Hannibal Lecter von Mireille_01 (Die Gesänge der Toten) ================================================================================ Kapitel 5: Quid pro Quo ----------------------- „Ich hoffe, alles ist zu ihrer Zufriedenheit!“ sagte der Chef der Wärter und schloss den Durchgang zu den Patienten auf. „Ja vielen Dank. Es ist wirklich sehr entgegenkommend, dass wir auch noch in einer privaten Wohnung hier im Institut wohnen dürfen!“ sagte Hannibal Lecter höflich. Zoe war zunächst heiß und kalt gewesen, als sie hörte, sie solle mit Doktor Lecter „zusammen in einer Wohnung“ wohnen. Doch die getrennten Schlafzimmer hatten sie wieder beruhigt. „Ich führe Sie erst einmal beide herum und Sie können sich mit der ganzen Situation vertraut machen. Heute Abend wird der Direktor Sie mit den Probanden bekannt machen, die Sie beide über ihre Praktikumszeit hinweg beobachten sollen. Wir sind sehr dankbar, besonders Ihnen gegenüber, Doktor Lecter, dass Sie ein psychiatrisches Gutachten für unsere „Spezialfälle“ abgeben werden. Das ist wirklich sehr hilfreich, zwecks der Neuaufrollung der Fälle durch den Obersten Gerichtshof.“ Plapperte der Wärter. „Sagen Sie, William…“ meldete sich Zoe zu Wort. „Wie lange arbeiten Sie bereits in dieser Klinik?“ fragte sie höflich und kritzelte ununterbrochen auf Zetteln mit, seit sie ihren Fuß durch die Schwelle der Klinik gesetzt hatte. „Das Institut existiert seit 20 Jahren und ich bin schon 15 Jahren hier!“ sagte William mit stolz geschwellter Brust. „Aha – also ein echter Kenner und Wisser!“ flirtete Zoe freundlich. Hannibal musste sich ein Grinsen verkneifen, diese Frauen wussten eben genau wie sie an Informationen kamen. William errötete sichtlich erfreut und sagte mit dem Brustton der Überzeugung: „Miss Itami, wenn Sie irgendwelche Fragen haben, zögern Sie nicht mich zu fragen. Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, dass Sie ihre Doktorarbeit mit Bravour schreiben werden.“ „Natürlich werden Sie das, William. Davon bin ich überzeugt!“ lächelte Zoe und ihr Blick fiel zufällig auf Doktor Lecter, der sie interessiert und lächelnd beobachtet hatte. Sie schenkte ihm ein feixendes Grinsen. William Howard führte sie quer durch den ganzen Komplex der Anlage, von den Zellen wo die Patienten untergebracht waren, bis zu den Quartieren der Angestellten. Zoe konnte schon am ersten Tag fünf interessante Interviews mit Angestellten der psychiatrischen Betreuung machen, und am Ende des Tages strahlte sie wie ein Honigkuchenpferd. „Oh vielen Dank, Doktor Lecter. Sie wissen gar nicht, wie sehr Sie mir geholfen haben!“ lächelte sie überglücklich und sprang wie ein junges Fohlen aufgeregt in der gemeinsamen Wohnung herum. „Beruhigen Sie sich, Miss Itami. Immerhin werden wir heute Abend noch das größte Geschenk erhalten. Eine Führung durch den Direktor selbst und außerdem lernen wir heute unsere Probanden kennen.“ Sagte Hannibal ruhig und nahm einen Schluck von dem frischen Kaffee, denn Zoe zubereitet hatte. „Ach ja – wann hat der Direktor noch einmal seinen Besuch angekündigt?“ fragte Zoe und blickte auf die große Uhr im gemeinsamen Wohnzimmer. Ohne hinzusehen sagte Lecter: „In fünf Minuten. Um Punkt 9 Uhr abends.“ Die junge Studentin blickte ihren Doktor an und konnte nicht anders – sie war wirklich beeindruckt. Doktor Lecter schien die Personifizierung von Ruhe, Neutralität und Ästhetik zu sein. Sie hatte ihn noch nie erregt oder überglücklich erlebt. Stets war er von seiner Eisschicht überzogen. Zoe brannte darauf, mehr über ihn zu erfahren. „Darf ich Sie etwas fragen, Doktor?“ fragte sie und ließ sich in einen bequemen Ohrensessel fallen und zog die Beine an. Sie trug eine schwarze Hose und ein hellblaues Top, dass ihr hervorragend passte. Ihre Haare hatte sie teilweise hochgesteckt und sie war ungeschminkt. Ihre Augen waren dennoch groß und sahen ihn undurchdringlich an. Lecter betrachtete sie über den Tassenrand hinweg und sagte leise: „Kommt darauf an – ich muss es ja nicht beantworten!