Kaltherzig von P-Chi ================================================================================ Kapitel 12: the bloodthirsty prisoners -------------------------------------- Es waren kaum zwei Tage vergangen und noch immer schien diese Kluft zwischen mir und Tristan zu bestehen, nachdem ich erfolglos versucht hatte unsere Beziehung zueinander klarzustellen. Er wollte nicht hören und ich wollte es nicht aussprechen. Es war ein stummes Abkommen zwischen uns, das uns davor bewahren würde, noch tiefer zu graben. Es war gut so wie es war. Ich war hier sicher vor meiner Schwester und Tristan hatte mich in seiner Nähe, auch wenn ich mir nicht Gewiss sein konnte, dass es nicht grausamer war, als einfach aus seinem Leben zu verschwinden. Im Augenblick saßen wir in einer Art Speisesaal, etwas abseits von den anderen Werwölfen, die in kleinen und großen Gruppen unterteilt waren. Es gab keine Tische im weitreichenden Sinne, sondern eher von Klauen geformte Gesteinsbrocken, die im gesamten Höhlenraum verstreut waren und an einer Wand wie ein kleiner Berg aufeinander gestapelt waren. Auf dem größten Felsbrocken standen drei Kessel, mit einer Brühe darin, die aussah wie eine Mischung aus Suppe und zermatschtem Fleisch, an denen sich die Rudelmitglieder nach Belieben bedienten. Die Suppe hatte eine bedenkliche bräunliche Färbung angenommen, die mir absolut nicht behagte, doch Tristan schlürfte es in sich hinein, als wäre er ein Gestrandeter, der kurz davor stand einen Hungertod zu erleiden. Umbringen würde ihn diese Brühe jedoch wohl kaum. Ich war zuversichtlich, nachdem mir klar wurde, dass diese Suppe hier des Öfteren serviert wurde, da die Vorräte an gutem Essen knapp waren. Allein die Frage, wie die Werwölfe in solch einer großen Gruppe so lange überleben konnte, bereitete mir Kopfzerbrechen, aber ich hielt es für das Beste Tristan vorerst mit meinen Fragen zu verschonen, ehe er nicht wieder vollständig zu Kräften gekommen war. Außerdem wollte ich nicht den Anschein erwecken, als versuche ich ihm geheime Informationen zu entlocken, solange die anwesenden Werwölfe mich mit unbarmherzigem Argwohn beobachteten. Ich wusste nicht, wie ich es vollbracht hatte den Hass der anderen, nach Logans Verschwinden, noch mehr zu schüren, doch ich schien das reinste Naturtalent darin zu sein. Zwar mochte ihr Abscheu berechtigt sein, doch ich war überzeugt, dass seine Majestät Stillschweigen geleistet hatte und seinen Vertrag mit mir nicht brechen würde. Er war nicht ehrenlos genug, um seine eigenen Abkommen zu brechen. Gefühllos erwiderte ich die Blicke, begegnete dem ein oder anderem bekanntem Gesicht, doch das türkise Augenpaar nach dem ich Ausschau hielt, war nicht aufzufinden. Mein Unmut wurde mit jedem Tag, jeder Stunde, größer. Und innerlich verfluchte ich mich in allen mir bekannten Sprachen, dass ich auch nur einen Gedanken der Sorge an den König der Werwölfe verschwendete. Wenn ich ihn in der Nähe wusste, seine geballte Wut entgegen geschleudert bekam, beschlich mich ein Gefühl des Friedens und der Gewohnheit, statt mir Horrorszenarien der schlimmsten Sorte ausmalen zu müssen, die mich nur noch weiter in den Abgrund trieben. Ich versuchte meine unnützen Gedanken auszublenden, versuchte mich wieder voll und ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und beobachtete Tristan dabei wie er die letzten Reste aus seiner hölzernen Schüssel kratzte. Ein plötzlicher Lufthauch traf mich im Nacken, so unerwartet und jäh, wie das Gefühl hinterrücks angegriffen zu werden, dass ich nur auf eine Weise zu reagieren wusste. Ich wirbelte herum, packte die Hand, welche sich nach mir ausgestreckt hatte und verdrehte das Handgelenk so, dass der Mann auf ein Knie fiel und das Gesicht vor Schmerz verzog. „Verflucht, das tut weh!