to the world's end. von Dahlie (Dominique Weasley & Fred Weasley II) ================================================================================ Kapitel 1: Irgendwo dazwischen. ------------------------------- . »Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid.« - Artur Weasley . Ein tiefer Seufzer ertönte. Mit müden Schritten trat jemand in die schmale Diele und zog sich eine dicke Wollmütze vom Kopf. Sie entblößte rotbraunes Haar. Mit geübten Fingern lockerte der junge Mann den Knoten seines überlangen Schals. „Dominique, was gibt es so Wichtiges, dass ich direkt nach der Arbeit zu dir kommen sollte?“ Fred Weasley runzelte die Stirn, denn es roch nach Gebäck und warmen Punsch. Die kleine Wohnung seiner Cousine war zudem kitschig weihnachtlich geschmückt. Kleine fette Weihnachtsengel sausten über seinen Kopf hinweg und er stolperte in die kleine abgenutzte Küche, wo seine Cousine summend mit ihren Zauberstab im Punsch rührte. Die übergroße Brille auf ihrer Nase rutschte immer wieder ein Stück herunter, weshalb sie diese mit den Zeigefinger gedankenverloren zurück schob. Sie trug eine Leggins und einen alten Weasley-Pullover in einem blassen rosa. Er selbst bekam seit Jahren immer einen in Matschbraun. Kurz ließ Fred den Blick in das angrenzende Wohnzimmer schweifen. Es war zugleich auch der Schlafraum, lediglich, das Bett war mit einer kleinen Leiter an der Decke zu erreichen. Die graue Couch, ein gigantischer Schreibtisch und ein Schaukelstuhl am Fenster nahmen den gesamten Raum ein. Unter dem Bett erstreckte sich eine vollgestopfte Bücherwand, prinzipiell schien Dominique für Bücher immer Platz zu finden, anders als für Pflanzen. Ganze drei Töpfe mit weißen Orchideen hatte sie bereits bei ihm abgestellt und fünf Kakteen, die sie wohl alle von Victoire bekommen hatte. Der Weasley sah, dass der wackelige Couchtisch beladen mit Süßigkeiten war. Verwirrt stellte er fest, dass sogar drei große Flaschen Butterbier drauf thronten. „Könntest du mir vielleicht endlich einmal antworten?“ Fred spürte eine leichte Müdigkeit in seinen Beinen, schließlich schob er seit drei Wochen Überstunden und freute sich darauf, wenn all die Feiertage endlich vorbei waren. Er hatte sich sogar freiwillig für den Weihnachtsdienst gemeldet. Lediglich Silvester musste er nur morgens rausrücken. Seine Arbeit als Fluchbrecher war nicht mit der eines Auroren zu vergleichen, doch trotzdem kam man laut Vorschriften nicht darum herum, dass jede Aurorentruppe mindestens einen Fluchbrecher bei einem Einsatz dabei zu haben hatte. „Schneit es immer noch draußen?“, stellte Dominique die Gegenfrage und füllte den Punsch in zwei Tassen. Fred nickte, doch dann schüttelte er den Kopf: „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Die Blondine reichte ihm eine Tasse und stieß herzlich mit ihm an. Dann tänzelte sie durch den Raum und ließ sich zufrieden auf ihrer Couch nieder. Mit der freien Hand klopfte sie auf das leere Polster und gebot ihm, sich zu setzten. Widerwillig tat Fred, was sie verlangte, noch ehe er wusste, wie ihm geschah, legte sie ihre langen Beine über seinen Schoß und betrachtete ihn zufrieden. Obwohl er sich die meiste Zeit bei Dominique immer sehr wohl gefühlt hatte, war dies eine Situation, die viel zu viel Nähe erforderte. Denn sie taten nach außen hin so, als würden sie sich gut verstehen, allerdings teilten sie hinter verschlossener Tür mehr, als nur das eine oder andere Gespräch. Seit knapp einem Jahr schliefen sie immer einmal wieder miteinander. Es war, als hätten sie einen unausgesprochenen Pakt miteinander geschlossen. Fred ließ die Nähe zu ihr zu, jedoch nur wenn sie sich zwischen