“ Zoe grinste: „Was Sie nicht sagen, Doktor!“ Lecter schmunzelte amüsiert. „Woher kommen Sie ursprünglich, Doktor Lecter?“ fragte Zoe und stütze ihren Kopf auf ihrem rechten Handrücken ab. Lecter überlegte, erwiderte jedoch: „Ich wurde in Litauen geboren.“ „Mhm… etwa zur Zeit des Ausbruchs? Des zweiten Weltkrieges meine ich…“ Zoe sah ihn interessiert an. „Ja, 1933.“ Erwiderte Lecter. „Mhm…“ Zoe überlegte. „Quid pro quo…“ sagte Doktor Lecter plötzlich. Er lehnte sich nach vorne und starrte Zoe interessiert an: „Ich erzähle Ihnen von mir, Zoe Itami. Sie erzählen mir also auch etwas von sich…“ Zoe erstarrte zunächst, doch sie erkannte, dass es keine andere Möglichkeit gab, mehr von Doktor Lecter zu erfahren und bei Gott, sie wollte einiges wissen. „Gut wieso nicht. Wir sind doch schließlich alle Analytiker!“ stimmte sie zu, nicht ahnend, dass sie gerade auf Hannibal Lecters Spiel eingegangen war. Er genoss den Moment nur kurz und sagte: „Gleiche Frage – woher und wann?“ Zoe seufzte auf, doch sie antwortete leise: „Ich wurde 1935 geboren. In Paris.“ Sie hob den Kopf nicht und sprach zum Boden gerichtet. „Mhm… was haben sie ihn Paris erlebt, Miss Itami?“ fragte Lecter leise. Zoe erstarrte, doch ein Klopfen an der Tür rettete sie: „Der Direktor!“ rief sie fast erleichtert aus. Sie sprang geradezu aus dem Sessel und öffnete die Tür. Draußen stand der ehrenhafte Direktor Sinclair vor der Tür. „Ahh – Sie müssen Miss Zoe Itami sein, freut mich Sie wiederzusehen, Hannibal!“ Sinclair reichte Lecter die Hand. „Ebenfalls Eric!“ sie nickten einander zu. „Sie kennen sich?“ fragte Zoe irritiert. „Ja, allerdings. Ich war es auch, der ihnen beiden den Zutritt in meine Klinik gewährt hat. Doktor Lecter hat vor einigen Jahren unter mir in Amerika einen Workshop besucht. Eine Vorlesung zu interessanten Themen der menschlichen Psyche.“ Lächelte Doktor Eric Sinclair. Zoes Blick wanderte zu Lecters Gesicht, doch schon zog der Direktor sie mit sich: „Kommen Sie, die Probanden warten.“ Auf dem Weg zu der „Zellenabteilung“, dem Wohnabteil der Insassen, erklärte Sinclair: „Ich bin sehr dankbar für deine Hilfe Hannibal. Ich hoffe auch, dass es lehrreich für Sie sein wird, Miss Itami. Jedenfalls haben wir seit zwei Monaten zwei neue Insassen. Einen Mann, der sich selbst „Der Henker“ nennt. Und eine Frau mit dem Namen Elise. „Der Henker“ hat dreißig junge Männer getötet und ihre Geschlechtsorgane abgehackt und diese dann in einer bizarren Trophäensammlung aufbewahrt. Motiv und Hintergründe sind unklar. Man weiß nicht wie er wirklich heißt, noch woher er kommt. Die Beamten tappen völlig im Dunklen.“ Seufzte Sinclair. „Interessant.“ Stimmte Hannibal zu und Zoe kritzelte bereits wieder fleißig mit. „Die Frau, Elise, ermordete ebenfalls Männer – allerdings ältere Männer, mit einem gewissen Aussehen. Ca. 45 bis 50 Jahre alt, gepflegt, höhere Gesellschaft, nur Töchter als Kinder und in der Regel verwitwet. Jeden einzelnen hat sie die Zunge herausgeschnitten und nun ja…“ der Direktor unterbrach sich selbst und schwieg. „Was hat Elise getan?“ fragte Hannibal. „Sie hat die Männer in einer gewissen Stellung zurückgelassen.“ Sagte der Direktor ausweichend und reichte ihm eine Akte. Hannibal schlug sie auf und zog eine Augenbraue lässig in die Höhe: „Ah – wie einfallsreich.“ Er wandte sich an Zoe und sagte: „Zoe ich würde gerne den „Henker“ beobachten. Nehmen Sie sich Elise an?“ Zoe war zunächst verwundert, nickte dann allerdings und nahm die Akte die Hannibal ihr reichte. Sie schlug die erste Seite auf und hätte sich am liebsten übergeben. Das erste was man in diesen Akten sah, war stets ein Foto von der ersten Leiche. „Nun denn – ich würde sagen, viel Spaß!