Bump. von YunYang ================================================================================ Kapitel 6: Der Unterschlupf --------------------------- Ich ließ mich etwas erschöpft neben Jack nieder, der, nach wie vor, kein Wort herausgebracht hatte. Erst, als ich ihm seine Zigarette wegnahm und unter meinen Schuh warf, löste er sich aus seiner Starre. „Was machst du denn hier? Wie, zum Teufel, hast du mich gefunden?” „Aeon.”, war alles, was ich antwortete. Jacks Miene änderte sich. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Hat er dir was getan?”, fragte er und musterte mich kurz. Ich schüttelte den Kopf und seufzte. „Er wollte es, aber ich konnte mich glücklicherweise an ein paar Nahkampfgriffe erinnern.” „Geschieht dem Schwein recht.”, er wickelte sich etwas aus seiner Decke heraus und hob sie ein bisschen an. Ich rückte an ihn heran und wickelte sie dankbar um mich, erst jetzt bemerkte ich, wie kühl es hier unten war. „Was ist eigentlich passiert?”, fragte ich ernst. Jack schnaubte auf. „Dieses Arschloch.”, meinte er, während er sich durch die Haare fuhr. „Wir kennen uns von früher und er kommt immer zu mir, wenn er Scheiße am Hals hat. Hat sich scheinbar irgend ‘nen Auftrag von ‘nem Mafiosi aufgeladen und ist entdeckt worden. Und ich bin auch noch so dumm und will ihm helfen.”, seine Emotionen schwankten. Zwischen Wut, Enttäuschung und Hass. All das ließ sich an seiner Stimme und seinem Blickwechsel erkennen. „Er meinte, er hätte ‘nen Unterschlupf hier unten…. Ist dann abgebogen und hat mich bewusst im Fokus der Meute gelassen. Die Bullen sind so schießwütig, scheiße, ich hatte so Glück, dass mich keine Kugel getroffen hat. Zumal sie ‘n paar von diesen Ikarus-Leuten auf mich angesetzt haben.” „Ikarus? Du meinst diese Möchtegern-Runner?”, jetzt fiel es mir wieder ein. Die Polizei hatte nun bereits seit längerer Zeit eine geheime Spezialeinheit aufgebaut, die derselben Ausbildung wie uns Runnern unterzogen wurden. Sie waren so schnell wie wir, fast so geschickt und hatten den Blick, wenn auch nicht so ausgeprägt, wie wirkliche Runner. Doch sie waren gefährlich. Gerade, weil sie so agil waren. Mit einem Mal war ich wirklich froh, Jack in einem Stück wiederzusehen. Ich rutschte noch ein Stück abwärts, damit die Decke über meine Schultern reichte. Sie war angenehm warm, auch, wenn sie nach Rauch roch. „Wo hast du die eigentlich her?”, fragte ich ihn, um ihn abzulenken. Sein Gesichtsausdruck wurde lockerer, weicher. „Ich komm oft hierher, wenn irgendwas schief läuft. Da hab ich mir einfach irgendwann mal ‘ne Decke und ausreichend Kippen mitgenommen. Hier ist immer tote Hose und finden tut mich hier keiner, solange man kein Runner ist. Echt Respekt, Kleine, das gelingt nicht jedem.” „Hey, ich bin nicht klein!”, entgegnete ich mürrisch und rückte wieder ein Stück nach oben. Er lachte amüsiert und schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: Dann sieh’ dich doch mal an! Oder so etwas. Ich zog die Augebrauen zusammen und wandte meinen Blick von ihm ab. „Wär’ vielleicht doch besser gewesen, wenn sie dir dein Maul gestopft hätten! Dann hätt’ ich mich wenigstens nicht hier hoch zieh’n müssen!” „Fuck, das hab’ ich ganz vergessen! Dein Arm!” „Passt schon!”, zischte ich ärgerlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch plötzlich spürte ich, wie zäh und sehnig sich meine Armmuskulatur beim Bewegen anfühlte. Ich hatte es wohl doch zu weit getrieben. Jack löste meinen Arm von meiner Brust und drehte ihn zu sich. Dass ich allein dabei schon leicht aufzuckte, zeigte ihm wohl, dass ich am Ende meiner Kräfte war. „Du hast ihn wohl überdehnt…. Kein