Meeresruf von pandine ================================================================================ Kapitel 1: Meine Sehnsucht --------------------------   Ich spürte etwas an meinem Arm ziehen, mein Körper bewegte sich nicht. Alles fühlte sich taub an, meine Empfindungen waren abgeschaltet, weg. Denken konnte ich nur mühvoll, wer bin ich? Wo bin ich? Was tue ich hier? Ich hatte keine Antwort auf all die Fragen in meinem Kopf, fühlte plötzlich, wie alles anfing zu brennen, zu schmerzen. Schreien konnte ich nicht, ich habe vergessen, wie man vor Schmerz weint.  Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch es klappte nicht. Ich versuchte es immer wieder, versuchte die Qualen zu vergessen, die meinen Körper durchstachen. Ich fühlte eine warme Hand meine Wange streicheln, vernahm Laute, die ich nicht verstand. Auf einmal fühlte ich mich geborgen und wurde schläfrig. Sanft gleitete ich in den Schlaf.  Der nächste Morgen brach an und die warmen Sonnenstrahlen bannten sich leise einen Weg durch den zugezogenen Vorhang. Die Luft war erfüllt von Stille. Ich sah mich um, in diesem finster gehaltenem Raum. Alles war mir unbekannt, wo war ich? Ich rieb mir die Augen und kniff die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können.  Auf einmal hörte ich ein Geräusch. Ich erschrak und verkroch mich unter dem weichem Stoff, der über mir ausgebreitet war. Mein Körper zitterten stark, ich versuchte, mich zu beruhigen. Vorsichtig linste ich unter dem Stoff hervor. Unter mir war der Boden seltsam weich, ich kletterte vorsichtig zum Ende und befühlte die Seiten des Weichem. Ich erspürte etwas Hartes, es fühlte sich glatt an. Ich sah mich nochmal um und kriechte auf dem Ding herum und stellte nach einer Weile fest, dass es sich um einen gepolstertem Holzkasten handeln muss.  Langsam streckte ich meine Füße auf den kalten, seltsam glatten Steinboden auf. Ganz behutsam stieg ich von dem Holzkasten und zerrte den Stoff mit mir. Ich fiel aber wieder hin, der Stoff dämpfte meinen Aufprall. Erneut erschrocken schrie ich leise auf und hockte jetzt auf dem kühlem, glattem Stein.  Schritte näherten sich und jemand berührte mich an der Schulter. Vor Schreck schlug ich die Hand weg und versuchte, weiter weg zu kommen. Den Stoff hatte ich schützend um mich gelegt und beobachtete denjenigen, der gekommen war, genau.  Es war ein männliches Wesen, das merkte ich. Haare in Farbe der glühenden Sonne umrahmten sein Gesicht. Er flüsterte sanft leise Worte, Sätze, die ich nicht verstand. Was redet er? Ich konnte ihn nicht verstehen. Sollte ich mich ihm nähern? Bevor ich entscheiden konnte, was ich tun sollte, kam er zu mir. Ich versuchte mich noch mehr zu entfernen, die Angst kroch mir den Rücken hinauf. Was sollte ich tun?  Irgendwann stieß ich mit meinem Rücken gegen etwas, ich hatte Panik. Was sollte ich jetzt bloß tun? Ich schloss die Augen und kauerte mich hin. Plötzlich verstummten seine Schritte und ich sah ihn überrascht an. Er hockte da und sah mich mit seinen stechend blauen Augen an. Ich konnte nicht anders als zurück zu blicken, die Farbe des Meeres in seinen Augen vereint zu betrachten.  So blieben wir eine Weile, der Wind wehte leicht in das Zimmer herein und wuselte in seinen Haaren. Dann stand er auf, ich sah ihm nach, als er das Zimmer verließ und mich in der Dunkelheit zurückließ. Wer war er? Oder wer war ich? Wer waren wir?  