Die Begegnung von Kabaal ================================================================================ Die Begegnung ------------- Der Wind weht unablässig durch die Gassen der Stadt. Eine namenlose Stadt unter vielen mit dem für die Zeit üblichen Barockstil und einem Hauch der vergangenen Gotik durchzogen. Ein Gefühl der Freiheit der Künste, das Feuer der aufstrebenden jungen Kaufleute, die Ehrfurcht vor der Macht der Kirche und ihren gewaltigen und ebenso imposanten Kirchen und Kathedralen scheint sich bei dem Anblick der Gebäude dieser Stadt und seinem Treiben in einem auszubreiten. Wenn es denn das übliche rege Treiben auf den Straßen gegeben hätte. Doch es ist Nacht. Und in der Nacht wirken die Schatten der gewaltigen Gotteshäuser nicht wie die schützenden Engelsflügel der Kinder Gottes. Nein, sie drohen eher wie die Ausgeburt der Hölle, jenes Ortes den sie doch eigentlich fern halten sollen. Die Folgen sind Unbehagen und Unruhe im menschlichen Geiste. Als ob der gläubige und mündige Verstand trotz gegenteiliger Erziehung und Beglaubigung ahnen würde, dass man sich irre. Doch natürlich könne das nicht stimmen. Nein, ganz sicher nicht. Schließlich gibt es keine Monster, außer in den grausigen Geschichten der Eltern, um einen zum Gehorsam zu bewegen. Oder? Es wäre doch unmöglich... Die Hand sucht das Kreuz unter dem dünnen Mantel und verkrampft sich um dieses, als könnte dadurch allein jedes Böse seiner Existenz beraubt werden. War dort eine Bewegung in den Schatten? Unmöglich. Und wenn, dann nur ein Betrunkener aus den nahe gelegenen Schenken und diese können sich um diese Uhrzeit kaum noch auf den Beinen halten. Es geht weiter und weiter durch die finsteren Gassen der Stadt. Blicke. Aufdringliche Blicke. Spürbar umschlingen sie den Körper, wie die eisige Hand des Todes. Mag jemand hinter einem... Nichts. Irren ist menschlich, nicht wahr? Aber wenn es nun doch dort etwas gibt? Was wenn... schönere Gedanken müssen her. Jawohl! Jetzt und sofort. Die Augen verhüllen ihre Anwesenheit unter den Lidern und verdrängen die innere Finsternis, vergisst die Dunkelheit, welche um einen herum lauert. Der eigene Geist wird zur Bastion des Lichtes, welches eine neue Kraft verleiht. Und so beginnt die Dunkelheit zu weichen. Erst wie der Nebel das Licht verschleiert, so muss sich das Licht nun auch einen Weg durch die schier endlose Dunkelheit bahnen. Weiter und weiter stößt es vor. Unbeirrt und unaufhaltsam erhellt sich die Welt, die hinter den menschlichen Augenlidern existiert. Eine Welt die Macht zur Zerstörung und Erschaffung gleichermaßen besitzt und welche stets eine Zuflucht für den Menschen bildet. So wie auch dieses mal. Die Kraft des Lichtes beginnt sich auszubreiten und den Körper zu durchfluten sowie neuen Mut zu schenken. Wo einst Angst und Unsicherheit herrschten, da sind nun Ruhe und Gelassenheit. Ja sogar gewisse Freude breitet sich im Geiste aus, als er sich an einstige Zeiten erinnert, sich zukünftige Vorstellt oder unwirkliches aber unsagbar Schönes im Geiste kreiert. Hier noch sind die Wolken am wundervoll blauen Himmel, dort ertönen die stärkenden Worte des heiligen Vaters der hiesigen Gemeinde und ringsum breitet sich ein riesiges Feld aus mit der strahlenden Sonne als einzige Zeugin der eigenen Existenz. So stark jedoch auch das Feuer des Lichtes im Geiste sein mag, ist es dennoch nur eine Glut innerhalb der Dunkelheit, welche einen umgibt. Doch dieser