den Laken befanden. Außerhalb legte er automatisch ein wenig Distanz an den Tag. Der Grund dafür berief sich nicht etwa darauf, dass er in der blonden Hexe nur ein zwischenzeitliches Vergnügen sah, sondern weil er Angst hatte, Gefühle an die Oberfläche dringen zu lassen, die man eigentlich nicht für seine eigene Cousine hegte. Die Leute hatten sich bereits einmal den Mund darüber fusselig geredet, als sie das freundschaftliche Verhältnis zwischen Molly und James als zu innig empfunden hatten. Erst als Molly mit Lorcan Scamander ausgegangen war, hatte sich der Sturm gelegt. Zudem war in einer familiären Runde schon deutlich die Ablehnung über eine eventuelle innige Verbindung zwischen Verwandten erkenntlich geworden. Und seitdem hatte Fred Angst davor, dass je jemand in seinem Umfeld bemerken würde, dass er für Dominique mehr empfand als bloße Freundschaft. In seinem siebten Schuljahr hatte ihre Art zu lachen ihn bereits gefallen und als sie Hogwarts verlassen hatte und voller stolz bei einem Sommerfest verkündete, dass sie die Universität sausen lassen würde, um eine professionelle Schriftstellerin mit Almosen zu werden, war ihm klar geworden, dass diese Hexe ihn magisch anzog. Vor einem Jahr, als sie beide auf der Verlobungsfeier seiner Schwester zu tief ins Glas geschaut hatten, waren die Hemmungen verschwunden. Es war nur eine Sache auf Zeit, irgendwann würde das zwischen ihnen enden, doch noch wollte Fred es genießen. Auch wenn es egoistisch und selbstsüchtig war. „Heute ist der 21. Dezember“, sprach Dominique mit einer dramatischen Stimme und sah ihn erwartungsfreudig an. Als er nicht reagierte, setzte sie hinzu: „Die Welt geht heute Nacht unter!“ Fred stöhnte und warf den Kopf in den Nacken. „Nein, nicht du auch noch!“, er klang erschöpft. „Mit diesen Mist nervte mich Wood schon auf der Arbeit und zwar seit Wochen!“ Statt beleidigt zu sein, prostete sie ihm mit Punsch zu und trank einen großen Schluck. „Mach dich einfach locker. Ich dachte, wenn die Welt schon unter geht, dann sollten wir die Gunst der Stunde noch einmal nutzen.“ Sie zwinkerte anzüglich und Fred wusste spontan nicht, ob dieses Zwinkern bedeutete, Sex zu haben, oder den Berg an Süßigkeiten zu verdrücken. Kurz glitt sein Blick zum alten Schaukelstuhl auf dem ein dickes Kissen lag und eine sorgfältig zusammengefaltete karierte Decke. Er hasste das Stück Holz und es war ihm immer noch ein Rätsel, warum Dominique ausgerechnet das hässliche Ding behalten hatte. Einst hatte Grandpa Weasley dort im Wieselpott am Fenster immer seine Pfeife geraucht. Doch als der alte Mann vor sieben Jahren gestorben war, hatte Fred alles gemieden, was mit seinem Grandpa zu tun hatte. Der plötzliche Tod hatte ihn kurzzeitig vollkommen aus der Spur geworfen. Die Beerdigung hatte er verpasst, weil er Wochenlang auf Achse gewesen war, unauffindbar für jeden. Sein Grandpa war für ihn Jahrelang die erste Anlaufstelle gewesen und das Verhältnis äußerst innig. Als Kind war Fred gern im Schuppen seines Opas gewesen und hatte sich von ihm alle möglichen Dinge erklären lassen. Steckdosen, Batterien und Glühbirnen hatte er deutlich interessanter gefunden als Feuerwerk und Juxartikel. Auch später war sein Grandpa für ihn da gewesen, zwar nicht immer mit brauchbaren Tipps, aber er hatte ihm Zeit gewidmet. Die gemeinsamen Teestunden waren für ihn die schönsten gewesen. Meist hatte er auf dem großen Arbeitstisch in der Garage gesessen, die Beine baumeln gelassen und seinem Grandpa dabei zugehört, wie er begeistert über Rolltreppen, Flugzeuge und Telefone gesprochen hatte. Hin und wieder hatte Fred aus der Stimme des alten Zauberers vernommen, dass