Die Nacht ist mein Käfig... von Mireille_01 (Einen Vampir zu lieben, ist Selbstzerstörung...) ================================================================================ Prolog: Rose Manor ------------------ "Rose Manor" Dieses alte Gemäuer steht seit 120 Jahren leer - es ist halb verfallen und es steht auf einem grünen sanften Hügel, mitten in einer wunderschönen Landschaft. Es ist ruhig und idyllisch... idyllisch wie in einem Märchenbuch. Wie in einer längst vergessenen Geschichte ruht diese erhabene Ruine von Cottage dort in dieser schönen Umgebung. Nur wenig entfernt von der Siedlung, die als einzige dort zu finden ist. Countimbory, ein kleines Nest am Rand von Irland, dort kurz bevor die Klippen anfangen, dort lebt ein kleines Völkchen, knappe 500 Einwohner, wie vor Jahrhunderten. Es gibt keinen Fernseher, keine Diskothek, es gibt kein Telefon - es ist als wäre man tot. Ach da fällt mir ein, das was ich hier erzähle, ist meine Geschichte. Na ja nicht nur meine, sie ist die Geschichte von mir und meinen Vierlingsschwestern. Ja, wir sind Vierlinge, aber keine eineiigen. Um genau zu sein, sehen wir uns überhaupt nicht ähnlich. Aber wir brauchen uns sehr, wir lieben einander und schützen einander. Wir werden von anderen gemieden, weil sie uns für ... gruselig halten. Dabei sind wir gar nicht gruselig. Kein bisschen, nur wehren wir uns, wenn uns jemand blöd kommt. Und wir vier halten immer zusammen. Bis in den Tod. Kapitel 1: Ankunft an der neuen Schule -------------------------------------- "DAS IST NICHT SEIN ERNST!" fauchte Chandra. Sie zwirbelte ihre kurze, zu einer Bob-Frisur geschnittene, blonde Mähne, zwischen ihren schlanken Finger. Das tat sie nur, wenn sie richtig wütend oder nervös war. In diesem Fall war sie wohl beides. "Komm runter Chandra, so schlimm ist es gar nicht!" sagte Rue kühl. "NICHT SO SCHLIMM?" fragte Raven und sah ihre Schwester an, als ob sie den Verstand verloren hätte. "Was ist bitte an dieser Situation nicht schlimm!" sagte Chandra bestürzt. „Naja – immerhin ist es noch nicht zusammengekracht!“ sagte Rue ruhig, sie trat näher. Raven, Chandra blieben hinter ihr und blickten ihrer Schwester nach. Elegant und so schnell es mit den relativ hohen Lackabsätzen ihrer Sandalen ging, war Rue die Stufen, wo bereits 80% der weißen Farbe abgeblättert war, nach oben gestiegen und war nun von einer ehemals eleganten Haustür stehen geblieben. Auch hier blätterte die Farbe ab und Rue hob ihre Hand und wischte die mindestens 3cm dicke Staubschicht von dem Fensterglas, mit dem die Haustür verziert war. „Igitt – wasch dir ja hinterher die Pfoten!“ sagt Raven angeekelt. „Was glaubst du wie viele Milben sich gerade durch deine Hautpartien nagen!“ schüttelte Chandra angewidert den Kopf. Na ja eher den ganzen Körper. „Und ihr zwei kommt mal langsam wieder runter – Rue hat Recht, so schlimm ist es nicht!“ erwidert eine vierte Stimme, kühl und angenehm hell. Raven und Chandra drehten sich um, Rue entkam ein Lächeln. Neben den drei Schwestern blieb eine vierte Frau stehen. Sie hatte lange schwarze Haare, die lockig über den Rücken fielen und blau schimmerten, wenn ein Lichtstrahl darauf fiel. „Nein sag jetzt bloß nicht, dass du mit Papas Entscheidung leben willst, Lucine?“ brummte Raven los. Chandra stimmte dem zu: „Ja! Bist du auch Irre geworden – ich meine bei Rue ist das ganz normal!“ „Nein ich glaube mein Gehirn funktioniert einwandfrei – aber kommt schon!“ Lucine schnappte sich den großen Rucksack, den sie fallen gelassen hatte um sich zu strecken. Er war groß und schwer und man konnte nur erahnen, wie viel der wirklich wiegte. Sie sprang die Stufen zu Rue nach oben und blieb neben ihrer zweitältesten Schwester stehen. Lucine blickte ebenfalls durch das sauber gemachte Fenster, und grinste: „Versucht einfach so zu tun, als wäre es eine Schatzsuche, oder ein Wettbewerb!“ Sie wandte sich grinsend um. „Oh ja, Klasse Idee. Die Schatzsuche „Wo ist am meisten Dreck in diesem heruntergekommenen Cottage zu finden?“ wollte ich schon immer gewinnen!“ meinte Raven. „Oder den Wettbewerb „Wer findet den größten Staubfusel!“ meinte Chandra zynisch. „Oh haltet die Klappe!“ sagte Lucine und drehte sich um. Die anderen sahen sie an: „Ich meine es ernst, was bringt es euch, wenn ihr nur die ganze Zeit am Meckern seid. Wir sollten lieber versuchen, das Cottage da bewohnbar zu machen!“ damit nahm Lucine Raven den Schlüssel ab und sperrte die Eingangstür auf. Prompt löste sich ein Holzscheit neben ihr und fiel zu Boden. „Perfekte Startbedingungen – ein Cottage irgendwo am Arsch der Welt, in einem Dorf am Arsch der Welt, in einer Gegend am Arsch der Welt und das Cottage selbst ist auch im Arsch!“ sagte Chandra. Das brachte sogar Rue zum Lächeln, während die anderen sich köstlich amüsierten. „Okay – ich geb es zu – Vater hat einen Totalschaden, aber er ist immer noch unser Vater. Versuchen wir für ihn das verfallene Gemäuer so lange zu ertragen, bis er wieder zu Besinnung kommt und von seiner Geschäftsreise Heim kommt!“ sagte Lucine. „Einverstanden!“ nickten ihre Schwestern, wobei Chandra noch oben blickte und seufzend ergänzte: „Das wird ein hartes Stück Arbeit!“ „Na dann – lasst uns anfangen!“ meinte Rue und die anderen hoben die Hand und stießen ein Kriegsgeheul der indianischen Art an und stürmten das Haus. „IGITT! EINE SPINNE! MACH DIE TOT, LUCINE!“ schrie Chandra und die anderen begannen erneut zu lachen. „Dafür dass du die Älteste von uns vieren bist, benimmst du dich manchmal wie eine verängstigte Vierjährige!“ grinste Lucine und erbarmte sich der kleinen Spinne, indem sie sie auf die Hand nahm und nach draußen trug. „Okay, okay – ich bin vielleicht etwas Empfindlich-“ lenkte Chandra ein, ihre Schwestern verdrehten die Augen, „ABER – ich bin wie du richtig erkannt hast die Älteste und somit auch die Chefin der ganzen Abteilung hier!“ sagte Chandra und nahm eine wichtige Pose ein. „Gut Boss – dann halt das Mal!“ sagte Rue und legte Chandra eine kleine Spinne in die Handfläche. „IGITT! SPINNEN! AHHHHH!“ schrie Chandra und rannte panisch aus dem Cottage. Die anderen brachen in Lachsalven aus. „Und so was von der eigenen Schwester!“ kam Chandra wütend zischend zurück. „Los Mädels – auf die Wischmobbe und los!“ grinste Lucine und begann mit Raven einen Wettkampf um den besten Besen. Sie putzten, wischten, um die Mittagszeit herum machte Rue sogar ein paar belegte Brote und es wurde bis spät in die Nacht geputzt, gesaugt, gewischt und gereinigt. Schließlich neigte sich der Tag dem Ende zu und erledigt vielen die vier Schwestern in die Sofabetten, sie waren gerade einmal mit dem Erdgeschoss fertig geworden, die drei weiteren Etagen waren immer noch starr vor Schmutz und schliefen bald darauf ein. „Ich bringe Papa wirklich noch um!“ dachte Chandra noch müde und ihr letzter Gedanke galt der grausamen Wirklichkeit die sie morgen erwarten würde. Das verschlafene Nest Countimbory lag nah am Meer, am Ende der Welt sowie es schien. In Wahrheit lag es rund mehrere Kilometer von der nächsten großen Stadt entfernt und befand sich auf wunderbarem irischen Boden. Countimbory war ein kleines Dorf mit gerade an die 500 Einwohner, wo jeder jeden kannte und so ziemlich jeder auf irgendeine Weise mit dem andern verwandt war. Das Dörfchen zeichnete seine malerische Landschaft und seine freundlichen Bewohner aus, so hatte man es im Internet beschrieben – oh Wunder ja das Internet kannte den kleinen Ort, aber mit keiner Silbe hatte man folgendes Problem erwähnt. „Leute hat irgendwer von euch einen Empfang?“ fragte Rue und hob ihr Handy in die Höhe, während sie brav und sittsam Richtung Schule unterwegs waren. „Das kannst du vergessen Rue!“ meinte Raven dumpf und deutete mit den Augen auf einige Bauern, die ihnen verwundert hinterher sahen. „Wieso?“ fragte Rue. „Weil, so befürchte ich, haben die Leute hier noch nicht einmal von der Erschaffung des Fernsehers gehört!“ gab Raven zurück. „OH GOTT! KEIN FERNSEHER?“ meinte Chandra hysterisch. „Ergo kein Internet, kein Facebook, kein E-Mail und –“ Raven blieb stehen, nahm Rue ihr Handy ab und verstaute es in deren Rucksack, „-kein Handyempfang.“ „Wollte Papa uns eigentlich langsam zu Tode foltern?“ fragte Lucine und streckte sich verschlafen. Prompt schlug sie damit einem Bauern seinen Strohhut vom Kopf, als sie bei einem Feld vorbeigingen. „HEY MÄDCHEN!“ rief er ihr noch verblüfft nach. Doch weder Lucine noch eine der anderen gab auch nur eine Bewegung von sich. „Gott wir werden hier elendig verrecken!“ sagte Chandra düster. „Außer es geschieht noch ein Wunder!“ meinte Raven. Sie gingen weiter den langen Weg entlang, bis sie endlich das „Stadtzentrum“ erreichten – was hier so etwas wie ein winziger Marktplatz oder Dorfplatz war. Staunend und leicht verdutzt sahen sich die vier um. Es gab viele kleine Stände, wo Bauern, Fischer und Näher ihre Waren anpriesen. Genau wie man es vor vielen Hundert Jahren getan hatte. „Gott Leute hier ist die Zeit stehen geblieben!“ meinte Lucine. Sie gingen nebeneinander oder zu zweit eingehakt auf den Platz, da sie diesen überqueren mussten um zur Schule zu gelangen. Viele starrten die vier an. „Was haben die denn? Noch nie was von Mode gehört?“ meinte Rue gelangweilt. „Eher haben die noch nie was von solcher Mode gehört, Sister!“ sagte Raven um Rue zu beruhigen. Fakt war, dass alle vier Mädchen eine ganz gewisse Moderichtung eingeschlagen hatte. Ergo sahen sie auch so aus. „Sind das Teufelsanbeterinnen?“ fragte eine Bauersfrau eine andere flüsternd. „Ich glaub schon – schau die hat sogar eine Tätowierung!“ flüsterte eine dritte dazu. „Habt ihr die Ohrringe gesehen? Sind das verkehrte Jesuskreuze?!“ „Oh Gott – die eine hat so einen kurzen Rock an, dass man ihren Hintern sehen kann!“ „Seht euch mal die Stiefel an?“ „Ist das ein Zungenpiercing?“ Genervt, aber mit liebevollem Lächeln drehte sich Chandra plötzlich um und wandte sich dem Bauern-Läster-Quintett zu. Sofort verstummten sie. „Entschuldigen Sie, sie sollten ganz schnell lernen, lauter zu sprechen! Ich glaube in New York hat man ihre Lästereien noch nicht gehört!“ sagte Chandra liebenswert. Eine antwortete verdutzt: „Wie bitte, Mädchen?“ „Sie sollten ihre dreckigen Münder lieber ganz schnell ausspülen, am besten mit Weihwasser . Sie versündigen sich sonst noch!“ setzte Raven nach und gesellte sich neben ihre Schwester. Sie lehnte sich lässig gegen sie und schob ihren kurzen Rock, dadurch gewollt noch ein wenig höher. „Ich verstehe nicht…“ Stotterte eine zweite. „Oh natürlich, mit der artigen niedrigen Intelligenzquotienten ist es sicherlich schwer, auch nur irgendetwas zu verstehen!“ sagte Rue und kam eingehackt mit Lucine zu den beiden dazu. Sie wirkten unaufhaltsam und erschreckend schön und einschüchternd, wie sie da vor den fünf Bäuerinnen standen, die sich unwohl ansahen. „Ich- ihr müsst entschuldigen, aber wir haben noch nie… solche Wesen wie euch gesehen!“ sagte eine der Bäuerinnen. „Sie sollten ihre dummen Aussprüche für sich bewahren!