Twisted Dead von Zeilengestöber ================================================================================ Kapitel 1 --------- Finn schaute aus dem Fenster und beobachtete die Straße. Da draußen passierte nichts mehr. Ab und an lief mal ein Tier vorbei, aber das war auch alles. Er langweilte sich schrecklich. Aber seit dem Ausbruch des Virus hatte es weniger und weniger Leute hier in der Gegend gegeben. Inzwischen war er schon soweit, dass er anfing jedes Haus ihrer Nachbarn genaustens zu beobachten, um zu sehen, ob es dort doch noch irgendwelche Lebenzeichen gab. Einige waren geflüchtet, andere waren dem Virus zum Opfer gefallen und wieder andere waren den Opfern des Virus zum Opfer gefallen. Zuerst hatte es noch Nachrichten gegeben. Fernsehen, Radio... Horrormeldungen, die doch nichts geändert hatten. Inzwischen gab es keine regulären Sendungen mehr. Nicht einmal Strom, es sei denn man besaß einen Generator und entsprechende Kraftstoffvorräte. Dort unten auf der Straße lagen seit Tagen die Überreste des Nachbarn aus dem Haus direkt gegenüber. Den Namen wusste er gar nicht mehr. Irgendetwas mit W. Wilson, Wilbert... War auch egal, denn dieser Mann würde sich nicht mehr über einen falschen Namen beschweren können. Er würde keiner von denen werden, die wieder aufstanden und hungrig durch die Gegend zogen. Dazu hatten seine Angreifer sich zu gut an ihm sattgegessen. Da war kaum noch was da, außer Knochen und ein paar Fetzen Fleisch und Haut. Der Engländer seufzte. Sie würden auch von hier verschwinden müssen. Es hatte keinen Sinn noch zu bleiben und inzwischen ging es seinem angeknacksten Fuß auch wieder besser. War nur die Frage, wohin sie sollten. „Hey Dan, hast du endlich einen dieser Notsender gefunden?“ Angeblich wurden darüber Überlebende zu Sammelstellen geführt. Es wäre also nur logisch dort auch hinzugehen. Der Angesproche durchsuchte soeben zwei Zimmer weiter eine kleine Kammer. Der letzte Raum, den er noch nicht in Augenschein genommen hatte. Seiner Erfahrung nach würde er ohnehin den Sender dort nicht finden. Wer war auch schon so dumm und verramschte das Einzige, was einen retten konnte, in die letzte staubige Ecke des Hauses? "Sieht schlecht aus", gab er darum laut genug zurück, dass es Finn hören würde. Jedoch blitzte zwischen all den Boxen, Schachteln und Plastikbehältern etwas auf, dass Daniel ein überbreites Grinsen ins Gesicht zauberte. Solche kleinen Schätze fand man tatsächlich nur noch selten, wobei er sich fragen musste, wie man dieses sagenhafte Fundstück hier nur hatte vergessen können?! Aber gut, er würde sicher auch eher den Notsender ergreifen, wenn die Zeit drängte. Und das konnte sie, besonders, wenn gleich eine Hand voll der Infizierten an deine Haustür klopften. Mit der Tüte in der Hand schloss er die halb aus den Angeln gefallene Tür zur Kammer. Eine zeitweise nervige Angewohntheit von ihm, jedoch sorgte sie für einen Überblick in den Häusern und würde im besten Fall ein verräterisches Knarren abliefern ... Dan bog um die Ecke und hielt Finlay seine neuste Errungenschaft entgegen. "Es ist kein Notsender, doch dafür war es der kleine Abstecher hier her wert!", erklärte er gut gelaunt und hielt die geöffnete lila Chipstüte seinem Freund entgegen. Der Geruch ließ alter Erinnerungen wach werden. Es waren Kettle Chips. Die mit dem 'Flamed Steak' Geschmack. "Sind auch nur seit einem Jahr abgelaufen." Bei dem Anblick der Tüte strahlte Finn. Die hatten sie seit Ewigkeiten nicht mehr. „Hast du die gerade aufgemacht oder waren sie das bereits?