dieser nicht besonders abgeneigt gewesen wäre, wenn man ihm die Chance geboten hätte als Muggel zu leben. Jetzt war er tot. Friedlich eingeschlafen in seinem Schaukelstuhl am Fenster. Bislang hatte Fred es vermieden das Grab zu besuchen und sich haltlos in die Arbeit gestürzt. Sein Gefühl sagte ihm, dass er es nicht ertragen würde, den Namen seines Grandpas in Stein gemeißelt zu sehen. Es hatte etwas von einer Endgültigkeit, die er verabscheute. „Freddy“, riss ihn Dominique aus seinen Gedanken und sah ihn mit einen schiefen Lächeln an. Ihr Haar fiel ihr offen über die Schulter, lediglich eine Klammer hielt ihr seitlich die langen Strähnen aus dem Gesicht. „Trinken!“ Sie nickte auf seinen Punsch und er hob seufzend die Tasse. Weshalb hatte er sich noch einmal überreden lassen, hier anzutanzen? Während er trank, fiel sein Blick auf den monströsen Schreibtisch, der über und über mit Büchern, Blättern und einer alten Schreibmaschine beladen war. „Bist du wieder am tippen?“, fragte er und erkannte der Wand dahinter eine große Karte mit vielen Namen, Pfeilen und Notizen. Es war typisch für Dominique, sich so einen Überblick für ihre Charaktere zu verschaffen. Mit leuchtenden Augen strahlte sie ihn an und erzählte: „Ja, ich habe vor einer Woche meiner Lektorin eine neue Idee vorgestellt und sie war begeistert. Jetzt bin ich dabei die einzelnen Fäden zu legen. Den vorläufigen Prolog habe ich schon fertig und wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle, wird mein neues Werk ein Dreiteiler.“ Fred hob die Augenbrauen. Bislang hatte Dominique zwei Bücher geschrieben, sie waren ziemlich gut angekommen. Hexenfluch und Blutrote Vollmondnacht waren Horrorromane gewesen und Albus hatte ihm mehr als einmal vorgeschwärmt, wie toll sie waren, während Lily nur bis zum dritten Kapitel gekommen war und nur noch mit Zauberstab bewaffnet ins Bett ging. „Wieder Horror?“, fragte er und Dominique dachte nach: „Hmm... nein, ich weiß noch nicht genau. Auf jeden Fall wird es Mal etwas anderes.“ Fred stellte den Punsch ab und griff zum Butterbier, als er die Flasche öffnete, wollte er wissen: „Und, was genau soll ich jetzt hier?“ Statt sich über seinen Tonfall zu beschweren, sprang Dominique auf und tänzelte auf ihren alten Plattenspieler zu. Wenige Sekunden später erfüllte die Stimme von Frank Sinatra den kleinen Raum. Dominique liebte die Stimme des alten Herrn und als sie die Hand nach Fred ausstreckte, sprach sie: „Tanzen! Na komm schon, morgen ist das Leben vorbei, also lasst uns den Abend genießen.“ Fred stöhnte laut: „Du glaubst diesen Mist doch nicht wirklich, oder?“ Die blonde Hexe drehte sich heiter um sich selbst und zuckte mit den Achseln. „Eigentlich nicht, aber stell dir vor, die Welt geht tatsächlich unter, wäre es da nicht schrecklich ärgerlich, wenn du deinen letzten Abend langweilig zu Hause verbracht hättest, ohne die schönen Dinge des Lebens noch einmal zu genießen?“ Deshalb also die vielen Süßigkeiten. Fred sah in ihr entspanntes, schönes Gesicht und zwang sich zum aufstehen. Na schön, würde er Dominique den Gefallen tun und den heutigen Abend mitspielen. Fest ergriff er ihre Hand und zog sie schwungvoll zu sich. Sie lachte. Ein Lachen, dass ihn jedes Mal fröhlicher stimmte. Und während Fred die nächsten Minuten ihren warmen Atem spürte, ihren dezenten Duft vernahm und sie sich elegant im Takt der Musik bewegten, stieg seine Laune merklich an. An Dominiques Seite fühlte er sich immer perfekt, so als wäre sie sein Gegenstück. Er war nicht die Art Mann, die viel für romantischen Kram übrig hatten, aber mit Dominique zusammen zu sein bedeutete sich lebendig zu fühlen. Sie strich durch