“ sagte Lucine kalt und ihre grünen Augen blitzten gefährlich auf. Die Frauen schluckten vernehmlich. „Und was das mit Satan betrifft…“ lächelte Chandra und beugte sich vor. Ihre Augen blitzten gefährlich auf, als sie plötzlich die Hand einer Bäuerin ergriff. Diese erstarrte vor Entsetzen. Chandras Augen leuchteten kurz auf und dann sagte sie giftig: „… so hat er mir gerade verraten, dass du ein scheinheiliges Biest bist, dass gerne den Ehemann der Kleinen da drüben fickt. Ich an deiner Stelle würde übrigens lieber einen Arzt aufsuchen – könnte sein, dass der Arsch dir eine Krankheit angehängt hat – denn der gute Derek treibt es mit so gut wie jeder hier im kleinen Countimbory.“ Damit ließ sie ihre Hand los und hackte sich bei Raven ein. Sie wandten sich eine nach der anderen ab und gingen geschlossen wie eine Mauer weiter. Zurück blieben verschreckte Ehefrauen, bis die Kleinste von ihnen fassungslos sagte: „Maria hast du wirklich mit Derek geschlafen?“ „Natürlich nicht…“ flüsterte Maria zurück, doch sie wusste es besser. Woher hatte das fremde Mädchen von ihrer Affäre gewusst – wie ihre Augen geglüht hatten – das war so gruselig gewesen. „Echt – diese Schlampen sind doch unmöglich!“ ereiferte sich Raven noch den ganzen Weg weiter bis zur Schule. „Sie hat ihre Lektion gelernt!“ sagte Chandra lächelnd. „Ist dieser Derek es wert gewesen?“ fragte Rue kühl. „Sagen wir so – sein bestes Stück sprach für sich!“ grinste Chandra. „Hast du sie etwas verflucht? Du weißt wir sollen das nicht tun – deswegen sind wir von der letzten Schule geflogen.“ Sagte Lucine warnend. „Mach jetzt keinen Wirbel, Lu!“ sagte Chandra. Lucine starrte Chandra warnend an, bis diese seufzte und sagte grimmig: „Doch habe ich und wenn sie die gute Krätze wieder loswerden will, muss sie ihrer Freundin nur die Wahrheit sagen…“ „Oh Chandra – das hättest du nicht tun dürfen.“ Seufzte Lucine auf, kannte ihre Schwester allerdings gut genug, um zu wissen, dass sie wirklich nichts ändern würde. „Hey Leute unsere neue Schule!“ grinste auf einmal Rue. Sie blieben stehen. „White Dorson“ eine Eliteschule, die seit 500 Jahren bestand, war das absolute Highlight der kleinen Dorfgemeinschaft. Hier gingen die berühmtesten Persönlichkeiten Irlands zur Schule, sie war eine absolute Nobelschule. Früher hatten nur Adelige oder Reiche Zutritt gehabt. Immer noch stand die Schule erhaben und elegant auf einem kleinen grünen Hügel, mit einer eigens angelegten Allee aus Ahornbäumen, die in voller Blüte standen. Die Wiesen waren hoch, dicht, gut gepflegt und sie waren frisch und grün. Die Schule selbst war ein altes Herrenhaus, über vier Etagen und weiß und hellgelb gestrichen. Sie sah geradezu majestätisch aus. Die Fenster waren gigantisch und die Eingangstür war doppelt so hoch wie nötig. Das Haus war aus alten Steinen erbaut und wunderschön verziert worden. Feinste Steinböden waren in weißen, grauen Mustern ausgelegt und es sah zauberhaft aus. „Würg!“ sagte Chandra. „Doppelwürg!“ stimmte Rue zu. „Kotz! Doppelwürg!“ übertrumpfte Raven. „Leute ich geh kurz kotzen!“ sagte Lucine. „GOTT wie konnte Vater uns nur in ein Lernanstalt schicken, wo alle schicke Modepüppchen und Musterknaben in weißen Uniformen sind – ich möchte schreien und irgendjemanden schlagen!“ sagte Rue, sie zupfte unwohl an ihren langen roten Haaren. „Okay – ich glaube du kriegst gleich die Chance – Mutter Theresa als Teenager!“ flüsterte Raven ihr zu. „Auf 12 Uhr!“ „Uhhhhh!“ kam als Antwort und plötzlich sah Rue wie ein gefährlicher Wolf aus. Tatsächlich kamen drei blonde, hübsche Mädchen, allesamt adrett mit glatten Haaren, alle zu zwei Zöpfen geflochten und exakter Seitenscheitel, in die Schuluniform (schwarzer Knielanger Rock, weiße Strümpfe, schwarze Lackschuhe, weiße Bluse, schwarzer Blazer mit dem Logo der Schule auf der linken Brustseite) gehüllt. Die mittlere Blondine lächelte als wolle sie einen Zahnpasta-Wettbewerb für die strahlendesten Zähne gewinnen. Sie zuckten nur eine Sekunde zusammen, als sie die vier Schwestern erblickten. Alle anderen Schüler und Schülerinnen die gerade auf dem Pausenhof waren, hatten schon längst angefangen die vier Neuen anzustarren. Die drei Mädchen gingen aufrecht mit falschem Lächeln auf die vier Schwestern zu. Rue wirkte unruhig, wie ein Wolf vor dem Angriff auf das Futter. Raven stellte ein hämisches Lächeln zur Schau, Chandra blickte kalt aus ihren schönen, großen Augen. Lucine wirkte als einzige unbeteiligt und betrachtete weiterhin das Schulgebäude. „Oh hallo – seid ihr vier neu hier?“ fragte die Mutter Theresa Teenager und strahlte die vier mit ihrem blendenden Lächeln an. „Merkt man das etwa?“ erwiderte Rue genauso lächelnd zurück. „Oh weh!“ dachte Lucine. „Also heißt das ja?“ fragte die zweite Blondine des Trios. „Du bist eine von der ganz schnellen Sorte!“ lächelte Rue weiter. „Äh?“ das Mädchen sah ihre Freundinnen verwirrt an. „Sagen wir so – wenn Dummheit schmerzen würde, müsstest du dich am Boden wälzen und schreien!“ setzte Raven hinzu. „Oha – seid ihr immer so mies gelaunt?“ fragte die dritte im Bunde. „Sarah sei nicht so unhöflich, die vier sind sicher nur unsicher und wissen nicht wie sie sich benehmen sollen!“ erwiderte Mutter Theresa Teenager. „Ja – Sarah, sei nicht so unhöflich!“ stimmte Rue zu. „Wir sind neu hier, und so furchtbar unsicher!“ sagte Raven. „Deswegen musst du schön deine strahlenden Zähne zusammenbeißen und ganz schrecklich lieb zu uns sein!“ sagte Chandra. „Sonst könnten wir uns gar nicht wohl fühlen und akzeptiert!“ lächelte Lucine. „Da haben wir ja drei wirkliche Frohnaturen, Mädels!“ sagte die Dritte. „Beruhig dich, Carmen. Die vier sind auf Ärger aus, und wir sind leider zu schlau und zu gut erzogen, um auf so etwas überhaupt zu reagieren!“ rief die Mutter Theresa Puppe den anderen ihre guten Manieren ins Gedächtnis. „Oh ja – ihr seid einfach viel zu intelligent und zu gut für uns – also solltet ihr lieber ganz schnell so tun, als wären wir Luft, weil wir sonst euer Miss Makellos-Image beschmutzen!“ lächelte Rue. Sie trat auf die Mittlere zu. „Wie heißt du, Miss Perfekt Nummer 1?“ fragte Rue gelassen. „Mein Name ist Angelina, Angelina Dorson!“ erwiderte das Mädchen. „Oha – eine geborene Dorson. Wie nett eine von der Schulvergangenheit kennenzulernen – und dann auch noch so eine wichtige Person.“ Rue blickte ihr fest in die Augen und sagte leise: „Ich geb dir einen guten Rat – nerv uns nicht und ich bringe dich nicht zum Weinen – Deal?“ „Klingt ganz angenehm, Neue!“ sagte Angelina traurig. Damit wandte sie sich ab und ging mit den anderen weg, doch sie drehte sich noch einmal um und sagte leise: „Schade das du so wütend bist, ich weiß nicht warum und auf wen, aber du tust mir Leid!“ Sie sah jede einzeln an, ihr Blick verharrte lange auf Lucine, die eiskalt zurückblickte: „Sehr leid sogar…“ damit gingen sie zurück ins Schulgebäude und exakt in diesem Moment läutete es. „Oha – erster Schultag, die gesamte Schule starrt uns an und wir haben die Königin mit ihren zwei Pseudoprinzessin verärgert!“ grinste Chandra und legte ihre Hand auf Rues Schultern: „Kein schlechter Zwischenstand!“ „Oh ja, wir werden immer besser darin, andere von uns zu stoßen!“ sagte Lucine leise. „Lu…“ sagte Chandra und ignorierte die bohrenden Blicke der anderen, während diese ins Schulgebäude gingen. Sie nahm Lucines Hände und drückte sie ganz sanft: „Hast du es schon wieder vergessen?“ „Nein – ich kenne den Grund. Wir haben es oft genug versucht, doch erkennen sie unsere Fähigkeiten werden wir verurteilt und gejagt!“ wiederholte Lucine jene Worte, die sie so oft schon vor sich hingemurmelt hatte, das es ihr wie ein Mantra erschien. „Richtig – wir können nur uns trauen!“ sagte Rue und nahm die zweite Hand von Chandra. „Denk daran – wir brauchen nur uns!“ stimmte Raven zu und nahm Rues zweite Hand und eine Hand von Lucine. „Ja – wir sind stark. Durch die Kraft der vier Schwestern!“ sagte Lucine lächelnd. „Kommt wir sollten zumindest so tun, als würden wir rechtzeitig zum Unterricht aufbrechen wollen!“ grinste Rue und gemeinsam gingen sie Hand in Hand Richtung Schulgebäude. Dass sie dabei von vier Augenpaaren beobachtet wurden, hatten sie nicht bemerkt. „Endlich mal eine Erlösung aus der unsagbaren Langeweile dieses öden, furchtbar reinen Ortes!“ lächelte ein Junge mit braunen, mittellangen Haaren. „Oh ja – es wird ein Fest werden!“ lächelte ein zweiter junger Mann um die 20 und nahm einen tiefen Zug von einer Zigarette. Er trug eine schwarze Brille und hatte blonde Haare. „Komm sie warten schon!“ sagte der Braunhaarige. „Verwandtschaft!“ grinste der Blonde und warf die Zigarette zu Boden und drückte sie aus, „Kann man sich eben nicht aussuchen!“ Kapitel 2: Gefährliche dunkelbraune Augen ----------------------------------------- Habt ihr euch schon einmal gefühlt, als würdet ihr auf keinen Fall, zu einer gewissen Zeit, an einem gewissen Ort sein? „Begrüßt bitte eure neuen Mitschülerinnen, sie sind Schwestern. Stellt euch doch bitte kurz vor!“ Ich wünsche es mir in diesem Augenblick. „Ich bin Chandra Draco, 18 Jahre alt!“ sagte Chandra, ihr blonder Bob fiel ihr sanft in die Augen und mit einer lässigen, federleichten Bewegung der Hand fielen sie wieder auf ihren richtigen Platz zurück. Es war nicht zu übersehen, dass die Mädchen die vier Schwestern gerne auf den Mond geschossen hätten, die Männer hingegen starrten mit offensichtlicher Verzückung zu den wahrgewordenen Männerträumen von Frauen. „Ich bin Rue Draco, ebenfalls 18!“ sagte Rue, ihre langen roten Haare hingen wild über ihren Rücken. „Ich bin Raven Draco, auch 18!“ sagte Raven, ihre blonden Haare waren noch wilder gelockt, als die der anderen und reichten ihr bis zum Hintern. „Ich bin Lucine Draco, 18!“ sagte Lucine, deren schwarze, sanft gelockten Haare bläulich aufschimmerten, als die Sonne sich kurz hinter den dicken Wolken hervorblinzelte und gleich darauf wieder verschwand. „Ihr seid alle gleich alt?“ fragte der Lehrer verblüfft. „Ja – wir sind Vierlinge – alle am selben Tag vor 18 Jahren geboren!“ erwiderte Chandra kalt. Der Lehrer hob verblüfft die Augen und wandte sich zu den Schülern um. „Vierlinge! Na das ist einmal eine wirkliche Überraschung. Gott sei Dank seid ihr keine eineiigen Vierlinge – sonst hätte ich große Probleme!“ er lachte als einziger über seinen Witz. Rue sah ihn kalt an und sagte mit leiser Stimme: „Wir sind zwar nicht eineiig, aber dennoch sollte man sich vor uns hüten!“ Dem Lehrer blieb das Lachen im Hals stecken, er starrte Rue verblüfft an. Versuchte schließlich einen Witz daraus zu machen: „Ha, ha – unsere Rue ist ja eine Komikerin. Wirklich lustig!“ „Das war kein Witz. Glauben Sie mir, ich mache niemals Witze!“ und wie Rue das „niemals“ betonte, ging nicht nur dem Lehrer eine Gänsehaut über den Rücken. „Ähem – dann sucht euch einen Platz!“ sagte der Lehrer. „Geht nicht!“ sagte Raven sofort. „Äh, warum?“ fragte der Lehrer verblüfft. „Wir sitzen immer zusammen – hier sind die vier neuen Sitze verteilt.“ Sagte Lucine leise. „Oh das war mein Vorschlag, so könnt ihr euch gleich besser in die Klassengemeinschaft integrieren!“ sagte der Lehrer warmherzig. Doch bei Rues Blick wurde im sofort eiskalt: „Wir wollen uns nicht integrieren!“ „Wir wollen auch nicht in dieser Schule, noch weniger in diesem Ort, in dieser Gegend sein – aber unser Vater zwang uns. Glauben Sie ja nicht, dass wir vorhaben hier zu bleiben, geschweige denn uns hier wohl zu fühlen!“ sagte Raven kalt. „Oh… nun ja…“ stammelte der Lehrer. Chandra ging voraus ihre Schwestern folgten ihr sofort. Die anderen Mitschüler starrten die Neuen mit großen Augen ungläubig an – was für ein Auftritt. „Hey – steh auf.