Farbkleckse von Lydra (und ein Gemälde aus 100-Stories) ================================================================================ 8. Fliegende Worte ------------------ ---- Dies ist meine Fortsetztung von Betrayal, für den WB von LadyReyna ---- An einer feinen silbergrauen Kette, hing der rostige Schlüssel des Betrayal. Ohne zu zögern, aber dennoch mit einer fahrigen Hand, nahm er den Schlüssel entgegen und steckte in und das Schloss des Buches auf seinen Knien. Entgegen Rufus tiefster innerer Erwartungen, klickte das Schloss leise. „Guten ‚Morgen‘, Hüter“, las er auf dem Betrayal, ehe der Einband aufklappte und ihm das Innerste des Buches offenbarte. Doch als er hineinschaute sah er nichts. Das Buch war leer. Die mindestens fünfhundert Büttenseiten von Betrayal waren leer – weiß. Keine einzige beschriftet, bemalt oder irgendwie gekennzeichnet. Rufus schaute Helena fragend an, doch auch diese zuckte mit den Achseln. „Ein wenig seltsam ist das schon…“, meinte Helena und biss sich auf die Unterlippe. Kurz darauf fing sie an den Raben mit einem sehr wütenden Ton zu beschimpfen und auf ihn einzureden. Dieser erwiderte mit seiner krächzenden Stimme und flog aufgescheucht durch den Raum. Rufus schaute sich währenddessen das Buch genauer an. Ihm war es schleierhaft, warum nichts in diesem verdammten Buch stand. Hier müssten doch schwarze Magie Zaubersprüche oder Kriegstechniken oder dergleichen drinstehen. Warum aber nicht? Was machte dieses Buch so wertvoll, wenn es leer war? Seine Gedanken schweiften ab. Er dachte an seinen Stiefvater und wie es ihm wohl gehen würde. Er dachte an die letzten Stunden, an die erste Begegnung mit Helena und dieses seltsame Gefühl was er die ganze Zeit hatte, aber sich nicht erklären konnte. Er dachte an die Bibliothek von der Helena ihm erzählt hatte. Sein Magen knurrte beleidigt. Rufus fasste sich an den Bauch und schaute zu den Streithähnen, doch diese hatten nur Augen für sich. Entschlossen ging zur Tür und griff zur Klinke, um endlich herausfinden zu können wo er denn nun war. „Warte. Nicht!“, rief Helena, die abrupt von Raben abließ und Rufus abhalten wollte. Auch der Rabe krächzte und schreite, doch Rufus ließ sich gar nicht beirren und schloss die Tür auf. Das Bild das sich ihm bot war fantastisch. Eine riesengroße runde Halle erstreckte sich vor ihm. Eine große steinerne Treppe führte in die oben liegenden Stockwerke. Überall flogen schwarze Vögel an ihm vorbei und trugen Bücher von links nach rechts, von oben nach unten und umgekehrt. Er ging einige Schritte zur Mitte des Raumes und schaute auf den gigantischen gläsernen Kronleuchter über ihm. Von hier gingen fünf lange Gänge ab. An den Seiten von diesen waren mannshohe Bücherschränke vollgefüllt mit den unterschiedlichsten Büchern. Rufus konnte auf die Entfernung nur die bunten Bücherrücken erkennen. Einige alt und kaputt, andere schienen so neu als seinen sie gerade frisch aus den Druckpressen gekommen. Helena, die ihn mittlerweile erreicht hatte, schaute ihn an; der Rabe saß eingeschnappt auf ihrer Schulter und gab keinen Laut von sich. „Was verstehst du eigentlich nicht an ‚warte’?!“, fragte sie wütend. Rufus antwortete nicht sondern ging Richtung Treppe und hielt sich am Geländer fest. Dann stieg er hinauf. Schnell. Sehr schnell. Helena, die ihm hinterher rannte, kam ziemlich aus der Puste. „Wo gehst du denn hin?!“, fragte sie keuchend und bleib schließlich stehen. „Lonán, flieg ihm schnell hinterher, er darf nicht einfach hier rum laufen, ich komm langsam nach!