sein zerzaustes Haar und stolperte über seine Füße, so wie immer, wenn sie miteinander tanzten. Bei so etwas hatte sie zwei linke Füße und auch in sämtlichen Sportarten versagte sie. Beim Quidditch war sie damit überfordert einen Quaffel auf dem Bessen zu fangen und beim Kopfhocke verfehlte sie ständig mit dem Schläger den Kopf. Zudem waren ihr beide Sportarten eindeutig zu kompliziert und anstrengend. Kochen konnte sie nicht, sämtliche Haushaltszauber endeten im Desaster und wenn es darum ging ihre Papier wie Rechnungen, Anträge und anderes zu bearbeiten, dann lud sie diese regelmäßig bei Louis ab, der das Recht besaß ihre Unterschrift zu fälschen. Fakt war: Diese Hexe war ein wandelndes Chaos. Und trotzdem hatte Fred ständig das Gefühl, sie hatte ihm einiges Voraus. Während er sich nie Sorgen darüber machen musste, seine Miete zu bezahlen, alle Rechnungen pünktlich abzahlte, seine Wohnung sich sehen lassen konnte und er seit Hogwarts ein ansehnlicher Treiber war, schien ihm etwas zu fehlen. Vielleicht war es die Leichtigkeit, mit der sich Dominique durchs Leben bewegte? Ihm erschien der Alltag als schwer, langweilig und eintönig. Hin und wieder als einsam und kalt. Lediglich in ihrer Nähe war alles anders. Nach mehreren Tänzen ließ sich Dominique lachend auf der Couch nieder und griff zu einer Flasche Elfenwein. Dreist nahm sie den ersten Schluck direkt aus der Flasche und begann damit, sich mit weißer Schokolade vollzustopfen. „Hör Mal Freddy, wenn heute dein letzter Tag wäre, gibt es etwas, was du noch tun würdest?“ Fred runzelte die Stirn, dann dachte er tatsächlich über diese Frage nach. „Du meinst, wenn wir morgen eh alle sterben würden?“ Die Füße auf den Tisch legend sprach er: „Ich denke, dass ich unserer Sippe ins Gesicht sagen würde, dass ich es als nicht schlimm empfinden würde, wenn sich innerhalb der Familie ein Paar findet.“ Er hatte dies in so einem ruhigen Ton gesagt, dass er von sich selbst überrascht war. Dominique sah ihn ernst an, dann lächelte sie wieder: „War das ein indirekter Hinweis darauf, dass du mit mir zusammen sein würdest, wenn sich unsere Familie nicht so kindisch anstellen würde?“ „Vielleicht“, wich Fred aus. „Ich meine, früher war es bei den Reinblütern üblich, dass Ehen innerhalb der Familie geschlossen wurden. Für sie ist so etwas in Ordnung. Wieso ist es also so eine riesen Sache, wenn es so einen Vorfall bei uns gibt?“ „Oho, du hast dir ja richtig Gedanken gemacht.“ Dominique setzte sich aufrecht hin und sah ihn mit einen Blick an, der ihm fremd war. Schließlich gestand sie: „Ich glaube, ich würde es ähnlich machen. Weißt du, Fred, ich mag dich wirklich sehr, aber ich verstehe, wenn du sagst, du möchtest es nicht versuchen, weil dir das ganze Drama nicht zusagt. Es ist okay.“ Und wieso fühlte es sich nicht okay an? Um den Druck im Hals loszuwerden, trank er sein Butterbier leer, als Dominique weiter sprach, hüpfte sein Herz eine Stufe höher. „Du bist ein feiner Kerl und so ziemlich alles, was ich nicht bin. Pass auf, dass du so bleibst.“ Trotz des Lobes, klang sie traurig und um die angespannte Stimmung zu vertreiben, zog Fred sie näher zu sich. Er drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und sprach: „Hast du noch ein paar Schallplatten von Fred Astaire, damit wir weiter unsere kleinen Runden drehen können?