mich darauf verlassen wollte, die Anspannung wich nicht aus meinem Gesicht. Wer war ich denn, ohne Namen, ohne Erinnerungen an mein bisheriges Leben? Meine Finger hatte ich schon so weit in der Decke versenkt, dass meine Fingernägel durch den Stoff auf meine Handballen trafen. „Ich hab echt Angst.”, flüsterte ich. Jack seufzte. „Wenn ich nicht Venuum bin, wer bin ich dann? Wie soll ich das jemals rausfinden, ohne die Bullen zu benachrichtigen?! Was ist, wenn…” „Na also! Da ham wir doch was!”, Kairos Stimme brachte mich zum Schweigen. Jack setzte sich auf. „Hast du was gefunden?”, fragte er. Ich hielt die Luft an. „Yep.”, sagte sie, als würde sie nun etwas präsentieren wollen. „Es gibt wohl doch einen weiblichen Runner namens Venuum. Das ist aber echt die Einzige, die ich gefunden hab, Baby. Wenn’s die nicht is...” „Hau rein.” „Venuum. Neunzehn Jahre alt, ihr Runner Tattoo ist auf der linken Schulter, ziemlich groß, das geht bis zum Oberarm runter.”, mir viel wortwörtlich ein Stein vom Herzen. Ich legte meine Hand vor Erleichterung auf die Brust und seufzte. Auch Jack grinste nun etwas entspannter. „Genau das wollt’ ich hör’n, Süße, du bist’n Schatz.” „Nicht zu früh freuen, Jack. Bei der Kleinen ist weder ein Nachname noch ein Geburtsdatum oder so was eingetragen. In der einen Akte steht nur, dass die Polizei auf sie aufmerksam geworden ist, weil sie die Einsatztruppen belauscht hat und ihre Einsatzdaten an irgend’ne Gruppe weitergegeben hat.” „Einsatzdaten… zu der Gruppe wurde sonst nichts vermerkt?” „Nee, nicht viel. Hier steht nur, dass sie an verschiedenen Stellen gesichtete wurden. Einmal an der Eden Plaza und ein anderes Mal-” „Am Hafen…”, gab ich leise von mir. Jack legte den Hörer kurz zur Seite. „Erinnerst du dich an was?”, fragte er mich. Ich kniff meine Augen um besser nachdenken zu können. „Am… Am Westhafen… man kommt nur in das Gebäude rein, wenn… man sich auf ‘nen Transporter schmuggelt. Ja… plötzlich fällt’s mir wieder ein…..”, als ich meine Augen öffnete, sah ich den Grundriss des Hafens vor mir. Es war, als wäre eine Blockade in meinem Kopf gelöst worden. „Ist man erstmal drin, kommt man nur durch den Lüftungsschacht im zweiten Stock raus. In den beiden unteren Etagen werden Waffen und importierte Waren gelagert, da musste ich hin. Ich glaube, es war wegen einer Waffenlieferung… an… an Ikarus…. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube mein damaliger Auftrag war es, die Waffen gegen eine Kiste auszutauschen, die sich auf dem Rücksitz der Fahrerbank des roten LKW in der ersten Ebene befindet. Jetzt versteh’ ich… deswegen der Schlüssel…” „Hey, bist du noch dran?”, Kairos stimme erklang aus dem Hörer. Jack schien das ganze erst einmal verarbeiten zu müssen. Er nickte mehrfach, blickte gegen die Zimmerdecke und sprach wieder zu ihr. „Jaja, sorry. Anscheinend weiß die Kleine noch was darüber.” „Du meinst über diesen Auftrag?” „Ja. Warte mal.”, er blickte kurz zu mir rüber. „Weißt du, ob du den Auftrag damals abgeschlossen hast?” „Tut mir leid… ich…” „Kein Ding.”, kam er mir zuvor. Er strich sich seine Haare zurück und lächelte kurz. „Scheint so, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie den Auftrag damals erledigt hat. Ist aber wichtig, das zu wissen. Wenn sie keine Bullen im Nacken hat, ist es