“ Noch nicht gewillt, einfach so loszulassen, ließ ich meinen prüfenden Blick über den jungen Erwachsenen mit dem sandfarbenem Haar, den verschleierten blauen Augen, der breiten Stirn und dem kleinen Mund wandern und befand schließlich, dass es sich nicht lohnte, ihn weiterhin zu quälen. „Ich kenne Euch“, sagte ich, mehr zu mir selbst als zu ihm und ließ sein Handgelenk los. „Das will ich doch hoffen“, erwiderte er hochmütig und stand auf, so dass wir nun auf gleicher Höhe waren, denn er war kaum größer als ich selbst. Dann aber lächelte er und das angehaltene Schweigen, das den Raum ergriffen hatte, löste sich langsam auf. Tristan warf uns von seinem Platz aus ein spitzbübisches Grinsen zu. „So schnell wieder auf den Beinen, Lyon? Wie geht es Peter?“ Nun fiel es mir schlagartig wieder ein. Er war einer der Jungen, die ich aus dem Kerker des Schlosses befreit hatte, um Tristan das Collier zurückbringen zu lassen! Die Gefangenschaft hatte äußerlich kaum Spuren an ihm hinterlassen, doch wenn man in diese nichtssagenden Augen blickte, mit den schlaffen Gesichtszügen, die keine wahre Freude ausdrücken zu schienen, konnte man erkennen, dass die Vampire ihm ein unverkennbares Zeichen auf die Seele gedrückt hatten. „Er lebt“, antwortete Lyon schlicht, als gebe es keine bessere Nachricht. „Das ist mehr als ich erwartet habe, aber Apple kümmert sich gut um ihn.“ „Hoffentlich macht sie es ihm nicht allzu schwer. Was die Genesung angeht, kann Apps ganz schön herrisch sein“, erwiderte Tristan verständnisvoll. „Was du nicht sagst.“ Lyon verzog das Gesicht, als Tristan ihm aufmunternd auf die Schulter klopfte. Ich räusperte mich leicht. Die Aufmerksamkeit der beiden wurde mir wieder zu teil und ich deutete mit einem Kopfnicken auf den Jüngeren, der mich in der Gegenwart seines Freundes bereits vollkommen vergessen hatte. Mit fester Stimme sagte ich: „Da ich diejenige war, die so unverblümt angefasst wurde, nehme ich an, dass Ihr zu mir wolltet. Also? Was wollt Ihr?“ Seine Wangen nahmen einen rötlichen Schimmer an und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich wollte mich für die Rettung ... bedanken und, äh, ich habe gehört du magst Schmuck, deswegen habe ich dir das hier mitgebracht.“ Es war ein Kolibri mit einem goldenem Schnabel, kleinen, blauen Diamanten die die von sich gestreckten Flügel abdeckten und einem bezaubernden Brustkorb, der abwechselnd rosa und violett schimmerte. Ich konnte meine Vorliebe für glänzende, funkelnde und wertvolle Dinge nicht abstreiten, konnte mich aber nicht wirklich dazu durchringen die Brosche anzunehmen, die er mir in ungeduldiger Erwartung hinhielt. Da ich nicht unhöflich, geschweige denn unfair erscheinen wollte, nahm ich Lyons Cadeau mit ausdrucksloser Miene an, konnte mich aber, wie schon bei Tristan, nicht über das Geschenk freuen. Dieser allerdings, schien ebenfalls alles andere als glücklich zu sein und fixierte seinen Freund wie einen ernst zu nehmenden Rivalen. „Was hast du vor, Lyon?“, knurrte er und blähte die Nüstern. „Sag, willst du mich reizen?“ „Nein!“, erwiderte der Jüngere sofort empört. „Verflucht, ich wollte mich doch nur bedanken!“ „Worte wären genug gewesen!