Promises von lady_j ================================================================================ Kapitel 1: Promises ------------------- You got me so wild, How can I ever deny? You got me so high, So high I cannot feel the fire. And you keep telling me, Telling me that you’ll be sweet, And you’ll never want to leave my side, As long as I don’t break these... Promises …and they still feel all so wasted on myself. die welt zerfällt in farben ziehen vorbei und verschwimmen ineinander aufgelöst, konturlos – ich bin wasser schlägt in mir wellen der bässe rhythmus lotst mich durch die menge. was ist real bin vielleicht ich vielleicht die welt und wirklichkeit verschwinden… „Hey!“ Ich blinzele und nehme die Kopfhörer ab, schiebe sie in den Nacken. Die Töne, die eben voll und tief waren, dringen nur noch verzerrt an meine Ohren. Ich spüre das sanfte Vibrieren des Basses an meinem Hals. „Kai Hiwatari…“, sagt die Stimme, die es geschafft hat, bis zu mir vorzudringen. Ich drehe den Kopf und muss gegen die Sonne blinzeln. „Rei Kon“, stelle ich überrascht fest. Wir haben uns ja verdammt lange nicht mehr gesehen. Er sieht gut aus, wie immer. Ein braungebrannter, athletischer Beau; exotisch, trotz seiner schwarzen Haare. Wenn du ein Mädchen bist, ist es unmöglich, nicht auf ihn abzufahren –selbst wenn du behauptest, du würdest auf Bad Boys stehen, schmilzt du bei seinem schiefen Lächeln dahin. Wenn du ein Junge bist, würdest du töten, um nur für einen Tag seine Ausstrahlung zu haben. „Was machst du hier?“ Er fragt zuerst; vielleicht, weil er generell gesprächiger ist. Aber meine Reaktionszeit ist noch viel zu lang. Entschlossen greife ich nach meinem Handy und schalte die Musik aus. Endlich eine irdische Geräuschkulisse, die von Verkehr und viel zu vielen Menschen. Erst jetzt sehe ich wieder völlig klar. „Takao gibt im Park eine Beyblade-Stunde“, antworte ich schließlich und Rei hebt erstaunt die Augenbrauen. „Schon wieder?“ „Immer noch. Inzwischen bezahlt ihn die BBA dafür. Komm mit, er wird sich freuen. Oder hast du was anderes vor?“ „Nein.“ Rei schiebt die Hände in die Hosentaschen und geht neben mir her. „Ehrlich gesagt bin ich sowieso hier, um Urlaub zu machen. War ganz spontan, deswegen habe ich mich nicht angekündigt. Wenn ich dich nicht getroffen hätte, hätte ich in den nächsten Minuten einen von euch angerufen.“ „Hm“, mache ich. Bei Rei bin ich mir sicher, dass er es als Zustimmung versteht. Er ist da unkomplizierter als Takao, der seit Ewigkeiten versucht, mir beizubringen, auf seine Frage in ganzen Sätzen zu antworten. Rei grinst mich breit von der Seite an. Ich erwarte einen Kommentar á la „Du hast dich wirklich nicht verändert!“, doch der bleibt zum Glück aus. So etwas hört man ständig von ehemaligen Bladerkollegen, wenn die erfahren, dass man einen nicht geringen Teil seiner Freizeit immer noch in der Nähe von Bey-Arenen verbringt. Und das, obwohl ich einer der ersten Blader war, die damals aufgehört haben. Bei Takao ist es niedlich bis selbstverständlich, dass er sein Hobby zum Nebenjob gemacht hat. Ich kriege immer nur die mitleidigen Blicke und Bemerkungen ab. Aber ich wäre ja nicht Kai Hiwatari, wenn mir das Ganze nicht am Arsch vorbei gehen würde. Der kurze Gang durch die Sonne reicht aus, damit wir beide durchgeschwitzt sind. Im Schatten der Bäume wird es endlich kühler, und Rei atmet erleichtert aus. „Und bei dem Wetter will Takao bladen?“, keucht er und ich hebe die Schultern. „Vermutlich treffen wir ihn und seine Schüler am Eisstand“, meine ich und wir werfen uns ein verschwörerisches Lächeln zu. Es wäre ja nicht das erste Mal. Doch dann bleibt Rei plötzlich stehen. „Was ist?“, frage ich. Er steht da wie ein Reh im Scheinwerferlicht und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. „Hörst du das?