New Generation von KFutagoh89 (Es wird wieder Zeit für ein Duell) ================================================================================ Kapitel 7: Siebter Zug / Dunkelheit und dessen Geheimnis -------------------------------------------------------- Tiefe. Absolute, schwarze Tiefe. In das ungreifbare und nicht enden wollenden Nirgendwo. Diese Sätze. Die verletzenden Worte aus dem Mund des braunhaarigen Deutschen. Es konnte doch einfach nicht wahr sein. Der Schüler namens Kazuo García verlor seinen Halt in dieser realen, aber unbarmherzigen Welt. Tobi, seine erste und einzige Liebe, hatte ihn die ganze Zeit nur etwas vor gemacht. Es war alles nur ein makaberes Spiel. Hatte sich der Halbjapaner so leicht täuschen lassen? Immer noch in seiner Haltung verharrend starrte der Verletze gefühls- und gedankenlos auf den Boden. Dieser stechende Schmerz. Hatte es überhaupt schon mal eine Zeit gegeben, an der er nicht dieses Ziehen gespürt hatte? Er erinnerte sich nicht mehr. Mit Zittern, in jeder seiner Muskelpartien suchte er nach einem letzten Rettungsseil. Doch keine Hilfe kam. Die Tür zu der Vergangenheit, einer Vergangenheit vollster Glückseligkeit, war förmlich vor seinen Augen zugeknallt worden. Jetzt gab es kein zurück mehr. Die Gestalt wusste schon nicht mehr, wie lange er an dieser Stelle gekniet hatte. Nur dieses taube Gefühl in seinen Beinen, nachdem er sich schließlich wieder zum stehen zwang, signalisierte ihm die entstandene Blutarmut in den Gliedmaßen. Die Tränen waren schon längst versiebt und getrocknet. Noch einmal sah er zu der Tür, die ihm alles geraubt hatte. Der letzte Glanz in den früher saphirfarbigen Augen verschwand. Nun blieb nur noch ein trübes Grün zurück. Ohne sich noch einmal umzudrehen, schritt die Gestalt davon. Nun war das alte Ich völlig gestorben. Langsam und mit einer unübertrefflichen Ruhe ging Kazuo zu seinem Wohnraum zurück. Die Bewegungen, die der Körper des jungen Duellanten ausführte, wirkten fast, als würde er über den Boden schweben. Nur wenige Mitschüler kreuzten den Weg des Stummen. Ohne ein Anzeichen irgendeiner Reaktion auf die verwunderten Blicke, schritt der Rothaarige einfach weiter. Es interessierte ihn nicht mehr, was die Anderen über ihn dachten. Nach einer guten halben Stunde erreichte er sein Ziel. Automatisch, wie eine Maschine ohne jegliche Empfindung, öffnete Kazuo die Eingangstür. Niemand war darin zu sehen. Der Blick des Südländers wanderte wie in Zeitlupe zur Wanduhr. Kein einziger, winziger Muskel in seinem Gesicht verzog sich. Die vollständige Mimik wirkte unheimlich. Seine Gedanken erkannten und analysierten erst Stückchenweise, dass es bereits Nachmittag war. Aber um ehrlich zu sein interessierte es Kazuo nicht im Geringsten. Ohne klare Kontrolle über sein handeln, schritt der Schüler zu seinem Schreibtisch. Wie immer hing seine Weste mit den Decks über den Stuhl und sein Gürtel lag auf der sonst leeren Tischplatte. Die Hände des Duellanten ergriffen die Objekte, die für ihn bisher so lebenswichtig und unersetzlich schienen. Er verweilte einige Sekunden auf derselben Stelle, bevor er den Wohnraum erneut durchstreifte und vor seinem Schrankteil stehen blieb. Ohne die Untermalung eines Kommentars oder Gesichtsausdrucks, öffnete der Grünäugige die Schranktür und sah direkt auf den kleinen Safe, der darin befestigt war. Bis jetzt hatte er ihn noch nicht gebraucht. Sachte, aber mit gespürter Entschlossenheit, eröffnete sich das leere Tresorinnere und darin verschwanden der Gürtel und die Weste. In einer fliesenden Bewegung verschlossen sich die Türen des Sicherheitskasten und des Möbelstückes, nachdem der Safe mit dem dazugehörigen Schlüssel zugesperrt wurde. Nun stand Kazuo da und begutachtete den kleinen, zierlichen Schlüssel in seiner Hand. Wer Emotionen erwartete, musste leider enttäuscht werden. Die starren Gesichtszüge verhärtete sich dagegen umso mehr. Der Schüler ballte die Faust und verfrachtete den Gegenstand in die kleine Schublade seines Schreibtisches. Die Abnabelung zu allem, was an sein altes Ich erinnerte, vollzog sich ungebremst. Als wäre das nicht beängstigend genug, schien im selben Moment eine bittere, jeglicher Emotion entsagte Kälte von Kazuo auszugehen. Die Aura breitete sich wie finsterer und undurchdringlicher Nebel in der Wohnung aus. Jeder Zentimeter nahm das Gefühl, welches sie in einem auslösen konnte, an. Die Atmosphäre wirkte sich negativ auf den Körper des Duellanten aus. Die einst feurigen, fast lebendigen Haare des Halbspaniers schienen zu erlöschen und verfärbten sich in einem dunklen Ton. Plötzlich, ohne eine Vorwarnung, schnappte sich Kazuo seine Duelldisk und verließ das Gemeinschaftszimmer wieder. Doch die unangenehme und bedrückende Stimmung, die in den vier Wänden herrschte, riss nicht ab. Man konnte meinen, dass sie regelrecht darauf wartete, alles Glück dieser Erde zu verschlingen. André kehrte am Abend endlich in das Apartment zurück. Den ganzen Tag hatte er mit Leon in der Natur verbracht. Sein Herz machte innere Freudesprünge. Der halbfranzösische Duellant schwebte wie auf Wolke Sieben. „Ach. Es gibt doch wirklich nichts, was mir meine Laune versauen könnte.“, dachte er ständig. Dabei grinste er frech. Doch als der Schwarzhaarige den Raum betrat, schlug seine Meinung schlagartig um. „Was ist hier los?“, fragte er sich. Verunsichert steuerte der Grauäugige den Kleiderschrank an. Unter seinen ganzen Klamotten kramte er einen Pullover heraus. Hastig stülpte André ihn über sein T-Shirt. „Ist die Klimaanlage kaputt, oder warum ist es hier so kalt.“ Der Fragende konnte sich das Phänomen nicht erklären. Er eilte in die Küche, um sich trotz der angenehmen Außentemperaturen einen warmen Kakao zu machen. In der Nacht verfolgten den Halbdeutschen Albträume. Wenn er durch sie aufwachte und hoch schreckte, so kam ihm die Finsternis im Schlafraum noch dunkler und unheimlicher vor als jemals zuvor. So zog es sich einige Tage hin. „Was ist nur mit Kazuo los?“. Diese Frage beschäftigte André in dieser Zeitspanne. Seit der Zimmerkamerad von Tobi zurückgekehrt war, verhielt er sich sehr seltsam. So abweisend und gedankenverloren. Jede noch zu kleine, alltägliche Sache war komplett anders als zuvor. Das gemeinsame Frühstück ließ der Freund immer öfter ausfallen. Im Unterricht schwieg er pausenlos. Und egal in welcher Situation sich der Rothaarige befand, der Gesichtsausdruck änderte sich nie. Anfangs dachte er, dass die beiden Verliebten sich nur kurz gestritten hatten. Aber jetzt wirkte das Ganze wie eine regelrechte Beziehungskrise. Seinen aufmunternden und mitfühlenden Worten schienen Kazuo nicht mal zu erreichen. Die Laune oder besser die Stimmung, die der Südländer an den Tag legte, zog André langsam aber sicher ebenfalls ins seelische Tief. Der Schulstress war für diesen letzten Sommertag wieder vorbei und es gab einiges zu erledigen. André arbeitete in der Küche, als es an der Zimmertür klopfte. „Herein! Die Tür ist offen!“, rief der Schüler dem Besucher entgegen, während er in den Hauptraum ging. Daraufhin öffnete sich die Tür und der groß gewachsene Student Leon betrat den Raum. Freudestrahlend fiel der Jüngere dem Eisblauäugigen sofort um den Hals. Der Mann erwiderte die liebevolle Umarmung mit einem Kuss auf die Schläfe. „Na wie geht es meinen kleinen Bub?“, gab er frech zurück. Das Lachen in Andrés verschwand augenblicklich. Mit Schmollmund wandte sich der schwarzhaarige Duellant von Leon ab. „Was ist?“, fragte der verblüffte Ältere mit hochgezogener Augenbraue. Sein Freund zögerte nicht mit seiner Antwort. „Ich find das fies von dir. Immer hakst du auf meiner Körpergröße rum. Das ist einfach nicht fair!“ Der leicht angesäuerte Schüler wollte gerade in die Küche zurück, als ihn zwei starke Arme fest umklammerten. „Hey! Was soll das?“, beschwerte sich André, bis Leon ihm den Zeigefinger auf die Lippen drückte. „Sch… Warum ärgert dich das immer so? … Verstehst du keinen Spaß? Nimm doch nicht alles so todernst!“, raunte der Blondhaarige dem Kleineren ins Ohr. Seine beruhigende und sanfte Stimme ließ die miese Laune in André abklingen. Der Junge drehte sich um und schaute in das Gesicht seines Gegenübers. Schnell vereinigten sich die Lippen der beiden Männer. Wie immer durchströmte den Halbfranzosen ein prickelndes Gefühl, sobald er dies tat. Lächelnd trennten sie sich nach einem kurzen Moment wieder. „Tut mir Leid. Ich bin heute nicht so gut drauf. Verzeihst du mir?“, während er sich entschuldigte lehnte sich André an die muskulöse Männerbrust an. Zarte Röte verfärbten seine Wangen. Leon legte seine linke Hand auf das pechschwarze Haar seines Partners. „Ist schon gut.“, erwiderte er. „Aber was bedrückt dich so?“, harkte der Blauäugige nach. Der andere Duellant erhob seinen Kopf. „Kann ich dir das in der Küche sagen?“ Leon nickte. Die frisch Verliebten nahmen sich an die Hand und gingen nun gemeinsam in die Küche. Der Student ließ sich auf einen der freien Stühle fallen. In der Zwischenzeit ging André zu den Hängeschränken und holte zwei Tassen und eine kleine Kekspackung aus ihnen hervor. Er platzierte die Gegenstände auf den Tisch und goss in jede Tasse heißen, frischen Tee. Dankend genehmigte sich der Blondschopf einen Schluck. Es schmeckte ihm sichtlich. „AH. … So, … nun zum Thema zurück. Was ist los?“, begann Leon schließlich. Der Gastgeber atmete tief durch und fing mit seiner Geschichte an. In allen Einzelheiten schilderte er seinem Freund, was ihn bedrückte. Kazuos derzeitiges Verhalten stach als Hauptargument hervor. Aufmerksam hörte Leon André zu. Als der Jüngere seinen letzten Satz beendete, legte er seine Hand auf die des Anderen. „Leon. Wir müssen etwas tun. So kann es einfach nicht weiter gehen. Kazuo macht mir schreckliche Sorgen. Er ist nicht mehr der Kumpel, den ich hier kennen gelernt habe. Ich fühle mich so allein und hilflos. Ich habe doch nur ihn.“, fügte der Grauäugige hinzu. Mitfühlend umschloss die kräftige Männerhand die des Gesprächpartners. „Keine Sorge. Ich werde schauen, ob ich mit Tobi reden kann. Immerhin kenn ich ihn schon etwas länger als ihr. Aber … eins finde ich jetzt nicht so toll von dir!“, antwortete Leon. Seine Stimmlage wechselte dabei in einen eifersüchtigen Unterton. Verwirrt sah André ihn mit leicht geweideten und fragenden Augen an. „Du bist nicht allein. Außerdem wer ist hier mit wem zusammen?“, fuhr er fort. Endlich verstand der Schüler, auf was sein Liebhaber anspielte. Demütig senkte er den Kopf. „Tut mir Leid. Natürlich bin ich nicht allein. Immerhin hab ich dich. Verzeih mir.“ Grinsend legte der Blondhaarige seine Hand erneut auf das Haar des Anderen. Er verwuschelte es ein wenig, bevor er ihm antwortete. „Du bist einfach zu niedlich. Ich bin dir nicht böse. Ich weiß doch, dass du dir einfach große Sorgen um Kazuo machst. Aber keine Angst. Wir bekommen das schon wieder hin.“ Seine aufmunternde, warme und herzliche Art ließ dem grauäugigen Europäer die Tränen in die Augen steigen. Ohne Vorwarnung klammerte er sich an den Studenten. Sein Gesicht vergrub er an dessen Brust. Sanft zog Leon ihn an sich heran. Allein seine Nähe beruhigte den Schüler. Und das wusste der Blauäugige genau. Aufmunternd und voller Zuversicht wiederholte er seinen letzten Satz: „Wir bekommen das schon wieder hin“ Ob es nun Morgen, Mittag, Abend oder Nacht war. Kazuo machte daraus schon lange keinen Unterschied mehr. Die Welt um den Duellanten herum, wirkte nur noch fad und farblos. Wieso sollte es ihn überhaupt interessieren? Momentan besaß er nur noch ein Ziel. Dieses war so schnell wie möglich von diesem verfluchten Ort zu verschwinden. Er würde alles dafür tun. Und das tat er auch. Nur noch der Unterricht bekam seine vollste Aufmerksamkeit. Die Menschen in seiner Umgebung waren ihm egal geworden. Diese Lebewesen, die nicht lieben und sich auch nicht in ihn hineinversetzen konnten, brauchte er einfach nicht. Kazuo konnte sich auch ganz gut alleine durchschlagen. Sie würden ihn sowieso nur von seinem Ziel aufhalten. Jeder der sich ihm in den Weg stellte, sollte die Wahrheit erfahren. Sie sollten am eigenen Leib spüren, wie falsch und schmerzhaft die Lüge der ach so großen Liebe ist. „Diese Täuschung muss aufgedeckt werden. Allein die reine Wahrheit darf gelten.“, ging es dabei durch seinen Kopf. Eine zweite Stimme meldete sich zu Wort: „Die Anderen sollten vielleicht davon wissen.“ In den getrübten Augen des Halbspaniers begann ein unheimliches Leuchten. Sie glimmten förmlich in einem rötlichen Farbton. Zwei Schüler trafen sich im Schutze der Nacht an einem gemütlichen Plätzchen am Klippenrand. Beim Anblick des Sternenzeltes und den ans Festland schlagenden Wellen rückten sie immer näher zusammen und kuschelten miteinander. Beide versanken in ihre eigene, glückliche Welt. Jeder von ihnen wollte dem Geliebten so nah wie möglich kommen. Keiner nahm die näher kommende Gefahr wahr. Sicher und verborgen im Schatten der angrenzenden Bäume funkelten zwei rote Punkte, die von einem schiefen Lächeln ergänzt wurden. Lautlos erschien die Gestalt aus dem schützenden Dunkeln. Eine unheimliche Kälte breitete sich wie Rauch von ihr aus. Man konnte nicht viel erkennen. Ein Kapuzenmantel verdeckte jegliche, menschliche Merkmale. Nur die zwei roten Augen und weiß blitzende Zähne erfreuten sich schon am Anblick ihre Opfer. Erst als nur noch drei Schritte die vermummte Gestalt vom Pärchen trennte, schreckten die beiden Ahnungslosen auf. Der Junge stellte sich sofort schützend vor das Mädchen. Eine perlweise Hand erschien aus dem Mantel. Die Person wies auf eine unheimliche Art und Weise keine genauen Konturen auf. Sie schien nur aus Schatten zu bestehen. Der Körperteil hingegen wirkte im starken Kontrast dazu umso greifbarer. Dazu stachen diese hell leuchtenden Augen hervor, die sich immer intensiver in die des Jungen zu bohren schienen. Alles wies auf ein Wesen hin, das nicht von dieser Welt stammen konnte. Immer mehr wurde von dem Arm sichtbar. Erst jetzt erschien eine Duelldisk. Sie schien in blauen Flammen zu stehen. Der Zeigefinger der Gestalt zeigte genau auf den Schüler. Dieser fand erst nach einigen Minuten seine Worte wieder: „Was … was wollen sie?