Wunder, was bist du auch so blöd und machst die ganze Scheiße! Ich wär’ doch spätestens Morgen zurückgewesen!” „Das wusste ich aber nicht, okay?!”, schnauzte ich zurück. „Aeon meinte, dass dich die Bullen jagen würden, ich hatte so Angst, dass dir was passiert ist! Zumal mir dieses Arschloch nur ungenau sagen konnte, wo du wärst, wenn es dir gut ginge! Du Vollidiot!”, wer hätte gedacht, dass ich ihn mal derart anschreien würde? Jack selbst schien damit auch nicht gerechnet zu haben, denn er schwieg und widersprach nicht im Geringsten. Ich holte tief Luft und versuchte mich wieder zu beruhigen. Mein Arm pochte, wahrscheinlich, weil mein Herz vor Wut angefangen hatte zu rasen. Und Scheiße, es tat echt weh. Ich schloss meine Augen und umklammerte die Narbe mit meiner anderen Hand. Mein Atem ging plötzlich schwerer. Die Schmerzen zogen sich bis in die Schulter. „Kreischnudel.”, flüsterte er schließlich. Woher kam auf einmal dieser leichte Anflug von Mitgefühl in seiner Stimme? „Halt ihn ruhig, bin gleich wieder da.” „Was?”, fragte ich etwas überrascht, doch ich bekam keine Antwort. Er stand auf und legte die Decke so um mich, dass ich ihm nicht folgen konnte. Er kroch unter dem Gitter durch und verschwand. Was ist denn jetzt los?, fragte ich mich. Doch zu weiteren Gedanken dazu kam ich nicht. Wie hatte ich diese Schmerzen nur solange ignorieren können? Ich hatte das Gefühl, als würde mein Arm von einem Lkw zerquetscht werden. Schweißperlen rannen an meinem Gesicht herunter. So ruhig ich meinem Arm auch hielt, es wurde immer schlimmer. Ein paar Minuten später kam Jack zurück, in seiner einen Hand hielt er eine Bandage, in der anderen etwas, das nach einem Schmerzmittel aussah. „Wo hast du das her?”, fragte ich schwach. „Nicht fragen, runterschlucken.”, sagte er nur und gab mir eine der Tabletten aus der kleinen Dose. Ich schluckte sie herunter. Danach kniete er sich mir gegenüber und versuchte, meinen Arm zu sich zu ziehen. Es schmerzte so sehr, dass ich mir einen kurzen Schmerzenslaut nicht verkneifen konnte. „Spann’ ihn nicht so an.”, leichter gesagt als getan, dachte ich und seufzte. Er wickelte die Bandage um meinen Arm und zog sie fest. „Au…”, stöhnte ich kurz. „Das ist zu eng.” „Glaub mir, ist besser so. Das ist ‘ne Kühlbandage. In ‘n paar Minuten wird’s besser, sie muss nur sau dicht an der Haut anliegen, sonst bringt’s nix.”, er hockte sich zurück an meine Seite, verzichtete auf die Decke und wartete scheinbar darauf, dass die kühlende Wirkung der Bandage einsetzte. Was nach sage und schreibe zwei Minuten der Fall war. Es war so eiskalt, unglaublich angenehm und schmerzlindernd. Aus meinem Gesicht wich der Schmerz und die Anspannung, die es bis vor wenigen Sekunden noch geprägt hatten. Ich blickte zu Jack herüber und lächelte. „Vielen Dank, das tut echt verdammt gut.”, er erwiderte mein Lächeln und nickte. „Keine Ursache.”, sagte er freundlich. „Ehrlich gesagt hätt’ ich nicht gedacht, dass sich jemand mal Sorgen um mich machen würde. Ist ‘n schönes Gefühl, nicht jedem vollkommen am Arsch vorbei zu geh’n.”, ich wusste, dass er damit erneut auf Aeon anspielte. Zwischen den beiden musste etwas heftiges vorgefallen sein, da war ich mir sicher. Ich räkelte mich mit meinem rechten Arm aus der Decke und warf sie zu ihm herüber, ich wollte nicht, dass er meinetwegen fror. Als er mein Vorhaben sah, lachte er aus voller Kehle und rückte wieder an mich heran. Er legte die Decke um sich und ging schließlich seiner Lieblingstätigkeit nach, dem Rauchen einer Zigarette. Ich ertrug den Gestank, ich hatte mich wohl echt schon dran gewöhnt. Ich bekam eh kaum etwas mit. Die