“ Sagte Chandra zu der kleinen Braunhaarigen, die gemeinsam mit einer zweiten in der letzten Reihe saß. Neben jeder war ein Platz frei. Quiekend vor Schreck hüpfte das Mädchen auf und setzte sich sofort in die erste Reihe neben eine Freundin – weit weg von den Irren. „Tu du es ihr lieber ganz schnell gleich!“ lächelte Raven süßlich eine Blondine an. Diese sagte nichts, nahm ihre Tasche und setzte sich in die zweite Reihe. Chandra wandte sich um und sagte zu dem sprachlosen Lehrer: „So ist es doch schon viel besser. Finden Sie nicht?“ damit ließen sich die vier sinken und schlugen exakt im selben Moment die Beine übereinander. „Äh… gut… wo waren wir stehen… äh stehen geblieben?“ fragte der Lehrer leicht konfus. „Seite 22, Mathelehrbuch für höhere Algebra!“ sagte plötzlich Chandra und alle Köpfen schossen zu ihre herum. „Äh?“ der Lehrer war nun völlig verwirrt. Chandra sah auf und lächelte kühl: „Ihr Mathebuch – es liegt aufgeschlagen auf ihrem Tisch. Ich hab zufällig die Zahl gesehen!“ sagte sie und ihre eisiger Blick ging vielen durch Mark und Bein und sie sahen sofort weg. „Äh nun gut…. Dann Seite 22, meine Lieben. Wer möchte nach vorne kommen?“ fragte der Lehrer. Chandra, Rue, Raven und Lucine taten den restlichen Vormittag nichts mehr, was sie hätte auffallen lassen, bis auf das sie in jeder Stunde den Lehrern ihre Namen sagen mussten. Die restliche Zeit faulenzten sie herum, störten aber niemanden. Chandra hing ihren Gedanken nach, Rue schrieb Gedichte und Verse in ihr Notizheft, das sie immer mit nahm und Raven wachte nur während der Geschichtestunde auf und versetzte die Professorin in heilloses Entzücken, als sie mehr wusste als sie selbst. Lucine hingegen starrte die ganze Zeit aus dem Fenster und merkte es nicht, wenn sie aufgerufen wurde, erst wenn ihre Schwester sie an stupste. Und dann verwirrte sie jeden Lehrer, indem sie fehlerfrei die Antwort auf die Frage wusste, die sie nicht einmal gehört hatte. Für jeden war nun klar, dass diese Mädchen sehr seltsam waren. So hatten sie noch in der ersten Pause versucht mit ihnen ins Gespräch zu kommen, so blockten sie alle ab und waren sehr kalt, zynisch und geradezu hämisch, wenn sie mit ihnen reden wollten. Daher ließen es die Schüler bald bleiben und wandten sich dem Unterricht zu. In der Mittagspause mussten die vier zur Direktorin, um sich vorzustellen und sich einen Vortrag über das Nichttragen der Schuluniformen anzuhören. Dieser unnötigen Notwendigkeit machte Raven sofort einen Schlussstrich als sie sagte: „Hören Sie, Direktorin, wir wollen nicht hier sein, wollen nicht einmal die selbe Luft wie auch nur irgendein Gehirnamputierter Idiot an dieser Schule, nein in diesem Ort atmen. Und wenn Sie uns jetzt sagen wollen, dass wir diese grässlichen Uniformen anziehen sollen, werden wir gar nicht mehr hier erscheinen. Glauben Sie mir, legen Sie sich nicht mit uns an!“ Und die Direktorin hatte vor Schock nachgegeben und das Thema kam nie wieder auf. So sehr die Mädchen schon durch ihre Art und ihren Charakter aufgefallen waren, so fielen sie noch viel mehr durch ihre Kleidung auf. Raven war die Modedesignerin und sie war schlicht und einfach ein Gothicfan. Alle Schwestern trugen in erster Linie schwarz, dunkelviolett und dunkelrot. Rue trug ein schwarzes Seidenkleid mit einem breiten Gürtel und schwarzen Stiefeln, einer mit dunkelroten Schnürsenkeln, der andere mit dunkelvioletten. Chandra trug ein schwarzes, recht kurzes Kleid, das sehr eng anlag, einen breiten Ledergürtel mit auffälligen Schnallen darüber – Armstulpen, schwarz mit breiten Schnallen und hohe schwarze Schnürpumps. Lucine trug ein weißes Kleid mit schwarzen Ziersäumen, einen schwarzen Haarreifen mit einer roten Rose daran und schwarze hohe Pumps, mit metallicvioletten Sohlen. Raven selbst trug ein schwarzes Stoffkleid, das ihren weißen Busen recht freizügig zeigte, sehr schwarzes Mascara, schwarze Netzstrümpfe, dunkelrote hohe Pumps und eine auffallende rote verschlungene Kette. Alles in einem strahlten die vier eine mystische Aura aus, mit der deutlichen Botschaft: „Bleibt ja weg von uns!“ „Habt ihr die neuesten Gerüchte über uns gehört?“ fragte Rue grinsend, als sie von der verblüfften Cafeteria-Lady nur vier Äpfel verlangt hatte, zurückkam und ihre Schwestern sahen sie an. „Uh lass mich raten, wir sind die vier Schwestern des Todes und haben vor ganz Countimbory zu zerstören!“ sagte Raven und biss lasziv von ihrem Apfel ab, was einigen Männern im Raum ein hörbares Schlucken entlockte. „Gut – Chandra?“ fragte Rue. „Mhm – ich würde sagen wir sind die Töchter des Teufels und versuchen so viele reine Seelen mit uns in den sündigen Tod zu ziehen, den sie hier als Hölle kennen!“ meinte Chandra. „Oh was für ein Genuss für die Ohren! Lucine?“ „Die vier Neuen sind Vierlinge und Anbeterinnen des Satanismus?“ sagte Lucine kühl. „Oh wie langweilig – du hast es erraten!“ sagte Rue gelangweilt. „Was? Nur so ein fades Gerücht?“ fragte Chandra empört und drehte sich zu der starrenden Menge um, die sofort so tat als würde sie alles andere tun, nur nicht die vier anzustarren. „Wir müssen noch mal nachlegen, Sisters!“ sagte Raven lächelnd. Lucine wollte gerade etwas erwidern, da spürte sie einen intensiven Blick, der geradezu in ihrem Nacken prickelte. Mit einem Katzenhaften Dreher blickte sie nach hinten und sah direkt in zwei dunkelbraune Augen, die sie leidenschaftslos musterten. Lucine hingegen lief ein kalter Schauer über den Rücken, bis hinab in die Zehen. Sie blickte zurück. Die braunen Augen gehörten zu einem makellosen, bleichen, weißen Gesicht, das wohlgeformt und länglich war. Höhere Wangenknochen, ein perfekt gezogener Mund, weiche Lippen, und wunderschön geformte Augenbrauen, die schließlich das Gesicht abschlossen. Lucine war wie erstarrt, für einen kurzen Moment war es als würde sie in Vakuum gepackt sein. Alles schwamm vor ihren Augen, doch das andere Augenpaar war intensiv und scharf – als würde sie nur diese braunen Sterne sehen und alles andere verlor an Bedeutung. „Oha!“ sagte Rue und Raven beugte sich nach vorne. Rue hatte wie üblich, wenn sie sich langweilte begonnen auf ihrem Skizzenblock zu schreiben, da war ihre Hand plötzlich in Bewegung geraten. In großen Kreisen fuhr sie, wie ferngesteuert, auf dem Papier herum. „Chandra!“ sagte Raven leise und Chandra beugte sich ebenfalls über Rue. Ihre Hand wurde immer schneller und plötzlich begann sie zu schreiben. „G…“ lasen Raven und Chandra gespannt. Lucine starrte immer noch verloren in diese schönen Augen. War es schon immer so schön hier gewesen, fragte sie sich. „A…“ wisperten Raven und Chandra mit. Lucine spürte wie ihre Augen immer weiter zufielen, wie schwer es war sie offenzuhalten. „Gefahr…“ flüsterten die drei Schwestern und sofort war Raven bei Lucine und stellte sich vor sie hin und umarmte sie. Schlagartig wurde es Lucine warm und die Kälte, die von ihr Besitz ergriffen hatte, verschwand plötzlich, wie sie aufgetaucht war. „Lucine – Süße. Gefahr im Verzug!“ flüsterte Raven eindringlich. Lucine schüttelte kaum merkbar den Kopf, bekam die Gedanken wieder klar und flüsterte zurück: „Du hast den Augenkontakt unterbrochen – es waren dunkelbrauen Augen – ich weiß nicht wo…!“ „Schon gut – gehen wir!“ sagte Rue eindringlich. Sie packten ihre Sachen und schritten schnell aus der Halle. Auf den leeren Fluren wanderten sie eine Zeitlang umher und fanden schließlich ein leeres Klassenzimmer. „Was war los?“ fragte Chandra sofort. „Ein Eindringling!“ sagte Rue und schlug ihr Heft auf. Immer wieder hatte Rue das Wort „Gefahr“ aufgeschrieben. Immer größer werdend und schneller. Deutlicher – grell, und schmerzhaft in seiner Eindringlichkeit. „Leute – es gibt jemanden hier an der Schule, der uns gefährlich werden kann!“ sagte Lucine kalt. „Weißt du wer?“ fragte Raven. „Nein – ich weiß nur, dass dunkelbrauen Augen demnächst tabu sind!“ erwiderte Lucine. Stille breitete sich über die vier aus und schließlich brach Chandra die Stille: „Ziehen wir heute vor Schlafenszeit noch einen Bannkreis um das Cottage – für alle Fälle!“ „Okay!“ nickten ihre Schwestern, da läutete es bereits zum Nachmittagsunterricht. Kapitel 3: Erste Erkenntnisse ----------------------------- „Sisters ich befürchte, dass das Haus einen eigenen Willen hat – der Wille, so hässlich zu bleiben wie es ist!“ beschwor Chandra die anderen. Doch Rue, Raven und Lucine grinsten sie nur an und Rue sagte: „Komm schon – sei ehrlich, Chandra. Würde es dich umbringen, einfach einen Besen zu nehmen und den Staub wegzukehren?“ Sie hatten die letzten Stunden des Tages genutzt und waren tatsächlich mit dem zweiten Stock fertig, es lag nur noch am Boden der Staub von Jahren und Chandra schnappte sich schließlich doch aufseufzend einen großen Besen und kehrte den Staub zusammen, den Lucine auf eine Schaufel putzte und in den großen Müllsack warf. Darin lagen bereits angestaubte, längst vergessene Krimskrams Sachen, von alten Vorhangstoffen bis zu angelaufenen Tellern, die grausam verklebt waren – keiner wollte sich ausmalen WOVON es verklebt war. Sie hatten insgesamt zehn Müllsäcke zusammen, was beachtlich bei einer Fassweite von 60l war. Grinsend und müde schleppten die Mädchen die Säcke nach unten und stellten sie neben die Mülltonnen im Garten. „Gott – ich hoffe die Putzerei lohnt sich am Ende!“ sagte Chandra und wischte sich angeekelt den Schweiß von der Stirn. „Weißt du was uns aufheitern würde? Ein Gespräch mit Mum!“ sagte Rue und blinzelte Lucine verräterisch zu. „Gute Idee!“ stimmten Lucine und Raven zu, doch Chandra blickte missmutig drein: „Nein, zu gefährlich. Heute ist kein guter Zeitpunkt. Morgen okay?“ Aufseufzend ergaben sich die anderen und Rue sagte leise: „Okay – hast du Angst wegen dem was ich aufgeschrieben habe?“ „Nein natürlich nicht, Süße!“ seufzte Chandra auf und umarmte ihre Schwester, strich ihr beruhigend über die langen roten Haare, während sie sich gegenseitig fest hielten. Lucine, Raven blickten betrübt vor sich hin. Lucine spürte einen feinen Tropfen auf ihrem Gesicht, griff sich an die Wange und sah verdutzt des ihre Finger nass waren. Sie blickte hoch in den Himmel – düstere, schwarze Gewitterwolken waren aufgezogen und es roch nach Regen und Donner. „Leute – es zieht etwas auf…“ sagte Lucine und die anderen blickten ebenfalls in den Himmel. Es war klar, dass Lucine nicht das Gewitter gemeint hatte – da draußen lauerte etwas, etwas, was stark war. „Kommt gehen wir ins Haus – reden wir lieber mit Onkel Jeremy, mhm?“ sagte Chandra und Raven nickte lächelnd, Rue lächelte ebenfalls und Lucine nickte aufmunternd. Während die drei nach drinnen gingen, spürte Lucine wieder so ein Prickeln in ihrem Genick und sie drehte sich blitzschnell um. Misstrauisch ließ sie ihren Blick über die weiten grünen Hügel huschen und sie spürte ein ungutes Gefühl in ihrem Magen. „Lu?“ rief Chandra und sie war schneller bei Lucine als ihre Schwester gedacht hätte. Chandras Augen waren groß und sie blickte ebenfalls düster in die Gegend. Sie blickte Lucine an. „War es wie heute in der Schule?“ fragte Chandra. „Nicht so stark, aber ja – es war die gleiche Aura!