zum Trotz geben die Augenlider die zuvor noch rastlosen und angstzerfressenen Schützlinge wieder frei. Diese nun durch die Kraft des vom Licht erhellten Geistes gestärkt von jeder Schwäche befreit starren mit geradem Blick auf den Weg zum Ziel. Voran, voran durch die unsäglich tiefe, endlose Wüste des finsteren Nichts, geleitet durch die Enge der Schluchten zwischen den Mauern der Giganten aus Lehm und Stein. Wie eine Bestätigung des allmächtigen Herrn glühen aus ihnen hier und dort, Wegweisern an den großen Straßen des fahrenden Volkes gleich, Lichter der Güte von ihnen herab. Bei weitem nicht genug um die Gasse vollkommen zu erleuchten, aber dennoch wie eine Quelle des Mutes und Erleichterung der zu erduldenden Last. Weiter geht es, immer weiter, stets mit erfreulichen, erhellenden Gedanken im Geiste. Fast schon einer Fantasiewelt gleich beginnt die kalte, dunkle Realität mit der warmen, hellen Welt des Geistes zu verschmelzen und ergibt eine skurrile Welt der Unwirklichkeit, welche Formen eines Flusses annimmt und unaufhörlich ohne weitere Beachtung vorbeifließt. Doch dann zerreißt der Schleier, der mittels des Lichtes geschaffen wurde. Eine Bewegung in den Schatten verborgen. Da sind sie wieder, die grausamen und betäubenden Gedanken. Unbeweglich, steif wird der Körper. Die Blicke können sich nicht mehr von den Schatten lösen. Das ach so hart erschaffene Licht erblasst binnen Sekunden und die Dunkelheit nimmt ohne Gnade ihren Platz ein. Fordert wieder die Domäne des Geistes und bringt die Kälte und Furcht als unliebsame Gäste mit. Vorbei ist die Träumerei. Die Finsternis ist wieder Herr und das Licht ist nun fort, da der Geist zu schwach ist es ein weiteres Mal zu beschwören. Oder ist da etwas, das in den Schatten lauert und eine Rückkehr des Lichtes verbietet? Starr vor Angst, einem Eisblock gleich, folgt der Körper keiner einzigen Anweisung mehr und innerhalb des Geistes beginnt Panik im Namen der Furcht um sich zu haschen und mehr und mehr an Raum zu fordern. Plötzlich dringen Worte aus der Dunkelheit – Fest und dennoch weich – welche wie ein warmer Regen die erkaltete Haut herunter rieseln. Sie umschließen alles und selbst die Dunkelheit und die Furcht weichen ihr. Machtvolle Worte voller süßer Wohltat, die einen Bann auslösen, welcher nur noch Freude zulässt. Willkommene Freude und Wärme. Doch gleichzeitig warnt der Geist: Lüge! Gefahr! Unablässig versucht er eine Barriere zu errichten. Jene Worte jedoch sind zu verlockend, zu ersehnt und so ist der kraftlose, erschöpfte Geist allein. Kämpft dagegen an, ermüdet, zerbricht. Was bleibt ist die wohlfühlende Kraft dieser wohltuenden Worte aus den Schatten. Ja. Die Schatten sind wahrhaftig und die Quelle einer Wärme, die nichts als Jauchzen und Frohlocken duldet. Nichts was das Licht je vermögen mag. Ja. Diese Schatten, an sie will sich alles binden – der Körper, der Geist, die gesamte Existenz. Wieder und wieder, unaufhörlich quillt der Regen an köstlich süßen, erfrischend warmen Worten aus den Schatten hervor und unterdrücken jeden Widerstand. Nichts ist mehr, um sich gegen die Schatten zu erheben. Die Augen, eben noch Quell hervor strömender Kraft und Zuversicht, sind nun leer und ausdruckslos, denn auch der Geist ist nun leer und ohne Kraft. Nur noch das Lächeln des Verlangens, dem Verlangen nach weiteren Worten, einer engeren Bindung bleibt. Mehr soll aus den Schatten von dieser wohlklingenden Melodie der