“ Als hätte der lebende Schatten auf diese Frage gewartet, erhob sich eine unheimlich schallende Stimme: „Es ist Zeit für ein Duell!“ Wie von einem Signal geweckt klappte sich die Duelldisk auf und die Aura des Vermummten schien sich wie eine Kuppel über den anderen Duellanten auszubreiten. Alles passierte so schnell. Das Mädchen wusste nicht was sie in dieser Situation tun konnte. Wie durch einen schweren Seidenvorhang konnte sie nur schemenhaft ihren Freund erkennen. Verzweifelt versuchte sie nach ihm zu greifen, doch es half nichts. Die Aura hielt sie wie eine starke Barriere zurück. Gerade als sie anfangen wollte zu schreien. Verschwand der Vorhang und alles wurde wieder so, als wäre nie etwas gewesen. Man hätte schon meinen können, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Besorgt ging sie zu ihrem Geliebten. Gerade wollte das Mädchen ihn an der Schulter berühren, da passierte etwas, was sie so unerwartet wie ein Blitzeinschlag traf. Ihr Freund, ihre große Liebe hatte ihre Hand einfach weg geschlagen. Bevor sie nur realisierte was gerade geschah, fing der Duellant an zu reden: „Lass mich in Ruhe! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben! Du bist und bleibst eine Heulsuse und eine nervige Plage! Verschwinde, Miststück! Wenn ich dich noch einmal in meiner Nähe sehe, dann lernst du mich kennen!“ Mit diesen letzten Worten drehte sich der Junge um und ging in Richtung Unterkünfte zurück. Wie versteinert verfolgte die Verletzte sein Verschwinden. Kraftlos und der Ohnmacht nahe fiel die Zurückgewiesen auf die Knie. Tränen liefen ihr die Wangen herunter. „Tino. Warum tust du mir das an? Das musste alles nur ein böser Traum sein!?“, wiederholte es sich die ganze Zeit und immer wieder in ihrem Kopf. Verzweifelt und ohne jegliche Erklärung gab sie sich ihren Tränen hin. Leon war den Rest des Tages bis in die Nacht bei André geblieben, um ihn in seiner Lage beizustehen und zu beruhigen. Während die beiden Männer zusammen saßen, erhob sich der Kopf des Jüngeren. Verliebte Blicke tauschten die Zwei miteinander aus. Ein Grinsen untermalte die Szenerie. „Danke Leon.“, kam es über seinen Lippen. Der Ältere nickte und beugte sich zu ihm herab. Der zärtliche Kuss ließ das Herz des Kleineren einen Hüpfer machen. André führte den Besucher schließlich an die Haustür. „Ich werde mit Tobi reden.“, versprach der Blondhaarige ihm. Mit diesen Worten verließ er die Wohnung und machte sich auf den Weg zur Akademie. Nach Leons Gehen räumte André die Räumlichkeiten ein wenig auf. Seine Arbeit wurde durch ein glückliches Summen begleitet. Er ließ es sich auch nicht nehmen sogar Kazuos Bereich ebenfalls aufzuräumen, der seltsame Weise chaotischer als sonst wirkte. Dabei bemerkte der Schüler sofort etwas. Verdutzt suchte er den Schreibtisch, das Bett und den Schrank ab. Verwirrt kratzte er sich am Kopf. „Wo steckt den seine Duell-Ausrüstung? Die ist ja wie vom Erdboden verschwunden.“, fragte er sich. Auch eine zweite Durchsuchung blieb erfolglos. Da es aber langsam blöd wurde, dass der Halbfranzose in den Sachen seines Freundes stöberte, beließ er es dabei. Die Hausarbeit ging rasch voran. Nach langer Abwesendheit erschien Kazuo wieder in dem gemeinsamen Wohnraum. „Willkommen zurück. Hattest du einen schönen Tag?“, begrüßte der Schwarzhaarige ihn freundlich. Kaum hatte Kazuo den Raum betreten, da wurde er schon wieder von dieser unnatürlichen, hohen Freundlichkeit begrüßt. Jede Faser seines Körpers sträubte sich dagegen. Der Blick vereiste. Mit einer ruhigen, aber dennoch durchdringenden und kalten Stimme, antwortete er auf die gestellte Frage: „Was verstehst du schon?“. Ohne seinen Zimmerkameraden noch eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er an ihm vorbei. Zuerst schmiss er seine Sachen zu einem Knäuel zusammengerollt auf seinen Schreibtisch. Danach warf er sich auf sein Bett. Die Arme hinter dem Kopf gefaltet und die Beine übereinander gelegt, lag er nur da und starrte auf die Decke. Von jetzt auf gleich schien der Junge in seine Gedanken verschwunden zu sein. Die Reaktion auf seine Begrüßung verwirrte den Schwarzhaarigen umso mehr. „Was ist nur los mit ihm? Habe ich was Falsches gesagt oder getan?“ Wie schon die Tage zuvor endete sein Gespräch mit dem rothaarigen Duellanten ohne jegliche Aufklärung. Die Nacht erreichte langsam ihren Höhepunkt. André konnte kein Auge zudrücken. Wach lag er in seinem Bett und dachte schweigsam nach. Plötzlich hörte er etwas. Der Grauäugige drehte sich vorsichtig zur Seite. Er stellte fest, dass der Zimmerkamerad aufgestanden ist. Kazuo zog sich leise an und entschwand anschließend aus dem Raum. „Was hat der zu dieser Zeit vor?“, überlegte André, während er sich selbst umzog und dem Freund nachschlich. Der Weg des Duellanten führte zum Waldrand. Unbeirrt schritt Kazuo ins finstere Unterholz. Seine Gestalt verlor André aus dem Auge. „Verdammt! Wo ist Kazuo bloß hin?“, fluchte der Verfolger. Das dichte Blattwerk und die Dunkelheit erschwerten es ihm, seinen Kumpel wieder zu finden. Enttäuscht und müde machte er sich auf den Rückweg, als er einen Schrei hörte. Einen Moment lang zögerte er, aber dann eilte er zu der Stelle, an der André die Quelle der Stimme vermutete. Und Tatsächlich. Am Waldrand wurden zwei Schüler von einer unheimlichen Gestalt bedroht. Sie schien von Nebelschwaden umhüllt zu sein. Ihre Aura war kalt und furchteinflößend. „Was geschieht hier?“, schoss es dem Zuschauer durch den Kopf. Der Vermummte erhob eine Hand und zeigte auf das Mädchen. Ihre männliche Begleitung stellte sich schützend vor sie. „Es ist Zeit für ein Duell“, raunte die Gestalt den zwei vor Angst zitternden Menschen zu. Wie auf Kommando aktivierten sich die Duell-Disks der Drei. Der Rauch wurde dichter und umhüllte sie. Fassungslos beobachtete André alles. Erneut ertönten Schreie. Die undurchsichtige Wand löste sich wieder auf. Am Boden lagen die beiden Opfer. Ohne groß nachzudenken, stürmte der Schüler heran und prüfte den Puls der beide, am Boden Liegenden. Er atmete auf. Sein Blick wanderte zu dem Herausforderer, der die Aktion des Neuankömmlings verfolgt hatte. „Was hast du mit diesen Schüler gemacht?“, fragte er den Vermummten. Es kam keine Antwort. Jetzt wurde ein Gefühl im Grauäugigen wach. Das Gefühl der Abneigung und Wut. Er stand auf und schaute seinen Gegner an. „Sag! Wer oder was bist du? … Was gibt dir das Recht so mit unschuldigen Schülern umzugehen?“. Seine Stimme verschärfte sich im Tonfall. Wenn es etwas gab, was er abgrundtief hasste, dann war es die Gewalt gegen Wehrlose. Wutschnaubend formulierte er seinen nächsten Satz, der fast wie ein Befehl klang. „GEB DICH ENDLICH ZU ERKENNEN!“ Zwei blasse Hände erstreckten sich aus dem Mantel und ergriffen die tief sitzende Kapuze. Nachdem der Kopf frei lag konnte man ein erstarrtes Gesicht erkennen, dass frei von jeglichen Emotionen war. Aus den getrübten Augen ging ein unheimliches, rotes Leuchten aus. Dazu wehte das dunkelrote Haar im kühlen Nachtwind. Die Person rührte sich kein bisschen mehr. Zielsicher bohrte sich der Blick, der einem regelrechten Schmerz zufügen konnte, in die Person, die dem Stummen immer mehr zu einer Plage geworden ist. Die Augen des Halbfranzosen weideten sich. Wie gelähmt starrte er an das Antlitz der Gestalt, die niemand anders, als sein bester Freund Kazuo war. Mit bebender Stimme versuchte er seine Fassung wieder zu erlangen und die Situation zu verstehen. „Ka, Kazuo? … Was, was ist mit dir passiert?“, fragte er ihn schließlich. Immer noch schien sich nichts von dem Halbspanier zu rühren, nur das Haar flatterte weiterhin im Wind. Kaum erkennbar bewegten sich die Lippen des Angesprochenen. Trotzdem war die Stimme so klar zu verstehen, als würde man die Worte direkt in den Kopf gedrückt bekommen. „Du verstehst einfach nicht. Wie kannst du auch? Du lebst immer noch in dieser falschen Welt. Du hast die Wahrheit noch nicht erkannt. Du bist nichts anderes als ein törichter Narr. Ein kleines Kind was nur den Ball sieht, wenn es spielt. Was soll ich auch von so jemanden erwarten?“. Wie eiskaltes Wasser ergossen sich die Worte seines einzigen Kumpels über Andrés Seele. Doch ohne dass er es selbst sofort merkte, keimte dort langsam eine unbändige Wut in ihm auf. Er konnte einfach nicht glauben, was Kazuo gerade gesagt hat. „Warum? … Was hat dich zu dem werden lassen?“, fragte er ihn erneut. Zum ersten Mal veränderte sich das Gesicht des Rothaarigen. Es wirkte fragend. Als würde er überlegen, ob es nicht klar genug ausgedrückt hatte. Erst einmal seufzte er laut, bevor er wieder das Wort ergriff: „Wieso fragst du das? Ist es nicht eindeutig? Wie kann man es am besten ausdrücken. ... Ich bin aufgewacht. Ich habe den Sinn der Welt entdeckt. Sie ist nur da um Schmerzen zu zufügen. Nichts anderes gibt es auf der Welt, außer Schmerz und Abneigung. Der ganze Rest ist nur pure Fantasie. Verstehst du das nicht? Niemand interessiert sich für jemanden anderen, als sich selbst. Wer das nicht versteht, verschließt seine Augen vor der Wahrheit.“ Das einfache rote Glimmen in den Augen des Sprechenden schien sich noch zu verstärken, während er sprach. Das war einfach zu viel. Abneigung. Pure Abneigung und Wut kochte langsam in André auf. „Du bist nicht Kazuo! Der Kazuo den ich kenne, der ist nicht so wie du!“, fauchte er seinen Gegenüber an. Das Gesicht des Angesprochenen veränderte sich zu einer Grimasse. Die Augen weiteten sich. Ein unangenehmes schiefes Grinsen erschien auf seinen Lippen. Unnatürlich weiß wirkende Zähne kamen dahinter zum Vorschein. Bevor der Südländer sprach, riss er erst beide Arme hoch. Ein widerschallendes, kaltes Lachen riss sich durch die stille Nacht: „Wie bin ich denn sonst? … Besorgt? … Zuvorkommend? … Freundlich? … Lache ich ohne Ende? … DAS ALLES SIND NUR SINNLOSE EMOTIONEN! WEITER NICHTS! … So was braucht man nicht. Diesen unnötigen Ballast widersetze ich mich! …“. „SEI STILL!“, schrie der Wutentbrannte seinen vermeintlichen Freund an. Diese so erkaltete Einsstellung seines Zimmerkameraden fachte das Temperament des Duellanten weiter an. „ES REICHT MIR ENTGÜLTIG! … ES GIBT WOHL NUR EINE SACHE, DIE DICH NOCH WACHRÜTTELN KANN! … EIN DUELL!“ Ehe Andrés Worte endete, aktivierte sich seine Duell-Disk. Diese Sprache verstand sein Gegner sichtlich. Die Duellanten machten sich bereit. „ZEIT FÜR EIN DUELL“, schallte es aus ihren Mündern. „Ich bin dran. Du weißt ja, LADIES FIRST! [Die Damen zuerst!]“, begann der Schwarzhaarige seinen Eröffnungs-Zug. Ein schneller Blick auf seine Hand Karten erfreute ihn. „So. Mal sehen, ob die Kombinationen ihn wieder an früher erinnern.“, dachte er sich dabei. „Nun denn. Ich spiele „Einhorn-Baby“ im Angriffsmodus. Danach eine Karte verdeckt. Damit beende ich meinen Zug!“, kündigt er vor dem erscheinen seiner Karten an. Das Fohlen setzte sich quietsch vergnügt auf sein Hinterteil und blickte in die Runde. Hinter ihm zeigte sich die verdeckte Karte. Der Halbjapaner zog seine erste Karte. Nur kurz sah Kazuo auf seine Hand. In einer fließenden Bewegung waren 5 Karten verdeckt gespielt. Wie durch Magie entwickelte sich eine feuerähnliche Aura um die Duell-Disk des Rothaarigen. Mit dem Unterschied, dass es sich um blaue Flammen handelte und eine Eiseskälte von ihr auszugehen schien. Nun erhob sich auch die Stimme des Handelten: „Wenn du glaubst, dass ich schon fertig bin, dann hast du dich getäuscht. Ich setze den Effekt meines Monsters ein. Wenn alle Zauber- und Fallenkartenstellen in der Kartenzone besetzt sind, darf ich meine Kreatur spezial beschwören. Zeig dich „Avaritia, schwarze Seele der zerbrochenen Welt“. … Attackiere dieses kleine Pony.“ Vor Kazuo erschien eine schwarze Kugel, die zugleich die Form eines Menschen annahm. Die Werte beliefen sich auf 2100 ATK und 200 DEF. Das Wesen bestand nur aus schwarzem Nebel. Langsam zeichnete sich ein riesiges Maul in Bauchhöhe des Monsters ab. Sofort riss die Bestie das Maul auf und stürzte sich hungrig auf das „Einhorn-Baby“. „Von wegen! Ich aktiviere „Beschützerinstinkt!“. Mein „Legendäres Einhorn“ wird das Fohlen schützen!“, entgegnete der Grauäugige. Das groß gewachsene Einhorn, mit sehr langem Mähnen- und Schweifhaar erschien. Gegen die ATK des gegnerischen Monsters konnte es jedoch nichts ausrichten. Es zersprang und sein Besitzer verlor 200 Lebenspunkte. André schaute zu Kazuo. „Hat „Beschützerinstinkt“ was ausgelöst?“ Doch die Mimik hatte sich nicht verändert. Er biss auf die Zähne. „Verdammt! Fehlgeschlagen. Gut, dann muss ich es eben weiter versuchen!“. Ein eiskaltes Lachen erschallte durch die Nacht. Die Stimme wirkte wie nicht von dieser Welt. „Dann ist der kleine Bastard halt nächste Runde fällig.