“ sagte Lucine leise. Chandra schnalzte missbilligend mit der Zunge und sagte: „Ich mach den Bannkreis – geh nach drinnen!“ „Okay…“ sagte Lucine und trat einen Schritt zurück und drehte sich um. Sie lief zu ihren Schwestern. Ohne sich erneut umzudrehen gingen die drei nach drinnen und schlossen die Tür. Chandra blickte sich um und hob ihren Blick. Sie spürte, dass Lucine richtig lag – es war eine ähnliche Aura, nicht so stark wie heute in der Mensa, aber immer noch präsent. Na ja, was soll es, dachte Chandra. Sie streckte sich und dehnte sich. Dann hob sie ihre Hand und streckte sie gegen den Himmel. „Im Namen der Kraft die in unseren vier Körpern inne wohnt, spreche ich einen Schutz über diesen Ort aus. Ahnen schützt eure Töchter der Magie und bewahrt sie vor Schaden!“ damit tippte sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger, der Hand die sie gegen den Himmel gestreckt hatte, auf den Boden und zeichnete ein weißes Pentagramm. Tatsächlich leuchtete die Wiese weiß auf, wo Chandra das Pentagramm einzeichnete. Als würde eine unsichtbare Kraft sich ausdehnen, wanderte ein winziger kleiner Lichtstrahl aus dem Pentagramm blitzschnell einmal um das gesamte Cottage. Chandra stand auf und klopfte sich die Hände ab: „So das müsste reichen!“ sie streckte sich erneut und ging ins Haus. Doch bevor sie sich abwandte, sah sie noch einmal nach hinten und sah wie ein Schatten verschwand. „Womit haben wir eigentlich dauernd Stress?“ dachte sie düster und schloss die Eingangstür ab. „Und?“ fragten Rue und Lucine. Raven hatte sich schon in die Mitte der Sofas gesetzt und streckte sich. Bereitete sich vor. „Ist weg – allerdings gefällt mir die Schattengröße nicht.“ Sagte Chandra. „SO groß?“ fragte Rue unwohl. „Hey vor was hast du Angst, Sister – wir sind vier. Wir sind vier Schwestern. Du weißt doch, wie stark wir sind!“ lächelte Lucine. Ein wohliges Lächeln legte sich auf alle Lippen und Rue grinste: „Sorry – leichte Panikschübe!“ „Kein Thema – die letzten waren auch lästig genug wieder loszuwerden. Tisch-rücken sollten wir eine Zeitlang lassen!“ sagte Chandra. „Okay – dann rufen wir mal Onkel Jeremy!“ sagte Lucine. Die anderen drei nickten. Raven setzte sich auf ihre Knie und faltete die Hände wie im Gebet. Lucine, Rue und Chandra hatten sich im Dreieck um sie herum aufgestellt. Jeweils eine Kerze zur rechten und zur linken, stand neben ihnen und beleuchteten die vier. Die drei streckten sich die Hände zur Seite, so knapp das sie fast einander berührten – das fast war hierbei wichtig. „Onkel Jeremy – deine Nichten brauchen deinen Rat – hörst du mich?“ sagte Raven in den Raum hinein. Zunächst rührte sich nichts. Dann bewegte sich schwach der Kerzenschein. Raven lächelte: „Er kommt schon!“ Damit trat sie aus dem Kreis und reichte ihren Schwestern die Hände, sie hielten sich aneinander fest, während sie aus der Mitte, wo gerade eben noch Raven gestanden hatte, eine perlweiße Gestalt materialisierte. Zunächst war es nur eine durchsichtige Erscheinung, die immer stärker und stärker wurde. Dann flackerten die Kerzen noch einmal auf und die Gestalt war vollendet. Es war ein großer, bärtiger Mann mit einem sanften Lächeln und noch gütigeren Augen. Er streckte sich und gähnte ausgiebig. „Na so was – meine Süßen – schön euch zu sehen!“ sagte der Mann. „Onkel Jeremy – wie geht es dir?“ rief Rue erfreut. „Gut Rue, sehr gut – ein wenig Langweilig ist es manchmal da drüben!“ sagte Jeremy und schüttelte seine Beine aus. „Wie geht es Mum?“ fragte Lucine. „Gut sie lässt euch grüßen – und euren Vater wieder einmal eine Kopfnuss geben – er sollte euch nicht immer herumziehen lassen!“ sagte Jeremy. „Wissen wir!“ kam es im Viererchor zurück. „Onkel wir brauchen deinen Rat!“ sagte Chandra. „Ich dachte mir schon, dass ihr es schon wieder geschafft habt euch in Schwierigkeiten zu bringen. Worum geht es dieses Mal?“ fragte Jeremy und zog eine alte Pfeife aus seinem Umhang. Er zündete sie sich und blies Rauchringe gegen die Decke. „Jemand beobachtet uns und Lucine wurde heute fast in einen Tiefschlaf geschickt! Reiner Augenkontakt nicht mehr!“ sagte Chandra eindringlich. „Oha – nur durch Augenkontakt?“ überrascht zog Jeremy eine Augenbraue nach oben, während er weitere Rauchringe ausblies. „Ja!“ kam es zurück. „Beeindruckend im negativen Sinn, versteht sich – nur erhabene, mächtigere magische Wesen sind dazu im Stande!“ sagte Jeremy nachdenklich. „Kommt noch ein produktiver Ratschlag?“ fragte Rue. „Nun, beobachtet weiterhin, die nächsten drei Tage würde ich sagen und Chandra verstärke ruhig den Bannkreis. Nimm ruhig Weihrauch – das schreckt sie ab. Rue du wirst bitte so oft es geht deine Schwingungen nutzten – versuch alles aufzuschreiben – ich bin mir sicher, früher oder später bekommt ihr dann eine Antwort auf eure Fragen. Und du Lucine-“ Onkel Jeremy drehte sich warnend zu seiner Nichte um. Abwehrend hob diese die Hände: „Schon gut – ich verhalte mich unauffällig und still!“ „Genau das tust du – deine Kräfte sind nicht kontrollierbar. Raven halt dich für die nächste Zeit auch aus der Metaebene draußen. Wer auch immer euch was anbieten will – geht nicht drauf ein. Wir können noch gar nichts mit Sicherheit sagen. Aber wenn diese Wesen Lucine einschläfern wollten, dann gibt es nur zwei Gründe.“ Paffte Jeremy seine Pfeife. „Die wären?“ fragte Rue. „Erstens – wir könnten sie in Panik versetzt haben. Sie könnten unsere Magie gespürt haben. Vor allem mein Potential könnte sie erschreckt haben. Wenn es ein Clan ist, dann wollen sie die Gefahr gleich bannen!“ sagte Lucine. „Und die zweite Version?“ fragte Raven. „Aus Spaß!“ sagte Jeremy. „Spaß?“ Raven sah perplex drein. „Viele Wesen die hier so herumspuken, verspüren öfters Langeweile, dann nerven sie andere Mitmenschen und wollen ein wenig manipulieren. Kein großes Vergehen, aber auch nicht gerade freundlich!“ sagte Jeremy. „Okay – danke Onkel Jeremy!“ sagte Chandra. „Dann meine süßen Nichten, passt auf euch auf und macht keinen Quatsch. Augen und Ohren offen halten!“ sagte Jeremy, während er wieder zu weißen Nebel wurde und schließlich verschwand. „Raven verschließ bitte gleich die Lücke – sonst kommen noch ungebetene Gäste rein!“ sagte Lucine. „Schon gemacht!“ sagte Raven, „Ich habe genauso wenig Lust, wieder ewig von perversen Poltergeistern genervt zu werden, die nur auf ein wenig Spaß aus sind.“ „Na dann – gute Nacht Sisters – morgen werden wir alles genau im Auge behalten. Schließlich steht unser Ruf als die Vierlingshexen auf dem Spiel!“ sagte Chandra. „Jetzt komm runter. Mutter war eine echte Hexe – wir sind jämmerliche Abklatsche. Wir haben nicht einmal vollentwickelte Kräfte – jede hat einen schwachen Zugang zur Metawelt. Nur Lucine hat mehr Kraft und die kann sie nicht mal kontrollieren!“ sagte Rue und klatschte Chandra fest auf den Po. „Autsch. Schon gut – ich geh schlafen! Nacht!“ sagte Chandra. „Nacht!“ sagte auch Rue. Raven sah Lucine an und lächelte: „Lust auf ein bisschen Klassik?“ „Ja – du auch?“ fragte Lucine und startete bereits Richtung Klavier – das einzige Möbelstück, das sie immer bei jedem Umzug mitnahmen. „Ja – ich brauch Entspannung. Krieg ich was von Tschaikowsky?“ fragte Raven und legte sich müde auf das weiche Sofa. „Ja – warum nicht. Grand Pas de Deux?“ fragte Lucine. „Bitte!“ murmelte Raven zurück, bereits völlig entspannt. „Na dann!“ sagte Lucine und begann zu spielen. Am nächsten Morgen waren alle gelinde gesagt, abgeneigt in die Schule zu gehen. „Dann bleiben wir halt zu Hause!“ sagte Rue müde und wollte sich bereits wieder in ihr Bett fallen lassen, als Lucine die Decke wegzog auf der Rue lag und sie somit aus dem Bett katapultierte. „Du furchtbare Rabenschwester!“ sagte Rue klagend. „Kommt schon auf!“ sagte Lucine kühl und schmiss eine Schwester nach der anderen aus ihren Betten. „Seit wann bist du zu einer Streberin mutiert?“ fragte Chandra unglücklich. „Bin auch nicht – aber ich will zur Schule!“ sagte Lucine ruhig. „Darf man auch fragen warum?“ gähnte Raven, die die Nacht auf der Couch im Sofa verbracht hatte. „Ganz einfach – wenn wir nicht auftauchen, glaubt derjenige von gestern wir geben uns bereits geschlagen und darauf habe ich null Bock!“ sagte Lucine grimmig und stand bereits angezogen und geschminkt vor ihren Schwestern. Ungläubig starrten die anderen zurück, da stand Chandra auf und sagte sich streckend: „Na wenn du meinst – ich geh mich duschen!“ damit war sie im Badezimmer und schon plätscherte es rhythmisch dahin. „Ich weiß zwar nicht, warum der noch einmal angreifen sollte – aber wenn ihr meint. Dann eben Schule!“ gähnte Raven weiter und schlenderte halb im Dämmerschlaf Richtung Küche. Lucine hatte bereits das Frühstück gerichtet, und der wohlige Duft von frischem starken Kaffee erfüllt den Raum. „Ich bin so mü-mü-mühühühde!“ gähnte Raven und verschüttete fast ihren Kaffee, als sie dankbar eine Tasse von Lucine entgegen nahm. „Also ehrlich – glaubst du wirklich, dass wir einem Angriff ausgesetzt sind, Lu? Ich meine wer würde uns was antun wollen – wir haben, bis auf Chandra die Bäuerin, keinen verhext und sind erst vor zwei Tagen angekommen – wenn könnten wir so schnell verärgert haben!“ fragte Rue, die ein Brot mit Butter bestrich. Lucine, gerade aus einem Glas Orangensaft trinkend, setzte das Glas ab und sagte ruhig: „Ich bin mir nicht sicher, kein Stück. Aber denkt an Onkel Jeremys Worte!“ „Ja, ja – schon gut. Das sagt er doch jedes Mal wenn Raven ihn ruft – passt auf, macht keinen Blödsinn!“ sagte Rue gelangweilt. „IMMER WACHSAM!“ bellte auf einmal Chandra und alle fuhren zusammen und kicherten. „Falscher Film!“ belehrte Lucine ihre Schwester und reichte ihr einen schwarzen Kaffee. Chandra schüttelte sich den Kopf trocken und Rue startete Richtung Dusche. Raven sah aus, als würde sie gleich mit dem Gesicht in ihr Müsli fallen, wo sie die Augen kaum noch offen halten konnte. „RAVEN!“ zischte Chandra laut, sofort riss ihre Schwester erschrocken die Augen auf. „Ja?“ „Wenn du das Müsli ausschüttest, schaufle ich persönlich dein Grab. ICH habe gestern erst diesen beschissenen Boden aufgewischt!“ sagte Chandra warnend und nahm der Schwester zur Sicherheit das Müsli weg und gab ihr nur einen Kornspitz. „Dan-Dah- DANKE!“ gähnte Raven erneut. „Komm iss und beeil dich mit dem wach werden, wir haben nur eine halbe Stunde und Rue überschwemmt jedes Mal das Badezimmer. Ergo muss sie noch zusammenwischen und dass du dich dann noch duschst, ist relativ negativ möglich.“ Sagte Chandra und schob ihre Schwester Richtung Zimmer und half ihr gleich in die Klamotten, bevor Raven sich noch einmal ins Bett legen konnte. „Ach ja… was wäre die Welt doch ohne schwesterliche Liebe!“ sagte Lucine lächelnd und strich sich Marmelade auf eine weiße Semmel. Schließlich waren sie doch noch alle fertig und wankten müde aus dem Cottage, nur Lucine war hellwach. Antreibend wie ein Major von der Bundeswehr zog Lucine ihre Schwestern Richtung Schule. Dort wurden allerdings auch die anderen drei wieder wachsam, immerhin waren sie gestern bedroht worden. Eingehackt zu zweit gehend, schlenderten sie in die Schule und ins Klassenzimmer. Immer noch starrten sie einige an, der Rest hatte sich wohl heimlich entschlossen die Neuen zu ignorieren. Was den Vieren nur allzu Recht war. „Und? Habt ihr was gespürt?“ fragte Raven. „Nö…“ sagte Rue müde. „Kein Stück!