Worte, diesem Gesang der Schatten an die Ohren gelangen, durch den Körper fahren und von ihm Besitz ergreifen. Das Verlangen wird stärker, unerträglich und beginnt den Körper in eine Flamme der Begierde zu tauchen. Die Worte, zu Beginn warm und wohltuend, sind nun zur infernalen Qual geworden. Jedes Wort bringt der ersehnten Wärme und Freude, die Gier nach mehr mit sich. Der Körper der die Kontrolle übernommen hat, will sich nicht mehr nur mit diesen süßen Worten aus den Schatten zufrieden geben. Intensiver, wohltuender soll es werden und die Gier erreicht ihren Höhepunkt. Der Atem wird schwer und die Augen beginnen die Rinnsale der Verzweiflung von unbefriedigtem Verlangen hervorzubringen. Weiter wird die stets nach mehr dürstende Gier getrieben. Unaufhaltsam brennt das Feuer, bis die infernalische Brunst aus Begierde unerträglich noch in den tiefsten Gliedern zu spüren ist. Die Hitze des Inneren scheint im ständigen Wechsel mit der Kälte des Äußeren zu sein und der Geist, gebrochen und willenlos schließt sich dem Verlangen des Körpers an, ordnet sich unter und verliert gänzlich die Kontrolle. Dann beginnen sich die Schatten zu teilen und geben jenes Wesen hervor, das sich in ihnen verbarg. Dieses Wesen von unaussprechlicher Schönheit bewegt sich graziös und ohne Tadel in Bewegung oder Verhalten. Einem Engel gleich scheint seine bloße Existenz die gesamte Umgebung in ein gleißendes Licht der Schönheit zu tauchen. Die Schatten weichen und verblassen zu einer einzigen schlechten Erinnerung, welche vom Geist verwahrt, weggeschlossen wird. Nur noch das Wesen und sein Licht existieren noch. Nur noch diese Existenz ist von Bedeutung. Und ja, diese unglaublich schönen und begehrenswerten Worte steigen aus seinem Munde empor, verlassen den Hort der Lippen, die von sinnlichem, kraftvollem Rot umschlossen sind auf einer blassen, regelrecht weißen Haut von unbeschreiblicher Makellosigkeit wie der Inbegriff der Lust zu weilen scheinen. Das prachtvolle schwarze Haar, frei von Fehler oder Zeichen des Alters bildeten einen perfekten, ja von Gott geschaffenen, Rahmen um dieses Gebilde der absoluten und unbestreitbaren Schönheit. Der Glanz dieses Wesens allein reicht aus, um die Flamme des Körpers bis zur Bewusstlosigkeit anzufachen. Gedanken versiegen, werden förmlich ausgebrannt, verschmelzen zu einem Hauch aus leichtem Samt, der einzig der Schönheit des Wesens zu dienen scheint. Dieses perfekte, makellose, von Reinheit und Form unübertreffbare Wesen nun lächelt auf die eigene, lodernde Existenz herab und entfacht ein wahres Flammenmeer der Begierde und Sehnsüchte. Neue Folter für den Geist sowie den Körper durchströmt diese entfacht eine Brunst, die nicht mehr durch bloße Worte zu stillen ist. Die Worte verstummen. Der Geist ist nicht länger in der Lage sie zu fassen. Sie an sich zu binden und dem Körper zur Befriedigung zu verhelfen. Der Körper verlangt nach mehr, viel mehr, als es den Worten im Entferntesten möglich gewesen wäre. Die Begierde wird zum Schmerz, unerträglichem Schmerz, wie vom Herrn der Finsternis persönlich, verbrennt er alles. Sinne, Geist, Gedanken, Gefühle, alles was eigen war, wird nun zum Besitz des Wesens, welches noch immer dort vor einem in den Schatten steht. In seinen Augen spiegeln sich die eigenen wieder. Wie sie sich vor Lust, Begierde und Verlangen nach ihm sehnen, vor innerem Feuer brennen und im Fluss der Verzweiflung zu ertrinken drohen. Da endlich