“ Dan deutete nur ein Kopfschütteln an. Nein, offen war die Packung nicht gewesen, nur hatte er es sich nicht nehmen lassen wollen das knisternde Papier selbst aufzureißen. Sein Blick ruckte dabei ungeduldig zwischen Finn und der Tüte hin und her, der an der Packung schnüffelte und entschied, dass sie noch verdammt gut dufteten, egal wie lange sie da schon lagen und das Haltbarkeitsdatum rum war. Darum griff er auch zu und nahm eine Handvoll, die er sich anschließend, eine Kartoffelscheibe nach der anderen, in den Mund stopfte. Zwar würden die Chips nicht wirklich etwas gegen aufkommenden Hunger tun, aber sie waren eine willkommene Abwechslung und erinnerten an die Zeit vor dieser Viruskatastrophe, als alles noch normal war. Einfacher als jetzt und weniger lebensbedrohlich. Lange konnten sie allerdings nicht in den Erinnerungen schwelgen. Dazu hatten sie gar keine Zeit. „Aber ohne den doofen Sender kommen wir nicht weiter...“ Und das hieß weiter suchen und entweder doch noch irgendwo einen finden, klauen oder einfach aus Zufall fündig werden. Finn wusste nicht so genau, was ihm lieber wäre oder wo sie überhaupt weitersuchen sollten. Dan lief bereits das Wasser im Mund zusammen, als er selbst zwei Chips zwischen den Fingern hatte, die noch in der gleichen Sekunde im Mund verschwanden. Wie auf Komando sackten seine Schultern herab, als der rauchige Grillgeschmack seiner Zunge schmeichelte. Schnell hatte er auch zwei weitere Scheiben hinterher geschoben. Meine Fresse, die Dinger schmeckten ja noch besser, als er in Erinnung hatte! Anders als Finn, dem er die Tüte erneut hin hielt, obwohl er seinen Kopf gut und gerne in der Tüte versenkt hätte, hätte er nichts dagegen, diesem Snak noch etwas länger zu frönen. Dennoch brachte er ein halb verständliches "Ich weiß" zustande und fühlte sich etwas unliebsam in ihre deprimierende Realität zurück versetzt. Recht hatte sein Kupel leider. Ohne einen Sender sah es düster für sie aus und hier noch irgendwo ausreichend genug Nahrung zu finden, kam einer Sucher nach der leidigen Nadel im Heuhaufen gleich. Selbst ratlos über ihre Situation, zuckte Daniel mit den Schultern. "Vielleicht sollten wir einfach in die nächste Ortschaft? Hier haben wir ja eigentlich alles zur Genüge abgegrast." Sich noch ein Kartoffelchip schnappend ließ er seinen Blick zum Fenster wandern, das einen recht tristen Ausblick für sie offenbarte. "Wie wäre es mit London?", schlug er dann vor. So hatten die Überlebenden immer die seltsame Angewohnheit in Großstädte zu flüchten, selbst wenn dort Seuchen und Epedimien am schnellsten übergriffen und dort meist die größten Infektionsherde brannten. Doch die Masse an Waren und Lebensmitteln, die die Zeit in den Lagerhallen überdauern konnten, schien immer wieder Anreiz genug zu sein. Finn nahm sich noch eine Handvoll Chips und versuchte sie dieses Mal etwas langsamer zu essen. Ein wenig mehr zu genießen und dabei noch nicht wieder zu sehr an das zu denken, was sie tun sollten. Tun müssten, wenn sie weiter überleben wollten. „Egal für was für einen Ort wir uns entscheiden, wir sollten schauen, ob einer dieser Wagen da noch genug Sprit hat.