wesentlich easier nach ihrer wahren Identität zu suchen.” „Ich tu, was ich kann.”, Ich konnte Kairos Seufzen so deutlich hören, dass ich mir ein Kichern nicht verkneifen konnte. Ich rückte ein Stück an Jack ran und bat ihn, ihr meinen Dank auszurichten. Dass ihre Stimme danach etwas heiterer klang, schien auch Jack zu amüsieren. Er verabschiedete sich von ihr und legte den Hörer beiseite. „Mal abgesehen davon, dass wir jetzt ‘n bisschen mehr über dich wissen, wie geht’s’n dir?” „Ganz okay.”, antwortete ich. Ich setzte mich an die Bettkante. Meine Beine waren zwar wie gelähmt vom Muskelkater, doch das machte nichts. Ich genoss das Gefühl im Nachhinein sogar ein bisschen, weil es mir zeigte, dass ich mich bewegt hatte, dass ich noch immer rennen konnte, nachdem ich solange nicht dazu in der Lage gewesen war. Jack überprüfte den Zustand meines Arms. Er bewegte ihn und starrte die Narbe an, als wäre sie was zu essen. „Hm… Immer noch leicht geschwollen. Wir haben ja keinen Stress. Lass es etwas langsamer angehn’ , damit’s abheilen kann.”, ich nickte eifrig und stand auf. Ich lief in die Küche, er folgte mir. „Willst du was trinken?” „Ja, ‘nen Kaffe oder so.”, während ich nach etwas essbarem Ausschau hielt, konzentrierte er sich ganz darauf, den Wasserkocher anzustarren und eine Zigarette zu rauchen. Als ich zu ihm herüber sah, viel mir wieder auf, wie müde er aussah. „Warst du etwa die ganze Nacht wach?”, fragte ich und lehnte mich an den Küchenschrank. Er atmete den Rauch aus und kratze sich am Hinterkopf. „Ich hab den Funk abgehört. Ich wollt’ nur sicher gehen, dass uns niemand gefolgt ist oder besser gesagt, das Aeon uns erstmal keine Sorgen mehr bereiten kann.” „Ich verstehe.”, ein paar Minuten später nahm ich den frischen Kaffee entgegen, der zu meiner Freude noch nicht nach gesiebten Zigaretten schmeckte. Statt mich weiter mit Jack zu unterhalten, lief ich ein bisschen umher und sah mich um. Die Wohnung hatte vier Zimmer. Eines davon war das große Schlafzimmer, das dem in Jacks andere Wohnung zum Verwechseln ähnlich sah. Es war ebenso finster und roch genauso streng nach Zigaretten. Im Wohnzimmer gab es abertausende Stapel von Papieren und Akten. Und ein paar Computer, ich denke, er hörte damit den Funk ab und kontrollierte die Standorte der Polizei. Die beiden anderen Zimmer ähnelten Abstellkammern. In dem einen standen Klamotten, in dem anderen Schuhe und verschiedene Ausrüstungen. „Gibt es noch andere Runner, die hier wohnen?”, fragte ich durch die Räume. Es war Jack wohl zu mühsam durch die ganze Wohnung zu schreien, weswegen er auf meine Anfrage zu den zwei Zimmern kam. „Naja.”, fing er an. „Kairo und ‘n paar ihrer Leute kommen manchmal hier hoch, in Notsituationen.” „Notsituationen?” „Yep. Wenn ihnen die Cops so im Nacken hängen, dass es nicht anders geht. Und die Sachen hier-”, er lief an den Klamotten vorbei, zu einem kleinen Schrank herüber. Als er die erste Schublade öffnete, konnte ich sehen, dass dort mindestens dreißig Headsets aufbewahrt wurden. Er nahm eins davon und warf es mir zu. Ich starrte es eine ganze Weile an, nachdem ich es gefangen hatte. Dann sagte ich schließlich: „Irgendwie komisch. Ich hab das Gefühl, als hätt’ ich genau so eins mal gehabt.” „Na klar, das kommt doch hin, Kleine.”, antwortete er. Trotz meines