Müdigkeit übermannte mich schließlich. Ich lehnte mich an seine Schulter, missbrauchte sie als Kissen und sackte weg, es dauerte keine Minute. Als ich nach einer Weile wach geworden war, spürte ich Jacks Kopf auf meinem. Eine Hand wäscht die andere., dachte ich und lachte innerlich. Sein Atem ging ruhig, allem Anschein nach schlief er wohl auch schon etwas länger. Ich wollte ihn zwar eigentlich nicht wecken, aber mein Genick hielt dem Gewicht seines Kopfes nicht stand, wenn ich wach war. Er scheint ja doch was in der Birne zu haben, wenn sein Kopf so schwer ist., ich drehte mich leicht zur Seite und tippte ihn an. „Jack?” „…” „Hey, Jack!” „…Was’n?”, gab er verschlafen von sich. „Nur zwei Fragen. Erstens: Kannst du deinen Kopf vielleicht von mir nehmen? Zweitens: Wo genau wollen wir jetzt eigentlich hin? Denkst du Aeon treibt sich noch bei dir in der Nähe rum?”, es dauerte einen Moment, bis er seine Augen öffnete und sich mühevoll zur anderen Seite hin lehnte. Ich wartete noch immer auf eine Antwort. „Hey, Jack!” „Noch fünf Minuten, mann! Ich bin so müde!”, ich zog meine Augenbrauen zusammen. Wie konnte man in so einer Situation nur so stur sein? Nach zehn Minuten hatte er es schließlich geschafft, sich eine Zigarette anzustecken und halbwegs wach dazusitzen. „Ich hab noch ‘ne kleine Bude am anderen Ende der Station, dauert zu Fuß vielleicht ‘ne viertel Stunde. Ist vielleicht besser, wenn wir dahin geh’n, der Mistkerl kennt die Bude nämlich noch nicht.” „Klingt gut. Aber was ist, wenn die Bullen da in der Nähe rumlungern?” „Kein Angst.”, meinte er und grinste sein dummes Grinsen. „Die Bude liegt direkt unter’m Dach von ‘nem großen Haus. Es gibt nur einen Eingang, den keiner sehen kann und die Zimmer sind nicht im Bauplan verlegt, keine Sau weiß, dass ich da teilweise wohn’.” „Na, das klingt doch ganz gut. Wann wollen wir aufbrechen?”, fragte ich und überprüfte noch einmal den Zustand meines Arms. Die Kühlbandage hatte die Schmerzen langzeitig verschwinden lassen, sogar leichte Bewegungen waren möglich, ohne das ich meinen Arm gleich wieder einknicken musste. Jack kramte in seiner Hosentasche herum und holte eine kleine Uhr heraus. „Es ist jetzt viertel nach vier. Verdammt früh. Um die Uhrzeit sind kaum Bullen unterwegs, wenn wir uns beeilen, könnt’s hinhau’n. Aber packst du das?”, er sah zu meinem Arm herunter. „Die Strecke ist ziemlich zäh, wir müssen uns an zwei Gebäuden hochzieh’n.” „Das geht schon.”, versicherte ich. „Je schneller wir da sind desto besser. Richtig ausruhen kann ich mich eh nicht, wenn ich weiß, dass uns die Cops im Nacken liegen.”, sein Grinsen wurde etwas breiter, dann stand er auf und nahm die Decke von uns. Ich erhob mich ebenfalls und wartete darauf, dass er die Decke weggelegt und seine heiligen Zigarettenpäckchen weggepackt hatte. Wir krochen unter dem Gitter hindurch und gelangten über die Fließbänder zurück in die Lagerhalle. Sie war kaum beleuchtet. Jack lief voraus, ich lief ihm so gut es ging hinterher. Er steuerte den südlichen Hallenteil an. Dort waren mehrere Container übereinander gestapelt, alle randvoll mit Paketen und Koffern. Am Ende dieses ,,Turms” konnte ich ein Fenster sehen, die Scheiben wirkten ziemlich instabil. Man sollte sie also ohne Probleme durchtreten können. Jack zog sich am ersten Container nach oben. Er reichte mir von dort aus die Hand, so war es um einiges einfacher und schonender für meinen Arm. Wir behielten dieses Schema bis zum letzten Container bei. Dort angekommen blickte er sich sicherheitshalber noch einmal um. Auf den schmalen Straßen, die das Lagerhaus umfassten, stranden keine Straßensperren. Polizeiwägen