“ Ich seufze. „Natürlich nicht, Catboy, meine Ohren sind lärmgeschädigt.“ „Beyblades“, klärt er mich auf, „Und es hört sich nicht gerade nach einem Amateurkampf an.“ Das genügt. Automatisch beschleunigen wir unsere Schritte und eilen in Richtung der Arenen. Irgendwann höre auch ich das Geräusch von Metall auf Metall. Rei hat Recht: Das klingt eher nach einem Profimatch als nach einem kleinen Übungskampf. Die Schlagintervalle sind viel zu kurz. Wahrscheinlich denken wir beide das gleiche: Worauf hat Takao sich da wieder eingelassen? Einige der jungen Spunde sind inzwischen auf einem verdammt hohen Niveau, und das nicht nur in Japan. Vielleicht ist mal wieder irgendein neuer Herausforderer aufgetaucht, der dem einzigen dreifachen Weltmeister der Szene ans Leder will. Aber davon einmal abgesehen –es ist vollkommen ungesund, sich bei solchen Temperaturen einen ernsthaften Kampf zu liefern. „Ich sag dir was“, murmelt Rei, „Wenn der sich an meinem ersten Urlaubstag Ärger einhandelt, bin ich sauer!“ In diesem Moment kommt die Arena in Sicht. Es ist tatsächlich Takao, der da fröhlich seinen Blade kreisen lässt. Aber sein Gegner ist keine unbekannte, vermummte Gestalt, wie sonst immer. Es ist Hiro. Auf einmal will sich keines meiner Glieder bewegen. You got me so wild, How can I ever deny? Das Glas kühlt meine Stirn. Es regnet in Strömen und im Bus ist die Luft schwer und feucht. Ich starre nach draußen, wo das Wasser alles zu Schlieren verwischt. das licht ist flüchtig keimen gedanken auf und versinken wird alles, ich brauche nur zu warten. Ich gehe die leere Straße entlang und der Regen lässt mich ganz erkalten. Gänsehaut überzieht meine Arme, doch ich habe jedes Gefühl für Temperatur verloren. Es ist egal. Ich könnte die Augen schließen und mich von dem Rhythmus leiten lassen, der in mich strömt, bis ich meinetwegen irgendwann gegen eine Wand laufe. tropfen schlagen mir auf die wimpern ziehen meine lider zu langsam löse ich mich auf… Stille. Das Lied ist zu Ende. Mein Mund ist geöffnet. Ich habe automatisch angehalten. Ziehe die Augenbrauen zusammen. Urplötzlich spüre ich die Kälte und meine Hände wandern wie von selbst zu meinen Oberarmen. Über den Gebäuden haben sich die Wolken noch dichter zusammengeballt. Ein erster Blitz zuckt über dem Himmel und bringt mich endlich zur Besinnung. Ich beeile mich, renne die letzten Meter und gleich noch die Treppen im Haus nach oben zu meiner Wohnung. Erst dort bemerke ich, wie nass ich wirklich bin. Meine Kleidung tropft, doch als erstes kümmere ich mich um die teure Technik an meinem Körper: die Kopfhörer. Auch sie triefen, und ich hoffe inständig, dass sich ihr stolzer Preis nun auszahlt. Erst unter der Dusche erlaube ich mir, über Hitoshi nachzudenken. Nach all der Zeit lässt er sich endlich wieder blicken, und ich merke, dass ich eigentlich nur darauf gewartet habe, diesen großen, dunklen Mann wiederzusehen. Ich kann nicht anders, ich grinse breit der gefliesten Wand entgegen. You got me so wild… Zwischen uns hat es irgendwie immer…geknistert. Ich mag es, ihn so lange zu reizen, bis er die Fassung verliert. Er tut immer so, als wäre er die Ruhe in Person, dabei kann er binnen Sekunden zur Diva mutieren und alle anzicken. Und das bei seiner Statur. Aber ich weiß, dass er sich gerne von mir aufziehen lässt. Es ist wie ein Spiel, das so aussieht, als würden wir testen, wer von uns der „Stärkere“ ist –aber irgendwie geht es doch noch um etwas ganz anderes. Manchmal glaube ich, ich kann Sympathie nur bekunden, indem ich die jeweilige Person trieze. Dann müsste ich aber total verrückt nach Hitoshi sein. Vielleicht stimmt das ja auch. Ich kann mich an seinem wütenden Gesicht einfach nicht satt sehen. How can I ever deny? Kurz nachdem ich aus dem Bad komme, ruft Rei an. Ich setze mich auf die Couch und zappe durch das Fernsehprogramm. Draußen entlädt sich immer noch das Gewitter, das uns die drückende Hitze am Nachmittag beschert hat. Aber der Regen hat schon nachgelassen und mit etwas Glück ist in einer halben Stunde alles vorbei. Als ich abhebe, läuft gerade eine Kochshow. „Takao will Party machen“, sagt Rei, „Er nervt mich die ganze Zeit damit, aber ich hab keine Lust, als einziger mitzugehen.