“ Je länger die Auseinandersetzung zwischen den beiden Zimmerkameraden andauerte, desto mehr schien sich Kazuo zu verändern. Seine Stimme wirkte immer furchteinflößender. Die Augen glühten immer kräftiger und das schiefe Grinsen wirkte immer fanatischer. „Du bist dran.“ „Na endlich!“, gab der Grauäugige genervt zurück. Er zog und versuchte erneut sein Glück. „Ich aktiviere die Feldzauberkarte: „Einhornwald““ Um sie herum erhob sich dichtes Gehölz. Das Zentrum bildete eine Lichtung mit einem kleinen See. Um sie herum blühten die Blumen auf. Sogar ein kleiner Bach floss durch dieses Bild. André atmete innerlich auf. „Das schützt mich eine Weile. Dann kann es weiter gehen. … Ich spiele als nächstes mein „Einhorn“. Ebenfalls im Angriffsposition.“, fuhr er schließlich fort. Neben dem kleinen Einhorn, erschien der Duellgeist des Älteren. Das Stirnhorn drohte seinem Gegner. „Ich verstärke meine Kreaturen mit der Zauberkarte: „Magische Mondnacht“. Durch sie erhalten meine Einhörner 800 Angriffspunkte hinzu. Mit 400 Punkten des Einhornwaldes beläuft sich ihre gesamte ATK auf 2700 und 2100. Nun befördere ich dein Geschöpf in die ewigen Jagdgründe!“, sprach er, während sich seine Spielkarte aktivierte und den Duell-Monstern seine Kraft verlieh. „Einhörner! Greift ihn an!“, befahl der 19 jährige Duellant seinen Fabelwesen. Sie galoppierten auf Kazuo zu. Ihre Hörner durchbohrten den Körper des schützenden Monsters und senkten die Lebenspunkte auf 1300. Kazuo beobachtete alles ohne auch nur ein wenig zu zucken. Er stand regungslos da und schien auf etwas zu warten. Der Blick ruhte steif und intensiv auf seinen Gegner. „Zu guter Letzt setze ich zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug.“ Mit gelassener Stimme gab er an seinen Zimmergenossen ab. Schnell zog der Gegner seine Karte. Ein kleiner Blick reichte schon. Dann begann er auch schon seinen nächsten Zug. Eine unheimliche, negative Energie ging von ihr aus. „Schluss mit dieser lachhaften und kindischen Fantasiewelt.“, sagte der Rothaarige. Während er sprach, legte er schon seine eigene Spielfeldzauberkarte auf das Feld. Die Augen des anderen Schülers weideten sich. „Meine Feldzauberkarte. Das darf doch nicht wahr sein!“, stieß André entsetzt hervor. Der schützende und zauberhaft wirkende Wald verschwand und eine neue, düstere Umwelt entstand. Beim Anblick dieser Bilder, die sich vor ihm abspielten, überkam ihm ein kaltes und sehr unangenehmes Gefühl. Sein Körper begann wie Espenlaub zu zittern. „Was hast du gemacht?“, fragte er den Rothaarigen mit bibbernder Stimme. „Ich habe nur ein Ende mit dieser Illusion gemacht. Du sollst die Wahrheit erfahren und dabei hilft mir diese Karte, die auf den Namen: „Die zerbrochene Welt“ hört. Sehe genau hin. Nehme die Atmosphäre, die dich umgibt, wahr. Höre, schmecke, rieche und fühle das wahre Antlitz der Welt. … Nun kommt ein alter Bekannter zurück aufs Feld. Sobald die Zauberkarte „Die zerbrochene Welt“ gespielt wird, kann ich ein Monster vom Friedhof, was „zerbrochene Welt“ im Namen trägt, auf mein Feld rufen.“ Kaum hatte Kazuo zu Ende gesprochen, da erschien auch wieder das schattenähnliche Monster. „Nun Avaritia greif sein „Einhorn-Baby“ an. … Durch die Spielfeldzauberkarte bekommt er noch mal einen Angriffsschub von 500 Punkten. Außerdem wirkte dein „Mondschein-Zauber“ auch nur für eine Runde und ist somit keine Stütze mehr für dein kleines Pferdchen.“ Kaum war der Befehl ertönt, stürzte sich schon die menschenähnliche Nebelkreatur ein weiteres Mal auf das kleine Einhorn. „Wenn du denkst, ich lasse dich gewähren, dann kennst du mich verdammt schlecht! … Ich aktivere „Astralbarriere“! Ich schütze mein Einhorn vor deiner Bestie!“, reagierte André entschlossen auf die Attacke seines Gegners. Mit ausgebreiteten Armen stellte er sich vor seinen Fabelwesen. Der mächtige Hieb des Ungeheuers versetzte ihm einen schmerzvollen Schlag. Er flog zurück und landete unsanft auf der kalten und stahlharten Erde. Schmerzverzerrt stöhnte er dabei auf. Nur langsam konnte er sich wieder hoch kämpfen. Sein Punktestand fiel rapide auf 1200. Keuchend stand der Schwarzhaarige wieder auf seinen wankenden Beinen. „KAZUO! … Wo bist du nur? … WO IST DER FREUND, DEN KENNEN UND LIEBEN GELERNT HAB?“, schrie der Verletzte die Gestalt an. Bei der letzten Frage legte der Halbspanier seinen Kopf schräg. Das unheimliche Lächeln verschwand. Das rote Glühen in den Augen wurde von der bekannten saphirähnlichen Farbe ersetzt. Das Haar nahm wieder das feurige Aussehen an. Nun stand an der Stelle, wo noch kurz vorher die veränderte Gestalt sich befunden hatte, der alte Kazuo. Er lächelte freundlich während er sprach: „Was meinst du den? Ich bin doch hier? Ich war niemals weg. Ich habe nur die Grausamkeit dieser Welt erkannt!“ Bei den letzten Worten zerplatze das alte Aussehen wie eine Seifenblase wieder. Das neue Ich des Duellanten präsentierte sich erneut. Jegliche Emotion war aus dem Gesicht von Kazuo weggewischt. Keine Gefühlsregung zeigte sich mehr. Nur das unheimlich rote Glimmen in den Augen schien immer intensiver zu werden. „Das wirst du schon früh genug noch verstehen. Auch du wirst die Realität annehmen müssen. So wie es schon viele vor die getan haben.“ Ein eiskaltes Lachen durchbrach die Stille. Wie Eiswasser sickerte es durch den ganzen Körper des Zuhörers. Bei diese bösartigen Lache und dem kleinen Schauspiel stellten sich die Nackenhaare von André auf. Ein kalter Schauder durchfuhr seinen gesamten Körper. Verzweifelt redete er weiterhin auf seinen Gegner ein. „Nein, das kann nicht sein. Du liegst falsch und das werde ich dir beweisen! Mein ZUG!“, die Entschlossenheit, der Wille und die Hoffnung seinen Freund wieder zu bekommen, trieb den Duellanten an. Er zog seine nächste Karte. „Perfekt!“, dachte sich der Grauäugige, als er erkannte, was er in der Hand hatte. „Ich spiele „Freundliche Wohltat“, mit ihr erhalte ich drei neue Karten. Allerdings werfe ich zwei aus meiner Hand auf den Friedhof ab. Mit meinen beiden, neuen Karten ist das Duell noch lange nicht vorbei! Ich spiele nun „Einhornliebe“.“ Das Deck von André erleuchtete. Ein Wiehern erklang. Ein Lichtgewitter explodierte. Als die Leuchtkraft abnahm, stand neben dem Duellgeist ein weiteres Einhorn. Es wies jedoch viele weibliche Formen und Farben auf. Ihre Stirnhörner überkreuzten sich. Verliebte Blicke wurden ausgetauscht. Ein vermeintliches Knurren ertönte aus der Richtung von Kazuo. André erklärte die Gegebenheit. „Diese Zauberkarte lässt mich ein weibliches Gegenstück zu meinem Einhorn aufs Feld rufen, welches dieselben Eigenschaften, Effekte, Angriffs- und Verteidigungspunkte hat, wie mein bereits vorhandenes Einhorn besitzt. Allerdings muss ich meine Battle Phase nun beenden. Du bist leider dran!“, gab André zu und beende notgedrungen seinen Zug. Kazuo zog und legte seine neu gezogene Karte direkt auf das Feld. „Ich rufe einen weiteren „Avaritia, schwarze Seele der zerbrochenen Welt“ im Angriffsmodus!“ Eine zweite Schattengestalt erschien nach dem Aufruf. Keine Besonderheit spiegelte sich in dem Verhalten des Duellanten wieder. Er stand einfach nur ruhig da und starrte auf seinen Gegner und ehemaligen Freund. Das traurige Gesicht des halbdeutschen Duellanten wandelte sich zu einem Lächeln. „Ich aktiviere: „Reisenden Tribut!“ Alle Monster wandern auf den Friedhof!“, lachte er mit einem sicherem Ton in der Stimme. Die Kreaturen verschwanden vom Feld. Kein überraschtes Gesicht. Keine wütende Gestik. Nichts zeichnete sich bei Kazuo ab. Er schien einfach nur zu warten. „Du bist dran.“, flüsterte er schließlich eindringlich. André war wieder dran. „In Ordnung. Ich rufe nun mein mächtigstes Einhorn! … KOMM UND ZEIG DICH, „SCHATTEN-HENGST“!“ Mit diesen Worten hallten Hufgeräusche durch die Umgebung. Aus Andrés Rücken sprang ein pechschwarzes Wesen. Es wies die typischen Einhornmerkmale wie eine pferdeähnliche Statur und ein langes Stirnhorn auf. Allerdings umgab sein Körper eine Art Nebel. Die Augen glühten so gelb wie der Sonnenschein. Aus seinen Nüstern rauchte der Atem des Wesens. Seine ATK und DEF waren gleich Null. Keine Reaktion kam aus der Richtung des Rothaarigen. Nur der durchdringende Blick verblieb. Klar wie eine Eiswand schien sich die Stimme des Duellanten wie eine Brise durch die Nacht zu ziehen. „Ein weiteres, nerviges Fabelwesen. Welche Überraschung.“ Langeweile und ein klein wenig Sarkasmus war in den Worten zu erkennen. Gelassen fuhr der grauäugige Duellant sich durchs schwarze Haar. Als sich ihre Blicke trafen, leuchteten seine wie eine lodernde Flamme. „Mittlerweile müsste du wissen, dass meine Einhörner mehr als nur missgebildete Gäule sind. Sie gehören zu meinen Leben, genauso wie du! Und ich werde dich jetzt von deinem Trugbild befreien!“, antwortete André ihm. „Auf! Stärke dein Monster! Es wird dir eh nichts nutzen.“ Gab der Südländer nur gelassen zurück. Ihn schien nichts aus der Fassung zu bringen. Es wirkte schon fast herablassend wie er nun seinen Gegner ansah und ansprach. Unbeirrt wendete sich der Schüler wieder seiner Kreatur zu. „“Schatten-Hengst“, nutze deinen Effekt und nehme die Kraft derer, die gefallen sind, in dir auf. Befreie meinen geliebten Freund aus den Klauen des Bösen!“ Mit einem Fuß stampfte das Duell-Monster auf die Erde. Ein Wiehern donnerte erneut durch die nebelige Luft. Das Stirnhorn begann zu leuchten. Grelles, goldenes Licht entkam ihm. Die schemenhaften Abbilder der vier vorigen Einhörner zeigten sich. Zusätzlich erschienen zwei zusätzliche Einhörner. Gemeinsam verwandelten sie sich zu kleinen, hellen Kugeln, die in das Stirnhorn des Hengstes flogen und mit ihm verschmolzen. Die Angriffs- und Verteidigungskraft stieg plötzlich an. Die Zahlen zeigten schließlich 4200 und 3600. Nach all der Zeit schien sich das erste Mal etwas anderes bei Kazuo zu bewegen als seine Lippen. Er schüttelte den Kopf. „Wie zu erwarten. Ein Effekt. Du verstehst immer noch nicht. Jetzt gleich wirst du mir bestimmt noch den Effekt erklären.“ Resignierend entwich dem Rothaarigen ein Seufzer. Der starrende Blick weichte etwas auf. Doch das rote Glühen ließ nicht nach. „Der besondere Effekt meines Hengstes ist wie folgt: Seine ATK und DEF Punkte richten sich nach der Anzahl an Einhornkarten in meinen Friedhof. Für jedes bekommt er 800 Angriffs- und 600 Verteidigungspunkte hinzu. Als ich „Freundliche Wohltat“ aktiviert habe, warf ich zwei weitere Einhörner von meiner Hand auf den Friedhof ab. Somit ist mein Einhorn nun die stärkste Kreatur auf dem Feld. Es ist vorbei!“, fuhr der Straßburger fort. Mit einem siegessicheren Blick befahl er den Angriff. Das pferdeähnliche Tier bäumte sich auf und rannte dann unbeirrt auf seinen Gegner zu. „Ich spiele meine verdeckte Fallenkarte: „Wahre Realität“. So wird deine Battle Phase beendet und dein Angriff unterbrochen. Doch das war noch nicht alles. Ich darf eine zerbrochene Welt Karte aus meinem Deck beschwören. Ich rufe dich „Gula, verzweifelte Seele der zerbrochenen Welt“. Zeige dich und helfe mir!“ Vor dem Halbspanier erschien eine Feste schwarze Kugel. Ein unheimlicher schwarzer Rauch ging von ihr aus. Nach und nach öffneten sich Augen. Die Ganze Kugel war mit diesem Sinnesorgan bedeckt. Keines der Augen hielt still. Im unregelmäßigen Takt sahen sie alle in eine andere Richtung. Es wirkte schon fast als würden sie etwas bestimmtes Suchen. Sie besaß 3000 ANG und 1500 DEF. „NEIN!“, schrie André. Die Attacke wurde einfach abgeblockt, noch ehe sie zum Zuge kam. Enttäuscht und entsetzt zugleich sank er auf die Knie. Mit zitternden Augen und krampfhaften Drang seine Tränen zurück zu halten, beende er den Zug. „Dann bin wohl ich dran.“ Schnell zog Kazuo eine Karte, sah kurz darauf und aktivierte sie sofort. „Ich spiele „Ungerechter Opferkult“. Normalerweise darf ich nur ein „zerbrochene Welt“-Monster aus dem Friedhof wieder auf das Feld zurückholen, doch wenn sich die Karte „Die zerbrochene Welt“ auf dem Feld befindet darf ich sogar zwei Monster wieder zu den Lebenden zurückholen. Los, aktiviere dich meine Zauberkarte.“ Ein schmerzerfülltes Wiehern schnitt durch die dunkle Nacht. Aus dem Boden waren mehrere Schattenhände aufgetaucht und drückten den Hengst immer fester zusammen. Bis er schließlich zersprang. Auf der Seite von Kazuo jedoch erschienen seine beiden, menschenähnlichen Schatten, die nur zwei Züge davor zum Friedhof geschickt worden waren. „Oh ich habe vergessen zu erwähnen, dass dafür ein Monster auf deiner Seite geopfert wird.“ Ein eiskaltes Lachen erschallte wieder und schien sich wie durch ein Echo immer mehr zu vervielfältigen. „Ich habe dir doch gesagt, dass du es einfach nicht verstehst. Doch bald wirst du klar sehen. Meine Freunde, … greift ihn direkt an!“ Die Mäuler der Schatten öffneten sich bei diesem endgültigen Befehl und die zwei Monster stürzten sich auf den knienden Jungen. Die Augen der Kugel fixierten dasselbe Ziel und schossen schließlich einen gebündelten roten Strahl auf das Opfer ab. Mit letzter Kraft und aus reiner Verzweiflung setzte André den Effekt seines Schildes erneut ein. Obwohl er keine Monster mehr hatte, erhoffte er sich dadurch Kazuos altes Ich wieder zu erwecken. Der Schuss ging aber nach hinten los. Die Wucht des Angriffs schleuderte ihn durch die Luft. Er knallte auf die Erde und atmete schwer. Es war wirklich vorbei. Der Herausforderer hatte es nicht geschafft, seinen Freund zu befreien. Mit letzter Anstrengung verfolgte er das kommen seines Gegners, eher er schließlich bewusstlos wurde. Das Spielfeld löste sich langsam auf, während der Sieger auf den Bewusstlosen zuschritt. Langsam bewegte sich die perlweiße Hand auf die Stirn von dem Schwarzhaarigen zu. Kurz vor der Berührung hielt sie jedoch inne. „Du bist es nicht wert geweckt zu werden. Schlaf weiter und Träume von deiner Fantasiewelt.