waren auch nicht zu sehen. Unsere Blicke trafen sich, ich nickte ihm zu, woraufhin er die dünne Scheibe des Fensters mit seinem Fuß eintrat. Wir liefen vorsichtig auf den Sims. Er war gerade breit genug, um beide Füße nebeneinander stellen zu können. Als mein Blick nach unten schweifte, sah ich, dass wir uns in knapp drei Metern Höhe befanden. Einfach zu springen und sich abzurollen würde für eine sanften Landung nicht genügen. Meine Augen musterten die Umgebung. Ich sah eine Röhre, die an einer der Wände angebracht war. Man konnte sich an ihr herunterziehen. „Nimm du die.”, sagte ich zu Jack und zeigte ihm mit einem Wink die Richtung. Für mich musste es eine andere Alternative geben, ich hatte einfach nicht die Kraft zu einer Röhre zu springen und mich an ihr festzuhalten. Nachdem Jack gesprungen und sicher gelandet war, blickte auch er sich um. Sein Finger deutete auf einen kleinen Vorsprung am Ende des Sims. „Der ist breit genug. Lass dich kurz fallen.”, ich folgte seinen Anweisungen, da ich den Vorsprung kaum sehen konnte. Doch ich landete ohne Schwierigkeiten auf ihm. So war ich immerhin einen Meter weiter nach unten gelangt. Ich blickte zu Jack herüber. Er lief bereits die Straße entlang, in meine Richtung. Über mir sah ich schließlich den Schacht, der um das gesamte Gebäude verlief. Ich zog mich langsam an ihm hinauf, lief ein Stück vorwärts und konnte schließlich ohne große Mühe an dem Schacht herunterrutschen. Die Wölbungen ähnelten denen einer Kinderrutsche. Sanft und sicher auf dem Boden angekommen lief ich Jack entgegen. Wir folgten der Straße, bogen in diverse Seitengassen ein und fanden uns schließlich am anderen Ende der U-Bahn-Station wieder. Es war der Teil, der bereits fertig gestellt war. Dort herum standen die üblichen, farblosen Häuserreihen, die den Zugang zu unserem Ziel bildeten. „Das Haus dahinten ist es.”, meinte er und deutete auf ein verglastes Hochhaus. Mit dem Blick sah ich die Geländer, die rund um das Gebäude angebracht waren. Es war wohl vor nicht allzu langer Zeit geputzt worden, gut für uns. Dorthin gelangen konnte man durch den Stahlträger, der eine Art Brücke zwischen dem letzten Haus der sterilen Häuserreihe und dem Hochhaus bildete. Durch die Container, die zwischen den Häusern standen, gelangten wir in aller Schnelle auf das Dach eines Hauses. Wir sprangen über die darauffolgenden und erreichten unser Zwischenziel. Der Stahlträger hing an einem kleinen Kran, der neben dem Haus stand. Wenn man auf ihm lief, würde er hundertprozentig schwanken. Ich sah mich um. Im schlimmsten Fall würde man unsauber am Gelände des Hochhauses vorbei gleiten und fallen. Tief fallen. „Ich geh vor.”, meinte Jack und lief auf den Träger zu. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Bauch wartete ich darauf, dass er den Träger passierte. Er beschleunigte seine Geschwindigkeit nach der ersten Hälfte, um genug Anlauf für den Sprung zu haben. Dann sprang er. Von dem Dach des fünfstöckigen Hauses auf das Geländer zu. Und scheiße, ich war so froh, dass der Träger bei ihm nur minimal ausgeschert war. Mit seinen Händen hatte er das Geländer zu fassen gekriegt, er zog sich nach oben und stand ein paar Sekunden später sicher auf den Holzbrettern, die dort zum Gehen befestigt worden waren. Erleichtert seufzte ich und machte mich schließlich daran, ihm zu folgen. Ich lief auf den Stahlträger. Noch blieb er in seiner Bahn, doch ich wusste, dass ich richtig abspringen musste, um nicht daneben zu fliegen. Meine Füße krallten sich in meine Schuhe. Ich rannte den Träger entlang und sprang, direkt an der Kante, ab. Während des Sprungs blickte ich nach