“ schüttelte Chandra den Kopf. „Nicht einmal einen Hauch- wer auch immer es war, die Aura ist nicht da!“ sagte Lucine. Da betrat der Lehrer den Klassenraum und begann mit Mathematik. „Uff!“ seufzte Lucine und wusch sich das Gesicht unter fließendem Wasser, während ihre Schwestern beim Sportunterricht waren. Abgesehen von Raven betrieb keiner einen Sport. Sie waren zwar alle schlank, zierlich schon fast, aber hatten keine Kondition, geschweige denn eine Begabung für den Sport. Raven hingegen amüsierte sich glänzend und lief gerne gegen die anderen Schülerinnen um die Zeit und sprang weiter als sonst eine. Lucine hatte sich auf die Toilette geflüchtet und sah ihr weißes Gesicht, das sie sorgsam vor allzu viel Sonne schützte, im Spiegel an. Sie sah nicht gut aus – im Gegenteil müde und abgespannt. „Kein Wunder. Ich hab kein Auge zugemacht!“ seufzte sie innerlich. Sie hatte weit über Mitternacht Klavier gespielt und war erst um halb vier Uhr morgens ins Bett gefallen. Schlaf hatte sie trotzdem keinen gefunden. Immer waren diese dunkelbraunen Augen da gewesen. Aufseufzend und sich streckend verließ Lucine das WC. Als sie die Tür öffnete, spürte sie erneut die Aura von gestern. Lauernd blieb sie stehen und versuchte die Energie zu lokalisieren. Sie war nicht weit weg. Lucine rannte los – sie rannte den Korridor entlang, Treppe hoch und weiter nach links. Sie kam in die oberen Klassenräume, die vornehmlich den Reichen und Adligen Schülern vorbehalten war. Sie sah sich abwartend um, da spürte sie erneut die Energie, hinter sich. Sie drehte sich blitzschnell um. Hinter ihr stand ein junger Mann, vielleicht Anfang 20, er war groß und hatte lange schwarze Haare, die er zu Rasterlocken gebunden hatte. Er lächelte sie charmant an und seine Augen bohrten sich in ihr Herz. „Entschuldige, habe ich dich erschreckt?“ fragte er höflich. Lucine blieb stumm und versuchte die Quelle der Aura des Mannes auszumachen. Doch genauso schnell wie die Aura aufgetaucht war, war sie schon wieder verschwunden. Er sah sie ebenfalls an und wartete ab. Lucine schüttelte den Kopf. „Gut – weil ich nicht gerne süße Mädchen erschrecke. Bist du Neu?“ fragte er weiter. Lucine nickte kurz. „Schön ich hoffe es gefällt dir hier. Ich bin Tom!“ er hielt ihr die Hand hin. Lucine blieb wo sie war und rührte sich nicht. „Sehr gesprächig bist du ja nicht – oder bist du stumm?“ fragte Tom, immer noch die Hand hin haltend. Zögernd reichte Lucine ihm ihre Hand und schüttelte den Kopf. „Gut!“ lächelte Tom charmant und nickte kurz den Kopf. Lucine spürte eine gewaltige Druckkraft aus seiner Handfläche schießen, ließ sich aber nichts anmerken. Sie sah lange in seine Augen zurück. Dann ließ er sie los und steckte die Hände lässig in die Hosentasche der Schuluniformhose, schwarz mit einem weißen Streifen auf der Seite. Er ging an Lucine vorbei und sagte: „Hoffentlich sieht man sich bald wieder! See ya!“ und ging mit der rechten Hand winkend vorbei. Lucine starrte auf ihre Handfläche und dann hob sie den Blick. Er war verschwunden. Lange stand Lucine noch reglos im Schatten. Dann ging sie zu den anderen zurück. Einen Korridor entfernt lehnte der Junge gegen die Mauer und grinste vor sich hin. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und es war nicht mehr charmant, es war wissend und ein wenig mystisch. „So, so…“ dachte er und blickte aus dem Fenster und sah zu wie Lucine zu ihren drei Schwestern lief, die gemeinsam unter einem Baum im Schatten saßen. Sie setzte sich dazu und begann auf sie einzureden. Ernst hörten die Schwestern ihr zu und eine Blonde mit einer Kurzhaarfrisur antwortete ruhig. Er beobachtete sie, da schnellten ihre Augen in seine Richtung und für mehrere Sekunden blickten sie einander fest in die Augen. Sie unterbrach den Kontakt und stand auf. Sie gingen Richtung Umkleide. „Interessant!“ sagte er. Er leckte sich mit der Zungenspitze die Oberlippe ab und grinste dunkel: „Wirklich interessant. Vier kleine Hexen, das wird noch lustig werden!“ damit ging er und verließ den Korridor. „Er war da!“ sagte Chandra, während sie sich umzogen – die Lehrerin hatte sie nicht einmal versucht aufzuhalten. „Dieser Tom?“ fragte Rue. „Ja – er hat uns beobachtet. Gerade eben. Er war im dritten Stock und sah aus dem Fenster. Ich spürte seinen Blick und habe zurückgesehen!“ sagte Chandra. „DU hast den Kontakt erwidert?“ fragte Raven fassungslos. Lucine blickte auf: „Wir sollen das nicht tun – Onkel Jeremy sagte, wir sollen uns ruhig verhalten!“ „Hast du auch nicht getan – ich finde wir sollten sie ruhig ein wenig reizen – vielleicht kommen sie so aus ihrem Versteck!“ sagte Chandra und hob betont langsam ihren schwarzen Rucksack auf ihren Rücken. Nachdenklich blickte Rue vor sich hin und sagte: „Ich werde was ausprobieren. Lucine bring mich in den Korridor wo du diesen Tom getroffen hast!“ „Okay…“ sagte Lucine. Wenig später standen sie genau dort, wo Tom Lucine die Hand gereicht hatte. Rue packte ihren Notizblock aus und legte ihn auf den Boden. Sie nahm einen Stift in die Hand und begann wie neulich kleine Kreise zu malen. „Was willst du bewirken?“ fragte Raven. „Ich will Antworten!“ sagte Rue, da zuckte ihre Hand und wie von einem anderen Menschen geführt, vor ihre Hand zunächst in unruhigen Zickzacklinien über das Blatt, dann begann sie Worte aufzuschreiben. „Hallo!“ schrieb Rue auf. Chandra nahm ebenfalls einen Stift und schrieb: „Was wollt ihr?“ Rues Hand glitt wieder über das Papier und schrieb: „Euch kennenlernen!“ „Vergesst es!“ schrieb Chandra zurück. „Nicht gleich so unhöflich!“ „Welche Wesen seid ihr?“ fragte Chandra mittels Stift. Längere Zeit zog Rues Hand Kreis, dann „Ihr seid Hexen – schwarze oder weiße Magie?“ „Was jetzt?“ fragte Chandra ratlos. Lucine nahm ihr den Stift aus der Hand. „Kommt auf euch an!“ schrieb sie. „Mhm…. Wir werden uns demnächst treffen… bis bald…“dann fiel Rue der Stift aus der Hand. „Na super – viel schlauer sind wir nicht gerade!“ meinte Raven. „Doch wir wissen, dass sie wissen, was wir sind!“ sagte Rue erschöpft. Ihre Kräfte waren sehr anstrengend und sie sollte sie nicht allzu oft einsetzten. „Außerdem bin ich mir sicher, dass es dieselbe Aura war, wie vorhin!“ sagte Lucine. „Mhm und was jetzt?“ fragte Chandra. „Sie werden uns treffen, ob wir wollen oder nicht!“ sagte Rue und stand mit buttrigen Knien auf, Raven stützte sie. „Dann sollten wir uns wappnen – wir müssen mehr herausfinden!“ sagte Lucine kühl. „Und wie?“ fragte Raven. „Ganz einfach – ich treffe den Kerl noch einmal!“ sagte Lucine. Ihre Schwestern nickten zögerlich: „Gut, aber wir werden in der Nähe sein!“ sagte Chandra. „In Ordnung, dass wird ihn nicht nerven. Da bin ich mir sicher. Ziemlich selbstsicherer Typ!“ sagte Lucine. „Gehen wir nach Hause – Rue braucht jetzt Ruhe!“ sagte Raven und Rue nickte müde. „Natürlich. Gehen wir!“ sagte Lucine und hob Rues Rucksack hoch und schulterte ihn, während Raven Rue Huckepack nahm und sie kehrten ins Cottage zurück. Spät am Abend saßen sie alle zusammen bei einem Glas Weißwein. Lucine spielte verträumt vor sich hin und Chandra kam gerade zur Tür herein. „Bannkreis verstärkt – war auch gut so. Sie hatten einige Siegel gebrochen!“ sagte sie. Lucine sah nicht vom Klavier auf und erwiderte: „Wisst ihr was?“ „Was?“ fragte Rue zurück. Raven las ein Buch über das alte Rom und blickte ebenfalls auf. „Ich glaube sie sind gefährlicher als wir glauben!“ sagte Lucine. „Dämonen?“ fragte Chandra. „Nein – stärker!“ sagte Lucine und drehte sich schwungvoll um, das Klavier spielte weiter, obwohl sie die Tasten losgelassen hatte. „Und wie stark meinst du?“ fragte Raven. Lucine stand auf, die Melodie spielte weiter und kam dem Finale näher. Es wurde lauter und beim letzten Akkord sagte Lucine: „Samaels Kinder!“ Klirr. Rue hatte ihr Weinglas fallen gelassen und gleichzeitig hatte das Klavier geendet. Lucine drehte sich um und blickte in drei fassungslose, bleiche Gesichter. „Was?“ flüstere Chandra. „Hast mich schon verstanden!“ sagte Lucine kalt. „Das ist Schwachsinn – Irrsinn du bist völlig irre!“ sagte Rue heißer und Raven zitterte. „Ihr wisst genauso gut wie ich, dass es möglich wäre.“ Sagte Lucine. „Nein in 100 Jahren nicht – das ist Quatsch!“ sagte Chandra wütend. Der Zorn war ihr ins Gesicht geschrieben. „Nur weil ihre euch vor dem Gedanken ängstigt!“ sagte Lucine leichthin. BAMM. Chandra hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen – so zornig hatte Lucine ihre Schwester schon sehr lange nicht mehr gesehen. „Und das WUNDERT dich?“ Chandras Lippe bebte, „Du weißt genauso gut wie wir, dass wir gegen Samaels Kinder MACHTLOS wären. Wir könnten gleich unser Testament aufsetzten!“ „Das müssten wir auch bei einem höheren Dämonenfürsten!“ sagte Lucine knapp. Schwer atmend ließ sich Chandra auf den Sessel sinken: „Ich sage du spinnst! Es sind sicherlich keine Kinder Samaels!“ „Und was wenn doch?“ fragte Lucine, sie drehte sich um und blickte hinaus in die Nacht. „Chandra du und ich wissen genau, dass da draußen etwas lauert, etwas verdammt Gefährliches. Du hast die Präsenz heute auch gespürt. Sie hat die eine Gänsehaut verpasst nicht wahr?“ Lucine blickte ihre Schwester über einen Schulterblick an. Chandra kaute auf ihrer Unterlippe und nickte zögerlich. Rue und Raven starrten ängstlich zwischen der Ältesten und Jüngsten hin und her. „Dann lasst uns die Sache hypothetisch betrachten!“ sagte Lucine. Sie sah weiterhin in die Nacht. „Rein hypothetisch… wenn es Samaels Kinder sind, dann haben wir ohnehin keine Chance sie abzuwehren. Dann wären auch die entstandenen Risse in dem Bannkreis von gestern geklärt und wir könnten uns auch die Präsenz erklären. Die Aura die dieser Kerl ausstrahlte war gewaltig, sie war schier überwältigend. Als er mir nur die Hand gereicht hat, hat mich die plötzliche Druckkraft fast zu Boden gedrückt.“ Lucine drehte sich um und sah wie Chandra ruhiger geworden war und Rue und Raven noch ängstlicher aussahen. „Gut, rein hypothetisch, dann müssten wir diese Auren doch auch gespürt haben!“ sagte Raven. „Rue hat sie gespürt, zwar nur gestreift aber greifbar!“ sagte Lucine. Raven sah Rue an und diese nickte langsam, traurig – unglücklich. „Sie war stark – so stark habe ich es noch nie erlebt!“ sagte Rue leise. Stille. „Aber wenn wir wirklich davon ausgehen, dass es Samaels Kinder sind, dann haben wir ohnehin keine Chance!“ sagte Raven. „Richtig, Sister. Aber normalerweise ignorieren Samaels Kinder gewöhnliche einfache Magier – wir sind nicht stark, aber die Kraft die in unseren Adern strömt ist alt – sehr alt. Seit über Jahrhunderten fließt in unserer Familie in der weiblichen Seite Hexenblut. Natürlich wurde es schwächer mit der Zeit, versinkt im Blut der neuen Generationen und kann nicht wirklich vollentwickelt seine Kraft zeigen – es ist leider so. Vor allem als wir geboren wurde, war die Kraft aufgeteilt – auf vier Schwestern!“ sagte Lucine. Rue, Raven und Chandra blickten starr vor sich hin. „Wenn sie was von uns wollen, dann muss es einen Grund geben. Samaels Kinder müssen einen Grund haben, einfache Hexen wie uns anzusprechen!“ sagte Lucine bestimmt und hart. Chandra blickte betrübt drein: „Ja aber warum? Was soll das für ein Grund sein?“ Die Schwestern sahen sich an. „Tja, Chandra – du hast gerade des Pudels Kern gefunden!