“ meinte der Direktor ironisch und führte sie die Zellen entlang. Er blieb erst ganz hinten, nach mehreren Zwischenkontrollen stehen und sagte leise: „Der Henker ist im letzten Zellenabteil – Einzelhaft. Elise hier rechts im Frauenblock für geistesgestörte Verbrecherinnen.“ „Nun denn!“ sagte Hannibal und sah Zoe interessiert an: „Welchen zuerst?“ „Den Henker!“ entschied sich Zoe und sie war immer noch etwas bleich ihm Gesicht. Hannibal nickte, der Direktor öffnete die Tür zu den hintersten Abteilen und sagte: „Viel Spaß.“ Als sie schlussendlich vor der Zelle des „Henkers“ ankamen, waren beide schon ein wenig außer Atem. „Der Henker“ war weit von anderen abgesondert und hatte sogar zwei eigene Polizeibeamte vor der Tür. „Nicht schlecht – ein sehr renommierter Verbrecher!“ meinte Hannibal zynisch. „Was machen Sie jetzt?“ fragte Zoe atemlos, als Lecter einfach an die Zelle trat und fest dagegen klopfte. „Ihn aufmerksam machen – warten Sie im Schatten dort – Zoe!“ sagte Hannibal nachdrücklich. Zoe tat wie befohlen. „Wer ist da?“ ertönte eine sonore Stimme. „Ihr Seelenarzt!“ meinte Hannibal ruhig. „Nein wie nett!“ kam es lachend zurück. Plötzlich sprang eine Gestalt gegen die Tür und eine irre Fratze mit einem teuflischen Grinsen und weit aufgerissenen Augen war in Erscheinung getreten. Hannibal blickte auf das Gesicht. Die Tür war fest gesichert und mit einer dicken Panzerscheibe ausgestattet. Die Hälfte war daher durchsichtig. „Nett Sie kennenzulernen, Henker!“ sagte Lecter ruhig. Er hatte die Hände lässig in die Hosentasche gesteckt. „Nein so was – jetzt schicken die mir schon ein Milchbübchen als Arzt.“ Grinste der „Henker“. „Tja – wenn Sie mich nicht wollen, gehe ich wieder…“ sagte Hannibal. „Nein warten Sie – das habe nicht gesagt. Ich sehe Sie gerne an. Sie ähneln meinem letzten Opfer – Harald. Er hatte auch so milchige Haut wie Sie.“ Lächelte „Henker“ und leckte sich genüsslich über die Lippen. „Danke für das Kompliment – hören Sie, heute bleibe ich nicht sehr lange. Morgen und die restlichen Tage bis Weihnachten werde ich allerdings ein geduldiger Zuhörer sein, wenn Sie das wollen.“ Sagte Hannibal ruhig. „Einverstanden – dann werde ich heute Nacht von Ihnen träumen. Von Ihnen und wie ich mit einer Axt ihren Penis abschlage. Er würde perfekt in meine Kollektion passen!“ lächelte der „Henker“. „Einverstanden.“ Lächelte Hannibal zurück. Das wischte wiederrum dem „Henker“ das Lächeln aus dem Gesicht. „Bis demnächst.“ Verabschiedete sich Hannibal. Er wandte sich zu dem Schatten: „Zoe gehen wir.“ „Ja Doktor!“ sagte sie und trat ins Licht. Der „Henker“ wurde unruhig: „UHHHH ist die für mich? Ich hatte schon lange keine Fotze mehr! Krieg ich sie? Sie hat prächtige Titten – schmecken sicherlich sehr gut!“ Hannibals Augen verengten sich so schnell und kalt, dass Zoe sich an eine Schlange erinnert fühlte. Er packte durch die engen Gitterstäbe des Luftschachtes der Tür und quetschte dem „Henker“ mit bloßer Hand die Hoden so fest zusammen, dass er schreiend vor Schmerz in die Knie ging. „Entschuldigen – sofort!“ sagte Lecter kalt. „AHHHHH LOSLASSEN!“ schrie der Henker. Er drückte noch fester zu: „Entschuldige dich sofort, du wertloses Subjekt von Dreck unter meinen Schuhen!“ „ENTSCHULDIGUNG!“ brüllte der Henker und automatisch ließ Lecter los. Immer noch gekrümmt vor Schmerz blieb der Henker am Boden liegen und weinte beinahe. Zoe hatte ungläubig zugesehen. Sie sah Lecter verdattert an: „Doktor Lecter – das hätten Sie nicht tun müssen…“ stotterte sie leise. „Ich kann es gar nicht leiden, wenn man Frauen beleidigt. Besonders nicht meine Studentinnen.“ Knurrte Lecter leise, er legte seinen Arm um Zoes zitternde Schultern und sagte: „Kommen Sie, Elise wartet auf uns!“. „Ja…“ stimmte Zoe leise zu. Notiz 1, dachte Zoe, während sie den langen Korridor entlang gingen und immer noch die kühle Hand von Lecter auf der Schulter spürte, Doktor Lecter kann gewalttätig werden… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)