“ Sie tanzten die halbe Nacht, vielleicht nicht besonders elegant, dafür jedoch in vollkommener Harmonie. Es war ein Abend, der Fred wie ein Atemzug vorkam. Die Zeit zerfloss zwischen seinen Händen und schien an Wert verloren zu haben. Draußen stürmte es, Schnee bedeckte die Erde und die Temperatur kroch tiefer und tiefer. Als der Weasley spät in der Nacht neben ihr lag, lauschte er ihren gleichmäßigen Atem und spürte das Klopfen ihres Herzens. Ihre kalten Füße wärmten sich an seinen und er fragte sich, wie es sein möge, jeden Abend neben ihr zu liegen. Die Bettwäsche roch nach Dominique und alleine ihr Duft erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Die Welt war nicht untergegangen, geändert hatte sich nichts. Doch ein Gefühl in seiner Brust schrie ihm entgegen, dass er genau dies wollte. Eine Veränderung. Und zwar eine, die ihn glücklicher machte. Fred ergriff die Hand der blonden Hexe neben sich und verschränkte die Finger miteinander. Sie schienen einander zu passen, wie ein Ganzes geteilt in zwei. Dominique bemerkte von alldem nicht. Die Nacht über bekam Fred kein Auge zu, zu sehr war er damit beschäftigt der Stille und ihrem Atem zu lauschen und sich wohl zu fühlen. Erst als der Wecker halb sechs zeigte, stahl er sich leise aus dem Bett. Barfuß trat er durch das chaotische Wohnzimmer in die Küche und setzte Kaffee auf. Als er mit einer dampfenden Tasse in der einen und seinen Zauberstab in der anderen damit anfing das Wohnzimmer aufzuräumen, blieb er an dem Schreibtisch seiner Cousine hängen. Eigentlich hatte er das Plakat an der Wand nur nebensächlich betrachten wollen, bis er die einzelnen Charaktere zu zuordnen wusste. Die Eigenschaften, das Aussehen kam ihm alles merkwürdig bekannt vor. Zuerst hielt er es für einen Zufall, dass der Hauptcharakter des neuen Buches, ähnlich wie er rote Haare hatte, ein Gesicht voll Sommersprossen und blaue Augen, doch als er die Nebenfiguren entdeckte, kam es ihm vor, als würde er Albus, Rose und Scorpius wiederfinden, ebenso James und Molly. Ganz am Rande war eine Vermerkung mit den Namen Morul Morrie, einen alten Mann, der eine übergroße bunte Brille trug, die meiste Zeit in seinem Schaukelstuhl saß und zufrieden eine Pfeife rauchte. Für Fred war es wie ein Schlag in die Magengrube und er begriff, dass sämtliche Charaktere etwas aus dem Umfeld der blonden Schriftstellerin mitbrachten. Wie von selbst setzte er sich an den Schreibtisch und entdeckte neben der Schreibmaschine das erste Kapitel. Obwohl es nicht Freds Art war, begann er zu lesen und stellte erstaunt fest, dass Dominique eine wunderschöne Art zu schreiben hatte. Bereits nach den ersten Worten wurde Fred bewusst, dass die Geschichte nahe an der Wirklichkeit appelierte. Sie erzählte von einer Bindung zwischen einem alten Mann und seinem Enkel. Es war nur ein einziges Kapitel von einem Frühjahresstag, der von einem Gespräch in einer Garage voller Muggeldinge handelte, doch die Dialoge klangen, als wären sie tatsächlich so geführt worden. Als Fred die letzte Seite gelesen hatte, sah er auf die Schreibmaschine und erkannte ein Blatt darin. Es enthielt nur wenige Zeilen, doch trotzdem konnte er es nicht lassen, es heraus zu ziehen. K a p i t e l - 2 3 »Was tue ich, wenn du nicht mehr da bist?«, wollte Basilius wissen und sah stur in die entgegengesetzte Richtung. So merkte der junge Mann nicht, wie sein alter Großvater die schmalen Lippen zu einem Lächeln verzog und die braunen müden Augen ihn voller wärme ansahen. Die alte Hand ergriff die des Jüngeren. Ein Kontrast aus Vergänglichkeit und erschwinglicher Jugend traf aufeinander. Basilius schluckte hörbar und die Fensterbank unter ihm fühlte sich erschreckend kalt an. »Wer gibt mir dann all die wichtigen Ratschläge, mit wem spreche ich?« Der greise Morul Morrie ergriff mit zitternden Händen seine abgenutzte Pfeife und lehnte sich schwerfällig in seinem geliebten Schaukelstuhl zurück. Obwohl sein Enkel verzweifelt darüber zu sein schien, dass er mit jedem Tag seinem eigenen Ende ein Stück näher trat, schien er den Tod nicht als Bedrohung anzusehen. »Nur weil ich Tod bin, heißt das doch nicht, dass ich nicht mehr da bin.