unüberhörbar Lauten Seufzens steckte er sich noch eine Zigarette an. Er nahm ein paar Züge, ehe er fortfuhr: „So eins ist für Runner unverzichtbar. Es muss immer jemanden geben, der einen überwacht, sonst geht nur was schief.” „Stimmt.”, ich strich meine Haare zurück und steckte es mir ins Ohr. „Und? Wie seh’ ich aus?”, fragte ich scherzeshalber. „Genauso kümmerlich und flach wie vor-” „Du bist so gemein!”, brüllte ich empört und schlug ihm gegen den Arm. Jack jedoch lachte nur Lauthals und verließ daraufhin das Zimmer. Ich war wohl etwas rot geworden, mein Gesicht fühlte sich warm an. Nervig. Ich nahm das Headset aus meinem Ohr. Ich lief ebenfalls aus dem Zimmer, in das Bad und stellte mich vor den Spiegel. Es war nicht so, dass ich mein Äußeres in irgendeiner Weise nicht mochte. Die schwarzen Haare und die grünen Augen waren echt stimmig! Aber vielleicht hatte ich doch ein paar Komplexe, auf die er bewusst angespielt hatte. Pah! Er ist und bleibt ein Arschloch!, dachte ich und schnaubte kurz auf. Da ich das Bad bereits betreten hatte, schloss ich die Tür ab und duschte mich kurz. Das war in den letzten Tagen eindeutig zu kurz gekommen. Zum Glück befanden sich im Bad ausreichend Waschlappen und Handtücher, den das Wasser aus dem Wasserhahn war so kalt, dass ich Angst hatte zu erfrieren. Als ich fertig war, wickelte ich mich also in eine Tonne Handtücher und lief vorsichtig aus dem Bad heraus. Jack schien das Rauschen des Wassers wohl gehört zu haben, den er trat mir nicht entgegen, was ich in diesem Moment zu schätzen wusste. Mit Handtüchern ausgestattet oder nicht, peinlich wär’s alle Mal gewesen. Im Schlafzimmer angekommen öffnete ich den Kleiderschrank und suchte mir ein paar Sachen zusammen. Es freute mich, dass ich mich wieder umziehen konnte, ohne großartig auf meinen Arm achten zu müssen. Meine Haare steckte ich mit einer Klemme hoch, die ich auf dem Boden gefunden hatte. Das Shirt und die Hose waren zwar viel zu groß, doch irgendwie gefiel mir dieser Look. Eigentlich ziemlich stylisch., ich kicherte zufrieden, sammelte die Handtücher auf und hing sie ins Bad zurück. Dann suchte ich Jack. Er saß im Wohnzimmer und klebte vor einem der Bildschirme. Ich lief auf ihn zu. Und stoppte abrupt. Auf dem Bildschirm liefen die Nachrichten. Fünf oder sechs Runner wurden in einen Konvoi der Polizei gebracht, allesamt in Handschellen gelegt. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als Jack die Lautstärke des Berichts etwas lauter drehte: ,,Nachdem die Polizei ein weiteres Runnerversteck dank der Hilfe ihrer Spezialeinheit ,,Ikarus” ausfindig machen konnte, hat sich die Situation in der Nähe des CC-News- Gebäudes wieder beruhigt. Erst einige Stunden zuvor war dort ein kleines Feuer im zweiten Stock ausgebrochen, bei dem aber niemand weiteres verletzt worden war. Die sechs Runner werden nun auf Grund eines Verdachts der Brandstiftung vor das Gerichtsamt geliefert. Das Policedepartement verdeutlichte noch einmal….” „Diese Penner.”, zischte Jack verächtlich. „Sieh dir das an.”, er deutete auf einen der Runner, bevor sie seine Silhouette im Konvoi verschwunden war. Er wirkte nahezu hilflos, hatte einen Verband um den Kopf gewickelt und machte auf mich einen ungeschickten Eindruck. „Ein Neuling?”, fragte ich. Ich lehnte mich an den