“ Ich brumme zustimmend. Allein mit Takao unterwegs zu sein ist eine Qual. Er geht ständig verlustig, und du bist den ganzen Abend damit beschäftigt, ihn zu suchen, damit er ja nichts Dummes anstellt. Er hat da wirklich ein Talent für. Ich schalte weiter. Verkaufssendung. Deswegen ist es immer besser, in einer Gruppe unterwegs zu sein, wenn Takao dabei ist. Dann kann man abwechselnd ein Auge auf ihn haben. Krimi. Tierdoku. „Naja, ich weiß nicht…“, meine ich gedehnt. „Hitoshi sagt gerade, er kommt auch mit“, ergänzt Rei, „Ich weiß ja nicht, ob dir das bei deiner Entscheidung hilft, aber ich glaube, der große Bruder könnte Wunder in Sachen Takaos Verhalten wirken.“ „Hm, könnte durchaus passieren“, murmele ich. Musikvideos. Yay. Ich lege die Fernbedienung weg. Dann ein Rascheln auf der anderen Seite der Leitung. Ich werfe einen Blick auf mein Handy, doch der Empfang ist gut. Als ich es wieder ans Ohr lege, höre ich noch ein undeutliches „Hey!“ von Rei, bevor eine andere, vertraute Stimme spricht. „Du solltest wirklich mitkommen“, sagt Hiro und ich spüre, wie sich alle Härchen an meinem Körper aufstellen. „Wenn du meinst?!“, entgegne ich und merke zufrieden, dass auch ich die richtige Tonlage auf Anhieb gefunden habe: Wenn ich leiser spreche, klinge ich automatisch etwas heiser, und bis jetzt habe ich noch niemanden getroffen, der das nicht in irgendeiner Weise erotisch fand. „Tue ich.“ Ich sehe sein Gesicht praktisch vor mir. Dieses schiefe Lächeln und das drohende Aufblitzen in seinen Augen dabei, das dir zeigt, dass es Konsequenzen haben wird, wenn du nicht das machst, was Hiro will. Obwohl ich diese Konsequenzen ja schon gerne in Kauf nehmen würde, nur um mal zu sehen, wie sie so sind… „Ist okay, ich komme mit“, sage ich dann, „Aber wir gehen in einen ordentlichen Club. Und wir hängen nicht den ganzen Abend aufeinander. Ich hasse das.“ „Guter Junge.“ Ich drücke meine Lippen auf das Handy, gebe ihm einen akustischen Kuss und sage: „Arschloch.“ Nur ein paar Augenblicke später, nachdem das Organisatorische mit Rei geklärt ist, lege ich auf. Eine halbnackte Lady Gaga hüpft vor meinen Augen hin und her. Ich lasse sie hüpfen und stehe auf, um wieder zurück ins Bad zu gehen. Die Frisur muss sitzen, und das wird lange genug dauern. Später gehen wir als Grüppchen die Straße zum Club entlang und ich starre Löcher in Hitoshis Rücken. Er hat sich nicht so herausgeputzt wie Rei und ich (Wir sind Styler. Wir gehen nicht casual zu einer Party.), aber das würde ihm auch nicht stehen. Hiro schafft es, mit wenigen Handgriffen gut auszusehen: Eine knackige Jeans, ein schönes Hemd, augenscheinlich zweimal nachlässig durch die Haare gefahren, fertig. Die Türsteher knurren uns an, denn es wäre natürlich schöner, wenn wir ein paar Frauen dabei hätten; aber scheinbar sind davon schon genug im Club, sodass sie uns doch reinlassen. Sobald wir von der Garderobe kommen, stürmt Takao davon. Wir sehen uns seufzend an und beschließen, an die Bar zu gehen und den ersten Drink zu nehmen. Solange Takao nüchtern ist, findet er uns noch allein; später sollten wir ihn im Auge behalten. „Ich gebe einen aus, was haltet ihr davon?