Ich blieb dort, wo ich war und legte mich hin, den Stoff um mich gehüllt. Ich atmete den warmen Geruch des Stoffes ein und blickte zur Tür. Ob er nochmal zurückkam? Fragen über Fragen häuften sich in meinem Kopf an. Doch irgendwann wurden sie fortgespült, ließen die Müdigkeit, die hinter ihnen verborgen war, ans Licht treten. Die Müdigkeit schimmerte reinweiß, sie sah aus wie Sand an einem Meer...  Doch bevor weitere Fragen den Sand verdecken konnte, fiel ich in einen tiefen Schlaf.  Ein kleiner Lichtstrahl kam durch die Tür herein, ich wachte auf. Dann sah ich zur Tür und erblickte ihn. Er stand dort und hatte etwas in der Hand, dessen Form mich an ein Holzbrett erinnerte. Darauf standen allerlei Dinge, die meisten konnte ich nicht erkennen.  Der Junge lächelte mir zu und fragte mich etwas, doch ich verstand es, wie soviele Male, nicht. Er legte das Brett auf den Boden und schob es über den glatten Stein zu mir herüber. Dann blieb er dort vor der Tür stehen und ging in die Hocke. Sein Blick ruhte auf mir. Ich spürte es ganz genau, versuchte es aber zu ignorieren und betrachtete das Brett mit den Gegenständen genauer.  Ich erkannte, das es Essen war. Ich sah von dem Essen zu ihm herüber, er lächelte mich an. Sollte ich es essen? Konnte ich es überhaupt essen? Er merkte anscheinend meine Nervosität und strahlte mich ein letztes Mal an, dann verschwand er hinter der Tür und ließ mich allein in der Finsternes zurück.  Ich sah das Essen an, das vor mir lag und spürte, wie Hunger und Müdigkeit mich überrumpelte. Ich kroch langsam und vorsichtig näher an das Brett und sah mir das Essen an. Es bestand aus einem braunem Etwas mit vielen kleinen Löchern, es standen auch mehrere kleine Schälchen mit etwas drin, mal war es rot glibbrig oder orange glibbrig, anderes war gelb und ölig. Dann lag noch ein Messer neben einem rundem Keramikstück.  Ich wusste nicht so recht, was ich damit soll, nahm aber das Braune in die Hand und roch daran. Erinnerungen überfluteten mich...  Ich stand in einem kleinem, lichtdurchflutenem Raum. Ich sah ein kleines Mädchen, es lachte und hielt ein großes, braunes Etwas umarmt. Neben ihr stand ein lächelnder, etwas älterer Herr. Er hatte eine Kochmütze an und es duftete überall nach frischgebackenem...  ... Brot. Überrascht sah ich das Braune an, erinnerte mich an seinen Namen. Es brannte sich in mein Gedächtnis, doch ich dachte nicht weiter darüber nach und aß das Brot auf. Ich probierte auch das Zeug in den Schälchen, es schmeckte süßlich.  Satt und zufrieden stieß ich das Brett ein wenig weiter von mir weg und rollte mich in meine Decke ein. Schnell fand ich das Land der Träume, was bei mir aussah, wie ein riesiger Sandstrand, der an ein schimmernd blaues Meer grenzte. Ich schlief sanft ein, das Rauschen des Meeres in meinen Ohren.  Ich stand an einem weißem, strahlendem Strand. Vor mir rauschte das Meer, brausend, temperamentvoll warf es mit Wellen um sich. Es sah aus, als wäre das Meer erzürnt, wütend. Ich fragte mich, warum? Ich schloss die Augen und fing an zu singen, etwas beruhigendes, was das Meer hoffentlich wieder besänftigte. Meine Klänge erfüllten die Luft... Wurden von den Wellen verschluckt. Das Meer, es wurde ruhiger. Ich wurde ruhiger. Alles fand sich in meinen Augen, spiegelte es wieder...  