“ sagte Lucine kalt. Kapitel 4: Alleingang --------------------- Am nächsten Morgen wachten die vier Schwestern sehr spät auf, gelangweilt sah Raven auf ihre Handyuhr und sagte gähnend: „Schon halb ze – zehhhhn!“ „WAS?“ rief Rue. „Halb-“ setzte sich auch Chandra ruckartig auf. „10????“ schrie Lucine entsetzt. „Jo – warum?“ fragte Raven müde und wollte sich schon wieder auf die andere Seite drehen, da wurde sie beinhart vom Bett geschubst und sie blieb mit dem Gesicht auf dem Boden liegen. Gequetscht kam es von dort: „Was ist nur aus dem ruhigen Ausschlafen geworden?“ „Keine Zeit dafür!“ schnappte Rue ihre Schwester und zerrte sie ins Badezimmer. „Verdammt – wir wollten doch uns ganz normal verhalten – jetzt haben wir die erste Schularbeit in weniger als zehn Minuten-!“ hüpfte Chandra auf einem Bein quer durchs Zimmer, gleichzeitig hochhakigen Stiefel und Leggins anziehend. „-und dann verschlafen wir mal ganze drei Stunden!“ sagte Lucine trocken und fuhr sich hastig mit einem Kamm durch die verfilzten Locken ihres rabenschwarzen Haars. „Beeil dich Sister!“ rief Rue Raven zu, die immer noch halb orientierungslos zwischen Badezimmer und Flur hin und her lief. Chandra war schon beim Make-up, Lucine hatte ihre Filzlocken unter Kontrolle und Rue war wenigstens schon halb angezogen. „TEMPO!“ rief Chandra und sie war die erste die aus dem Zimmer ins Erdgeschoss rannte. „Jawohl!“ rief Lucine grinsend zurück und sprang als zweite die Treppe hinunter. „Fast fertig!“ rief Rue, ein dunkelblaues Kleid mit weißen Spitzen über den Körper streifend. „WARTET!“ kam es dagegen von Raven, die in Unterhosen und BH die Treppe runter krachte. „RAVEN!“ kam der allgemeine Aufruf. Fünf Minuten später hatte auch Raven es geschafft und sie rannten so schnell es ging Richtung Schule. Der Schulweg dauerte normalerweise im Schlendergang gute 20 Minuten, doch nun hatten sie weniger als vier Zeit. Wie die Irren hetzten sie rasend schnell – auf hochhakigen Schuhen wohlgemerkt, die lange Landstraße, später Querfeldein über den Hauptplatz und dann noch die kurze, leicht hügelige Strecke zur Schule. Es läutete in dem Moment als sie die Schule einrannten und mit klopfenden Herzen und noch lauterem Pulsschlag stürmten sie die Treppen nach oben. Vor der Klasse hielten sie kurz inne. „Gott ich bin fast tot!!“ sagte Rue keuchend. „Tja – Sport ist bekanntlich Mord!“ zog Lucine hörbar Luft ein. „Jawohl – ein wahres Wort!“ stöhnte Chandra völlig erledigt. „Wisst ihr was gegen miese Kondition hilft?“ ließ sich Raven vernehmen, die als einzige wieder normal atmen konnte. „Nein aber du wirst es uns sicherlich gleich sagen!“ knurrte Rue. Bevor Raven antworten konnte, tauchte der Lehrer auf und trug bereits die Schularbeithefte in seiner Hand. „Auf zum fröhlichen Mathe!“ grinste Chandra und schob ihre vier Schwestern ins Klassenzimmer. Schweigend verteilte einer der Schüler die Hefte und der Lehrer teilte die Aufgabenzettel aus. Missmutig beugten sich die Vierlinge über die Aufgaben und nach zehn Minuten gaben sie die Hefte bereits ab. Verwundert blickte der Lehrer sie an, doch sie marschierten wieder an ihm vorbei und als er die Hefte aufschlug stieg seine Verblüfftheit ins Unermessliche. Die vier hatten alle Aufgaben richtig gelöst und alle ein sehr gut abgestaubt. „Wow…“ dachte der Lehrer nur und sah ihnen verdattert nach. „Das wagen sie sich Matheschularbeit zu schimpfen!“ meinte Rue düster. „Sogar mit vier Jahren konnten wir solche Aufgaben lösen. Von wegen „Höhere Mathematik“!“ grinste Raven. „Und dafür sind wir so hergerannt?“ fragte Chandra leicht genervt. „Kommt schon – Kaffee trinken!“ sagte Lucine und zog ihre Schwestern mit sich. Als sie die Treppe hinuntergingen, spürten sowohl Lucine, als auch Rue, Raven und Chandra einen gewaltigen Schmerz durch ihren Kopf zucken und blieben ruckartig stehen. Wie vom Blitz getroffen. „Habt ihr das gespürt?“ fragte Rue leise. „Ja…“ kam es zurück. „Mädels – es sind eindeutig keine einfachen Magier!“ sagte Raven. „Was machen wir jetzt?“ fragte Chandra. „Ganz einfach – wir gehen auf das Spiel ein. Früher oder später werden sie ohnehin auftauchen!“ sagte Lucine ruhig. Stille. Dann: „Was habt ihr gesehen?“ fragte Chandra. „Die alte Weide auf dem Schulgelände!“ kam es zurück. „Gut – dann ist es nur einer der uns die Botschaft geschickt hat!“ aufmerksam musterte Chandra ihre Schwestern und fragte: „Gehen wir zu ihm?“ Lucine nickte, die beiden anderen sahen sich unwohl an – nickten schließlich ergeben. „Auf geht’s! Jetzt werden wir hoffentlich schlauer werden!“ sagte Rue. Sie gingen Richtung Schulhof, der sich weit erstreckte bis zu einem kleinen Waldteil, wo auch die alte Weide stand. Sie gingen darauf zu, und merkten mit jedem Schritt wie es ihnen schwerer ums Herz wurde. „Wahnsinn – das nenne ich mal eine düstere Aura!“ sagte Raven und die anderen konnten nur knapp nicken – die Ausstrahlung dieses Kerls war wirklich einzigartig. Gewaltig und erschaudernd stark. Sie kamen dem Baum näher und plötzlich trat eine Gestalt hinter dem Baum hervor. Die Schwestern blieben stehen. Lucine starrte angestrengt zu der Silhouette und Chandra wirkte ebenfalls angespannt. „Na so was – was bringt euch hierher – Neue?“ fragte der junge Mann. Es war Tom. „Wir suchen bloß einen Ort zum Entspannen!“ sagte Rue flapsig. „Wie ehrlich du doch bist – dann will ich mal nicht beim Entspannen stören!“ sagte Tom lächelnd. „Du störst nicht, kein Stück!“ sagte Raven, ihre Augen brannten feurig auf – wie sie es immer taten wenn sich Raven bedroht fühlte. Tom lächelte charmant ungestört weiter und schüttelte langsam den Kopf: „Oh ich muss ohnehin gehen – war nett euch alle einmal zu sehen. Auch meine Freundin von gestern.“ Er sah Lucine fest in die Augen und sie starrte kühl zurück: „Noch immer nicht gewillt zu reden!“ Lucine starrte nur stumm zurück und er zog aufseufzend die Schultern hoch. „Na denn – bis bald, Vierlinge!“ grinste er und ging schlendernd zum Schulgebäude zurück. Die vier blickten ihm nach und Rue sagte: „Hat es sich wohl anders überlegt!“ „Nein, aber er dachte ich würde alleine kommen!“ sagte Lucine langsam. „Mit vier war er gerade überfordert.“ Stimmte Chandra zu. „Leute ich hab Hunger und bin müde – gehen wir Heim!“ sagte Rue. „Gut – gehen wir!“ sagte Chandra. Sie, Rue und Raven setzten sich in Bewegung, doch Lucine blickte in den Wald hinein, der vom Schulgebäude weg führte. „Lucine?“ fragte Chandra ruhig. „Ich will mehr Informationen – ich sehe mich da drinnen um!“ sagte Lucine kühl. „Nicht alleine!“ sagte Rue sofort. Doch Chandra hielt sie und Raven auf und sah Lucine lange in die kalten Augen. Dann nickte sie langsam: „Gut – sei vorsichtig!“ „WAS?“ riefen die beiden anderen, doch Lucine nickte nur: „Ja!“ damit verschwand sie bereits im Wald. „Wie kannst du sie alleine gehen lassen?“ fragte Rue fassungslos. „Bist du irre geworden?“ fragte Raven. „Mädels – es ist Lucine mit der er zuerst Kontakt aufgenommen hat. Wer auch immer was von uns will, er wird es nur Lucine sagen! Wir sind im Moment nutzlos – gehen wir nach Hause!“ sagte Chandra bestimmt und trottete Richtung Schulinnenhof davon. Zögernd gingen ihr die beiden nach, einmal eine besorgte und einmal eine ungläubige Miene zeigend. Lucine kletterte und schlenderte durch den Wald und seinen verwurzelten Boden. Sie war aufs höchste konzentriert und angespannt. Dennoch fühlte sie keine Bedrohung, nur ein ungutes Gefühl im Bauch. Sie sah sich aufmerksam um. Sie ging immer weiter, bis sie bald kein Zeitgefühl mehr hatte. Irgendwie führte sie eine eigene Kraft weiter. Schließlich lichtete sich der Wald und gab einen herrlichen Blick auf das Panorama frei. Lucine stockte der Atem. Vor ihr lag ein langer Felsvorsprung, auf dem tatsächlich ein großes Schloss erbaut worden war. Hinter dem Schloss fielen die Klippen nach unten und das Meer schwappte in großen Wellen gegen die zerklüfteten Felsen. Es war ein schönes Schauspiel, wie gebannt starrte Lucine auf das Meer. Da spürte sie eine Aura, direkt hinter sich. Sie blieb wo sie war und drehte sich auch nicht um. „Bist du eine der vier Neuen?“ hörte sie eine gefährlich sanfte Stimme hinter sich. Langsam drehte sich Lucine um. Sie erstarrte. Es waren die dunkelbraunen Augen und die exakt gleiche Aura, aber der Junge der nun vor ihr stand sah anders aus. Er trug seine Haare hochgestylt, schwarz und er hatte Kajal um seine Augen gemalt. Er hatte ein feines, schmales Gesicht und fast schon feminine Züge. Er trug ein weißes T-Shirt mit schwarzen Schnörkeln und die Schuluniformhose, schwarze Schuhe und einen langen schwarzen Ledermantel darüber. Er sah irgendwie … ungefährlich und gefährlich verführerisch aus. Lucine schluckte innerlich. „Na, Zunge verschluckt?“ lächelte er charmant. „Wie ist das möglich? Zwei verschiedene Kerle mit der gleichen Aura und Ausstrahlung?“ dachte Lucine verblüfft. Sie blieb nach außen hin kühl und schüttelte nur den Kopf. „Aha – keine Lust auf ein Gespräch? Tja, das ist schade, weil ich gerne den Grund wüsste, was du auf unserem Grundstück machst!“ sagte er leise, er lehnte sich lässig gegen einen dicken Baumstamm und zündete sich eine Zigarette an. Genüsslich blies er den Rauch aus. Lucines Miene verhärtete sich. „Kein Raucher-Freund??“ grinste er und blies den Rauch gegen Lucine. Mit angewiderter Miene wedelte sie den Rauch aus ihrem Gesicht. Sein Grinsen wurde breiter. „Mhm… immer noch keine Antwort!“ genüsslich rauchte er weiter und als die Zigarette zu Ende war, trat er sie mit seinen schwarzen Schuhe aus. Da bemerkte Lucine, dass er scheinbar schwarze Stiefel trug. „Also – was machst du hier?“ fragte er erneut und dieses Mal klang es kalt und wie ein Befehl. Lucine zog unbeeindruckt eine Augenbraue in die Höhe. Er schmunzelte. „Nicht schlecht – gute Augenbrauen-Fertigkeit, aber ich will immer noch eine Antwort!“ sagte er und zog ebenfalls eine Augenbraue in die Höhe. Er sah sie frech an und hatte ein selbstgefälliges Grinsen auf den Lippen. Lucine merkte, dass sie nicht ewig stumm spielen konnte, doch sie blieb hartnäckig. Trotzig verschränkte sie die Arme vor sich. „Okay, spielen wir doch das Anschweige-Spiel. Bin richtig gut darin!“ sagte er lächelnd, und verschränkte ebenfalls die Arme. Lucine lehnte sich ebenfalls gegen einen Baum und mehrere Minuten lang starrten sie sich an. Da spürte Lucine einen dunklen Schatten der nach ihr griff und unbewusst sprang sie nach hinten, wich dem Baum aus und blieb schlitternd stehen. Abwehrend und konzentriert. „Hat dich ein Insekt gestochen, dass du so wegspringst?“ lächelte der Fremde weiter. Lucine hob fragend eine Augenbraue: „Er will unbedingt dieses Spiel weiterspielen. Na gut – von mir aus!“ Sie klopfte sich ab und wandte sich ab. Sie wollte den Wald betreten, da spürte sie wie sie nicht weiterkam. Eine unsichtbare Wand hatte sich vor ihr aufgebaut und verbot ihr den Eintritt. Lucines Augen weiteten sich erschrocken. „Ts, ts, sehr unhöflich – ich erbitte immer noch um eine Antwort meiner schon längst gestellten Frage!“ kam es feixend, aber mit einem kalten Unterton. Lucine wurde es unwohl – sie konnte sich nicht bewegen, die Mauer hielt sie fest und ihre Arme und Beine gehorchten ihr nicht mehr. Sie war gefangen – keine gute Ausgangssituation. „Lass mich sofort frei!