“, nach diesen letzten Worten drehte sich Kazuo um, zog die Kapuze wieder über den Kopf und verschwand in den Schatten der Dunkelheit. „So dann wollen wir mal“, mit diesen Worten machte sich Leon zu dem Apartment von Tobi Schäfer auf. Der blondhaarige Student hatte das Versprechen, welches er seinem kleinen Liebling gab, nicht vergessen. Die Geschichte von André und das seltsame Verhalten von Kazuo, was er auch langsam selbst erlebte, bewogen ihn ebenfalls dazu. Der Duellant streifte durch Treppenhäuser und Gänge bis er schließlich vor der Tür des Gesuchten stand. Doch auf einmal musste er schwer schlucken. „Es ist seltsam. Ich, Leon Norman, das Oberarsch dieser Akademie klopfe bei Tobi Schäfer an der Tür an. Früher war das undenkbar. Diese Sache am Strand hat mich wirklich verändert.“, ging es ihm dabei durch den Kopf. Er bereute sein neues Ich zwar nicht, aber in einigen Situationen verwunderte es ihn immer wieder. Der Blauäugige atmete noch mal tief durch und klopfte an die Pforte. Nichts regte sich. Er wiederholte es immer wieder. „Hey Tobi! Bist du da?“, rief er gegen die verschlossene Holzmauer. Leon drückte sein Ohr an die Tür und horchte. Zwar nur leise, aber es waren Geräusche zu vernehmen. Jetzt fühlte sich der Student regelrecht verarscht, wenn man es mal salopp ausdrücken durfte. Sein Temperament loderte langsam auf. Doch bevor er erneut die Stimme erhob, lenkte ihn ein Gespräch zwischen zwei Mitschülern ab. „Hast du schon gehört? Der Burkhard liegt im Krankenzimmer. …“ „Was ist nur mit ihm passiert? …“ „Keine Ahnung. Aber er ist bewusstlos und wacht nicht auf. …“ Die zwei jungen Frauen entfernten sich von ihm. Als wäre Leon mit kalten Antarktiswasser überschüttelt worden, starrte er den zwei Schülerinnen nach. Sein Herz begann zu rasen. „ANDRÉ!“, schoss es durch seinen Kopf. Wie von der Tarantel gestochen rannte der Blondhaarige in Richtung Krankenzimmer. Mit einem lauten Knall flog die Tür des Vorraumes auf. Schnaufend und mit einem mit Angstschweiß getränkten Gesicht sah der Student in die Augen der verwunderten Krankenschwestern. „Wo ist er?“, jappst er hervor. „Wer?“, fragte ihn eine jüngere Schwester. „André … Der Schüler Burkhard.“, erwiderte er. Die Angesprochene verstand und führte den 25 Jährigen zum Krankenbett. Dort lag der Schwarzhaarige. Seine Augen waren geschlossen und auch sein Atem war sehr flach. „Was ist passiert?“, fragte Leon den Arzt, der bereits neben André saß und den Puls und die Atmung prüfte. „Sind sie ein Freund?“, entgegnete der Herr im weißen Kittel. Der Student nickte. Seine Augen zitterten bei dem Anblick, den der Jüngere ihm bot. „Wir haben keine Ahnung wie es passiert ist. Tatsache ist aber, dass einige Schüler Herrn Burkhard und zwei weitere Duellanten draußen am Waldrand in diesem Zustand gefunden haben. Ich kann sie aber beruhigen. Er ist körperlich soweit in Ordnung und zeigt auch bisher keine Zeichen für lebensbedrohliche Verletzungen.“, erklärte der ältere Mann, der auf Dr. Hiroshi Makoto hörte. Bei diesen Worten fiel Leon ein Stein vom Herzen. Er stellte sich links von André und begutachtete den Schlafenden. „Ich lasse sie kurz allein. Ich bin sofort wieder da.“, sprach der Grauhaarige den Besucher an, bevor er sich aus dem Raum begab. Als sie nun zu Zweit waren, umfasste die große Männerhand die des Kleineren. „Wer hat es dir nur angetan?“, fragte er sich. Leon verspürte eine regelrechte Wut und Hass. „Niemand hat das Recht dich so zu zurichten! Wenn ich den Täter erwische!“, knurrte er. Auf einmal begannen sich die Lippen des Liegenden zu bewegen. Es schien, als würde er im Schlaf reden. „Kazuo. … Nein! Bitte NICHT! … Tobi. … Warum hast du das nur getan?“, waren die einzigen Fetzen, die Leon verstehen konnte. „André? … Bist du da? … Was meinst du?“, fragte er ihn unsicher. Doch der Angesprochene verstummte wieder. Nachdenklich ließ der Ältere die Hand des Bewusstlosen los und lehnte sich an die Wand an. „Was meint André damit? Es scheint so, als würde Kazuo was passieren. Und Tobi? Hat der was angestellt? …“ Er kratzte sich am Kopf und schloss die Augen. Ein Gedankenblitz durchzuckte ihn. Er ballte die Faust. Mit einem letzten Blick sah der Student kurz zu seinem Geliebten. Ohne große Worte verließ der Blauäugige den Raum, in dem bereits der Schularzt zurückgekehrt war. Mit aufflammender Wut kochte das Temperament des Mannes hoch. In wenigen Augenblicken stand er wieder vor der Tür, die zu Tobi Schäfers Wohnung gehörte. Mit der Faust haute er gegen das Holz der Eingangstür. „TOBI! MACH SOFORT DIE TÜR AUF! ODER ICH TRETE SIE EIN!“, brüllte Leon. Sein Kopf lief rot an. Er stand kurz davor zu explodieren. Die Tür öffnete sich. Noch ehe der Braunhaarige realisieren konnte, was geschah, packte der Größere ihm am Kragen und betrat die Wohnung. „SO FREUNDCHEN! … ICH WEIß NICHT WAS DU MIT KAZUO GEMACHT HAST, ABER DEINETWEGEN LIEGT ANDRÉ IM KRANKENZIMMER UND WACHT NICHT MEHR AUF!!! MIR IST SCHEIß EGAL, WAS DU ÜBER MICH DENKST! ICH WILL ABER ANTWORTEN!!!!! UND ZWAR PRONTO!!!! SPUCK AUS … WAS IST ZWISCHEN DIR UND KAZUO VORGEFALLEN!!!“, während er den ehemaligen Campkollegen anfauchte, bohrten sich die eiskalten, blauen Augen in die seines Gegenübers. Die Lage, in der sich André befand, ließ den Deutschen nicht mehr los. Er konnte und wollte nicht ruhig mit Tobi reden. Die Aggression, die nur seine Angst um den anderen Duellanten verbarg, entbrannte förmlich. Im ersten Moment ziemlich überrascht, sah der Braunhaarige nur direkt in die wutentbrannten Augen seines Gegenübers. Schnell fand er wieder seine Fassung. Ruhig und gelassen bewegte er seine eigene Hand zum Handgelenk des Fremden Armes an seinem Kragen. Zielsicher packte er zu und verstärkte seinen Griff. Die Hand konnte nicht anders, als vom Kragen zu lassen. Nun da sein Kleidungsstück von dem Griff befreit war, sah Tobi wieder direkt in die eisblauen Augen. Der eigene Blick war streng und erbarmungslos. Ruhig aber befehlend erhob sich die Stimme des Goldäugigen: „Unterschätze mich nicht! Ich bin lange nicht so schwach wie du mich einschätzt!“, wie zum Beweis drückte er noch mal stärker das Handgelenk zusammen, bevor er weiter sprach. „Entweder erklärst du mir jetzt was los ist oder du kannst wieder gehen. Denn nach meinem Wissen habe ich in den letzten Tagen weder was mit dir, André oder Kazuo zu tun gehabt. Also kann niemand wegen mir irgendwo liegen!“ Der letzte Ausruf war furchteinflößend. Selbst ein Löwe hätte in diesem Moment in seiner Bewegung inne gehalten. Nun ließ der Braunhaarige auch wieder die Hand los. Regungslos fiel der Arm, bis er schließlich nur noch schlaff vom Körper herab hing. Leon war einfach nur fassungslos. So was hatte er bis jetzt noch nie erlebt. Jemand der so mühelos seinem Griff entkam, konnte es doch nicht geben. „Schließ die Tür hinter dir wenn du gehst. Oder schließe sie wenn du dich entschließt zu bleiben. Ich warte in der Küche falls du reden möchtest.“ Mit diesen letzten Worten drehte sich Tobi um und verschwand in Richtung Küche. Absolute Sprachlosigkeit erfasste den Studenten. „Hallo? Was geht mit dem Schäfer ab? Und außerdem, was fällt dem überhaupt ein, so mit mir zu reden!“, überschlug es sich dabei in seinem Kopf. Trotz seiner Wut besonn er sich auf seine eigentliche, gute Erziehung und schloss die Tür, die bisher offen stand. Mit einem genervten Grummeln schlug er sie zu und folgte dem Deutschen in die Küche. Doch als er sah, wie gelassen der Gastgeber sich verhielt, riss ihm der Geduldsfaden. Mit vollkommener Sicherheit saß der Goldäugige Schüler am einfachen Küchentisch, als der blonde Student eintrat. Er sah einfach nur auf und verfolgte die Bewegungen von Leon, dabei rührte er gelassen in einer Tasse. „Wenn du schwarzen Tee möchtest. Er ist frisch zubereitet. Nimm dir ruhig was.“ Mehr sagte der Braunhaarige nicht. Der Duellant wartete einfach nur darauf, dass sein Besucher sich zu ihm setzte und endlich die ganze Geschichte erzählte. Im schnellen Schritt stapfte Leon auf ihn zu. Sein Faust schlug auf den Küchentisch. „WAS FÜR EIN DEPP BIST DU EIGENTLICH? WIE KAM MAN NUR SO RUHIG BLEIBEN? WILLST DU ODER KANNST DU NICHT VERSTEHEN?“, begann er erneut mit seiner lautstarken Standpauke. Es machte ihn nur fertig, dass Tobi die Tatsache scheinbar ignorierte, dass André bewusstlos im Krankenzimmer lag. Als er die Bilder nochmals vor seinen inneren Augen sah, steigerte sich die Lautstärke um das doppelte. „ICH DACHTE, DU WÄRST EIN KLUGER BURSCHE! ABER ICH SEHE HIER NUR EINEN HIRNVERBRANNTEN, SCHEINHEILIGEN FREUND, DEM DAS WOHL DER ANDEREN AM ARSCH VORBEI GEHT! WIE KANNST DU DIR DAS RECHT RAUSNEHMEN, DIE SACHE MIT ANDRÉ UND KAZUO ZU IGNORIEREN?! DER KLEINE STRAßBURGER LIEGT BEWUSSTLOS IM KRANKENZIMMER. NIEMAND WEIß WAS PASSIERT IST. DOCH ER HAT IM SCHLAF GESPROCHEN. ER HAT DEINEN UND KAZUOS NAMEN GENANNT. ALSO, … ICH WILL JETZT VERDAMMT NOCH MAL WISSEN, WAS ZWISCHEN DIR UND KAZUO VORGEFALLEN IST!!! DENN DEIN FREUND TICKT NICHT MEHR GANZ RICHTIG! UND ICH GEBE DIR DIE ALLEINIGE SCHULD DARAN, DASS ANDRÉ IM KRANKENZIMMER LIEGT! … SAG ENDLICH DIE WAHRHEIT!“, die bestimmenden und harten Worte des Älteren bombardierten seinen Gesprächspartner. Leon musste seinem Ärger einfach Luft machen. Er dachte immer wieder an seinen Geliebten. Die Wortfetzen, die er ihm mitgeteilt hatte, mussten was mit Tobis und Kazuos Beziehung zu tun haben. Da war er sich ganz sicher. Gelassen ließ der Braunhaarige das Gebrüll seines Besuchers über sich ergehen. Nachdem endlich der Blonde sein letztes Wort gesprochen hatte, nippte Tobi kurz an seinem Tee. Er war immer noch zu heiß. Also rührte er weiter. Man konnte schon eine pochende Ader an der Schläfe des Aufgebrachten sehen. Doch dies beeindruckte den Goldäugige nicht. Seelenruhig rührte er ein paar Minuten weiter, bis der Schüler vom schwarzen Tee kostete. Nun hatte er genau die richtige Temperatur. Erst jetzt sah der Braunhaarige wieder auf: „Der Tee ist klasse. Du willst wirklich keinen.“ Allein diese einzige Aussage bekam der Wütende zu hören. Das war zu viel des guten. Man konnte förmlich sehen wie der Geduldsfaden des Studenten riss. Der blauäugige Student erhob sich zu seiner vollen Körpergröße. „NA SCHÖN! WENN DU NICHT VON ALLEINE REDEST, DANN HELFE ICH GERNE NACH! ICH KANN DIR DIE SANFTE ODER DIE HARTE TOUR ANBIETEN. WELCHE WÄRE DIR IDIOT LIEBER?“, dabei bearbeitete er mit der linken Hand die rechte Faust. Leon war es langsam Leid. Er stellte dem Duellanten ein unmissverständliches Ultimatum. Dabei bohrten sich die vor Feuer loderten Augen in die des Anderen. Der Blondhaarige würde in diesem Moment sogar über Leichen gehen, um zu wissen, wer oder was André diese Bewusstlosigkeit, vor allem aus welchen Grund, zugefügt hatte. Laut reden konnte jeder und das brachte Tobi nicht aus der Fassung. Aber bedrohen lassen würde er sich nicht. Er schlug nur einmal mit der flachen Hand auf die Tischplatte: „SEI STILL!! Wenn du glaubst mir in meinem Zimmer drohen zu können, hast du dich geschnitten!“ Der Tonfall von dem Braunhaarigen ließ keinen Zweifel offen. Wenn sich Leon nicht beruhigte, würde er nichts zu hören bekommen, außer dem Knall der Zimmertür, die sich hinter ihm schließen würde. Wieder nippte der Goldäugige an seinem Tee. Danach begann er wieder zu sprechen: „Bis jetzt weiß ich von dir, dass André bewusstlos im Krankenzimmer liegt. Dazu kommt, dass er in seinem Schlafzustand oder in was auch immer er ist, meinen Namen und dem von Kazuo gesagt hatte. Ist es vielleicht möglich, dass er nur von seinen Freunden geträumt hat? Oder kannst du mir beweisen, dass Kazuo etwas passiert ist und ich daran schuld bin? … Weist du wer oder was ihm das angetan hat? … Solange dir keine Antworten darauf einfallen, sehe ich auch keinen Grund dir irgendetwas aus meinem Privatleben zu erzählen.“ Nun war der Blick fest auf dem stehenden Studenten geheftet. Die Hände waren locker ineinander gefaltet, und lagen auf der Tischoberfläche. Tobi tat nichts weiter als abzuwarten. Ruhig und gelassen erwartete er die Erklärung von Leon. Wutschnaubend senkte der Blondhaarige seine Arme. Seine Augen zitterten für einen Moment. Doch dieser Zeitpunkt der Schwäche hielt nur kurz. Er atmete tief ein. Ohne Vorwarnung drehte er sich um und begann zu gehen. Im Türrahmen hielt er inne. Mit dem Rücken zu seinem Gesprächspartner gewandt verabschiedete er sich von ihm. „Tobi. Eigentlich müsstest du wissen, dass ich seit dem Strand ein anderer Mensch bin. Aber wenn dir deine Freunde scheinbar egal sind, dann tut es mir für dich Leid. André sagte: „Kazuo! NEIN! BITTE NICHT!“ Es hörte sich eher wie ein Hilfeschrei als wie ein schöner Traum an. Und dein Name wurde mit einer Frage genannt. „TOBI. WARUM hast du das nur getan?“ Ich bin alt genug um Eins und Eins zusammen zu zählen. Aber mir ist es langsam echt egal. André braucht mich jetzt. Schlürf ruhig deinen Tee leer. Ich entschuldige mich für die Störung. Einen schönen Tag noch, Monsieur [der Herr].