unten. Die Straßen wirkten so winzig, ich hatte das Gefühl zu fliegen. Mein Blick wanderte im Bruchteil einer Sekunde wieder nach vorne. Ich zog meine Knie im höchsten Punkt des Sprungs an mich und konnte mir so das Hochziehen am Geländer ersparen. Dafür war ich direkt in Jack herein gesprungen und musste mir seine Standpauke anhören. Ich ignorierte ihn lachend. Wir setzten unseren Weg fort. Die Balkenbretter waren an manchen Stellen unterbrochen, wir übergingen sie mit Wall Runs, um auf die andere Seite zu kommen. Immer wider huschte mein Blickfeld nach unten. Die Straßen wurden immer kleiner, das Gebäude war wirklich riesig. Vor allem die Außenfassade faszinierte mich. Es war wohl Panzerglas und doch spiegelte es mich im sanften Licht der Stadt wieder. „Bist du da unten eingeschlafen, oder was?”, ich blickte über mich. Jack hatte sich bereits am nächsten Brett auf eine höhere Ebene gezogen. Still schweigend schüttelte ich den Kopf. Er reichte mir seine Hand, ich zog mich an ihm nach oben. Weiter hoch ging es nicht. Die Geländer reichten einem gerade noch bis zu den Füßen. Direkt vor uns führte das Gebäude um eine Ecke. Dahinter befand sich der zweite Teil des Gebäudes, den man vorher nicht hatte sehen können. Es befand sich etwa zwei einhalb Meter unter uns. Es glich einem Kubus, auf dessen Dach eine Tür angebracht worden war. „Durch die kommen wir rein, nicht wahr?”, fragte ich und blickte zu ihm herüber. „Ja.”, antwortete Jack etwa mürrisch. „Aber sich auf der Höhe über eine Schulter abzurollen wird heavy. Gib dein bestes, sonst brichste dir was.”, wir sprangen, erst auf ein paar Bretter, die aus dem Geländerwirrwarr heraus lugten, und schließlich auf das Dach des Kubus’ zu. Jack war etwas vor mir, er hatte sich sauber nach rechts abgerollt, ganz im Gegenteil zu mir. Als ich versucht hatte, mich über die rechte Schulter abzurollen, verlor ich für einen Moment das Gleichgewicht und scherte nach links aus. Ich kugelte noch etwas nach vorne, schürfte mir die Arme an dem Beton auf, ehe ich zum Stillstand kam. „Shit….”, murmelte ich schmerzvoll. „Fuck, alles okay?”, er lief auf mich zu und ging in die Knie. Mit einem Ruck setzte ich mich auf und schüttelte kurz den Kopf. „Scheint noch alles heil zu sein.”, entgegnete ich und grinste ironischerweise. Er seufzte und half mir aufzustehen. Ich schüttelte meine Klamotten aus und zupfte ein paar lose Hautfetzen von meinen Armen. Es brannte zwar, war aber besser, als jedes Mal dran zu kommen und sie beim Drüberfassen mit zu ziehen. Meine schwarzen Haare hingen mir strähnenweise im Gesicht. Ich kämmte sie mit der Hand zurück und lief weiter vorwärts. Jack trat die Tür auf. Sie führte zu einem schmalen Gang, an dessen Ende sich eine weitere Tür befand. Wir öffneten sie vorsichtig. Allmählich gelangten wir wohl in das Innere des Hauses. Außer ein paar Lüftungsschächten wirkte der Flur bereits häuslicher. Als ich weiter gehen wollte, hielt Jack mich mit einer Geste zurück. Er zog mich zurück an die Wand und flüsterte: „Ich hab’ ‘ne Stimme gehört. Wir gehen durch die Lüftungsschächte.” „Da komm’ ich nicht hoch.”, sagte ich ein wenig panisch. Er knirschte mit den Zähnen und platzierte sich etwas vor den Schacht. Seine Hände legte er zusammen und ging etwas in die Knie. Ich verstand sofort und lief auf ihn zu. Als ich meinen Fuß in seine Hände legte, schwang er mich mit ganzer Kraft nach oben. Fast etwas zu weit, er hatte echt zu viel Kraft. Ich hangelte mich etwas unelegant an dem Schacht nach oben und rückte ein Stück zur Seite. Jack hatte sich von der anderen Wand abgestoßen und den Schacht ohne weiteres erreicht. Ich schämte