Ich öffnete die Augen, spürte, wie ich weinte. Tränen rannten meine Wangen hinunter, ich konnte nicht aufhören, sie stoppen. Ich hörte, wie die Tür quitschend aufging, doch ich versteckte mich nicht oder dergleichen. Alles war mir gleichgültig... Alles in mir tobte. Ich wollte schreien, konnte nicht. Es war, als wand ich mich in unsichtbaren Schmerzen, die keinen Namen besaßen.  Was wollte es? Was wollten sie von mir?  Der Junge kam ganz ruhig zu mir, vorsichtig, doch ich schüttelte mich, schlug aus und ließ niemanden an mich heran. Meine Augen... Ich spürte den Hass in ihnen, doch es war nicht meiner. Ich spürte sie rot glühen, sah den Lichtschein davon auf der fast weißen Haut des Jungens. Er entfernte sich nicht und näherte sich auch nicht, er blieb dort und wartete.  Plötzlich, als würde mich das weite Meer durchspülen, wurde ich wieder ruhig. Mein Blick, der eben noch verschwommen war, wurde wieder scharf und ich sah in die klaren Augen von dem Jungen. Ich merkte, dass seine Augen die helle, blaue Farbe von Eis hatten. Sie waren so schön, so wunderschön.  Ich näherte mich ihm, und er blieb dort, wo er war. Ich war so nah bei ihm, dass ich ihn berühren konnte. Er blieb da einfach, in der Haltung, seine Augen verfolgten jede meiner Bewegungen, es machte mir aber nichts aus. Ich streckte meine Hände aus und legte meine Fingerspitzen an seine Wangen, sie waren so weich, seine Haut richtig zart. Ich legte meine Hände an seine Wangen und sie waren warm. Die Wärme drang in meinen Körper und ich schloss meine Augen.  Der Junge berührte meine Hände, doch ich tat nichts. Es war fast so, als wäre mein Wille unteer der Wärme seines Körpers geschmolzen. Er löste meine Hände behutsam von seinen Wangen und streichelte mir sanft über den Kopf. Ich kam ihm noch näher und er nahm mich in den Arm. Ich roch an ihm, er roch nach dem Stoff, auf dem ich die letzten Nächte geschlafen habe.  Ohne das es mir bewusst war schlief ich wieder ein, in seinen Armen.  Als ich am nächsten Morgen aufwach lag ich immer noch in seinen warmen Armen. Er war auch eingeschlafen und hatte seinen Kopf auf meinen gelegt. Er wachte auf, nachdem ich mich leicht bewegte.  "Na, gut geschlafen?", fragte er mich müde blinzelnd. Ich erschreckte. Warum konnte ich auf einmal seine Wort verstehen? Unbewusst nickte ich und auch er schien leicht zu erschrecken.  "Du kannst... verstehen was ich sage?" Ein Ausdrucks der Überraschung lag in seinen Augen. Auch diesmal nickte ich langsam. Die neue Erkenntnis schockte mich irgendwie, doch ich wusste nicht warum.  Seine Augen sahen mich sanft an, er streichelte mir, wie gestern auch, den Kopf. Sein Blick schien mich zu treffen, ich merkte aber, dass er in Wirklichkeit in Leere starrte. Was war mit ihm los? Ich stupste ihn leicht am Kopf an, machte eine fragende Miene. Er schüttelte nur den Kopf und war geistesabwesend.  Langsam machte ich mir Sorgen, wusste aber nicht, was ich tun sollte. Da fing er plötzlich wieder an zu sprechen.  "Das kann nicht wahr sein...", murmelte er leise vor sich hin,"Wie konnte das bloß passieren? Warum?" Die Worte klangen verzweifelt, sie hallten in mir wieder. Er atmete einmal tief ein und man sah ihm an, dass er versuchen wollte, sich zu beruhigen. Dann fragte er mich, als sei nicht s gewesen:"Wollen wir mal rausgehen?" Er lächelte mich wieder an.  