“ knurrte Lucine. „Oha – die Dame hat ja doch eine Stimme. Und so eine schöne noch dazu!“ freute sich der freche Kerl. Er hob die Hand und deutete mit der Hand auf Lucine und krümmte den Zeigefinger kurz, was Lucines Körper dazu brachte, sich herumzudrehen und den Fremden zuzuwenden. „Lass mich frei!“ wütete Lucine erneut. „Nein – zuerst beantwortest du meine Frage!“ sagte er ruhig. Lucine wehrte sich und spürte wie die Starre wich, aber sie war immer noch gefangen. Verflixt, er ist zu stark! „Also, wehren wird dir nicht viel bringen – sag mir einfach was du hier willst und ich lass dich los!“ sagte er und kam auf Lucine zu. Ihr stockte der Atem, er blieb knappe zehn Zentimeter vor ihr stehen, deutlich zu nah, und sah Lucine direkt in die Augen. „Verdammt nicht hinsehen!“ dachte Lucine noch, doch die braunen Augen hielten sie gefangen und sie spürte wie sie schlaff wurde. Sie konnte die Augen kaum noch offenhalten, doch dann spürte sie wie sein Kopf näher kam und ihren Nacken drehte. Bis sie ihm ihre freie Kehle darbot. „Mhm…“ flüsterte er. Lucines Alarmglocken schrillten, doch dieser kleine Seufzer gab ihr den nötigen Schub und ihre Kräfte setzten ein. Mit einem lauten Knall schlitterte der Fremde nach hinten und Lucine fiel hustend zu Boden. Die Locken verbargen Teile ihres Gesichts und als sie aufsah, sah sie wie er sie anstarrte – verblüfft und zugleich amüsiert. „Na so was – du hast mehr drauf, als deine Schwestern!“ lächelte er. „Was bist du?“ fragte Lucine flüsternd. „Was ich bin? Was für eine seltsame Frage, gab er zurück und zuckte die Achseln. „Stell mich nicht als dumm hin – wer bist du!“ fauchte Lucine wütend und versuchte aufzustehen. Doch ehe sie sich versah, hatte er sich über sie gebeugt, seine Augen flimmerten rot auf und zwei große Flügel mit schwarzen Federn besetzt, breiteten sich über seinem Rücken aus und verhüllten Lucines Blick auf die Sonne, die bereits am Untergehen war. Sie war viel länger unterwegs gewesen als gedacht. „Sieh mal gut hin, wer könnte ich wohl sein? Was könnte ich wohl sein?“ flüsterte er leise. Seine Flügel schlossen sich um Lucine herum und verdeckten ihr jegliche Sicht außer auf sich selbst. Seine Augen glühten immer röter und Lucines Augen weiteten sich erschreckt. „Ein Sohn Samaels…“ flüsterte sie. „100 Punkte!“ lächelte er und seine Augen glühten stark auf, Lucines Augen wurden trüb und sie spürte eine aufkeimende Leere in sich. Eine Stimme flüsterte ihr Dinge in einer unbekannten Sprache zu, und ihr Kopf neigte sich zur Seite, als wäre es ihr eigener Wille. Er neigte sich erneut über sie und seine Lippen berührten ihre weiße Haut. Lucine spürte wie ihr Herz rasend schnell schlug und ihr Puls dahinflog. Er fühlte den Pulsschlag, als er mit seinen Lippen über ihren Hals fuhr und es erregte ihn. „Mhm… ich kann förmlich fühlen wie dein Blut rauscht…“ flüsterte er. Er öffnete seinen Mund und entblößte zwei spitze Eckzähne, neben einer Reihe makelloser weißer Beißer. Diese Eckzähne wurden noch länger und er öffnete den Mund noch weiter. Er setzte seine Zähne auf ihren Hals und sie spürte bereits wie sie sich in ihre feine Haut bohrten, da hörte sie eine dunkle Stimme: „Mach mal halb lang, Bruderherz!“ „Bruderherz?“ hämmerte es ihn ihren Kopf. Der Fremde schloss langsam den Mund, die Flügel verschwanden und Lucine erkannte Tom. Gelangweilt aber mit einem drohenden Ausdruck in den Augen sah er ihn an und Lucine betete, dass der Kerl von ihr runtergehen würde. „Du tauchst in letzter Zeit immer dann auf, wenn ich mal was trinken will. Hast du vor mich verdursten zu lassen?“ fragte der Fremde. „Von wegen – saug von mir aus kleine Waldtiere aus oder iss ein blutiges Steak, aber sie lässt du mal wieder los. Du vergisst zu wem sie gehört!“ sagte Tom ruhig. Tatsächlich zog sich der zweite ein wenig von Lucine zurück. Er blickte gelassen zu seinem Bruder und sagte: „Keine Sorge ich hätte es sowieso nicht getan – aber du glaubst doch nicht wirklich, dass die anderen Schwestern uns Sorgen bereitet hätten!“ „Du vergisst, dass sie immerhin dem Draco Clan angehören!“ sagte Tom. „WOHER ZUM TEUFEL WEISS ER WELCHEM CLAN WIR ANGEHÖREN!“ hämmerte es fassungslos in Lucines Kopf. „Der Draco Clan ist auch nicht mehr das was er einst war. Die vier haben nicht einmal voll entwickelte Kräfte!“ sagte der Bruder. „Mag sein – jetzt noch nicht. Du weißt was gerade eben passiert ist – wenn die gute Lucine da Angst hat, dann treten ihre wahren Kräfte hervor. Du hast sie gerade eben selbst am eigenen Leib gespürt. Die Druckwelle hat dich sogar verbrannt!“ Tom deutete auf eine kleine Bandnarbe auf dem Arm des zweiten, als hätte Lucine ihn von sich weggeschubst. „Ach tatsächlich – nicht schlecht!“ grinste er Lucine an und langsam spürte sie wie die Starre wich. „Lass sie aufstehen!“ sagte Tom. „Hatte ich sogar vor, stell dir das vor!“ grinste sein Bruder und zog sich endgültig von Lucine zurück. Schlagartig erlosch die Starre und Lucine sprang geschockt zurück. Sie bebte am Körper und Tom sah sie an. Täuschte sie oder konnte sie darin Sorge erkennen. „Tut mir Leid – ich wollte dich nur ein wenig erschrecken – ich hätte nicht zugebissen, Kleines!“ sagte der Zweite und seltsamerweise glaubte Lucine ihm. Denn wenn ein Sohn Samaels wirklich vor hatte einen Mensch zu beißen und sein Blut zu trinken, dann konnte nichts und niemand ihn davon abhalten. Die Tatsache, dass er so einfach von ihr abgelassen hatte, konnte daher nur eines bedeuten. „Warum verfolgt ihr uns?“ fragte Lucine heißer. „Oha – sie spricht sogar!“ sagte Tom. „Ja – ich bin eben gut. Zu dir hat sie nämlich gestern nichts gesagt. Ich glaub sie mag mich mehr als dich!“ grinste sein Bruder. Ungläubig starrte Lucine die beiden an – stritten die gerade wirklich im Scherz vor sich hin, während sie gerade eben echt Angst gehabt hatte. „Komm runter – sie war von meinem strahlenden Aussehen so geblendet, dass sie zunächst gar nichts sagen konnte. Wundert mich aber auch nicht!“ sagte Tom und zwinkerte der verblüfften Lucine zu. Sie konnte nicht umhin als leicht rot zu werden. „Siehst du?“ grinste Tom. „Ach das geht leicht – pass auf!“ sagte sein Bruder und ehe Lucine blinzeln konnte, lag sie in seinen Armen und seine Lippen lagen auf ihren. Sie glaubte ihr Herzschlag müsse aussetzen „Hey unfair – wenn ich gewusst hätte, das Küssen erlaubt ist, hätte ich das gestern schon gemacht!“ warf Tom trocken ein. Lucine ärgerte sich darüber, wie sie da in seinen Armen dahinschmolz. Der Kuss war zärtlich und zugleich unglaublich erregend. Als er sie schließlich losließ, war Lucine außer Atem und atmete schnell und flach. „Süß….“ Flüsterte er ihr zu und zog ihre Lippen mit einem Zeigefinger nach. „Bill!“ kam die mahnende Stimme. Lucine sah in seine braunen Augen und der Name, den Tom ausgesprochen hatte, bewahrte sie sich für immer im Herzen: „Bill!“ „Schon gut!“ sagte Bill und sah seinen Bruder an, hielt Lucine immer noch im Arm. „Der Fürst wartet und wir sollten nicht zu spät erscheinen. Er wird sonst immer so ungehalten!“ sagte Tom. „Schon gut, schon gut.“ Sagte Bill, Tom seufzte und war plötzlich verschwunden – ein schwarzer Schatten glitt rasend schnell über die Waldfläche dahin – Richtung Schloss. Lucine lag immer noch in seinen Armen und fand schließlich ihre Sprache wieder. „Was wollt ihr von uns!“ konnte sie herausbringen. Bill starrte ihr lange in die Augen, lächelte und sagte: „Spaß haben!“ „SPASS HABEN?“ hämmerte es ungläubig in Lucines Kopf. Da neigte er erneut seine Lippen und küsste Lucine erneut. Doch dieses Mal war es leidenschaftlicher und Lucine glaubte, dass er ihr alle Kraft nahm. Schließlich beendete wieder er den Kuss und sie ärgerte sich dass er sich von ihr lösen konnte, wo sie es nicht vermochte. „Wir sehen uns bald wieder, kleine Lucine!“ sagte leise und küsste sie zärtlich auf die Stirn und ehe Lucine noch etwas erwidern konnte, war auch der zweite Bruder verschwunden. Sie blieb zurück – ängstlich, verwirrt, verärgert und auch erregt. „Verdammt – was hab ich nur gerade eben zugelassen!“ wütete sie zornig vor sich hin, raufte sich die Haare und kehrte ins Cottage zurück. Aus den obersten Fenstern des großen Schlosses blickte eine große, hagere Gestalt mit eisblauen Augen zum Waldstück und verfolgte Lucine mit den Augen, als sie wieder zurückging. „Mein Herr – es sind alle versammelt!“ sagte eine leise Frauenstimme. Er drehte sich um und nickte: „Danke Amalia – ich komme sofort!“ Unterwürfig zog sich die Frau zurück, sie trug ein weißes Abendkleid und sah sehr hübsch aus. Mit kaltem Blick wandte er sich noch einmal zum Fenster und sagte leise: „Ich hoffe, dass du kein Problem wirst, kleine Hexe!“ und verließ darauf das Zimmer. Kapitel 5: Unterschätzt sie nicht... ------------------------------------ „Mein Herr!“ hörte er leise die anderen Anwesenden flüstern, während er durch die langen Korridore in die Spiegelbibliothek ging. Sie war ein Meisterwerk in diesen wundervollen Hallen, in dem Schloss seiner Ahnen und seiner Kinder. Er hatte es selbst erbauen lassen, vor vielen Jahren und fühlte sich nur hier wohl und nur hier wollte er leben. Er schritt kräftig aus, sein Körper war in ein weinrotes Hemd gehüllt, darüber trug er einen schwarzen Mantel, der Fledermausartig hinter ihm her zuckelte. Seine Beine steckten in schwarzen Hosen und seine Füße in schwarzen Stiefeln. Er gelangte schließlich in der Bibliothek an und sah wie die Ratsmitglieder sofort aufstanden als er den Raum betrat. „Nehmt Platz, meine alten Freunde!“ sagte er kühl. Stühle knirschten als sie über den alten roten Teppich gezogen wurden und schließlich saßen alle Mitglieder am Tisch. „Meine Freunde es ist nun schon lange her, seit der Rat tagte!“ sagte er. „Mylord wir würden gerne den Grund für unsere Sitzung erfahren!“ sagte schließlich eine schöne blasse Frau, in einem eleganten Abendkleid. Ihre Haare waren blond und fielen schwer und glatt über ihren makellosen Rücken. „Elaine ich freue mich dich ebenfalls hier zu begrüßen, meine liebe Nichte. Es sind dringende Umstände die mich dazu trieben!“ sagte er. „Die wären Mylord?“ fragte ein blasser dürrer Mann. „Hektor, es sind vier Umstände, vier junge Hexen!“ sagte der Mann. Eiskalte Stille herrschte am Tisch. „Hexen? Weiße oder schwarze Magie, mein Herr?“ fragte Elaine erneut. Ihre Augen glänzten kalt und besorgt. „Das vermag ich noch nicht zu sagen, aber ich habe von einem Späher erfahren, dass es tatsächlich die letzten Nachfahrinnen des Draco Clans sind, meine Freunde!“ sagte er. „Der Draco Clan? Aber die Mitglieder starben doch schon lange aus!“ sagte Hektor die Stirn runzelnd. „Falsche Informationen Hektor.“ Ließ sich ein schwarzhaariger gutaussehender Mann vernehmen. Er saß am anderen Tischende der gewaltigen Tafel, dem Mylord genau gegenüber. Die anderen Mitglieder sahen ehrfurchtsvoll zu ihm. „Wie es aussieht haben sich diese jungen Hexen lange bedeckt gehalten – von ihrer Mutter, der Hexe Satine – sie war die letzte große Erbin ihres Geschlechts. Bis schließlich mein Vater sie töten konnte. Aber so wie es aussieht, versteckte Satine ihre Töchter und konnte sie somit beschützen.“ Sagte er leise. Hektor schluckte: „Aber das ist unmöglich. Wir waren uns so sicher – der Draco Clan ist schließlich sehr gefährlich!