“ Das Sportass durchquerte den Flur und schloss die Eingangstür hinter sich. Keine Spur von Aggression war mehr zu vernehmen. Ohne eine Reaktion auf das Verschwinden des Studenten trank der Zurückgelassene einen weiteren Schluck aus seiner Tasse. Danach sah er in die trübe Flüssigkeit. Sein eigenes Gesicht spiegelte sich leicht in dem Tee wieder. Doch von Selbstsicherheit und Ruhe war nichts mehr zu sehen. Besorgnis und ein klein wenig Verzweiflung sahen im direkt in die Augen. „Meine Freunde egal? Wenn du wüsstest.“ , flüsterte er vor sich hin. Gerade hob er wieder die Tasse an, da schien sich etwas in ihm zu tun. Der Griff um das Geschirrstück verstärkte sich, bevor sie mit voller Kraft gegen die Wand geworfen wurde und in tausend Stücke zersprang. „VERFLUCHT!!!“ Die ganze Fassade brach zusammen. Die gerade Haltung wich. Der Kopf legte sich auf die Tischplatte, während sich die Hände darüber legten. So lag er nun einige Minuten, er glich schon fast einer Statue. Mit einem schnellen Ruck stand Tobi auf. „Ich bin es leid! Jetzt mache ich das was ich von Anfang an hätte machen sollen.“, brüllte der Goldäugige in sein leeres Zimmer, als wollte er sich noch ein wenig in seinem Entschluss unterstützen. Mit sicherem Schritt verließ er sein Zimmer. Er wusste genau wo er jetzt sein sollte. Mit langsamen Schritten kehrte Leon zu André zurück. Innerlich verfluchte er seinen alten Ego, der sich vor allem durch sehr aggressives und unkontrolliertes Verhalten auszeichnete. „Ich habe versagt. VERDAMMT! Tobi ist auch so ein Sturkopf. Da ist doch was im Busch. Das riecht man zehn Meilen gegen den Wind. Aber ich wusste es ja mal wieder besser und drohe ihm auch noch.“ Am liebsten hätte er sich selbst eine Ohrfeige dafür verpasst. Doch die Gedanken und Gefühle richteten sofort wieder auf den Geliebten. Der Student betrat nach der Voranmeldung bei der Stationsschwester den Raum, in dem der Schüler lag. Seine grauen Augen waren immer noch verschlossen. Der Ältere seufzte und nahm sich einen Stuhl, um seinen Liebling Gesellschaft zu leisten. Die Angst, dass der Halbfranzose vielleicht nicht mehr aufwachen könnte, streute Zweifel und beängstigte Horrorszenarien in seinen Kopf. Noch nie hatte er sich so hilflos und verzweifelt gefühlt. „Wie geht es dir? … André, … wenn du mich hörst, dann gib mir bitte ein Zeichen.“, sprach der Besucher mit dem Liegenden. Doch keine Reaktion folgte. Die Minuten verstrichen. Doch nichts regte sich. Nur der Brustkorb hob und senkte sich. Als Zeichen, dass der Schwarzhaarige auf jeden Fall lebte. Das linke Auge des Blauäugigen begann feucht zu werden. Der 25 jährige Mann stand kurz davor in Tränen auszubrechen. „Bitte, … André…, mein kleiner Sonnenschein, … wach bitte wieder auf!“, flehte das Herz in der Seele des Betrübten. Plötzlich öffnete sich die Tür. Leon erschrak und wendete den Blick zu der Person, die das Zimmer betrat. Als er erkannte, wer dort stand, kochte sein Temperament wieder hoch. „WAS WILLST DU HIER?“, schnauzte er sein Gegenüber an. „Ich wollte mich entschuldigen. Ich hätte dir gleich helfen müssen.“, man konnte die Ehrlichkeit und Demut deutlich aus der Stimme von Tobi hören. „Es tut mir wirklich leid, wie ich mich gerade eben verhalten habe. Ich wusste einfach nicht wie ich es anders machen sollte? Doch jetzt bin ich da und beantworte dir deine Fragen. Ich habe vor nicht so langer Zeit mit Kazuo Schluss gemacht. Dabei war ich mit meinen Worten nicht zimperlich. Aber ich wusste einfach nicht, was ich sonst tun konnte. Ich wollte ihn doch nur beschützen. Dafür musste er einfach von mir weg bleiben und ich wusste einfach nicht wie ich das anders hätte schaffen können?“ Tränen liefen dem Braunhaarigen am Gesicht herab. Sie flossen über die Wangen bis sie sich schließlich am Kinn vereinten. Tropfen nach Tropfen wurde von dem blauen T-Shirt aufgesogen, das der Goldäugige trug. So lange hatte er alleine darüber nachgedacht, ob sein Handeln richtig gewesen war. Jetzt wo er endlich nicht mehr diese Last verheimlichen musste, konnte er nicht anders als sich seiner Verzweiflung hinzugeben. Schweigend verfolgte der Blondhaarige das Geschehen. Die Entschuldigung von Tobi ließ ihn aufhorchen. Er kannte den Goldäugigen zwar schon einige Zeit, aber diese zwei Gesichter des jungen Mannes verwunderten ihn sehr. Im ersten Moment wusste der Student nicht, was er entgegen sollte. Um nicht ins Schweigen zu verfallen, begann Leon den Gast anzusprechen und gleich direkt zu fragen, was der Grund für sein Verhalten war. „Du bist ein komischer Kauz. Erst machst du auf Eisschrank und Gleichgültiger. Und jetzt heulst du dir vor mir die Augen aus. Was ist nur mit dir los? Warum verhältst du dich den so seltsam?“ Mit seinem Handrücken wischte sich Tobi die Tränen aus dem Gesicht. „Es ist doch jetzt egal, was der Grund für mein Handeln war. Wenn du Recht hast und Kazuo an allem schuld ist, müssen wir ihn zu schnell wie möglich finden. Ich erkläre dir alles später. Denn je länger wir die Zeit verplempern desto mehr Schaden könnte noch entstehen.“ Nachdem sich der Weinende gefangen hatte machte er sich auf dem Weg aus dem Krankenzimmer. Er hatte einfach ein komisches Gefühl wegen dem Ganzen. Immer noch wusste er nicht, ob wirklich Kazuo an dem ganzen Geschehen schuld war. Aber eins wusste er. Beeilen musste er sich. Sonst könnte es zu spät sein. Denn jetzt wo Tobi nicht mehr alles für sich behalten hatte, war Kazuo in Gefahr. Leicht angesäuert, grummelte Leon etwas vor sich. Wieder ist Tobi seiner Frage ausgewichen. Langsam ödete es ihn an. Als er schließlich ohne Vorwahrung auch noch aus dem Zimmer spurtete, verließ dem Blauäugigen die letzte, mögliche Erklärung. Frustriert atmete er schwer. Sein Blick ruhte erneut auf André. „Ich versteh langsam nur noch Bahnhof. Und jetzt ist Tobi auch noch raus gelaufen. Das soll einer mal kapieren. Aber egal. Ich werde dem Schäfer mal folgen. Vielleicht ist alles doch nicht so kompliziert, wie es scheint.“, sammelte es sich langsam in seinen Gedanken. Der ältere Mann küsste zum Abschied die Stirn des Schlummernden. „Sei unbesorgt. Ich komme wieder. Warte auf mich“, dachte Leon dabei. Der Sportler erhob sich und verließ ebenfalls das Krankenzimmer. Kurz darauf konnte er Tobi finden und gemeinsam marschierten sie durch die Gänge der Akademie. Schweigen bekleidete sie. Es dauert nicht lange, da hatten beide Jungs auch schon das Gebäude verlassen. Nun da sie endlich draußen waren, wusste Tobi nicht mehr was er tun sollte. Er erstarrte in seinen Bewegungen. Eine Idee, irgendeine Idee brauchte er jetzt. Es musste doch jemanden geben der ihnen helfen konnte. Zu zweit können sie eine Ewigkeit auf der Insel suchen und in einem Monat noch kein Zeichen von Kazuo entdeckt haben. „Wenn wir doch mehr Freunde wären.“, dachte der Goldäugige sich. Wie aus dem nichts traf ihn ein Geistesblitz. „Leon du gehst zum Rektorat. Ich muss schnell was erledigen. Wir treffen uns dort! Hast du mich verstanden. Ich hoffe du wartest dort auf mich. Alleine werden wir nicht viel ausrichten können.“ Kaum hatte Tobi seine Bitte geäußert, da rannte er auch schon los. Sein Ziel waren die Unterkünfte. Seufzend blieb Leon erstmals stehen. „Es ist doch echt nicht zum fassen. Weiß der überhaupt, was er tut? Ich bin es langsam leid sein Verhalten ständig zu analysieren und zu interpretieren. … Da fällt mir grad ein, dass ich kommende Woche noch einen Japanisch Aufsatz habe. … ACH! JETZT BLEIB MAL BEI DER SACHE!“ Ohne einen wirklichen Grund trat der Student gegen einen Stein. „Aber was bleibt mir anderes übrig? Tobi erzählt mir erst was los ist, wenn ich mit ihm Kazuo gefunden habe. Bis dahin kann ich nur raten, was der Grund für das ganze Theater sein soll. Hoffentlich klärt sich die Sache bald auf. Mir wird schon schlecht, wenn ich dabei an André denke. Und ich erwische den Übeltäter doch. Was will er nur am Rektorat? Ich habe keine Lust nochmals von Prof. Takeda eine eingefahren zu bekommen.“ Mit seinen Gedanken in Stich gelassen, machte sich der Blauäugige langsam auf den Weg zum Büro des Schulleiters. Antworten, die er zum besseren Verständnis brauchte, erhoffte Leon dort endlich zu bekommen. Auch war ihm insgeheim bewusst, dass er durch ein Fehlverhalten Tobis jetzige Lage verschlimmern würde und es wieder zu Spannung unter den Freunden kommen konnte. Und allein wegen André wollte er keinen Fehler machen. Wenige Minuten später fand sich der Student an der Pforte des Rektorates wieder. Er lehnte sich an die Wand an. Die Zeit verstrich und irgendwann fragte sich der 25 Jährige, wo Tobi nur blieb. Doch schließlich bog der Erwartete um die Ecke und gesellte sich zu ihm. „Na endlich“, kam es genervt über Leons Lippen. Völlig außer Atem stand der Braunhaarige schließlich vor dem Treffpunkt den er mit dem blonden Studenten ausgemacht hatte. Seine Suche dauerte länger als er dachte. Vor allem, weil er sich nicht sicher gewesen war, ob er in seiner Vermutung richtig lag. Mit einem strengen Blick wurde Tobi von dem Warteten begutachtet. „Was hat den so lange gedauert! Und was hast du jetzt so unbedingt machen müssen.“ Immer noch außer Atem konnte der Goldäugige keinen richtigen Satz herausbringen. Das Einzige was ihm in diesem Moment einfiel, war zu zeigen was er gesucht und zum Glück gefunden hatte. Im hohen Bogen warf der Ausgepowerte dem Blonden etwas zu, was auch er nur zu gut erkennen sollte. Die Weste und der Gürtel von Kazuo landeten genau in den Armen von Leon. „Ich habe uns Hilfe geholt. Ich weiß nicht ob du was von André darüber erfahren hast, aber von Kazuo habe ich was von seinen ersten Freunden erfahren. Seinen Duellgeistern. Sie können eine gute Hilfe sein. Hoffe ich wenigstens. So und jetzt wo ich wieder ohne Atemnot reden kann, holen wir uns noch etwas mehr Hilfe.“ Mit diesen letzten Worten drehte sich der Braunhaarige zur Tür des Schulrektors. Klopfte zweimal an und trat ohne irgendwelche Zweifel in das Zimmer. Mit der Duellausrüstung im Arm beobachte Leon, wie Tobi den Raum des Schulleiters betrat. „OK. Jetzt kapier ich wirklich nichts mehr. Was soll das mit Freunden, Duellgeister und so sein? André hat mir nichts dergleichen erzählt. Also, was soll das Ganze?“, überschlugen sich die Fragen in seinem Kopf. Er hatte langsam aber sicher keinen Bock mehr, Tobis geheimnisvollen Antworten und Andeutungen zu hinterfragen und zu kommentieren. Doch um nicht negativ aufzufallen, folgte der Student dem Schüler. Höflich schloss der Ältere die Tür hinter sich. Er hielt sich im Hintergrund, da er selbst keine Ahnung besaß, was nun kommen sollte. Seine ganze Aufmerksamkeit ruhte auf den braunhaarigen Schüler und dem Rektor, die bereits ein Gespräch miteinander führten. Zielsicher war Tobi auf den Rektor zugegangen. Mit einer kurzen Verbeugung richtete er dann auch sofort sein Wort an ihn: „Guten Tag Professor Takeda. Ich weiß, Sie wissen was zurzeit in der Akademie los ist. Ich möchte Sie bitten mir alles zu erzählen was Sie wissen.“ Der Rektor sah nicht auf. Er schien den Augenkontakt so gut wie es ging zu meiden. Selbst die Stimme des Mannes zeigte, dass dieser etwas verbarg: „Es gibt nichts zu erzählen. Ich habe schon das zuständige Personal damit beauftragt, sich darum zu kümmern.“ Der Braunhaarige verstand die Reaktion des Schulleiters nicht. „Aber das kann nicht sein. Ich weiß, dass ich helfen kann, wenn es so ist wie ich denke. Also bitte geben Sie mir mehr Informationen.“, entgegnete Tobi auf diese kurze Abweisung. Immer noch betrachte Prof. Takeda seine Schreibtischoberfläche mit vereinzelten Blätter und Formularen. Er nuschelte weiter in seinen nicht vorhandenen Bart: „Das ist nichts für Schüler. Gehen Sie auf ihr Zimmer und kümmern Sie sich um ihre Aufgaben. Diese internen Probleme regeln wir schon.“ Irgendetwas stimmte nicht und insgeheim ahnte der Goldäugige, weshalb sich der ältere Herr dermaßen gegen seine Fragen und Bitten stellte. Mit Wucht schlug Tobi mit den Händen auf die massive Tischplatte des Rektors, bevor er diesmal etwas lauter, wieder anfing zu sprechen: „Na schön, dann gehe ich. Aber ich frage mich was mein Stiefvater oder meine Mutter davon halten, dass sie mich so abgeblockt haben.“ Mit Schwung drehte er sich um und machte schon seinen ersten Schritt in Richtung Ausgang. Das Ausweichen des Schulleiters auf Tobis Fragen, Bitten und Argumenten zu diesem Thema war so offensichtlich. Leon seufzte nur innerlich. „Können die Zwei nicht endlich auf den Punkt kommen? Ich wäre lieber bei André, als mir diese Debatte anzuhören.“ Der Blauäugige legte die Weste und den Gürtel auf einen freien, in der Nähe stehenden Stuhl und lehnte sich erneut an die Wand. Es half alles nichts. Ob er wollte oder nicht. Leon musste abwarten und hoffen, dass die beiden, anderen Männer eine Einigung fanden. Kurz vor seinem zweiten Schritt hörte Tobi etwas, worauf er gehofft hatte. „Warte. Ist ja gut.“ Man konnte ein großes Seufzen vom Schulleiter hören. Danach sprach er ruhig weiter: „Viele Informationen haben wir noch nicht. Es wurde nur berichtet, dass in den letzten Tagen anscheinend Liebespärchen nachts in Duelle verwickelt worden sind. Außer, dass es sich um regelkonforme Duelle handelte, war nichts passiert. Danach allerdings zerbrachen die Beziehungen. Bisher hatte niemand dagegen was unternommen, da kein wirklicher Grund bestand, die Sache zu untersuchen. Doch bei den letzten drei Fällen ist es anders. Das Pärchen und ein Einzelner sind in einen tiefen Schlaf gefallen, aus dem sie nicht geweckt werden können. Ihnen wird ja bekannt sein, wer einer der Duellanten ist.