“, fauchte Tristan und sprach an meiner Stelle, was ich absolut nicht gut hieß. Die Eifersucht zischte in ihm wie ein Nest voller Schlangen und ich hatte Schwierigkeiten damit, höflich über die aufkeimende Aggressivität hinweg zu sehen. Ich sah zwischen den beiden hin und her. Sollte ich eingreifen? Sollte ich nicht? Wieder herrschte Stille untern den Zuschauern. Das Gespräch eskalierte zunehmend. Mittlerweile wurde auch Lyon von widerspenstigem Zorn erfüllt. „Woher sollte ich das denn wissen?! Sie ist ein Blutsauger und es war das erstbeste was mir eingefallen war!“ „Hüte dich, dieses Wort noch einmal in ihrer Gegenwart auszusprechen!“, knurrte Tristan und machte Anstalten auf seinen Freund loszugehen, doch bevor ich auch nur den Mund aufmachen konnte, spürte ich die starke Präsenz einer bestimmten Person hinter mir, gefolgt von dem starken Geruch von Schnee, und wurde im nächsten Moment von einem tiefen Grollen hinter meinem Rücken begrüßt, das mir einen kalten Schauer die Wirbelsäule hinunter jagte. „Was geht hier vor?“, fragte Logan ruhig und gleichzeitig ziemlich genervt, als wäre er nie fort gewesen und müsse sich zum wiederholten Male um seine aufsässige Verwandtschaft kümmern, die nichts als Unsinn im Kopf hatte. Ich reckte mein Kinn unbeugsam nach oben, streckte meinen Rücken gerade durch und drehte mich um, um ihm mit dem stolzesten Blick gegenüber zu treten, den ich aufbringen konnte. In seinen ungnädigen, türkisen Augen lag ein merkwürdiger Ausdruck, als er mich musterte und sein Blick dabei auffällig lange auf Tristans Collier lag, ehe er sich nahezu gleichgültig abwandte. „Logan, gut das du da bist“, begrüßte Lyon seinen Anführer mit sichtlicher Erleichterung, da er dieses Missverständnis sicherlich wieder in Ordnung bringen konnte. „Tristan will mir nicht glauben, dass ich ihr“, er nickte in meine Richtung und ich rümpfte beleidigt die Nase, “die Brosche nur als Dank schenken wollte – ohne Hintergedanken!“ „Er will sie doch bestimmt umgarnen!“, schoss Tristan zurück und zog mich von Logan weg, der uns alle mehr als kritisch musterte. „Ach, wäre der Kopf eines Werwolfs etwa besser gewesen?!“, schrie der Jüngere und ein kalter Luftzug wehte über unseren Köpfen hinweg, der angeregte Diskussionen sofort einstellte und entsetztes Luftschnappen durch die Reihen schickte. Ich rieb mir die Schläfen und fragte mich, ob ich eigentlich das Recht hatte mich einzumischen? Ich wollte mich nicht mehr als nötig in dieses kindische Geplänkel einmischen, andererseits konnte ich Tristans eifersüchtiges Verhalten nicht mehr lange ertragen. Was bildete er sich eigentlich ein, für mich sprechen zu dürfen? Ich war nicht sein verdammter Besitz, denn er mit Krallen und Zähnen zu verteidigen hatte! Ich öffnete den Mund, doch seine Majestät unterbrach mich barsch, mit einem bellenden Laut, der keine Wiederworte duldete. „Es reicht! Hört auf euch wegen so einer Lappalie zu streiten.“ Er sah mich zwar nicht an, doch ich wusste ganz genau, dass diese Bemerkung besonders an mich gerichtet war – die Ursache allen Übels. „Und was dich angeht, Tristan, reiß dich zusammen und halte deine Eifersucht im Zaum. Es wird hier von keinem Paar geduldet, die Kontrolle zu verlieren.“ Eine klare Drohung. Und niemand wagte es zu wiedersprechen, obwohl es mir brennend auf der Zunge lag, ihn zu korrigieren, dass Tristan und ich kein Paar waren. „Was dich angeht“, wandte sich Logan mit Verachtung triefender Stimme an mich und deutete auf etwas hinter mir. „Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Ich drehte mich mit gemischten Gefühlen um und fragte mich bangend, was ich diesmal getan hatte um ihn zu verärgern, als ich plötzlich erstarrte, sobald ich die drei Vampire sah, die von sieben Jägern in Schach gehalten wurden. Meine