Ich war erstmal ein wenig verdutzt, nickte dann aber langsam. Er nahm mich bei der Hand und stand auf. Ich spürte, wie seine Hand zitterte, als ob er sich vor etwas fürchete. Ich fragte mich, was es wohl war. Als er dann aber anfing zu sprechen, war seine Stimme erstaunlich klar.  "Warst du schonmal am Meer?", war seine Frage. Ich erstarrte und blieb stehen, meine Augen wurden leer und mich überfluteten Erinnerungen...  Ein Palast, das Meer und die Wellen, die mich an diesen Strand geführt haben, strahlten hellblau. Zögerlich ging ich immer wieder den Strand entlang. Das Meer... es rief mir etwas zu, doch ich verstand es nicht. Ich kam jeden Tag hierher, an diesen endlosen Strand und sang für das Meer.  Ich fühlte den kalten Boden unter mir und kam wieder zu mir. Ich öffnete die Augen uns sah in das erschrockene und fast verzweifelte Gesicht von ihm.  "Was ist... passiert?", fragte ich leise, kaum hörbar, doch ich wusste, er hatte es gehört. Er schüttelte den Kopf und flüsterte immer wieder:"Nein, nein, nein, das kann einfach nicht sein! Warum? Warum? Warum?"  Meine Miene war fragend, aber er beachtete mich nicht. Ganz in Gedanken versunken starrte er fassungslos den Boden an. Ich wandte mich von ihm ab, konnte nicht ertragen, ihn so zu sehen, ihn leiden zu sehen. Ich sah in den Himmel, endlos weit erstrahlte er. In die Ferne führte er, ich schloss die Augen. Wieder spielte sich eine Szene vor meinen Augen ab, malte sich auf die Schwärze, die mein Sichtfeld nun war.  Ich erblickte ein wunderschönes Mädchen, es hatte silbrig schimmerndes, langes Haar. Sie saß auf einem Felsen, die Wellen verschluckten den Felsen und sie fast. Es schien ihr aber nichts auszumachen, sie sang.  Ungläubig öffnete ich wieder die Augen und stand auf. Ich sah in den länglichen Spiegel, der in die Wand eingearbeitet worden war. Das, was ich sah, war zu unwirklich, als das ich es sein könnte. Ein Mädchen mit langen, seidigen Haaren, die in einem strahlendem Meerblau leuchteten. Augen, in denen die Farbe seiner Augen war. Meine hatten jedoch etwas anderes als seine: Meine waren heller und glichen eher dem Mittagshimmel, als dem tiefem Meer.  Ich hörte Stoff leise rascheln, während er sich wieder erhob.  "Ich glaube... Ich muss dich da aufklären", sagte er, wieder ein wenig gefasst. Ich drehte mich wieder zu ihm um und wollte ihm helfen, da er etwas wackelig auf den Beinen stand. Er jedoch schlug meine Hand weg."Es geht schon", meinte er dann noch und ging vor. Wir gingen den Weg zurück und kamen auch an der Tür des Zimmers vorbei, was mal meines gewesen war. Ob es jetzt immer noch so war oder nicht?, fragte ich mich.  Wir gingen daran vorbei, weiter den dunklen Flur entlang, dessen Wände in Blautönen gestrichen war. Die Türen waren alle aus dem gleichem Material, einem dunklem, fast schwarz wirkendem Holz. Ich tippte ihn leicht an der Schulter an, woraufhin er sich total erschreckte. Er zuckte zusammen und sah erschrocken zu mir. Dann beruhigte er sich wieder und fragte:"Was ist los?"  "Aus welchem Holz sind die Türen?", fragte ich. Ich hatte mich daran gewöhnt, wieder sprechen zu können.  "Das müsste Ebenholz oder so sein. Kann auch Eiche oder was weiß ich sein. Bitte ersckrick mich nicht mehr so sehr", erklärte er ein wenig schroff. Dann lächelte er mich kurz an und schaute dann wieder geraudeaus und ich konnte nur noch seinen Hinterkopf sehen, sein Gesicht blieb mir verborgen. Bald erreichten wir eine große, weiße Tür und er öffnete sie leise.  