“ Bei diesen Worten drehte sich Leons Magen um. Natürlich wusste Tobi wer Takeda meinte. Diese ganze Gelaber konnte er sich doch schenken. Aber im selben Moment fiel ihm wieder ein, dass er dem Goldäugigen versprochen hatte, ihm in dieser Sache zu helfen. Genervt biss sich der Student auf die Lippen und verfolgte das weitere Geschehen. „Jedenfalls haben wir danach herausgefunden, dass wohl jeder Übergriff von derselben Person unternommen wurde. Bis vor kurzem war nicht viel von ihm bekannt. Nur das er einen langen Mantel hatte und das Gesicht verdeckt hielt. Doch hat sich eine der Opfer an die Duelldisk erinnert. Es war eine besondere Duelldisk. Sie besaß ein Flammenmuster.“, nachdenkend legte der Rektor sein Kinn auf die zusammengefalteten Hände, bevor er weiter sprach. „Da es nur eine Duelldisk in dieser Art auf dem Campus gibt, war eigentlich die Vermutung nahe, wer der Übeltäter ist. Doch stimmte die Farbe nicht. Sie sollte ein blaues Flammenmuster besitzen. Trotzdem haben wir die verdächtige Person versucht aufzusuchen. Ohne Erfolg. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich glaube sie wissen über wen ich rede Herr Schäfer. Deswegen wollte ich Sie da raus halten.“ Die Gedanken von Tobi überschlugen sich, als er die Tatsachen hörte. Jetzt gab es kein Zweifel mehr für ihn. Es musste sich einfach um Kazuo handeln. Schnell lief er am Tisch vorbei, nachdem er sich wieder umdrehte und direkt zum Schulleiter sah. Der Braunhaarige blieb am Mikrofon für die Lautsprecher stehen. „Es macht Ihnen bestimmt nichts aus, wenn ich das hier kurz benutzte.“ Bevor der Rektor auch nur Zeit für einen Einwand hatte, war der Knopf der Anlage gedrückt und der Schüler sprach deutlich ins Mikrofon: „Kazuo! Wenn du da draußen bist, dann höre mir jetzt zu. Ich weiß nicht was du vorhast, aber eins ist sicher. Du wirst so lange mit deinen Taten weitermachen, bis du mich ebenfalls überwältigt hast. Ich erwarte dich an der Stelle, an der wir das erste Mal über unsere Gefühle geredet haben. In einer halben Stunde werde ich dort sein.“ Noch einmal bedankte er sich bei dem Professor und ging schließlich wieder zur Tür. Tatsächlich entwickelte sich etwas. Man konnte gut über die Lautsprecher das Ausrufen von Kazuo mitbekommen. Jetzt war ein guter Moment zum Gehen gekommen. So empfand es Leon zumindest. „Hey Schäfer!“, rief er dem Braunhaarigen zu, als dieser wieder zu ihm trat. „Diese Sache musst du und Kazuo alleine klären. Mich geht es nichts an. Sobald ihr alles bereinigt habt, kommt einfach ins Krankenzimmer. Ich werde so lange bei André bleiben. Viel Glück!“, fuhr er fort. Am Schluss warf der Student die Duell-Ausrüstung dem Goldäugigen entgegen. Danach drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand in Richtung der Krankenstation. Tobi sah dem Blonden hinter her bis dieser nicht mehr zu sehen war. Danach ging er, mit Weste und Gürtel im Arm, wieder auf den Flur und schloss hinter sich die Tür zum Rektorat. Nun alleine auf dem Gang wischte sich der Braunhaarige kurz über seine Augen. Leise redete er mit sich selbst: „Ich habe eigentlich geschworen nie in Namen meiner Familie an etwas zu kommen. Doch ist es eigentlich auch ihre Schuld und außerdem habe ich jetzt was Wichtigeres zu tun.“ Kurz schüttelte er sich und machte sich darauf auf den Weg zu seinem Zimmer. Viel Zeit hatte er nicht mehr, um alles vorzubereiten. Nach einer kurzen Anmeldung betrat Leon das Krankenzimmer. Unverändert schlief André in seinem Bett. Der Ältere nahm sich einen Stuhl und setzte sich ans Kopfende. Der Schwarzhaarige sah so friedlich aus, dass es dem Anderen ein kleiner Trost war. Sanft strich Leon mit einer Hand über die Stirn seines kleinen Schatzes und wischte dabei vereinzelte Haarsträhnen zur Seite. Irgendwie spürte er, dass der Einhorn-Duellant wieder erwachen würde, sobald die Angelegenheit zwischen Tobi und Kazuo bereinigt war. Aber nun konnte er nur eins tun. Abwarten und hoffen, dass sein Gefühl ihn nicht täuschte. Jetzt dauerte es nur noch eine Minute bis zur ausgemachten Zeit. Tobi saß aufgeregt schon fünf Minuten auf der Bank, an der er sich zum ersten Mal getraut hatte Kazuo zu küssen. Aufgeregt rutschte er hin und her. Viele Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Es konnte alles immer noch ein Irrtum von ihm sein oder Kazuo käme einfach gar nicht. Vielleicht war die Ortsangabe zu ungenau. Frage um Frage drehte sich in seinem Kopf. Doch dann hörte er ein Rascheln in den Büschen. Sofort drehte er sich zu dem Geräusch und tatsächlich zeigte sich eine total vermummte Gestalt. Einige Momente lang herrschte Stille. Nichts als Stille. Selbst die Tiere schienen vor Angst kein Geräusch von sich zu geben. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich auf dem kleinen Fleck aus. Der Ältere spürte wie langsam eine Gänsehaut seinem Rücken bis zum Nacken hinauf kletterte. Nur mit Mühe konnte er sich dazu bringen etwas zu sagen: „Kazuo? … Bist das wirklich du?“ Keine Antwort kam. Wieder verging Zeit. Tobi fragte sich schon ob er wirklich eine Frage gestellt hatte. Schließlich erschienen zwei Hände, die langsam zur Kapuze gingen und den Kopf freilegten. Die Augen des Braunhaarigen weiteten sich. Zwar erkannte er die Person sofort, doch hatte sie sich verändert. Alles war anders. Die Haare, die Mimik, selbst die Augen hatten ihren so unvergleichlichen Glanz verloren. Leise entglitt dem Goldäugigen eine Frage, die er mehr an sich selbst richtete: „Was ist mit dir passiert?“ Völlig fassungslos konnte er nur in dieses emotionslose Gesicht starren. Zum ersten Mal öffneten sich die Lippen von Kazuo nach dieser Frage: „Ich habe mich verändert. Da ich dank dir den Sinn der Welt verstanden habe. Ich bin nur hier um auch dir den Gefallen zu tun und deine Augen zu öffnen.“ Immer noch total perplex hörte der Braunhaarige den Worten zu. „Es tut mir Leid. Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir das nicht antun. Ich dachte das wäre die einzige Möglichkeit dich zu schützen, indem ich dich von mir fern halte. Ich weiß nicht ob ich das jemals wieder gut machen kann, aber bitte glaube mir, dass es mir unheimlich leid tut.“, eine Träne lief die Wange des Duellanten herab während er sich entschuldigte. „Bitte hör auf anderen Schülern denselben Schmerz, denn ich dir angetan habe, zu zufügen.“ Nach dem letzten Wort sah der Redende direkt in die Augen seines Gegenübers und lächelte auf seine typische Weise. Nur für einen kurzen Moment war ein bekanntes Funkeln in den Augen des Rothaarigen zu sehen. Doch war es nur so kurz, dass man es leicht als Irrtum wahrnehmen konnte. Eine kalte Stimme erhob sich. Im ersten Moment musste Tobi den Ursprung ausmachen. „Wieso entschuldigst du dich? Dank dir habe ich alles verstanden. Wie die Welt sich dreht, denn Wert des Einzelnen. Genau deswegen bin ich hier. Auch du sollst das erkennen was ich schon lange eingesehen habe. Es ist Zeit für ein Duell!“ Der Ausruf schalte wie aus tausend Mündern wieder. Eine Eiseskälte breitete sich aus, aber nicht nur das. Eine Kuppel aus funkelten Nebel breitete sich über das Feld aus. Durch sie wirkte alles wie ein Traum. Die Umgebung verlor ihre Konturen und wirkte unangenehm fremd. Ein Seufzer war zu hören, als der Braunhaarige sich umdrehte und den Gürtel auf der Bank an sich nahm. Er hatte so sehr gehofft, dass er sich irrte. Doch leider war es nicht so gewesen. „Ok, dann duellieren wir uns. Ich habe sowieso nichts anderes erwartet. Ist dir eigentlich bewusst, dass du schon deinen besten Freund in die Krankenstation gebracht hast? Mal schauen ob dir dein altes Leben wirklich so egal geworden ist, wie du es behauptest.“, während der Ältere sprach hängte er den Gürtel über die Schulter, sodass sich das einzige Deck daran direkt in der Mitte seiner Brust befand. „Denn ich bin nicht der Einzige der dir helfen möchte.“ Schnell war der Verschluss zum Deck geöffnet, die Karten gemischt und in der Duelldisk versenkt. Doch danach passierte etwas was Tobi noch nie bei dem Jüngeren gesehen hatte. Die Augen fingen an rot zu leuchten und ein furchteinflößendes Lächeln entstand auf seinen Lippen. Als ob das noch nicht gereicht hätte, wurde die Stimme von Kazuo klar und durchdringend, als würde in jedem einzelnen Wort ein Eiszapfen durch die Seele des Hörenden gebohrt: „Ha, mein altes Leben? Das war nicht als eine Farce, ein Trugbild. Ich brauche so was nicht mehr. Ich sehe jetzt alles klar und du wirst es auch bald verstehen. Ich beginne!“ Nachdem jeder fünf Karten gezogen hatte war auch schon die sechste Karte von Kazuo in dessen Hand. Viel passierte daraufhin nicht. Nur eine Monsterkarte erschien verdeckt in Verteidigungsmodus. „So das war mein Zug.“ Das ließ sich Tobi nicht zweimal sagen. Auch er hatte schnell seine Karte gezogen und sah auf seine Handkarten. Lang überlegte er nicht. Sein erster Zug begann. „So als erste spiele ich „Törichtes Begräbnis“ und werfe „Vorse-Plünderer“ von meinem Deck auf den Friedhof. Da bleibt er aber nicht lange. Ich beschwöre „Exodis, der ultimative Verbotene“. Speziell mit seinen 0 ATK und 0 DEF, indem ich alle Monster aus meinem Friedhof wieder in mein Deck zurückgebe. Ich glaube er müsste dir ein wenig bekannt vorkommen. Als nächstes rufe ich „Humanoider Wolf Fallensteller“ mit seinen 1500 Angriffs- und 1500 Verteidigungspunkten. Dazu lege ich zwei Karten verdeckt. Aber wenn du glaubst, dass es das schon war, dann muss ich dich enttäuschen. Los Exodis! greif sein verdecktes Monster an. Damit das aber funktioniert, muss ich ein Monster aus meiner Hand auf den Friedhof legen. Auf wieder sehen „Batteriemann AA“.“ Sofort stürmte Exodis nach vorne und attackierte das Monster. Die Karte flippte nur und blieb da so stehen. Es war ein Monster was der Braunhaarige noch nie gesehen hatte. „Der blinde Sehende“ ohne Angriffs- oder Defensivwerte. Zum Glück war die Kampfphase von dem Goldäugigen noch nicht vorbei. „So und jetzt Fallensteller greif seinen blinden Sehenden an.“. Nach dem Befehl warf der Angreifer eine seiner Netze aus, um darauf hin den Gefangenen mit einem Meer aus Messern zu bewerfen. Danach zerplatzte das Monster und verschwand auf den Friedhof. „So damit beende ich meinen Zug.“ Gelassen zog Kazuo seine Karte, nur nebensächlich schien der Duellant mit seinem Gegenüber zu reden: „Das war schon alles? Dann solltest du aber mehr geplant haben, als meine nutzlosen alten Karten zu benutzen.“ Bevor Tobi antworten konnte, tat es ein Anderer für ihn. Die Stimme war tief, grollend und bestimmend. Nur den Ursprung konnte der Ältere nicht erkennen. Er war es nicht, dass wusste er und auch nicht sein Gegenüber. Als er dann endlich den Urheber dieser Worte erkannte weideten sich seine Pupillen. Es war Exodis, einer der Karten die er selbst spielte. Bis jetzt hatte er nur von Duellgeistern gehört. Trotzdem war es einfach atemberaubend zu sehen wie ein Hologramm anfing ein Leben zu besitzen. „Du bezeichnest mich als nutzlos!?! Die Person, die mich in einen Tresor gesperrt hat und vor dem Leben, sowie der Realität davonläuft? Ich dachte ich hätte dir mehr beigebracht, Kind. In meinen Augen bist du momentan nichts mehr als ein verängstigter Junge, der versucht Aufmerksamkeit zu bekommen. Und du denkst wirklich, dass du dazu in der Lage bist etwas als nutzlos zu bezeichnen? Ha, dass ich nicht lache. Erbärmlich! Einfach nur erbärmlich.“ Danach schien sich auch der Wolf zu melden. Die Stimme war zwar tiefer, doch strahlet sie mehr Verständnis aus, als die von Exodis. „Kazuo! Du weißt, dass wir dir nichts Böses wollen. Wir alle waren immer für dich da. Warum hast du diesmal nichts von uns hören wollen?“ Nachdem Beide zu Ende gesprochen hatten, passierte etwas was an einem Traum erinnerte. Die emotionslose Maske von Kazuo zerbrach in tausende von Teilen. In einem Augenzwinkern konnte man sämtliche Emotionen erkennen, die man sich vorstellen konnte. Angst, Trauer, Gelassenheit, Mut, bis sie irgendwann bei hemmungsloser Wut stehen blieb. Sofort fing er an zu schreien: „Was versteht ihr denn überhaupt!? Ich brauche niemanden der mich belehrt! Warum soll ich der Einzige sein der so einen Schmerz verdient hat!? Jeder soll das erleben, was ich erlebt habe! Mit meinen eigenen Händen möchte ich ihnen die Realität dieser Welt zufügen!“ Kurz sah er auf seine Hände ein unheimlicher Glanz ging von seinen Augen aus. „Schmerz, Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit herrscht überall und nur die besten in diesen Gebieten bringen es zu etwas! Ich zeige jedem der sich mit mir anlegt diese Wahrheit und ihr seid die Nächsten! Ich spiele meine Spielfeldzauberkarte „Die zerbrochene Welt““. Eine unheimliche und kalte Welt erschien um die Duellanten. „Danach kann ich den Effekt von „Der blinde Sehende“ aktivieren. Wenn sich die Karte auf dem Friedhof befindet und ich „Die zerbrochene Welt“ spiele, kann ich dieses Monster und die zwei weiteren blinden Sehenden aus meinem Deck aus dem Spiel entfernen. So bekomme ich „Avaritia, schwarze Seele der zerbrochenen Welt“, „Gula, verzweifelte Seele der zerbrochenen Welt“, „Superbia, rastlose Seele der zerbrochenen Welt“, „Luxuria, genießende Seele der zerbrochenen Welt“, „Invidia, missgünstige Seele der zerbrochenen Welt“ und „Acedia, gemächliche Seele der zerbrochenen Welt“ aus meinem Deck auf meine Hand. Nun spiele ich meinen Ritualzauber „Ruf der schwarzen Seelen“.