« Er gluckste vergnügt und Basilius sah ihn an, als wäre Glucksen absolut unangebracht. Morul ließ sich davon nicht stören und mühselig zündete er sich seine Pfeife an. »Du besuchst mein Grab und statt mir sprichst du und ich höre dir zu. « Das Lächeln auf seinen Lippen war liebevoll und Basilius blinzelte. Fred ließ das Blatt sinken und sah auf den leeren Schaukelstuhl. Er kannte dieses Gespräch, denn er hatte es einst mit seinem Grandpa an einem lebhaften Weihnachtsabend geführt, wo niemand auf sie geachtet hatte. Scheinbar hatte er sich geirrt. Es war, als hätte sich ein Knoten in seiner Brust gelöst, denn immer wieder hallten die Worte durch seinen Kopf: »Du besuchst mein Grab und statt mir sprichst du und ich höre dir zu. « Eine warme Hand legte sich auf seine Schulter und Dominique schloss ihn in die Arme. Fred genoss ihre Nähe und als sie sprach, schien es eine Wendung in seinem Inneren zu geben. „Ich wollte es ' Irgendwo dazwischen ' nennen.“ Dann schwiegen sie und erst als Dominique sich wieder aufrichtete, drehte er sich zu ihr um und sprach: „Tut mir leid, dass ich in deinen Sachen geschnüffelt habe.“ Ihr schien es egal zu sein, denn sie lehnte sich gegen den Schreibtisch und neigte leicht den Kopf. Auf ihren Lippen lag ein trauriges Lächeln. „Weißt du, Fred, Grandpa hat mir einmal gesagt, als wir uns über dich unterhalten haben, dass du ein Mensch bist, der sehr viel zu geben hat, aber dafür auch viel verliert. Er meinte, wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid.“ Die Aussage verstand er sofort und Fred spürte einmal mehr, dass er sich entscheiden musste. Das, was er für Dominique empfand, war mehr als nur eine kleine Schwärmerei, es war so etwas wie Liebe. Sie selbst machte kein Geheimnis daraus, dass sie, sollte er ihr die Hand reichen, diese sofort ergreifen würde. Fred holte tief Luft, dann sprach er: „Würdest du mich heute zum Friedhof begleiten?“ Seine Stimme war fest und die Überraschung auf ihren Gesicht nicht zu übersehen, dann nickte sie bekräftigend. „Natürlich, aber zuerst sollten wir frühstücken.“ Schwungvoll drehte sich sich um und tänzelte Richtung Küche, wenig später hörte er, wie sie nach einer Pfanne für Eier kramte und ordentlichen Krach machte. Fred sah noch einmal auf den Schaukelstuhl und erstaunt registrierte er, dass dieser leicht wippte. Ganz so, als hätte sich jemand vor Kurzem raus erhoben. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, er würde reden und sein Grandpa würde ihm zuhören, dessen war er sich sicher. Als er den Schreibtischstuhl verließ und erneut damit anfing, das Wohnzimmer aufzuräumen, beschloss er den nächsten Schritt zu wagen. Während sein Zauberstab geübt einen Tanz in der Luft vollführte und sich der Müll sammelte, sprach er: „Und danach schauen wir bei unserer Familie vorbei und reden ein ernstes Wort mit ihnen.“ Augenblicklich hörte der Krach in der Küche auf. Es war still, da Dominique in den Türrahmen trat und ihn ansah. Ganz langsam verzogen sich ihre Lippen zu einem Lächeln, ein Lächeln das ihre Augen erreichte. Ihr Haar war wirr, ihre übergroße Brille saß schief auf ihrer Nase und die rote Schlafhose passte nicht zum hellgrünen Shirt, doch trotzdem war sich Fred sicher, dass er noch nie eine schönere Frau gesehen hatte. Es fühlte sich gut an, sie nur zu sehen und in diesem Augenblick wusste Fred, alles was er in nicht all zu ferner Zukunft für sie tun würde war richtig. E n d e Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)