Der Raum, der hinter den Türen lag, war hell und meine Augen mussten sich erstmal an das flutende Sonnenlicht gewöhnen, das von den vielen Fenstern hereinkam. Ich bemerkte, dass die Fenster ebenfalls auch kein Glas hatten und kühler Wind spielte mit meinen Haaren und den Vorhängen, die hellblau und sandweiß waren. Muscheln hingen an Ketten mit Perlen und dienten als Verzierung an den Vorhängen, wenn sie zusammenstoßen, ergab es einen glockenhellen Laut, es war wunderschön.  "Setz dich doch", forderte mich der Junge wieder auf und zeigte auf einen der hellweißen Sesseln, die in der Mitte des Raumes im Kreis um einen kleinen Tisch standen. Ein weicher Teppich lag auf dem Boden. Ich ging langsam zu einem der Sessel und sah zu, wie er sich mir gegenüber setzte.  "Wie soll ich dir das jetzt erklären...?", fing er an und sah mich an. Ich sah kurz zurück, dann sagte ich einfach:"Sag es doch einfach. Und dann fang von ganz vorne an, da ich schon ahne, dass dies schon ein paar viele Jährchen existiert."  Er schaute mich leicht erheiternd an, dann wurde sein Ausdruck ganz ernst."Du bist eine Muschel."  Ich starrte ihn erstmal verwirrt, dann ungläubig an."Ich bin eine was?"  "Eine Muschel." Seine Stimme war erstaunlich ruhig."Und ich bin dein Zuhörer."  Ich schwieg erstmal und antwortete dann mit halbwegs gefasster Stimme:"Ich glaube, du beginnst am besten nochmal von vorne."  "Du bist eine Muschel, jedenfalls das, was im Innerem der größten Muscheln wohnt und lebt. In den sagenumwobenen Sienamni-Muscheln, die nur an den tiefsten Punkten des Ozeans auftauchen, und dann auch nur im Atlantik. Am Strand flüstert man einige Geschichten über sie. Sie sagen, das Fleisch von den Wesen, die in der Sienamni-Muschel aufwachsen und leben, versprechen Unsterblichkeit und all diesen Quatsch."  "Was meinst du mit ' Leben und Aufwachsen'? Können sie da einfach rausspazieren und andere besuchen? Und was hat es mit den Zuhörern auf sich?"  "Dazu wollte ich gerade kommen. Nein, mit Leben und Aufwachsen meine ich etwas anderes. Sie können nicht rausgehen, sie sind ja noch nicht einmal ganz ausgebildet, nein. Du musst es dir so vorstellen: Die Sienamni-Muschel ist ein großer Körper, ein Gefäß mit allen Nährstoffen, die Muscheln brauchen. Und darin ist die Muschel gefangen. Das Einzige, was sie tun kann, ist zu singen und zu rufen. Zu hoffen, das jemand sie erhört und befreit. Da kommen wir Zuhörer ins Spiel. Ein Zuhörer tut eigentlich nichts anderes, als seiner Muschel zuzuhören, die einzige Muschel, die er jemals hören kann." Er hielt kurz inne und sah zu mir herüber. Erst jetzt bemerkte ich, wie Tränen meine Wange herunterliefen. Das eben gerade... es war ein Teil von meiner Geschichte. Das war ich, eine Muschel.  Als er keine Anstalten machte, fortzufahren, drängte ich ihn."Du kannst weitersprechen", sagte ich mit tränenerstickter Stimme, doch ich sah ihm gefasst und ernst in die Augen. Er nickte kaum merklich.  "Der Zuhörer geht dann an den Strand, der seiner Muschel am nächstem ist und sendet seine Erinnerungen an die Muschel. Das macht er dann solange, bis die Erinnerungen sich selbst zu ihr bewegen, die Muschel ein Teil seines Selbst sind, Teil seines Lebens. Doch auch der Zuhörer ist ein Teil der Muschel, das Fenster, was das Licht von Außen in die Tiefe des Ozeans bringt. Die Muschel und Zuhörer teilen sich ein Ich, sind für immer miteinander verbunden." Er hatte geendet und sah mich an.  Ich schloss für einen Moment meine Augen und wurde von etwas umspült, sanft wie das Meeresrauschen und doch lauter, als ein Sturm. Ruhe kehrte ein, das Rauschen blieb jedoch. Erinnerungen wurden für einen Augenblick angespült und ich erhaschte einen Blick auf ein Leben, das meins war und nicht. In ihnen kam ein Junge vor, Menschen, unbekannt und bekannt, und Freude. Trauer. Wut. Es war ein riesiges Paket von Emotionen, alles stürzte sich auf mich und drohte, mich zu verschlingen. Ganz leise brachte ich noch eine Frage hervor:"Warum bin ich hier...?" Danach färbte sich alles schwarz, übermalte die Erinnerungen und schloss das Paket wieder.  Eine warme Hand hielt meine, ich hörte das Meer. Die Wellen schlugen an Felsen, ich konnte es sehen, meine Augen blieben aber geschlossen. Eine leise Stimme rief mich, erweckte eine Sehnsucht, die ich nicht unterdrücken konnte. Die Stimme wurde lauter, die Wellen größer, der Wind zerrte an meinen Haaren. Ich öffnete die Augen.  Das weite Meer erstreckte sich vor meinen Augen, ich sah weißen Sand glitzern. Die andere Hand drückte meine und ich wandte den Kopf ab und sah die Person an. Es war der Junge, er stand neben mir und lächelte mir ermutigend zu. Das Meer rief weiter, während wir schwiegen. Ich sah wieder zu den weiß schäumenden Wellen und spürte einen traurigen Blick auf mir. Dann starke Arme, die mich umschlossen.  Überrascht versuchte ich, ihn anzusehen, doch er hielt mich fest und ich erwiderte die Umarmung. Wenige Augenblicke später fühlte ich warme Tränen an meinem Gesicht, der Griff lockerte sich. Ich sah ihn an, sah die reinen Tränen an, die er vergoss. Warum?  "Warum... weinst du?" Ich schaute ihn fragend an, die Stimme des Meeres dröhnte in meinen Ohren, meine Gefühle, meine Sehnsucht, überrollte mich fast. Er schüttelte nur den Kopf und nahm mich wieder in den Arm.  "Ich... erzähl es dir ein... andermal." Seine Stimme klang zittrig, schien erschöpft zu sein. Emotionen, die mir fremd waren, überkamen mich wie eine Welle sich über das Meer ergoss. Ein warmes Gefühl, sanft und rosig schimmernd.  Er ließ mich los und sah zum Himmel hinauf. Dann fing er an mit leiser Stimme zu reden:"Ich weiß nicht, ob du jetzt etwas damit anfangen kannst. Aber du musst wissen, dass ich... dich liebe. Ich weiß nicht, seit wann und ob es überhaupt gut ist, mein anderes Ich zu lieben... oder ob andere es auch tun. Aber ich glaube, es ist nur flüchtig." Doch sein Gesicht sagte mir etwas anderes, es war vor Trauer und Schmerz fast verzerrt, doch er versuchte, zu lächeln.  Ich wusste nicht, warum ich es getan habe, auch nicht, ob ich es tun sollte. Ich handelte rein aus Gefühlen, egal, seien sie jetzt seine oder meine. Ich küsste ihn, kurz, flüchtig, doch ich konnte die Wärme seiner Lippen fühlen. Wie er danach reagiert hat, bekam ich nicht mehr mit. Ganz leicht hatte ich einen überraschten, verwirrten, freudigen Ausdruck von ihm gespürt, im nächstem Moment lief ich in das Meer und es verschluckte mich, nahm mich wieder mit nach Hause. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)