“, sagte sie schließlich und setzte sich völlig außer Atem hin. Lonán erhob sich elegant in die Luft und flog Rufus hinterher. Dieser war währenddessen schon im vierten Stockwerk angekommen und ging nun durch die massiven Holzflügeltüren. Zielstrebig, ganz so als würde er sich hier auskennen, ging er durch die langen Reihen des Bücherlabyrinthes. Er schaute sich nicht um und lief im schnellen Schritt geradewegs auf ein nur ihm bekanntes Ziel zu. Als Lonán ihn endlich eingeholt hatte, versuchte er ihn mit seinen Krallen an den Schultern aufzuhalten. Doch Rufus schüttelte ihn einfach ab und, die nun blutende Schulter vollkommen ignorierend, ging einfach weiter. Dann blieb er plötzlich stehen. Rufus stand vor einem Regal mit eher neuen Büchern. Sie scheinen als seinen sie gerade fertig geschrieben worden. Er schaute sich das mannshohe Regal an und wollte dann nach dem Buch mit dem gelben Einband greifen. Das Buch war nicht beschriftet. Doch als er es berührte verbrannte er sich die Hand und er schreckte zurück. Doch Rufus musste das Buch nehmen, warum wusste er nicht, aber irgendetwas befahl es ihm. Mit dem Buch in der Hand rannte er an Lonán vorbei und kam schließlich wieder an der Treppe an. Helena, die nun endlich das vierte Stockwerk erreicht hatte, erreichte gerade die letzte Stufe, als Rufus an ihr vorbei raste. Völlig irritiert schaute sie ihm hinter her. „Das kann doch nicht wahr sein!“, sagte sie verzweifelt und setzte sich wieder hin. Doch da kam auch schon der Rabe. Er sagte irgendetwas und flog dann wieder den Jungen hinterher. „Was du hast ihn gekratzt? Und er hat ein Buch gestohlen?“, rief sie ihm ungläubig hinterher, doch Lonán reagierte nicht darauf. Erschöpf stand Helena auf, atmete einige Male tief ein und aus und rannte dann den beiden hinter her. Ein interessantes Bild ergab sich den restlichen Bibliothekaren: ein unbekannter Junge mit einem Buch in der Hand, der von einem wutentbrannten Raben verfolgt wurde, der wiederum von einer aufgebrachten Bibliothekarin verfolgt wurde. Als Rufus an der Tür angelangt war, aus der er kurz zuvor hinausgegangen war, rüttelte er an der Klinke. Diese jedoch war verschlossen. Und auch nach heftigerem rütteln an der Türklinke gab diese nicht nach. Als Helena und Lonán ihn fast eingeholt hatten, fiel Rufus plötzlich auf den Boden. Als die Verfolger ihn erreichten, setzte sich Helena nieder und versuchte ihn zu wecken. Lonán flog fort, holte einen nassen Lappen und gab ihn Helena, die Rufus heiße Stirn zu kühlen versuchte. Während sich immer mehr Bibliothekare um Rufus sammelten und auf Helena einredeten, was sie machen sollte, regte sich etwas hinter der verschlossenen Tür. Es war Betrayal. Das Buch begann zu beben und zittern und schüttelte den ganzen Tisch durch. Die Glasvasen in dem Regal wurden von diesen Bewegungen erfasst, fielen hinunter und zerbrachen, die Bücher schlugen auf den Boden auf und gingen auf bestimmten Seiten auf. Ein Wind hauchte durch das Zimmer und die Wörter aus den Büchern flogen in die Luft. Ein unbeschreibliches Spektakel tat sich in diesem Raum. Es blitze und donnerte, die Worte schlugen gegen die Wände und ließen die Bilder runterfallen. Und dann begannen sie sich in Betrayal niederzulegen. Ein Satz wurde sichtbar, nach und nach kamen immer mehr Worte dazu… Die Bibliothekare, die von der Unruhe aufgeschreckt wurden, schauten sich gegenseitig an und sprangen förmlich auf die Tür zu. Sie drängten Helena den Schlüssel heraus zu kramen. So schnell sie konnte versuchte sie mit ihrer zittrigen Hand das Schloss zu öffnen. Als die Bibliothekare hineinkamen, sah alles wie gehab aus. Doch dann bemerkten sie den Spruch in Betrayal. Das Buch das vorher unbeschrieben war, hatte sich selbst geschrieben. Als Helena die Worte las, schaute sie ängstlich zu Rufus, der grade wieder zu Bewusstsein kam. Was hatte das alles zu bedeuten? „Mein Geheimnis kennt ihr nicht Denn es soll niemals ans Licht. Wer es erfährt trägt schwere Steine Und ward schließlich nur Staub, nur Gebeine. Wenn ihr bereit seit werdet ihr’s sehn Worum die ganze Welt sich versucht zu drehen. Doch wenn ihr versucht das Geheimnis zu erzwingen Werde ich den Wächter umbringen. Und stirbt er, so stirbt mit ihm Mein Geheimnis. Und ich werde flieh’n.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)