Schreibtisch. „Ja, sieht ganz so aus.”, er hielt das Bild an und seufzte. „Die suchen sich möglichst dumme Runner, die keine richtige Ahnung vom ganzen System haben, weil sie genau wissen, dass sie aus denen am meisten Infos rauskriegen, wenn sie ihnen dafür die Freiheit schenken. Die haben ja auch noch nichts zu verlieren.” „Wenn sie die Daten und Koordinaten von wichtigen Leuten rausgeben, geht alles den Bach runter!” „Genauso so is’ es.”, seine Stimme hatte plötzlich einen sehr rauen Unterton. Er schaltete den Bildschirm ab und stand auf. Er lief an mir vorbei und blickte aus dem schmalen Wohnzimmerfenster. „Wir müssen wirklich aufpassen. Als erstes sollten wir versuchen, Details über deinen Auftrag rauszufinden.” „Das mach’ ich schon.”, sagte ich eilig. Doch er schüttelte den Kopf. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen legte er seine Hand auf meine Schulter. „Lass mal stecken, Kleine. Du bist noch lange nicht fit. Ich mach’ mich morgen auf den Weg und seh’ mal, was ich tun kann.” „Nein Jack, du hast nichts damit zu tun. Warte noch zwei Tage, dann kann ich-” „Du ruhst dich aus, es sei denn, du willst deine Gesundheit dauerhaft gefährden, das wäre purer Schwachsinn.”, ich wollte etwas sagen, doch ich sah es ein. Für diesen Moment zumindest. Mein Kopf san etwas nach unten, insgeheim wollte ich nicht, dass er so viel für mich tat. Wie solle ich ihm das alles nur je zurück zahlen? Ich hatte die Zeit irgendwie tot geschlagen. Ich war es ja so satt, den ganzen Tag in geschlossenen Räumen zu verbringen! Jack war wirklich unmöglich! Ich durfte nicht einmal bis auf den Sims laufen. „Wenn ‘ne Böe kommt, fliegste am Ende noch weg.”, hatte er gemeint. Sturer alter Mistkerl!, mein Kopf lag auf meinen auf der Fensterbank zusammengelegten Armen. Ich starte nach draußen und genoss die frische Luft, die in die verrauchte Wohnung eindrang. Jack hingegen kümmerte sich nur um die Nachrichten und suche nach mögliche Informationen, die eine Suche nach dem Ziel meines Auftrags leichter machen könnten. Als der Abend herein gebrochen war, es war gerade einmal acht Uhr, ließ sich Jack in das Bett fallen und stieß einen heftigen Seufzer aus. Ich wollte echt nicht wissen, wie lang dieser Mann nicht mehr geschlafen hatte. Seine Augen hatten sich geschlossen, und ich konnte hören, dass sein Atem langsam regelmäßiger ging. Ich lugte noch einmal in das Schlafzimmer, trat etwas näher an seine Seite und tippte ihn ganz vorsichtig an. Nachdem ich mir sicher war, das er nicht mehr reaktionsfähig war, machte ich mich fertig. Ob es ihm gefiel oder nicht - Ich wollte selbst an den Hafen und nach Hinweisen suchen. Der Traum, den ich gehabt hatte, und die Informationen, die dank dem Gespräch mit Kairo freigeworden waren, würden mir sicherlich sehr hilfreich sein. Um Jack nicht vollkommen zu hintergehen, nahm ich eins der Headsets mit und legte ein anderes bewusst provokativ auf seinen Computertisch. So wird er schon wissen, wo ich bin., dachte ich und seufzte kurz. Ich wusste, dass er vor Wut rasen würde. Aber ich wollte einfach nicht, dass er sich meinetwegen in Gefahr begab. Bei mir war das anders. Zum Einen war es meine Angelegenheit, zum Anderen hatte ich im Gegensatz zu ihm nichts zu verlieren. Noch nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)