“, fragt Hiro und sieht Rei nur aus Höflichkeit einmal kurz an. Eigentlich ist die Frage an mich gerichtet. „Da sag ich nicht nein“, entgegne ich, bevor ich mich demonstrativ abwende, um mit Rei zusammen die Getränkekarte zu studieren. Ich merke, wie Hiro uns dabei beobachtet, und obwohl ich es nicht sehe, weiß ich, welche Miene er dabei aufgesetzt hat. Eine äußerst zufriedene. Die Drinks in der Hand lehnen wir uns schließlich an den Tresen und beobachten das Kommen und Gehen zwischen Eingang und Tanzfläche. Der Club ist gut gefüllt, die Stimmung okay und die Frauenquote tatsächlich hoch genug. Ich lasse meinen Blick kurz in Hitoshis Richtung schweifen und stelle fest, dass er auf die gleiche Idee gekommen ist. Wir sehen uns beinahe verschwörerisch an. So. Und wie werden wir Rei jetzt los? Gott, ich will tanzen. Bei diesem schnellen, elektronischen Rhythmus kann ich einfach nicht still stehen. Das erinnert mich immer an die kurze Zeit, die ich mit Team NeoBorg in Russland verbrachte, noch vor der letzten Weltmeisterschaft. Wir sind verdammt oft weggegangen –trotz Yuriys strengen Trainingsplans, man höre und staune!– und haben die Nächte in irgendwelchen Clubs durchgemacht. Ich liebe Diskotheken. Im Alltag werde ich oft von Fremden beobachtet und beurteilt; das ist einfach so, wenn man ein bisschen bekannter ist, als andere -aber im Gedränge einer Party mit ihren bunten, flackernden Lichtern kann man so gut abtauchen. Und dann die Musik: Sie nimmt dich ganz in Besitz. Die Welt verschwimmt. Nur die Farben bleiben. Konturlos. Und strahlend. Brennen sich in meine Augen. Ohne es wirklich zu bemerken, bewege ich mich, oder besser: Mein Körper reagiert ganz automatisch auf die Töne, die auf ihn einprasseln. Ich fange Reis Blick auf und wir grinsen uns breit an. Er trinkt den letzten Schluck aus seinem Glas und stellt es auf den Tresen, bevor er in Richtung Tanzfläche zeigt. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Am Rande bekomme ich mit, dass Hiro zurückbleibt, aber er wird wohl nicht lange allein dort stehen bleiben wollen. Rei lotst mich zwischen die Leute, wo es warm und stickig ist und sich alles noch verschlimmert, als kurz nachdem wir ankommen eine Ladung Kunstnebel über uns geblasen wird. Obwohl Rei nur eine Elle von mir entfernt sein kann, sehe ich ihn nicht mehr. Die Musik verändert sich. Es geht etwas mehr in Richtung Trance, aber der Bass bleibt hart und stetig, wie es sich gehört. Rei fängt an zu tanzen, unsere Körper stoßen in regelmäßigen Abständen aneinander, während sich der Nebel wieder legt. Rei ist ein guter Tanzpartner, aber das mag auch an der Vertrautheit zwischen uns liegen. Wir verstehen uns gut, und ich zeige mich gerne mit ihm, denn optisch lässt er ja wirklich nichts zu wünschen übrig. Außerdem ist er erfrischend leise. Andere Leute wollen sogar beim Tanzen ständig reden, obwohl sie eigentlich genau wissen müssten, dass du sie sowieso nicht verstehst und es einfach nur nervt, wenn dir laufend jemand ins Ohr schreit. Rei und ich verständigen uns meistens mit Blicken. Die ganze Menge bewegt sich hin und her, zwingt uns dazu, uns ihr anzupassen. Bald stehen wir beinahe in der Mitte der Tanzfläche. Um uns herum jubeln alle dem DJ zu, der einen guten Song nach dem anderen auflegt und es irgendwie schafft, dass sie beinahe nahtlos ineinander übergehen. Man kommt gar nicht erst auf die Idee, eine Pause zu machen. Ich schließe die Augen. You got me so wild, How can I ever deny? You got me so high, So high I cannot feel the fire. And you keep telling me, Telling me that you’ll be sweet… Wieder legt sich Nebel über uns. Ich spüre, wie die Luft ein wenig feuchter wird. Und dann wird mir klar, dass Rei nicht mehr da ist. Kurz sehe ich mich um, aber der Nebel ist viel zu dicht. Ist das dort Takao? Dann ist Rei vielleicht zu ihm gegangen. Was soll’s. Ich tanze allein weiter. And you’ll never want to leave my side, As long as I don’t break these... Jemand umarmt mich –nur kurz, dann streichen zwei Hände über meine Taille. Ich drehe mich um und erkenne einen großen Mann im Dunst. Hiro. In den nächsten Sekunden wird die Sicht wieder klar. …promises, And they still feel all so wasted on myself. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und halte mich an seiner Schulter fest. „Hast du dich allein gefühlt?“, sage ich laut und provokant in sein Ohr. Er reagiert schnell und lässt mich erst gar nicht wieder zurückweichen. „Ein bisschen“, antwortet er, „Tanzt du mit mir?“ Ich hebe eine Augenbraue und sehe ihn von unten an. Niemand soll glauben, dass er mich leicht um den Finger wickeln kann. Aber ich gehe nicht weg, sondern bleibe gerade so nah, dass wir uns berühren können, wenn wir uns ein wenig mehr bewegen. Seine Hand streift mich wie zufällig; es lässt mich erschauern –kurz breitet sich ein taubes Gefühl von meinem Bauch über den ganzen Körper aus und verklingt ebenso schnell wieder– doch ich breche den Blickkontakt nicht ab. Im Gegenteil: Es wird irgendwie immer intensiver. You got me so wild Why should I be so surprised? Mir liegt nicht einmal eine spitze Bemerkung auf der Zunge. Eigentlich will ich gar nichts sagen, sondern ihn einfach nur ansehen. Die Bässe pressen sich in meine Ohren. Ich kann nicht klar denken. Die Farben sind leuchtend und grell; nur weil sie sich ständig ineinander vermischen, blenden sie nicht. Alles verschwimmt, doch Hitoshis Gesicht behält seine Konturen. Nur beiläufig bemerke ich, dass er vorsichtig mein Gesicht berührt. Seine Finger spielen mit einer Haarsträhne –normalerweise hätte ich seine Hand weggeschlagen. Niemand fasst meine Haare an, wenn ich sie erst einmal mühsam mit Gel und Spray fixiert habe. –Aber das ist unwichtig. Ich könnte lauthals über mich selbst lachen, doch das einzige, was meinen Mund erreicht, ist ein süffisantes Grinsen, das von Hiro erwidert wird. Er streicht flüchtig über meine Wange. Jemand rempelt mich von hinten an und ich nutze die Gelegenheit, um Hiro näher zu kommen. Wir werden aneinander gedrängt. Mein Arm legt sich wie von selbst um ihn. Er ist so warm; diese Hitze hüllt mich ganz ein. Obwohl meine Lider schwerer werden, wende ich meine Augen noch immer nicht von ihm ab. Ich weiß, was er sieht, und ich will, dass er es sieht. You got me so high Don't you see it in my eyes? Endlich beugt er sich zu mir herunter und sagt etwas in mein Ohr. „Lass uns woanders hingehen.“ Ohne eine Antwort abzuwarten zupft er an meinem Shirt und bahnt sich einen Weg durch die Menge. Ich folge ihm, den Blick auf seinen Rücken gerichtet. Wir sind beide vollkommen verschwitzt. Es gibt in diesem Club ein paar versteckte Ecken. Da geht wirklich kaum jemand hin; selbst ich habe ein oder zwei von ihnen erst entdeckt, als ich mich eines schönen Tages verlief. Nicht einmal zum Rummachen kommt jemand dorthin. Liegt vielleicht daran, dass du inzwischen schon eng mit jemandem verschlungen auf der Tanzfläche stehen kannst, ohne dass jemand Notiz von euch nimmt. Doch Hitoshi führt mich in eine dieser Ecken. Wieder hebe ich eine Augenbraue, um Skepsis anzudeuten, doch eigentlich will ich nur wissen, wie er mich dazu bringen will, den letzten Schritt zu machen. And you keep telling me Telling me that you'll be sweet Er zieht mich zu sich heran, hält mich so fest, dass ich nicht mehr zurückweichen kann, drückt mich an die Wand und küsst mich. Das mag ich an ihm: Seine Bestimmtheit. Der Beton an meinem Rücken ist eiskalt, doch Hiro bedeckt mich ganz mit seinem warmen Körper. Ich hatte noch nie…nein, ich