“ Mit einer fliesenden Bewegung landeten alle gerade gezogenen Monster auf dem Friedhof. Die Wut verschwand noch immer nicht aus dem Gesicht des Jungen. Dazu kam noch ein unheimliches Lächeln. Nichts als blanker Wahnsinn war zu erkennen. „ Komm zu mir mein Helfer „Ira, zorniger König der zerbrochenen Welt“. Der Rothaarige riss nach seinem Ausruf die Duelldisk empor. Sechs unterschiedlich farbige Lichter erschienen und trafen sich genau über dem Duellanten. Doch statt weißes Licht entstand ein schwarzer Rauch. Als hätte eine Person im Schatten nur auf dieses Zeichen gewartet, erhob sich eine Gestalt im Hintergrund und schritt genau durch den dunklen Nebel. Sie war gigantisch. Eine dunkle Rüstung bedeckte den ganzen Körper. Sie schien jegliches Licht zu verschlucken. Ein langer roter Samtumhang hing ihm über die Schultern. Das Gesicht war nicht sichtbar. Nur zwei markante Punkte stachen hervor. Die unheimlich rot leuchtenden Augen und das furchteinflößende Lächeln, was die schon unglaubwürdig wirkenden weißen Reiszähne entblößte. „Wie du sehen kannst hat er bis jetzt nur 0 ANG und 0 DEF. Doch das bleibt nicht lange so. Für jedes „zerbrochene Welt“-Monster bekommt er einen Bonus von 500 ATK und DEF. Dank der Ritualkarte, die mir erlaubt so viele „zerbrochene Welt“-Monster wie ich auf der Hand habe für das Ritual zu nutzen, hat er jetzt genau 3000 Angriffs- und Verteidigungspunkte. …“, da wurde der Halbspanier in seiner weiteren Ausführung unterbrochen. Ein lautes Knacksen war zu hören. Das Monster hatte seine rechte Hand an den Nacken geführt und seinen Kopf kreisen lassen. Das entstandene Geräusch schien von den Nackenwirbelknochen gekommen zu sein. „Oi, das hat aber lange gedauert. Meine ganzen Knochen fühlen sich verrostet an. Warum spielst du mich nicht öfters Kazuo?“ Nach den wenigen Worten sah das Monster wieder auf seine Beute. „Das übliche?“, fragte es mit einen unheimliches Grinsen seinen Besitzer. Die gleiche Gestik entstand auf dem Gesicht des Rothaarigen, der nickte. Dieses Lächeln hätte selbst den stärksten Mann schaudern lassen. Ira schien zu wissen, was hinter seinem Rücken passierte. Er riss die Arme angewinkelt nach oben. Legte den Kopf zurück und ließ ein lautes Lachen erschallen. Wie aus dem nichts erschienen mehrere schattenähnliche Arme aus dem Boden, die sich um beide Kreaturen auf Tobis Seite wickelten und mit sich in den Boden zogen. Darüber war der Braunhaarige nur wenig verwundert. Was ihn mehr sorgen bereite, war die Tatsache, dass Ira scheinbar auch zu den Duellgeistern gehörte. „Das war die spezielle Fähigkeit von Ira.“, begann darauf wieder der Südländer zu erklären. „Mit ihr werden alle Monster auf dem Feld aus dem Spiel entfernt, außer die, ein „zerbrochene Welt“ im Namen tragen. Leider muss ich danach meine Battle-Phase überspringen. Doch das war es wert, um so diese nervigen Gestalten los zu werden. Ich spiele noch eine Karte verdeckt und dann bist du am Zug.“ Tobi hörte zwar die Worte die zu ihm gesagt wurden, doch waren sie für ihn nichts weiter als ein leiser Wind. Was er gerade gesehen hatte konnte und wollte er nicht verstehen. Die Person, die er über alles in der Welt liebte mit seinem Wesen, seiner Art und seinem Handeln ist nur noch von Wut zerfressen und das alles wegen ihm. Langsam ließ der Goldäugige die Arme sinken. Träne nach Träne lief dem Älteren das Gesicht entlang und landete schließlich im Gras. „Das ist alles meine Schuld. Du der mich mit seinem ersten Duell auf dieser Schule schon eingefangen hattest. Der mich zu einem Ganzen gemacht und mir half mich zu erkennen. Genau dieser Person habe ich eine Wunde zugefügt, die schlimmer als jeder physische Schmerz ist. Warum habe ich das getan? Bis jetzt habe ich mir selbst einreden wollen, dass ich dich geschützt habe. Doch je länger ich dich hier sehe und deine stummen Schmerzensschreie höre, desto klarer wird mir, dass ich nur den einfacheren Weg gewählt habe. Ich hätte dir gleich alles erzählen müssen. Wie mein Stiefvater mir gedroht hat, dir das Leben auf der Akademie zur Hölle zu machen, wenn ich noch länger bei dir bleibe. Warum? Warum!? WARUM BIN ICH SO SCHWACH!?“ Tobi sprach ohne Kontrolle über sein Handeln diese Worte hörbar aus. Seine Hände gingen hoch zum Kopf und klammerten sich in sein Haar. Seine Tränen liefen als wollten sie nicht mehr aufhören. Er fiel auf die Knie. „Niemals wirst du mir verzeihen können. Ich selbst kann mir nicht mal verzeihen. Aber eins kann ich für dich tun.“ Mit zittriger Stimme hatte er weiter geredet. Die Hände zuckten als wollten sie nicht mehr richtig dem Körper gehorchen. Doch irgendwie schaffte es der Braunhaarige eine Karte zu ziehen. „Ich spiele „Topf der Gier“ und ziehe zwei neue Karten.“ Durch die Tränen konnte der Ältere kaum noch das Geschehen verfolgen. Nur mit Mühe entzifferte er die Namen der beiden Karten. „Nun spiele ich „Landformen“ um meine Spielfeldzauberkarte „See der Erinnerungen“ zu spielen.“ Die dunkle Welt verschwand und ein traumhafter See in einem Wald erschien. Die Farben schienen blasser als normal. Es wirkte alles wie eine alte Erinnerung aus der Vergangenheit. Langsam begannen große Seifenblasen aus dem See zu steigen. Jede dieser Blasen zeigte ein anderes Bild. Eine Seifenblase zeigte die Aufnahmezeremonie der Akademie und wie gerade Kazuo den finalen Zug gegen Prof. Rhodes durchführte. Eine Andere war der Sternenhimmel auf der Bank, wo sich die beiden Duellierenden zum ersten Mal geküsst hatten. Die nächste zeigte den Sonnenuntergang in der wunderschönen Bucht, in der sie und ihre Freunde wunderbare Tage verbracht hatten. Jede weitere Blase zeigte ein anderes Bild aus der Vergangenheit, doch jede umkreiste dasselbe Wesen. In Jeder seifigen Oberfläche war das Gesicht von Kazuo zu erkennen. Kaum zu hören fing wieder der Kniende an zu reden: „Diese Karte habe ich mal für die Besonderheit aufgehoben, falls wir beide in einem Duell zusammen als Team kämpfen würden. Was für eine dumme Idee. Diese Karte gibt jedem Monster auf meiner Seite einen Bonus von 800 Verteidigungspunkten. Außerdem kann sie nicht durch einen Effekt eine Falle oder eine Zauberkarte zerstört werden. Es können auch keine anderen Spielfeldzauberkarten gespielt werden, solange sie sich auf dem Spielfeld befindet. Nur wenn ihre drei Effekte aufgebraucht worden sind, wird sie am Ende meines Zuges zerstört. Jetzt setzte ich den ersten Effekt ein. Ich darf den Effekt einer beliebigen Zauberkarte aus meinem Deck nutzen, ohne dass ich die Karte spiele. Ich wähle den Effekt von „Blitzeinschlag“. Wenn ich eine Karte auf meiner Hand auf den Friedhof lege werden alle deine Monster auf den Friedhof gelegt.“ Kaum hatte Tobi den Satz zu Ende gesprochen schon erschien ein Blitzregen und Ira verschwand vom Feld. „Nun nutze ich den zweiten Effekt meiner Karte. Mit ihr darf ich „Glänzender Drache der Erinnerung“ aus meinem Deck auf das Spielfeld beschwören.“ Ein grelles Leuchten begann in der Mitte des Sees und eine kleine Kugel erschien aus dem ihm. Mit einer Explosion aus Licht wurde die Kreatur in der Kugel befreit. Es war ein kleiner Drache. Er schien noch ein Jungtier zu sein. Etwas tollpatschig tapste es zu seinem Platz. Es besaß nur 1500 ANG und 2000 DEF und strahlte ein warmes Leuchten von seinem goldsilbernen Schuppenkleid aus. Erstaunt sah Kazuo dem ganzen Geschehen zu. Seine Gesichtszüge hatten sich geglättet. Es war keine Wut mehr darin zu erkennen. Langsam schien wieder die leuchtende Farbe seiner Augen zurück zu kehren. Von dem bekam der Ältere nichts mit. Durch seine Tränen sah er alles nur wie durch einer beregneten Fensterscheibe. „Nun aktiviere ich den dritten Effekt meiner Karte. Für einen Zug verdoppeln sich die Angriffspunkte meiner Monster. So „Glänzender Drache der Erinnerung“ greif ihn direkt an.“ Der kleine Drache fing an zu laufen. Auf dem halben Weg stolperte er über seine eigenen Füße und rollte danach auf sein Ziel zu. Mit einem lauten Knall prallte er in den Rothaarigen und flog danach im hohen Bogen zurück zu seinem Beschwörer. Dort kollidierte er mit Tobi, um dann den Kopf reibend und mit Tränen in den Augen direkt vor ihm zu landen. Beide Spieler verloren 3000 Lebenspunkte. „Wenn mein Drache direkt angreift bekommen beide Spieler auf dem Feld denselben Schaden zugeschrieben. Jetzt wo alle Effekte meiner Karte aufgebraucht sind, wird sie sich beim Beenden meines Zuges selbst zerstören. Dabei wird mir ein Schaden von 1000 Lebenspunkten zugefügt.“ Die Tränen liefen immer noch. Doch zum ersten Mal, seit dem Tobi auf die Knie gesunken war, sah er auf. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Dasselbe warme Lächeln, wozu er nur vor seinem geliebten Kazuo imstande war. „Ich danke dir, dass du dich mit mir abgegeben hast. Es tut mir Leid, dass ich so ein Idiot war und dir nicht gleich die Wahrheit erzählt habe. Auf Wiedersehen Kazuo. Ich beende meinen Zug.“ Das Spielfeld veränderte sich wieder. Der Wald verwelkte und ließ nur noch Gerippe zurück. Die Blasen mit den Erinnerungen zerplatzten und das Wasser wurde trüb. Eine dunkle Aura stieg auf und saugte der Rest des Bildes in sich auf, bis nicht mehr davon übrig war. Wie ein Pfeil schoss sie danach auf den Knienden. Wie in Zeitlupe sah der Rothaarige was passierte. Eine Träne lief von seinem Auge die Wange hinab. Mit aller Kraft begann er zu brüllen: „Nein!!“ Schnell aktivierte er seine verdeckte Karte. Nur nebenbei bekam Tobi alles mit. Die Aura erreichte seine Brust und fuhr durch sie hindurch. Ein stechender Schmerz durchzog seinen Körper bevor er ohnmächtig zu Boden fiel. Im Krankenzimmer schreckte Leon hoch. Er war an der Bettkante eingeschlafen. Ihm war so, als hätte ihn jemand gerufen. Gähnend rieb er sich die Augen. „Na gut geschlafen, mein Großer?“, erklang eine menschliche Stimme. Erschrocken sah der Blondhaarige in die Richtung, aus der die Stimme kam. Seine Augen weideten sich. Mit einem Lächeln auf den Lippen betrachtete der im Bett liegende André seinen Besucher. „André? Bist, … bist du es wirklich?“, stotterte der Ältere. Vorsichtig tasteten seine Finger das Gesicht des Kleineren ab. War das alles nur ein Traum? Ohne große Worte erhob der grauäugige Duellant seine eigene Hand und umschloss die des Anderen. Die rührende Mimik, die ans Herz ging, riss nicht ab. Dem Studenten stiegen die Tränen in die Augen. „André. Mein André … Endlich bist du wieder wach. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“ Er führte die Hand des Jüngeren zu sich und küsste sie. Mit der anderen Hand, die Leon nicht umschloss, näherte sich der Schwarzhaarige der Wange des weinenden Mannes. An ihr lief das Tränenwasser wie in kleinen Bächen herab. Sanft wischte André einen Flusslauf nach dem anderen weg. Dann sahen sich beide Männer erneut in die Augen. „Mir geht es gut. Mach dir keine Sorgen. Der Albtraum ist vorbei.“, beruhigte André Leon. Seine Stimme war jedoch nicht so kraftvoll wie sonst. Der Student fing sich jedoch wieder und nickte. Seine ganze Anspannung und Angst um den Geliebten löste sich von ihm. Er war einfach nur noch glücklich. Bevor er allerdings André die bisherigen Ereignisse schildern konnte, kam aus dem Nachbarraum lautes Gepolter. Viele Stimmen, auch die von Stationsarzt Makoto sprachen wild durcheinander. Schnell drehte sich Leon zu dem Liegenden um. „Warte hier. Ich schaue mal nach, was da vor sich geht.“ Nickend antworte der Angesprochene wortlos. Mit einem Kuss auf die Stirn verabschiede sich Leon kurzfristig von ihm und verschwand aus dem Raum. Stöhnend öffnete Tobi seine Augen. Im ersten Moment kam ihm alles fremd vor. Ein unangenehmer Geruch von Medikamenten kam ihn an die Nase. Während ein steriles weiß sein Blickfeld bestimmte. Wie abgeschossen kamen Erinnerungen über die letzten Ereignisse in sein Gedächtnis. Sofort saß der Braunhaarige senkrecht im Bett. Nun wusste er, wo er sich befand. Er war auf der Krankenstation. Um sein Bett war ein weißer Vorhang gezogen. Betrübt sah er auf das Bettlagen. Seine Schuldgefühle hatten ihn wieder eingeholt. Nur ein, zwei Gedanken gingen ihm durch den Kopf: „Warum war ich bloß so dumm? Ich konnte nichts machen.“ Doch lange konnte er sich damit nicht befassen. Im nächsten Moment war schon der Vorhang zurückgezogen worden und Leon stand vor ihm. Mit seinem typisch strengen Gesichtsausdruck sah er zum Sitzenden, bevor er seinen Mund öffnete: „Wie es aussieht, hat deine Idee funktioniert.“ Im ersten Moment verstand der Goldäugige nicht was der Blonde damit meinte. Doch da erschien jemand neben dem Studenten, den Tobi am wenigsten erwartete. Es war Kazuo. Sein Haar leuchtete wieder feurig. Seine smaragdgrünen Augen funkelten. Wieder überkamen den Braunhaarigen die Emotionen. Träne nach Träne lief ihm über das Gesicht. Mit den Händen und mit den Armen versuchte er sie weg zu wischen, doch es half nicht. Er wusste nicht einmal warum er wieder weinte. Ob es die Freude oder immer noch die Schuldgefühle waren. Seine Angst vor weiteren Beschuldigungen ließ ihn nicht mehr Aufsehen. Doch dann spürte er etwas um seine Schultern und auf seinem Kopf. Er wurde umarmt. Dieses angenehme Gefühl von Wärme ließen langsam seine Tränen versieben. Ein Flüstern drang an sein Ohr: „Es tut mir leid.“ Diese Worte kamen von dem Jüngeren, seiner einzigen Liebe. Nun konnte Tobi nicht mehr ruhig sein: „Es hat dir nicht Leid zu tun. Ich bin der der etwas falsch gemacht hat. Mir tut es leid.