neigt sich das Gesicht des Wesens. Langsam, aber unaufhaltsam, näher und näher kommend. Die Haut verspürt den sanften Atem, welcher die Haut langsam zu streicheln scheint. Gleich einer feinen Feder, welche über die Haut gleitet, den eigenen Körper mit Sanftheit und Wärme des Wesens verwöhnend. Der Körper bäumt sich auf und verliert die Kontrolle über die eigenen Funktionen. Wird zur endgültigen, willenlosen Marionette in der Vorstellung und begierigen Erwartung der baldigen Berührung durch die Lippen des Wesens. Eine Hand des Wesens fügt sich geschmeidig um die Taille des Körpers. Dieser verliert sämtliche Kräfte, schmiegt sich bereitwillig, begierig an diese hilfsbereite Stütze der Stärke und lässt sich in den Bann des Wesens ziehen. Der Atem rast nun, scheint auf einem endlosen Lauf zu einem gewissen Gewinn, ohne Ruhe, ohne Gedanken, stets nur vorwärts zu drängen. Schneller, schneller, heißer, heißer, brodelt der Hauch es Verlangens aus dem willenlosen Körper hervor. Das tief rote Glühen der Stirn, der Wangen, des ganzen Körpers als weiterer Bote der Lust zeigt sich schamlos an den entblößten Flächen des Körpers. Ein Frösteln, ein Beben fährt durch den Körper und unter einem Jauchzen lässt sich der Kopf vom Wind zur Seite geleiten, während sich die Lippen des Wesens an den Hals schmiegen. Die Berührung löst unbegreifliche Wonne im Körper aus und ein Gemisch aus Schmerzen und Lust verbinden sich zu einem Strudel aus unbeschreiblichen Gefühlen. Eine Explosion im Inneren, welche sich gewaltsam nach außen presst, alles umkehrend, alles verändernd. Unablässig und gnadenlos durchflutet sie den Körper von Kopf bis Fuß und scheint sich einzig und allein mit der alleinigen Kontrolle zufrieden geben. Die Zeit verliert an Bedeutung. Alles scheint einen Glanz voll grenzenloser Pracht auszustrahlen, seine Umgebung damit zu umschließen, ja geradezu ertränken. Nichts... Dann plötzlich war da nichts mehr. Das Wesen war verschwunden, abermals verschlungen von den tiefen, grausamen Schatten. Was zurück bleibt die Verzweiflung der unbefriedigten Lust, die wiederaufkeimende Angst des neuerwachten Geistes und das Feuer, welches unaufhörlich brennt und den Körper zu verbrennen droht. Der Geist übermannt nun mit seiner Furcht die Gefühle des vorher so dominanten Körpers und die Sinne schwächeln. Die Gefühle verlieren Ihren Einfluss, die Zeit scheint still zu stehen. Die Kälte, vorher kaum spürbar, ergreift unbarmherzig Besitz und droht mit weiterer Furcht, mit weiterer Verwirrung sowie still schreiender Verzweiflung. Alles wir schwammig, verliert seine natürliche Form, verschwimmt im Equilibrium des Traumes, zerbricht ohne zu brechen. Licht - helles, weißes Licht, welches das Ganze – die gesamte souveräne Domäne des vorherrschenden Nichts – im Geiste füllt und zu umschlingen sucht. Dann ist dort nur noch Dunkelheit. Die Augenlider geben einmal mehr ihre Schösslinge frei und geben den Blick in einen Raum frei. Ein weiter Raum, welcher in ein helles Braun getaucht ist. Helle weiße Vorhänge säumen die breite Fensterfront, welche den Raum in ein helles Licht flutet. Edle Mobiliare und Gemälde schmücken den Raum und der Körper schmiegt sich immer noch aufgeregt, aber deutlich ruhiger als zuvor in die weiße, samtige Decke. Nur ein Gedanke bleibt, den Geist plagend und vollkommende, heilende Ruhe nicht gönnend: War es wirklich nur ein Traum? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)