Augen wurden groß, als ich Oleen und Evelyn unter ihnen wiedererkannte. Das schmale Gesicht meiner ehemaligen Kameradin war trotzig verzerrt, während sich die kleine Teufelin Zähne fletschend freizukämpfen versuchte. Der dritte Vampir im Bunde war mir unbekannt, doch seiner dunkelroten Kutte zufolge mit einer Kapuze, die er sich tief über den Kopf gezogen hatte, sowie den glänzenden Silbermessern, die in seinen Stiefeln und dem Gürtel steckten, musste es sich hier um einen Kopfgeldjäger handeln, woraufhin in mir sofort wieder der alte Groll hochkam. Sie alle drei befanden sich nun hier, direkt in der Mitte ihrer Todfeinde, umzingelt von einer gewaltigen Horde an Werwölfen, die sie am liebsten gleich niedergemetzelt hätten. Na wenn das keine unvorhergesehene Überraschung war. „Mylady!“, rief Oleen und ihre blauen Augen blitzten mich sorgenvoll an. „Seid Ihr wohlauf? Hat man Euch verletzt?“ Mit einem gezielten Tritt wehrte sie den Biss eines Werwolfs ab, der nach ihrem Bein schnappen wollte und versuchte zugleich näher an mich ranzukommen. Meine Aufmerksamkeit fiel auf die die klaffende Brustwunde, die man ihr mit scharfen Klauen zugefügt hatte. Ihr halber Brustkorb lag offen und ließ dunkles Blut hervor quellen. „Oleen, beruhige dich!“, befahl ich schroff. Sie sollte sich nicht überanstrengen, solange sich nicht wenigstens die blutende Wunde geschlossen hatte, und ich sah zufrieden zu, wie sie gehorsam den Mund zuklappte. Ehrlich gesagt war ich unendlich erleichtert sie wieder zu sehen, aber ihr Zustand bereitete mir Sorgen – allem voran wegen ihren beiden Begleitern. Ich machte einen Schritt auf sie zu, doch Logan stellte sich mir in den Weg wie eine Wand. Ich warf ihm einen aufgebrachten Blick zu, auch wenn ich seinen Zorn verstehen konnte. „Was habt Ihr mit ihnen vor?“ „Was wir mit allen Eindringlingen machen. Wir töten sie“, antwortete er nüchtern und ohne auch nur den Hauch eines Gefühls in der Stimme. „Verschont sie“, presste ich die Worte widerwillig hervor. „Und warum sollten wir das tun? Ich habe die drei dabei erwischt wie sie versucht hatten, sich durch einen der versteckten Höhleneingänge bei uns einzuschleichen. Was meinst du, hatten sie vor?“ Er beugte sich zu mir herab, seine Lippen lagen dicht an meinem Ohr, als er flüsterte: „Sie kamen bestimmt nicht mit friedlichen Absichten.“ „Fasst meine Herrin nicht an!“, fauchte meine blonde Gefährtin, schnappte sich einen der Dolche des Söldners und schleuderte ihn mit einer außergewöhnlichen Treffsicherheit nach Logan. Ich stieß den großen Mann beiseite, woraufhin sich die Waffe tief in meine rechte Schulter bohrte und mich zurück straucheln ließ. Mit einem Ruck riss ich mir den Dolch aus dem Fleisch und warf ihn achtlos zu Boden. Tristan brüllte und stürzte sich auf das Trio, doch ich war schneller und hielt ihn auf, ehe er noch eine Dummheit begehen konnte. „Haltet Euch zurück, Tristan!“ Sobald jedoch auch die anderen Gestaltwandler in ihre andere Form schlüpfen wollten um ihrem Kameraden beizustehen, stieß Logan ein ohrenbetäubendes Brüllen aus. Beinahe augenblicklich stoppten alle damit, die drei Fremden weiterhin zu bedrängen. Nur noch ein unwilliges Knurren drang aus ihren Reihen, wie das Summen eines Bienenschwarms. Was nicht bedeutete, dass diese nun von den Werwölfen sicher waren. Ganz im Gegenteil, mehr als ein Dutzend tückischer Augen lagen auf ihnen und musterten sie wie Frischfleisch – was sie wohl auch waren. Ohne den Blick von Logan abzuwenden, drängte ich mich wachsam zu den drei Vampiren durch und spürte, wie Oleens blutverschmierte