“ Die ganzen Kilometer zu Fuß zu laufen, ging ihm langsam auf die Nerven und es sah so aus, als wollte es irgendwann im Laufe des Tages doch wieder anfangen zu regnen. Nicht gut! Das schlug gleich noch mehr auf seine Stimmung und die war so oder so nicht besonders gut. Zweifelnd schielte Daniel zu den drei Autoresten, die in Hausnähe standen. Dass eines davon wirklich ansprang, würde an ein Wunder grenzen. Nicht nur, dass sie Benzin bräuchten, auch hegte er Zweifel, dass unter den Motorhauben noch alles vorhanden war, um die Teile zum Laufen zu bekommen. Dennoch nickte er. Schließlich hatte er auf den Weg hier her ein paar Garagen gesehen, hinter deren Tore tatsächlich noch ein funktionierendes Fahrzeug stehen konnte. Und wenn es Fahrräder wären... Der Gedanke ließ Dan innerlich auflachen. Hätte ihm jemand das vor ein paar Monaten erzählt, dass Finn und er durch so gut wie menschenleere Städte radeln würden. Sowas glaubt doch keiner. Aber gerade diese groteske Vorstellung ließ ihn regelrecht hoffen, dass irgendwo noch ein paar Bikes standen! „Aber ich denke London klingt am besten. Da gibt es sicher noch genug Lebensmittel und entsprechend viele Leute, die uns weiterhelfen können“, meinte Finlay dann. Vielleicht würden sie irgendwo sogar mal ein paar Informationen bekommen. Den aktuellsten Stand zwischen Menschen und Infizierten hinkten sie nun seit zwei Monaten hinterher. Gab es noch Hoffnung oder könnten sie sich genauso gut einfach irgendwo auf eine Wiese legen und abwarten? Letzteres war vermutlich gar nicht möglich... Na... die ganzen Gedanken waren ihm zu düster. „Weißt du was?“, fragte er seinen alten Schulfreund. „Wir sollten was machen, was Spaß macht!“ Finn steckte sich sämtliche Chips, die er noch in der Hand gehabt hatte in den Mund und kaute bevor er weiter sprach. „Passend zu den Chips einfach ein wenig … Normalität.“ Daniels stilles vor sich hin Lächeln - natürlich nicht ohne noch ein paar Chipskrümel zu essen - artete in ein Grinsen aus, das fast von einem Ohr bis zum anderen reichte, als er den Vorschlag hörte. Daniel war für jeden Spaß zu haben, besonders für die, die sein Gegenüber früher immer vorgeschlagen hatte. Nicht dass er zu der Sorte eines dummen Mitläufers zählte, der ohne nachzufragen blindlings von jeder Brücke sprang. Das nicht. Dafür hatte sich damals schnell rausgestellt, als sie sich im letzten Jahr der High School kennen lernten, dass sich ihre Gedanken und Ideen oftmals überschnitten. Sie ergänzten sich ... manchmal auf eine recht fatale Weise, wie einmal sein gebrochenes Schlüssbein meinte. "Ich bin dabei", gab er dann zurück, schüttete sich die letzten Brösel direkt in den Mund und warf die zusammengeknüllte Tüte hinter das Sofa. "Und ich glaube, ich weiß auch schon was." Mit einem Fingerzeig forderte er Finn auf hier zu warten und verschwand kurzerhand ins obere Stockwerk. Finn schaute seinem Freund verwundert hinterher und lauschte jedem Geräusch, das von oben kam, während Dan nicht in seinem Sichtfeld war. Insbesonder dem dumpfen Rumpeln, gefolgt von einem lauteren, als irgendwas schweres zu Boden ging. Zwar hatte der alles hier drin bereits abgesucht, aber vielleicht gab es doch irgendwo eine unliebsame Überraschung. Wäre nicht das erste Mal. Eigentlich passierte es sogar öfter als es gesund war. Darum hatte er auch die Verletzung am Fuß. Wobei das etwas war, woran er nicht gerne zurück dachte. Hätte er sich nach dem Umknicken auf der Treppe nicht wieder fangen können, wäre er sicherlich ein köstlicher kleiner Snack geworden. Gruselige Vorstellung! Im nächsten Moment wurden Dans schnelle Schritte wieder lauter, als sein Kumpel gerade rechtzeitig wieder kam, die letzten vier Stufen mit einem Sprung nahm und Finn aus der Bewegung heraus etwas armlanges zuwarf. "Wenn das nicht nach Normalität schreit, dann weiß ich auch nicht!" Überrascht über Daniels Fund fing Finlay das Board auf und grinste bei dessen Anblick. Oh, das würde wirklich Spaß machen. Es würde sicher auch unangenehm weh tun, je nachdem wie er aufkam, aber das war unwichtig. Der Spaß ging vor. „Wie geil ist das denn?