hatte wirklich noch nie etwas mit jemandem, der so groß ist. Normalerweise überrage ich immer alle. Ich würde es wahrscheinlich nicht schaffen, ihn von mir wegzudrücken, wenn es mir zu viel wird –aber im Moment will ich das auch gar nicht. Im Gegenteil: Er stützt sich auf meiner Schulterhöhe an der Wand ab, und ich lege jetzt beide Arme um ihn, damit ich ihn noch näher zu mir ziehen kann. And you'll never want to leave my side As long as I don't break these… Seine Lippen lösen sich von meinen, aber er gibt mir gar keine Zeit, einmal tief durchzuatmen, denn schon küsst er meinen Hals. Er findet sofort die richtige Stelle. Meine Augen fallen zu und ich kann nicht verhindern, dass mir ein kurzes Stöhnen entweicht. Sonst wäre seine Nähe unerträglich geworden. Er muss mich gehört haben, denn er unterbricht sich und wir sehen uns wieder an. Ich kann in seinem Blick so deutlich lesen, als würde er mit mir sprechen: Hitoshi geht es so wie mir. Ich mache ihn vollkommen verrückt. „Ich sag dir was, Kai“, meint er und klingt dabei ein wenig außer Atem, „Du kannst mit mir machen, was du willst. Ich tue alles. Aber weißt du…“ Er zieht einen Mundwinkel ein Stück nach oben. „…Am besten würde es mir gefallen, wenn du mich mit nach Hause nimmst.“ Ich setze eine nachdenkliche Miene auf und lasse meine Finger wie zufällig unter sein Hemd gleiten. Langsam taste ich mich nach vorn und lege meine Hände auf seinen Bauch, wo sich ein paar feste Muskeln unter der Haut abzeichnen. Er kommt mir wieder näher. „Danke für den Tipp“, sage ich mit meiner leisen, heiseren Stimme, „Ich werd sehen, was sich machen lässt…“ …promises, And they still feel all so wasted on myself. Man kann unseren Weg zum Schlafzimmer genau erkennen. Überall liegen Kleidungsstücke und Gegenstände, die wir in der Eile umgestoßen oder von irgendwo heruntergeworfen haben. Auf meinem Handy sind ungefähr ein Dutzend entgangene Anrufe, allesamt von Rei und Takao. Wir sind einfach so gegangen, ohne ihnen Bescheid zu sagen. Naja. Immerhin sind wir gemeinsam verschwunden, also werden sie sich hoffentlich gedacht haben, dass wir zusammen noch irgendwo einen heben gegangen sind. Hitoshi liegt neben mir auf dem Rücken und schläft tief und fest, obwohl ihm die Sonne genau ins Gesicht scheint. Ich lasse das Handy auf den Boden fallen, drehe mich wieder zu ihm um und betrachte ihn. Ich hätte ihn schon früher so anstacheln müssen, dann wäre alles viel schneller gegangen. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall. Ich konnte kaum schlafen, weil er mich die ganze Zeit wach hielt. Und was hat er jetzt davon? Ich bin süchtig nach seinen fordernden Berührungen. Vorsichtig rutsche ich an ihn heran und beuge mich über ihn, um seinen Hals zu küssen. Es dauert eine Weile, bis er langsam wach wird und mich schließlich mit einem Ruck ganz auf sich zieht. Für ihn muss ich ein Fliegengewicht sein; jedenfalls fällt es ihm nicht schwer, mich hochzuheben und dorthin zu legen, wo er mich haben will. Ich hebe den Kopf, stütze mich ab und sehe in seine Augen, die noch ganz verhangen vom Schlaf sind. Während er mich betrachtet, breitet sich ein zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht aus. „Na was sagt man dazu?“, meint Hiro leise, „Der große Kai Hiwatari liegt nackt auf mir. Wie habe ich das denn geschafft?“ „Das ist eine verdammt gute Frage“, entgegne ich, „Der große Kai Hiwatari ist wohl auch nicht mehr das, was er mal war. Würde zu gern wissen, was er sich dabei gedacht hat.“ „Das Richtige“, befindet er lakonisch und handelt sich dafür einen halbherzigen Schlag ein. Ich rolle mich von ihm herunter und will das Bett verlassen, doch kurz nachdem ich auf beiden Beinen stehe, packt Hiro mich am Arm und zieht mich zurück. Ich finde mich unter ihm liegend wieder und seufze theatralisch. „Was?