Hand nach der meinen griff. Der Söldner hielt sich ebenfalls an mich und machte keine Anstalten für einen weiteren Angriff. Er musste sich im Klaren sein, dass er diesen Tag wahrscheinlich nur überleben würde, wenn er mich nicht zur Feindin machte, ganz egal, was Leonore ihm aufgetragen hatte. Es war mir eine willkommene Schwachstelle, dass Söldner dazu neigten ihr eigenes Leben über das ihrer Opfer zu stellen. Ob die kleine Teufelin genauso schlau war wie er, war fraglich, doch sie begnügte sich vorerst mit einem bösartigen Zischen in meine Richtung und stellte sich anschließend neben den in rot verhüllten Auftragsmörder. Evelyn hatte diese Gefangennahme wesentlich besser überstanden als die anderen beiden, deren Geruch nach Verwesung zum Himmel empor stank. Sie blutete am Kopf und ein großes Stück Fleisch fehlte über ihrer Hüfte, doch sie gab keinen Ton von sich, der eine Schwäche preisgegeben hätte. „Tötet sie nicht“, bat ich erneut mit fester Stimme und kämpfte gleichzeitig mit meinen widersprüchlichen Gefühlen. Weder wollte ich Evelyn und den Söldner in Schutz nehmen, noch wollte ich mich gegen Logan stellen. Es wäre fatal für mich, noch weiter im Rang zu sinken. „Unmöglich!“, rief jemand aus einer der hinteren Gruppierungen und erntete zustimmendes Gemurmel. „Sie werden uns verraten und die Blutsauger her holen!“, schrie jemand anderes. Ich knirschte mit den Zähnen. Ich hasste es, wenn Werwölfe Recht hatten. Selbst unter Vampiren konnte man einander nicht trauen, daher war es nur allzu abwegig, dass sie die drei einfach gehen lassen würden. Wäre ich an deren Stelle, würde ich ihre Freilassung noch nicht einmal in Erwägung ziehen, aber ich könnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, wenn Oleen für ihre Treue mir gegenüber büßen musste. Außerdem grenzte es an ein Wunder, dass Logan dieses Trio überhaupt zu mir gebracht hatte. Er hätte sie schließlich auch einfach töten und ihre Überreste verstecken können. Unwahrscheinlich, dass ich es je bemerkt hätte. „Ich werde nicht ohne Euch gehen, Mylady“, beharrte Oleen. „Es wäre unverantwortlich von mir Euch mit diesem ... Gesindel alleine zu lassen.“ „Habe ich dir erlaubt zu sprechen?“, fuhr ich sie zischend an, woraufhin sie demütig den Kopf senkte. Ihr spitzer Kommentar machte die ganze Angelegenheit keinen Deut besser, wo ich doch schon mein Möglichstes tat, um die Situation irgendwie zu entschärfen. Logan trat vor und warf einen abschätzenden Blick auf den armseligen Haufen den wir abgaben. „Liegt dir so viel an diesen Blutsaugern?“ Ich verzog das Gesicht. „Ich bin eine Verräterin. Eine Mörderin. Aber keine Lügnerin, daher werde ich nicht behaupten, mir läge auch nur ein kleines bisschen an ihnen, aber ich habe dieses ewige Blutvergießen satt. Ich kann und werde es nicht länger dulden.“ Ich war vielleicht eine Abtrünnige unter den Vampiren und die Todfeindin meiner Schwester schlechthin, doch ich würde die anderen nicht in unseren Zwist mit hineinziehen, auch wenn sie es ohne jeden Zweifel verdient hätten. Logan überlegte verbissen. Das erkannte ich an der steilen Falte, die zwischen seinen dunklen Augenbrauen erschien und ihm wieder diesen grimmigen Ausdruck verlieh. Ich verstand, dass er ein Zeichen setzen und sein Rudel beschwichtigen musste, dennoch hoffte ich inständig, dass er sich meine Bitte zu Herzen nahm. Derweil hatte sich Tristan etwas näher an uns herangewagt, hielt aber skeptischen Abstand zu den blutbesudelten Fremden. Ich konnte in seinen haselnussbraunen Augen nicht ganz klar erkennen, ob er mir noch vertraute oder nur darauf wartete, dass ich ihm ein Messer in den Rücken rammte. „Darf ich einen Vorschlag machen?