“ Finn stand auf und warf noch einen Blick aus dem Fenster. Noch immer war nichts dort draußen zu sehen, also könnten sie es riskieren. „Das Beste ist ja eigentlich, dass wir jetzt nicht einmal auf den Verkehr achten müssen“, erklärte er Dan beim Anblick der leeren Straße. "Allerdings!", pflichtete Daniel sofort bei. Irgendwo gab es halt doch immer was Positives. Auch wenn man manchmal danach suchen musste. Der Engländer grinste noch einmal seinen Freund an und ging dann auch direkt hinaus. Würde schon alles gut gehen. Sie hatten schon viel Mist gemacht. Auch einige Dinge, von denen sich erst im Nachhinein herausstelle, das sie vollkommen Hirnlos waren, aber der Spaß den es gebracht hatte, war schon immer wichtiger gewesen. Da änderten auch diese Zeiten nichts dran. Dan folgte mit hinter dem Kopf verschränkten Armen. Zwar hatten sie nur ein Skateboard, doch daran würde der Spaß nicht scheitern. Zumal er sich selbst auf zwei Rädern mit einer Gangschaltung dazwischen tatsächlich wohler fühlte - und das einer von ihnen alles andere im Auge behalten musste, spielte sicherlich auch eine Rolle. Ohne wirklich darüber nachzudenken, schwenkte Dan's Blick einmal durch ihre Umgebung, als sie in das matte Licht des Nachmittags traten. Der ergraute Himmel, der in letzter Zeit nur noch selten aufzog, kündigte dabei unlängst neuen Regen an. Weit und breit war niemand zu sehen. Das war gut. Wenn es nach ihm ginge, könnte das die nächsten Stunden so bleiben. Ob er wollte oder nicht, hafteten sich seine Augen kurz an die menschlichen Überreste, die nicht weit entfernt auf der Straße lagen und nur noch vor sich hin gammelten. Sein Magen krampfte ... Bestimmt zwang er seine Aufmerksamkeit auf Finns Rücken. "Ich glaube, wenn wir noch zwei Straßen weiter gehen, kommen wir zu einem kleinen Park." Und die galten meist eh als Skaterparadiese. Asphaltwege, Treppen mit einfachen Geländern und mit etwas Glück sogar eine Halfdpipe ... Finn meinte auch einen Park in Erinnerung zu haben. Wenn auch nur von einem Straßenschild, das sehr schräg zwischen zwei Autowracks herausgeragt hatte. „Wollen wir auf dem Weg zum Park schauen, ob hier irgendetwas fahrtüchtig ist? Egal ob Auto oder irgendetwas anderes.“ Er würde mit vielen Dingen fahren, solange es einfacher war als zu Fuß zu marschieren. Das ermüdete schon allein durch seine Eintönigkeit so schrecklich schnell. Als er seinen Blick jedoch schwenken ließ, sahen die meisten Autos wenig gut aus. Bei den meisten waren die Tankdeckel aufgebrochen, oder die Motorhauben gaben Einblick auf das technische Innenleben, das nicht mehr sehr funktionstüchtig aussah. „Wobei ich schon fast dafür bin, dass wir uns gleich erst den ernüchternden Tatsachen stellen...“ Und das waren sie alle Male, befand Daniel. Bei näherer Betrachtung waren sie meist eh nur dazu gut, um Rost anzusammeln. Die Arme wieder herunter nehmend, beschleunigte er seinen Schritt, als Finn das Skateboard auf den Straßenbelag ließ, darauf stieg und so die Straße entlang rollte. Erschreckend, wie schnell man sich an den Anblick einer solchen Straße gewöhnt hatte. Wirklich schnell war Finn nicht unterwegs, da er sich weiter umsah und sein Freund sich nur darum bemühte, den Abstand zwischen ihnen nicht zu groß werden zu lassen. Denn zu große Entfernungen oder gar getrennte Wege konnten zu einer heiklen Angelegenheit werden. "Wir finden schon noch was", erwiderte Dan beiläufig und sah Finn dabei zu, wie dieser beneidenswert lässig auf dem Brett die Straße hinunter rollte. Denn jetzt stand erstmal etwas anderes auf dem Plan! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)