“, er befreite sich ein wenig von der Umarmung und sah nun in die grünen Augen die er so liebte. „Ich hätte gleich alles erzählen müssen und werde es jetzt auch nachholen. Am besten auch vor unseren Freunden.“ In diesem Moment viel dem Braunhaarigen etwas ein, woran er schon viel früher hätte denken müssen. Sofort sprudelte die Frage aus ihm heraus: „Wie geht es André?“ Mit verschränkten Armen grinste Leon den Fragenden an. „Also die Frage kommt aber wirklich früh von dir! … Dem Zwerg geht es gut. André liegt im Nachbarraum. Er ist noch bisschen schwach auf den Beinen. Aber sonst putzmunter.“, erwiderte er schließlich. Der Student lehnte sich an die Wand, die sich gegenüber von Tobis Bett entlang zog. Gespannt wartete er auf die Erklärung, weshalb das Ganze so gekommen war. Erleichtert rutschte Tobi etwas auf seinem Bett zurück, bis er sich gemütlich an die Wand hinter ihn lehnen konnte. Der Vorhang war jetzt voll zurückgezogen und ließ auch den Blick auf das große Fenster zu, was weit geöffnet war. Doch bevor der Braunhaarige anfing zu sprechen, öffnete sich die Tür. Verwundert sahen alle zu der Person, die eintrat. Es war André. „Hey! Was machst du hier? Sollst du nicht lieber im Bett liegen?“, fragte Leon den Eintretenden. Die Sorgen in seiner Stimme konnte man klar heraushören. Ohne darauf zu reagieren kam der Schwarzhaarige auf ihn zu und legte ihm einen Finger auf die Lippen. Perplex schaute ihn der Ältere an. „Nenn mich noch mal Zwerg und du hast mich die längste Zeit gesehen!“, gab André mit überspielter, angesäuerter Stimme von sich. Ein ernster Blick unterstrich die Ansage. Peinlich ertappt verzog der Student sein Gesicht. Da die Fingerkuppe immer noch seine Lippen zusammenhielt, kamen die Worte nur undeutlich heraus. „O…K! T…ut… mi…r… L…e…id. Kom…mt … ni…ch…t …me…hr …v…or!“ Für einen kurzen Moment funkelten die nebelgrauen Augen vor scheinbarer Wut. Doch dann fing André an zu kichern, bis er schließlich laut loslachte. Jetzt verstand der Ältere nichts mehr. Fragend sah er in die Runde. Das Lachen legte sich wieder und blitzschnell schmiegten sich die Lippen des Halbfranzosen auf die des Größeren. Der Kuss hielt nur kurz an. „Du Dummerchen. Meinst du wirklich, dass ich dich loswerden will?“, neckte der Einhorn-Duellant den Deutschen. Dessen Reaktionen blieben aus, da der Stimmungswechsel zu schnell und plötzlich kam. Bevor Leon noch was sagen konnte, setzte sich André an die freie Kante von Tobis Bett. „Aber nun ist hoffentlich klar, wer in dieser Beziehung die Hosen an hat.“, stichelte der 19 Jährige gegen seinen Partner. Endlich erwachte Leon aus seiner Benommenheit. „Was soll das jetzt? Ich mach mir Sorgen um deine Gesundheit und du machst dich lustig über mich. Außerdem, ich bin der Ältere. Also hab ich auch das Wort!“, erwiderte der Student. „Klar! Und ich bin dein Sklave oder wie? Das kannst du dir abschminken!“ „Sagt wer?“ „Sag ich!“ Eine kleine Diskussion entbrannte zwischen den beiden Europäern, bis sie notgedrungen die Debatte abbrachen und Tobi zuhörten. Tobi konnte sich kein Lächeln verkneifen. Es war einfach schön mal wieder so was Angenehmes wie die Sticheleien von zwei Verliebten zu erleben. Das Lächeln hielt jedoch nicht lange, da er wusste was als nächstes kommen musste. Nun da alle um den Schüler versammelt waren, konnte er endlich die Geschichte erzählen, die der Grund für die ganzen Vorfälle war. Kazuo saß direkt neben ihm, während Leon weiterhin an der Wand lehnte und der zweite Straßburger sich auf dem Bettenden befand. Der Schüler atmete einmal tief durch, bevor er anfing zu reden: „Damit ihr es versteht muss ich wohl etwas früher anfangen. Als ich noch ein kleiner Junge war, ist mein Vater bei einem Verkehrsumfall ums Leben gekommen. Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern. Nur eins weiß ich noch. Das war dieses warme Lächeln was er immer hatte, wenn er mit mir spielte. Das hat jetzt aber eigentlich nichts zu Sache. Jedenfalls lernte meine Mutter nach ein, zwei Jahren einen neuen Mann kennen. Vielleicht kennt ihr seinen Namen? Er heißt Johannes Leisp.“ Aufmerksam hatten die Streithähne zugehört. Bei dem Namen „Leisp“ weideten sich ihre Augen. „Leisp? Der J. Leisp?“, fragten beide Männer wie aus einem Mund. Doch dann ertappten sie sich, wie sie unhöflicher Weise Tobi unterbrochen hatten. Beschämt liefen ihre Wangen kurz rot an, bevor sie wieder den Raum in Schweigen hüllten. Nach der kleinen Störung machte der Erzähler mit seiner Geschichte weiter: „Ja, genau der. Mein Stiefvater ist der Firmenleiter von der Leisp Company. Der größten Spiel-Firma in Europa und ich bin somit der Erbe dieses Imperiums. Eigentlich habe ich kein Interesse daran, doch leider liegt das außerhalb meiner Macht.“ Tief in Gedanken sah der Sprechende auf das weiße Lacken seines Bettes. „Leider hatte er die Angewohnheit mich in allem was ich tue zu beobachten. Er fürchtet dabei um den Ruf seiner Firma und vielleicht ist es auch seine Art Liebe zu zeigen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich gedacht, dass er wenigstens hier auf der Duellakademie damit aufgehört hat. Leider war es ein Irrtum. Irgendwie hatte er von der Beziehung zwischen mir und Kazuo Wind bekommen.“, bei dem letzten Satz sah er lächelnd den Rothaarigen neben ihn an. „Anscheinend ist es eine Gefahr, wenn raus kommen würde, dass ich mit einem anderen Mann zusammen bin. Deswegen hatte er sich mit mir über das Rektorat in Verbindung gesetzt. Ihr müsst wissen, als einer der vier großen Geldgeber für diese Schule hat er auch eine hohe Macht in der Duellakademie. Jedenfalls hatte er mir damit gedroht, falls ich nicht sofort mit der Beziehung aufhöre, er alle Mittel und Wege in die Hand nehmen würde, um das Schulleben für Kazuo zu einer Hölle zu machen. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Deswegen habe ich versucht ihn zu schützen, indem ich ihn von mir fern halte.“, kurz drehte er sich wieder zu dem Geliebten und sah ihn direkt in die Augen. „Ich habe gehofft, dass wenn ich dich von mir stoße, du mich irgendwann vergessen würdest. Irgendwann jemanden findest, der dich glücklich macht und dabei von meinen Problemen geschützt wärst. Doch ich war ein Idiot. Ich hätte gleich alles erzählen müssen, damit wir eine Lösung für das Problem finden können. Ich hoffe ihr verzeiht mir noch mal für meinen Fehler.“ Beschämt ließ er wieder den Kopf hängen. Mit aller Kraft versuchte er nicht erneut los zu weinen. Es half nur wenig, eine Träne hatte ihren Weg über die Wange gefunden und versickerte schließlich im Bettlacken. Grübelnd lehnte sich André zurück, so dass er neben Tobi lag. „Was ist mit dir?“, harkte Leon nach. Während der Schwarzhaarige ihm antwortete, blieb die Tonlage seiner Stimme sehr ernst. „Weißt du Leon, ich habe gerade über die ganze Situation nachgedacht. Ich kann es absolut nicht ab, wenn ein Freund in Schwierigkeiten steckt. Was meinst du dazu?“ Er reichte das Wort an den Eisblauäugigen weiter. Dieser schloss die Augen und dachte auch einen Moment lang nach. Er verstand die Absicht, die in der Frage des Jüngeren steckte. „Dir ist aber klar, dass wir uns dann auf gefährliches Territorium begeben. Niemand kann sagen, ob unser zutun Konsequenzen haben wird. Aber wenn du schon so fragst. Auf mich kannst du zählen. Einer muss dich ja beschützen.“, erwiderte er schließlich. Zufrieden setzte sich der Grauäugige auf. „Danke mein Großer. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“ André drehte sich zu dem anderen Pärchen um. „Also ihr Zwei. Hiermit ist beschlossen, dass Leon und ich euch bei euren Kampf um diese Beziehung helfen werden. Ein Nein akzeptieren wir nicht!“, sprach er sie an. Ein Nicken von dem Sportass untermauerte den Entschluss. Tobi schaffte es nicht viel herauszubringen: „Ich danke euch.“, waren die einzigen Worte die er hervorbrachte. Danach sah er zu der Person, der er am meisten Leid deswegen zugefügt hatte. „Ich weiß nicht was ich dir sagen kann, damit ich all das was ich dir angetan habe gerecht werde. Mir tut es unglaublich Leid. Nur weil ich solche Angst hatte musstest du leiden.“ Traurig sah der Goldäugige wieder auf das Bettlagen. Kurz darauf spürte er zwei warme Hände an seinem Kinn, die sachte das Gesicht von ihm anhoben. Nun konnte er nicht anders als Kazuo direkt in die Augen zu sehen. Daraufhin gab der Schüler auch gleich eine leise Antwort zurück: „Du brauchst dich nicht so schlecht zu fühlen. Ich weiß nicht was ich in deiner Situation getan hätte. Vielleicht hätte ich mich sogar für denselben Weg entschieden. Also hör auf dich selbst wegen dieser Entscheidung zu quälen.“ Bevor der Angesprochene selbst antworten konnte, hatte sich Kazuo schon nach vorne gebeugt und seine Lippen mit denen von Tobi vereint. Der Kuss dauerte nicht lange jedoch war es mehr als der Braunhaarige je erwartete. „Danke.“, mehr konnte er jetzt nicht sagen. Alle vier Freunde sahen sich einen kurzen Moment an, bis Leon eine Frage in die Runde stellte, die allen wahrscheinlich auf der Zunge lag: „Wie stellen wir das jetzt geschickt an, so dass Tobis Stiefvater nicht einfach seine hohe Position gegen uns ausspielt?“ Wieder vergingen die Minuten. Jeder überlegte für sich alleine. Da fiel Kazuo eine Lösung ein, die er gleich weiter geben wollte. Gerade öffnete er den Mund, da geschah etwas Unerwartetes. Ein ohrenbetäubendes Geräusch drang an die Hörorgane der Gruppe. Dazu peitschte der Wind durch das offene Zimmerfenster, was schon einzelne Behälter zu Boden warf und die Vorhänge wie wild flattern ließ. Alle sahen zum Fenster und staunten nicht schlecht als ein Helikopter davor auftauchte. Mit Schwung öffnete sich die Seitentür und ein Mann zeigte sich. Er trug einen teuer wirkenden Anzug. Mit seinem kurzen, braunen Haar und einem Vollbart, der schon einzelne weiße Strähnen aufwies, wirkte er sehr seriös und erwachsen. Der Blick wirkte streng. Keiner hätte auch nur gewagt etwas gegen diese Person zu sagen. Kurz drehte sich der Mann um und holte eine riesige Waffe hervor. Alle waren wie versteinert, als der megagroße Lauf, der an einen Raketenwerfer erinnerte, auf die Gruppe zielte. Mit Schock konnten sie nur verfolgen wie die Waffe betätigt wurde. Doch der Knall und die Explosion blieben aus. Stattdessen segelte ein gewaltiger, an einen Tennisball erinnernder Filzball ins Krankenzimmer. Anscheinend stolz auf seine Tat, ließ der Mann im Hubschrauber die Waffe sinken, was ihm gleich den Halt an dem Gerät nahm und sie ungebremst aus dem Hubschrauber zu Erde fallen ließ. Als wäre nichts gewesen räusperte sich der Mann und begann zu reden. Was bei dem unglaublichen Krach, den der Helikopter verursachte, niemand auch nur ansatzweise verstand. Als der Redende das bemerkte, formte er seine Hände zu einem Trichter, was auch kein wenig half. Als letzte Maßnahme lehnte er sich am Schluss noch nach vorne, um sich aus dem lauten Lärmzentrum zu entfernen. Aber das Einzige, was er mit dieser Tat bezweckte, war den Halt zu verlieren und vorn über aus dem Hubschrauber zu fallen. Vor Panik und Schock rannten die Freunde ans Fenster. Doch dank einer Sicherheitsleine pendelte der Mann wie ein nasser Lappen in der Luft. Ohne ein weiteres Zutun stieg der Helikopter wieder auf und nahm den Schwebenden wie ein Fisch an der Angelschnur mit sich mit. Verwundert sahen sich die Paare gegenseitig an. Niemand wusste genau, was dieses Schauspiel gerade zu bedeuten hatte. Da griff sich Tobi ins Gesicht. „Mein Stiefvater hat sich kein wenig verändert. Tollpatschig und naiv wie eh und je.“, klärte der Braunhaarige kopfschüttelnd den Rest auf, während er sich um den großen Tennisball kümmerte. André und Leon sahen sich an und die perplexe Verwunderung stand den beiden ins Gesicht geschrieben. „War das jetzt ein Scherz?“, war ihr gemeinsamer Gedanke dazu. Zielsicher fand Tobi die versteckte Öffnung des Objektes und holte einen sauber gefalteten Zettel hervor. Schnell flog er mit den Augen über das geschriebene. Als er das letzte Wort gelesen hatte, blieb er nur noch mitten im Raum stehen. Sämtliche Farbe verschwand aus seinem Gesicht. Besorgt kam Kazuo an seine Seite. „Was ist denn?“ Mit zittrigen Händen übergab der Angesprochene den Brief: „Les.“ Verwundert über diese Reaktion fing der Rothaarige an die Worte laut vor zu lesen: „Geliebter Sohn, du hast dich meiner Anweisung widersetzt. Deswegen habe ich beschlossen dir eine Aufgabe zu stellen, der du nicht entgehen kannst. In den nächsten Tagen wird ein Turnier im Spiel Duell-Monster stattfinden, was von den vier Geldgebern der Duellakademie, wozu unser Unternehmen auch dazugehört, ausgerichtet wird. Näheres wirst du noch von deinem Schulleiter erfahren. Die Aufgabe an dich wird dabei sein, mindestens ins Finale des Turniers zu gelangen. Wenn du das nicht schaffst beweist du mir nur, dass du nicht genug Fähigkeiten besitzt auf dieses Schule zu bleiben. Du wirst ohne wenn und aber zurück nach Hause kommen, wo ein persönlicher Lehrer auf dich wartet. Als Erbe unseres Familienbetriebes musst du alles Wichtige, was es braucht eine Firma zu leiten, beherrschen. Liebe Grüße auch von deiner Mutter, der du große Sorgen bereitest. Man sieht sich in den nächsten Tagen. Gezeichnet Johannes Leisp.“ Nun stand Kazuo mit offenem Mund und genau so perplex wie Tobi zuvor da und starrte auf den Brief. Während André und Leon wie aus einem Mund schrien: „Ist dein Stiefvater verrückt!?!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)