“, bat Kaiden und stellte sich neben Logan, der ihm mit einem Wink zu sprechen erlaubte. „Wir könnten die Eindringlinge bestrafen und dann dafür Sorge tragen, dass sie diese Höhle nicht verlassen. Es erscheint mir als die plausibelste Lösung, wenn wir nicht darauf abzielen sie zu töten.“ „Wer garantiert uns, dass sie uns nicht in eine Falle locken werden?“, fragte Natalia, die aus einer kleinen Schar an Frauen hervor trat, lässig mit den Hüften schwang, als sie sich an Tristans Seite stellte und mich dabei musterte, als wäre ich weniger Wert als Dreck am Boden. „Bei diesen blutgierigen Dämonen weiß man ja nie.“ Kalt wie Eis erwiderte ich ihren fuchsigen Blick. „Ich garantiere es.“ „Auf das Wort eines Vampirs kann man sich nicht verlassen!“, fauchte sie biestig. „Ihr würdet doch alles behaupten, um eure Haut zu retten!“ „Sie hat recht“, sagte Logan und wandte sich an mich. „Beweise es.“ Ich musste gestehen, ich hatte nicht damit gerechnet, dass Logan mich dazu zwingen würde für meine Worte geradezustehen. Aus irgendeinem Grund hatte ich erwartet, er wäre auf meiner Seite – so konnte man sich irren. „Ich brauche deinen Schutz nicht“, zischte Evelyn leise. „Eher sterbe ich lieber.“ Ich blickte herablassend zu ihr hinab und ließ eine Augenbraue in die Höhe wandern. „Ist dein Stolz denn groß genug, um dich freiwillig dem Tageslicht auszuliefern?“ Die kleine Vampirin wurde kreidebleich und starrte mich mit ihren vor Angst geweiteten, stets blauen Augen an. Absolut jeder Vampir fürchtete sich vor dem Tod bringenden Sonnenlicht. Es übertraf jede Folter, jedes Leid, mit einer solch erschreckenden Leichtigkeit, dass man noch nicht einmal seinem ärgsten Feind solch ein Ende wünschte. Das ich ihr dieses Angebot unterbrachte, musste ihr wohl wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen. Ich selbst war überrascht, überhaupt auf diese Idee zu kommen, doch was würde meine Ehrlichkeit mehr unter Beweis stellen, als mich aus freien Stücken den größten Qualen auszusetzen, die wir Vampire zu bieten hatten? Evelyn schüttelte vehement den Kopf, denn wir wussten beide, dass meine Geduld mit ihr an einem seidenen Faden hing. „Sonnenlicht?“, fragte Logan. „Das ist alles?“ Zum allerersten Mal zischte ich ihn an, aus Wut darüber, dass er den Schrecken aller Vampire so leicht auf die Schulter nahm. „Ihr werdet es wissen, sobald Ihr es seht!“ Logan zuckte die Schultern. „Na schön, aber fairerweise warne ich dich. Wenn die Jäger nicht damit zufrieden sind, werden die Gefangengen den nächsten Abend nicht mehr erleben.“ „Einverstanden“, knirschte ich mit den Zähnen und wurde jäh von der entsetzen Messerwerferin zurück gezogen. „Mylady! Seid ihr von Sinnen?! Das könnt Ihr nicht machen!“ „Oh, natürlich kann ich. Und ich werde es auch, Oleen.“ „Bitte, so hört mich doch an! Ihr––!“ „Oleen, genug! Ich will nichts mehr von dir hören!“ Die blonde Vampirin verstummte, ließ meine Hand los und ihre blauen Augen verdunkelten sich wie die schwärzeste Nacht. Die Enttäuschung war ihr ins Gesicht geschrieben, aber noch deutlicher sah ich die Trauer in ihren Gesichtszügen, die mir einen schmerzhaften Stich verpasste. Meine Worte mussten ihr wie Verrat vorkommen, doch ich war schließlich auch verpflichtet mich an den Packt mit Logan zu halten. „Das ist also dein letztes Wort?“, fragte Logan, den mein Zwist mit Oleen völlig kalt zu lassen schien. „Wie du willst. Dann komm, bringen wir es hinter uns.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)