“ Anstelle von einer Antwort bekomme ich einen Kuss. „Hey.“ Ich drücke Rei einen Kaffeebecher in die Hand und wir machen uns auf den Weg. Schon um diese Uhrzeit ist es so heiß, dass die Sonnenbrille auf meinem Nasenrücken nach unten rutscht. Wir tasten uns von Schatten zu Schatten, bis wir endlich im Park sind. „Wenn sie bei dem Wetter bladen, werde ich sie niederschlagen“, beschließe ich laut und meine Takao und Hitoshi. Letzterer freut sich wie ein kleines Kind über jedes Match, das er austragen kann, und sein Bruder lässt sich das ja erst recht nicht nehmen. Wenn ich ihn darauf anspreche, behauptet Hiro immer, das Bladen würde ihn an die sorglosen Tage seiner Jugend erinnern. Dafür ziehe ich ihn regelmäßig auf. Ich bohre und stichele, bis er aussieht, als wäre er kurz vorm Platzen. Und dann ziehe ich ihn aus. Wahlweise auch mich, wenn er mich nicht an sich ranlässt. In jedem Fall führt meine Aktion unweigerlich zu Sex. „Du, sag mal, Kai…“, fragt Rei und reißt mich aus meinen Gedanken. „Hm?“, mache ich. „Also, ich weiß nicht, ob diese Frage jetzt berechtigt ist, ich meine, ich weiß ja, wie du tickst, hab aber keine Ahnung, ob das auch auf ihn zutrifft, aber…Du und Hiro. Läuft da was?“ Es wundert mich nicht, dass er was gemerkt hat. Er ist Rei Kon, eine der wenigen Personen, bei der es mir wirklich schwer fällt, etwas verborgen zu halten. Und es ist inzwischen auch lange genug gut gegangen. Ich nehme einen Schluck Kaffee und werfe ihm über den Becherrand hinweg einen vielsagenden Blick zu. Reis Augenbrauen schießen in die Höhe. „Aha. Und…Habt ihr vor, das irgendwie…offiziell zu machen?“ Wieder genügt ein Blick: Ich verdrehe die Augen. Er hebt entschuldigend die Hände. Darüber haben Hitoshi und ich nie gesprochen und werden es auch nicht tun. Das zwischen uns ist auf spontane Handlungen begrenzt, auch wenn wir in letzter Zeit ziemlich oft auf diese spontanen Handlungen zurückgreifen. Seit dem Diskobesuch läuft es eigentlich immer so, dass ich irgendwann einen Anruf bekomme und Hitoshi mir sagt, ich soll da- und dahin kommen. Darauf habe ich nicht reagiert, deswegen änderte er seine Taktik und fragt jetzt nur noch, wo wir uns treffen wollen. Dass er mich sehen wird, stellt er jedoch nie in Frage. Wir kommen bei den Arenen an und erblicken Takao, der Eis essend auf einer Bank sitzt. Er begrüßt uns fröhlich und erklärt, er habe die heutige Stunde aufgrund der Hitze ausfallen lassen. Und ob wir vielleicht auch ein Eis wollen. „Wo ist Hiro?“, frage ich wie beiläufig und sehe mich suchend um. Takao hebt die Schultern. „Der wird seine Sachen packen“, meint er, „Sein Flug geht morgen Früh.“ Bitte? „Flug?“, hake ich nach. „Ja, hat er das gar nicht erzählt? Gibt wohl wieder Geld für die eine Ausgrabung am Tiber, da will er hin. Kai?...He, wo willst du denn hin?“ Ich habe mich auf dem Absatz umgedreht und gehe außer Hörweite von Rei und Takao, bevor ich mein Handy aus der Tasche ziehe. Ich habe seine Nummer halb eingegeben, da ruft Hitoshi mich selbst an. „Was willst du, Arschloch?“, zische ich in den Hörer. „Ich stehe vor deiner Tür“, entgegnet er. Ich brauche ein paar Augenblicke, um den Sinn seiner Worte zu begreifen. „Was?“ „Komm her“, sagt er. Was, wenn nicht? Verflucht noch mal, warum sollte ich? Ich könnte ihn einfach hinfliegen lassen, wo der verdammte Pfeffer wächst. Doch ich sage lediglich: „Ich bin in zwanzig Minuten da.“ und lege auf. „Guck nicht so“, fordert Hitoshi etwa eine Stunde später, denn der Sex hat mich natürlich nicht vergessen lassen, dass ich wütend auf ihn bin. Ich kehre im demonstrativ den Rücken zu. „Du redest doch sonst immer so viel“, meine ich, „Warum hast du mir nicht einfach gesagt, dass du wieder weg musst?