mich dafür, zu so etwas einfachem nicht in der Lage zu sein. Doch ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Ich kroch in den Schacht, Jack folgte mir. Von hinten konnte ich seine Anweisungen hören, er kannte sich bestens in diesem engen Chaos aus. Nachdem wir eine ordentliche Strecke durch die Schächte zurück gelegt hatten und zudem noch gefühlte drei Stockwerk aufgestiegen waren, zogen wir uns aus dem Schacht heraus in den nächsten Flur. Er war genauso steril und farblos wie die davor. „Sieht echt alles gleich aus hier.”, murmelte ich. „Nicht, wenn man sich hier auskennt.” „Wie weit ist es noch?” „Durch die Tür da und dann noch ein kleines Zwischendach, dann ham’ wir’s.”, antwortete er und ließ sich auf den Boden fallen. Ich folgte ihm eilig und passierte nur wenige Sekunden nach ihm den Gang zum Außenbereich. Wir hatten wohl doch etwas länger gebraucht, die Sonne ging langsam am Horizont auf und verschlang den östlichen Bereich der Stadt mit ihrem Licht. „Komm, weiter!”, Jack holte mich in die Gegenwart zurück. Der Bereich war wirklich nicht groß, vielleicht zwei Meter breit und lang. Darüber, direkt unter dem Dach des riesigen Hochhauses, gab es das besagte Zwischendach, das man wirklich nur erkennen konnte, wenn man direkt darunter stand. Wir zogen uns herauf und hielten einen Moment inne. „Verdammt…”, ein anderes Wort viel mir nicht ein. Die Aussicht von dort oben war sagenhaft. Wie hoch war das? Hundert, Zweihundert Meter? Man konnte auf fast alle Gebäude der Stadt hinunter blicken. Auch Jack konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Hat doch immer wieder was, hierher zu kommen, ne?” „Auf jeden Fall! Und du hattest vollkommen recht!”, ich lief ein paar Schritte vorwärts. Das Dach des Hauses ragte nun über das Zwischendach hinweg. „Das findet niemand!”, die Begeisterung in meiner Stimme brachte ihn wohl dazu, dieses amüsiert neckende Gesicht aufzusetzen. „Tja, ich hab’s halt drauf. Preiset den Jack, kann ich nur dazu sagen.” „Alter Angeber!”, war alles, was ich daraufhin von mir gab. Er lief lachend an mir vorbei, öffnete die Tür am Ende des Zwischendachs mit etwas Schwung und ließ mich eintreten. Verwirrt über die Tatsache, dass dieser Unterschlupf wirklich haargenau so aussah wie seine Wohnung zog ich schließlich meine Schuhe aus. „Echt krass.”, entfloh es mir. Jack lief nach mir den Flur entlang und bog in das erste Zimmer rechts ein. Es war wohl eine Art Küche. „Was denn, hier oben gibt’s Strom?” „Hat ‘n Kumpel von mir mal gebastelt. Das sind Akkus - Normale Leitungen würden zu sehr auffallen. Aber die bringen’s. Reicht zumindest, um ‘ne Tasse Kaffee zu kochen. Willst du einen?”, er lief zu ein paar Kanistern herüber, sie waren mit Wasser gefüllt. „Nein, danke.”, sagte ich erschöpft und lächelte kurz.„Ich brauch nur noch ‘n Bett. Ich bin total am Arsch.” „Denk ich mir.”, meinte er verständnisvoll. „Einfach ‘n Flur runter und dann links… War’n harter Tag, Kleine. Penn mal ‘n bisschen. Ich leg mich später vielleicht dazu.” „Mhm. Gute Nacht.”, ich verließ die Küche und machte mich gähnend auf den Weg in das Schlafzimmer, das ich, dank seiner kurzen Wegbeschreibung, auf Anhieb gefunden hatte. Ich wollte echt einfach nur noch pennen. Das Bett war etwas kleiner als das in der anderen Wohnung, aber es war mir egal, ich ließ mich direkt drauf fallen. Ein zufriedenes Seufzen entfloh mir, als ich merkte, wie weich und bequem es war. Ich wickelte mich nur bis zur Hüfte in die Decke - Meine aufgeschürften Arme dankten es mir - und schlief sofort ein, ohne weiter über irgendwas nachzudenken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)