“ Er legt einen Arm um mich und schmiegt sich an meinen Rücken. „Sag bloß, du wirst mich vermissen?“ Sein Atem trifft meinen Nacken. „Nein“, entgegne ich bestimmt, „Es wäre nur höflicher gewesen.“ Und hinter mir erklingt sein dunkles Lachen. Er küsst meine Schulter. „Ich werde dich aber vermissen“, murmelt er. Ich versteife mich. Hiros Griff verstärkt sich und er dreht mich auf den Rücken, damit ich ihn wieder ansehen kann. Ich blicke fassungslos zu ihm auf und ihm fällt nichts Besseres ein, als meinen Gesichtsausdruck zu belächeln. „Wow“, kommentiert er, „Sollte ich dich tatsächlich einmal um eine Antwort verlegen gemacht haben?“ Hat er. Mir fällt gerade wirklich keine passende Erwiderung ein. Hitoshi scheint mit sich zufrieden zu sein. „Du solltest es ausnutzen, solange ich noch da bin“, meint er leichthin. Ich boxe gegen seine Schulter. „Halt’s Maul.“ „Sonst was?“ „Sonst werde ich auf der Stelle das Bett verlassen, dich nackt aus meiner Wohnung werfen, warten, bis du endlich wieder im Sand buddelst und mir deinen Bruder als Liebhaber nehmen“, zähle ich ihm auf. Er lacht schon wieder. „So was würdest du mir antun?“ „Du weißt genau, zu was ich fähig bin“, entgegne ich selbstzufrieden und bemerke tatsächlich, wie Hiro die Augen ein kleines Stück zusammenkneift, als wolle er in meinen Gedanken lesen, wie ernst es mir ist. „So lange werde ich doch gar nicht wegbleiben…“, murmelt er und klingt sogar beleidigt. „Was heißt das? Nur zwei Monate? Drei? Anstatt ein halbes Jahr?“ Jetzt verlasse ich tatsächlich das Bett und suche meine Sachen zusammen, die im Zimmer verstreut herumliegen. „Verarsch mich nicht, Hiro. Wenn du gewollt hättest, dass ich wie ein kleines Frauchen hier warte, bis du dich wieder nach Hause bequemst, hättest du mir schon viel früher gesagt, wann dein Urlaub zu Ende ist.“ „Ach, und das hätte funktioniert?“, fragt er belustigt, „Wenn ich das gewusst hätte…“ Dieses Mal erspare ich mir die Antwort. In der Küche steht eine Kanne Kaffee, das ist jetzt genau das Richtige. Während ich im Schrank nach einer großen Tasse suche, versuche ich zu ergründen, wie sehr es mir wirklich etwas ausmacht, dass Hitoshi ab morgen nicht mehr da sein wird. Klar, schade ist es schon. Aber ich kann auch sehr gut ohne ihn auskommen, denke ich. Ich habe gerade die Kanne in die Hand genommen, als Hiro mich von hinten umarmt. „Ich will doch gar nicht, dass du hier wie ein Frauchen auf mich wartest“, raunt er mir ins Ohr. Schon wieder diese Gänsehaut, die an meinen Armen hinaufklettert. „Aber es wäre schon schön, wenn du nicht so tun würdest, als hätten wir nie was miteinander gehabt. Nicht schon wieder, bitte.“ Ich drehe mich in seinen Armen um und lächle süffisant zu ihm auf. „Sag bloß, du hast jetzt endlich genug davon?“ Ich habe gewusst, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es ihm zu viel wird, mich immer und immer wieder erobern zu müssen. Aber diese Lektion gebe ich ihm gerne, allein, um ihn von der Überzeugung zu befreien, dass er nur mit den Fingern schnipsen muss, um zu bekommen, was er will. Es hat ihm trotzdem erstaunlich lange Spaß gemacht…Vielleicht hat er es für ein Spiel gehalten. „Wir könnten es ja mal mit so einer Art…Teilzeitbeziehung versuchen, oder?“, schlägt er vor. „Ich weiß nicht…“, antworte ich gedehnt. Hiro stützt sich rechts und links von mir auf der Arbeitsfläche ab und beugt sich zu mir herunter. Sein Körper verdeckt mich ganz. Wir sehen uns an. „Du musst dich ja nicht jetzt entscheiden“, fängt er wieder an, „Du kannst es mir auch einfach deutlich machen, wenn wir uns wiedersehen.“ …promises, And they still feel all so wasted on myself. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)