“ „Wir sind uns dieses Problems bewusst, Hektor. Darum auch diese Versammlung!“ sagte der Lord am anderen Ende. „Und was gedenkt Ihr zu tun, Mylord?“ fragte Elaine. „Nun, so wie es aussieht meine Freunde, sind diese vier Hexen gar nicht so begabt, wie zunächst geglaubt!“ sagte er. „Wie meint Ihr das? Mylord sie sind doch Erbinnen des Draco Clans!“ sagte Elaine verblüfft. „Nun, es sind nicht nur vier Schwestern, es sind Vierlinge. Alle am selben Tag bei Neumond geboren. In der Nacht wo ihre Mutter starb, vor exakt 18 Jahren!“ sagte der zweite Lord. „Vierlinge unter dem Zeichen des Neumondes geboren? Das ist ja ein wahrer Glücksfall!“ hauchte Elaine und auch auf Hektors Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab. „Solange bis sie erkennen, dass sie sehr wohl ihre Kräfte einsetzten können, sind wir in Sicherheit!“ sagte Hektor. „Ja aber Fakt ist mein lieber Hektor – irgendwann werden sie es erkennen. Bei der jüngsten der Vierlinge, dieser Lucine, zeigen sich bereits die ersten Möglichkeiten. Aber dadurch sie Angst hat, kann sie ihre Kräfte nicht kontrollieren. Wenn die Mädchen erst erfahren, dass sie unglaubliches Potential haben, werden sie ein Problem für uns!“ sagte Elaine. „Richtig Elaine, aber wir werden dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt!“ sagte der Lord und stand auf. „Ich habe bereits die zwei jungen Söhne unseres geschätzten und ältesten Mitglied Lord Campton gebeten, sich um die Mädchen zu kümmern. Sie werden sie nun ein wenig abschrecken und ihnen zeigen, wo ihr Platz ist. Die zwei Söhne deines Bruders werden sicherlich helfen, nicht wahr, Erik?“ fragte er. Der Mann am anderen Tischende nickte langsam: „Ja, keine Sorge mein alter Freund. Wir werden sie schön brav observieren. Wenn sich ihre Kräfte zeigen, werden meine Söhne und die Söhne meines Bruders sie gnadenlos töten.“ „Ausgezeichnet – nun denn die Ratssitzung ist geschlossen. Wir werden uns nächste Woche sehen und hoffentlich ist diese leidliches Problem aus der Welt!“ sagte der oberste Lord und drehte sich um. Die anderen standen auf und verneigten sich. „Möge die Nacht mit Euch sein, meine Freunde!“ sagte er und drehte sich um. „Lord Victor!“ verneigten sich die anderen. Als er schließlich den Raum verlassen hat, sprach Elaine: „Ich hoffe Mylord Campton, dass es nicht nötig sein wird, diese vier jungen Dinger umzubringen. Ich mag dieses sinnlose Blutvergießen nicht!“ „Meine liebe Elaine – wenn es geschehen soll, wird es geschehen!“ meinte Campton und verließ ebenfalls den Raum. Sein Weg führte in seinen Flügel. Der gesamte Nordflügel stand seiner Familie zur Verfügung. Natürlich hatten sie ihr eigenes kleines Schloss hoch im Norden Irlands, dort wo es immer zu schneite und selten sich die Sonne zeigte. Er machte sich Gedanken, während er den langen Flur entlang schritt. Seine Füße schwebten geradezu lautlos über den tiefroten Teppichläufer. Kein Laut entfuhr ihm, als er die endlosen Gänge entlang ging und nicht einmal etwas auf die gemurmelten Begrüßungsworte entgegenkommender Schlossbewohner erwiderte. Schließlich erreichte er ein großes Portal, das zwei Diener sofort öffneten. Er trat ein. Man könnte meinen, einen neuen Teil des Schlosses zu betreten. Alles war kühl und nicht so wärmend wie im anderen Teil des Schlosses. Die Wände waren mit eisblauen Stoffen verhängt auf denen die keltischen Symbole seiner Familie eingestickt waren. Der Boden war mit blauen und weißen Fliesen verziert, die erneut diese Ornamente wiedergaben. Zwei große Wendeltreppen führten in die höheren Stockwerke. In der Mitte des Raumes, den er gerade betreten hatte, war eine tiefblaue Sitzgarnitur etabliert. Vier lange, lederne Sofas und Korbsesseln sowie auch ein gläserne kleiner Tisch. Dahinter sah mein Feuer hinter einem Gitterrost flackern, der Kamin war dort unauffällig eingelassen worden. Das Feuer war die einzige Wärmequelle in diesen Gemäuern. Bei den Bänken erkannte er zwei Köpfe. Jeweils mit dunklen Haaren, einmal lang und zu Rasterlocken geflochten und einmal glatt und elegant über den Rücken bis zu den Schulterblättern fallend. „Vater – wie war die Ratssitzung?“ erklang eine Stimme. Lord Erik trat näher und setzte sich in seinen Stammsessel – den einzigen Ledersessel mit hoher Lehne. Seufzend ließ er sich darauf sinken und seine Stirn zeigte Sorgenfalten. „Vater was ist geschehen?“ fragte der zweite Junge. „So wie es aussieht, dürft ihr euch noch länger um diese Hexen kümmern. Der Rat hat beschlossen, dass ihr sie wenn sie tatsächlich ihre Kräfte erlangen sollten, töten sollt. Also…“ „Genau das was wir bereits tun, sollen wir weiter machen?“ fragte Bill, er streckte seine langen Beine aus und ein selbstgerechtes Schmunzeln breitete sich über seinem Gesicht aus. „Richtig, aber werdet nicht übermütig!“ warnte sein Vater ihn. „Ich und übermütig? Vater wie denkst du nur von mir!“ grinste Bill weiter und Tom schmiss ihn prompt von der Bank. „HEY?“ kam es protestierend zurück. „Meinst du sie könnten uns gefährlich werden?“ fragte Tom. Bill kämpfte sich zurück auf die Couch. „Ich habe meine Bedenken. Richtet sie auch ruhig an eure Cousins aus. Wo sind die überhaupt?“ fragte Lord Erik Stirn runzelnd. „Ihr habt uns gerufen, Onkel?“ kam es postwendend von der Decke zurück. Erik blickte nach oben und verzog den Mund: „Was soll der Quatsch?“ An der Decke hangen zwei kleine schwarze Fledermäuse, eine mit leuchtend braunen Augen und eine mit grau-grünen Augen. „Wir hängen hier nur rum!“ kam es feixend zurück. „Kommt runter!“ forderte Erik. „Jawohl, Mylord!“ kam es sofort. Die zwei Fledermäuse ließen sich nach unten fallen, spannten die Flügel und flogen in einem perfekten Looping nach unten. Sie ließen sich auf die Couch aus ca. einem Meter Höhe fallen und anstatt auch unten anzukommen. Erschienen zwei junge Männer. Einer mit blonden kurzen Haaren und den strahlenden braunen Augen. Er grinste frech. Der zweite mit halblangen braunen Haaren und grau-grünen Augen. „Sagt mal – macht ihr das auch wenn ich Damenbesuch habe?“ erkundigt sich Tom entsetzt. „Selbst Schuld – vernasch sie auf deinem Zimmer nicht hier unten auf den Sofas!“ kam es von Bill. „DU bist da auch involviert? Interessant herauszufinden, dass der eigene Bruder einen hintergeht!“ grinste Tom und erneut krachte Bill vom Sofa auf den Boden. „Lass den Blödsinn!“ knurrte er. „KINDER!“ ertönte es mahnend von einer schönen kühlen Frauenstimme. Exakt gleichzeitig, hoben sowohl Bill als auch Tom, ihre zwei Cousins und Lord Erik den Kopf. Eine hübsche schwarzhaarige Frau, im engen Dress kam die Stufen herabgeschritten. Ihre Augen glänzten eisig blau und sie trug ein hübsches schwarzes Kleid. Ihre ewiglangen Beine steckten in schwarzen Lackpumps. „Hallo Mutter!“ kam es von Tom und Bill. „Hallo Tante Selene!“ antworteten die beiden anderen brav. „Gut geruht, Schatz?“ fragte Lord Erik und küsste seine Frau sanft auf die rechte Wange. „Danke recht gut – aber euer Geschrei hört man bis nach Kanada!“ lächelte die Frau. „Dann sag deinen miserabel erzogenen Söhnen, dass sie leise sein sollen!“ lächelte Erik. „Vor Sonnenaufgang sind es deine Söhne!“ feixte Selene. „Mutter!“ schnappten die Jungs gespielt nach Luft. „Verzeiht das ist der Cognac der aus mir spricht!“ sagte Selene ruhig und hob ihr Glas hoch, das sie auf einmal in der Hand hatte. „Ja sicher…“ brummten die zwei. „Also worum ging es bei der Ratsbesprechung, Erik?“ fragte Selene. „So wie es aussieht, kommen die Jungs nicht drum herum, die Hexen zu überwachen müssen!“ sagte Erik aufseufzend. „Oje…“ seufzte Selene. „Also echt – nicht einmal unsere eigene Mutter traut uns das zu?“ fragte Bill seinen Bruder. „Da siehst du einmal wie sehr sie uns doch lieben!“ kam es zurück. „Kinder – es sind immerhin Hexen. Und wenn das nicht schon genug wäre, auch noch Hexen aus dem Draco Clan.“ Sagte Selene. „Hexen aus dem Draco Clan bei Neumond geboren und Vierlinge noch dazu!“ sagte Tom. „Nehmt das jetzt bloß nicht auf die leichte Schulter!“ sagte Selene warnend. „Mhm?“ die vier Jungs hoben die Köpfe. „Auch wenn sie dadurch nicht ihre gesamten Kräfte entfalten können, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht über diese Kräfte verfügen!!“ zischte Erik. „Ihr meint, sie könnten ihre Kräfte zurückbekommen? Ganz im Ernst?“ fragte einer der Cousins. „Ja Georg – das befürchte ich!“ sagte Erik. „Aber das ist noch nie passiert. Der Neumond ist der Erzfeind der Hexen. Er lässt auch vollentwickelte Hexen schwach werden – und wer bei dieser Zeit geboren wird, hat ewig unter schwachen Kräften zu leiden!“ sagte der zweite Cousin. „Vielleicht Gustav. Aber wir reden hier von den Erbinnen des Draco Clans – diese vier sollten wir nicht unterschätzen. Der Draco Clan ist einer der ältesten Vampirjägerhexenclans, den unsere Welt kennt.“ Sagte Selene leise. „Aber … sie sind nicht mächtig, diese Töchter.“ Sagte Bill. „Das glaubst du! Bill, überleg mal, diese Lucine hat dich sogar verbrannt. Wie oft ist dir das schon passiert?“ fragte Tom. „Mhm…“ Bill dachte an den Zwischenfall vor wenigen Stunden, natürlich hatte er es nicht vergessen. „Wenn eine so „schwache“ Hexe des Draco Clans, dich mit diesen wenigen Fähigkeiten schon verbrennen kann, wie stark sind sie dann erst wenn sie ihre Kräfte vollständig erlangt haben?“ fragte Tom. Stille senkte sich über die Runde. Selene ergriff das Wort: „Ihr habt einen Auftrag, daran lässt sich nichts ändern. Was Vampirfürst Victor sagt ist Gesetz. Daran müssen wir uns halten – aber vergesst niemals!“ Sie sah die vier aufmerksam an. „Behaltet eure Gefühle im Zaum!“ damit ging sie aus dem Flügel und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. „Was hat Mutter denn damit gemeint?“ fragten die Zwillinge im Chor. „Tja sie kennt euch und sie hat Bill mit dieser Lucine gesehen – eure Mutter kann zwei und zwei zusammen zählen.“ Sagte Erik und stand ebenfalls auf. Die Sonne ging gerade unter und er war ein wenig von den letzten Sonnenstrahlen geschwächt. Je älter man als Vampir wurde umso weniger wollte man mit dem Licht in Kontakt treten. „Mhm…?“ fragte Bill. „Diese vier Schwestern sind alle sehr hübsch.“ Brachte es Erik auf den Punkt, und sah alle vier scharf an: „Lasst die Gefühle aus dem Spiel – egal wie sehr ihr sie vielleicht auch begehren könntet. Daraus kann leider viel zu schnell mehr werden als nur Leidenschaft!“ damit stieg er die Stufen der Treppe zur rechten Seite hoch. Die vier starrten einige Zeit lang irritiert vor sich hin. „Hat Vater uns gerade gesagt, Sex ist okay, solange wir sie nicht lieben?“ fragte Bill ein wenig verdattert. „Ich glaube so kann man seine Worte auslegen!“ nickte Georg. „Na super – jetzt hab ich ein mieses Gewissen!“ sagte Gustav. „Ehrlich? Ich finde das spannend! Ich liebe es Grenzen auszutesten!“ lachte Tom. „TOM!“ kam es warnend von Georg. „Ja?“ kam es liebenswürdig zurück. „Ein einziges unangemessenes Sprüchlein und du bist raus!“ sagte Georg kühl „DU HAST WAS?“ riefen Chandra, Rue und Raven. Lucine hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. „DU HAST WAS?“ kam es erneut im Dreierchorruf. „Hört auf! Ihr wisst genau WAS ich GETAN hab!“ brüllte Lucine genervt zurück. „Schon gut – kein Grund ausfallend zu werden!“ meinte Rue sich beleidigend die Ohren zuhaltend. „Okay, sorry – ich weiß ich hätte nicht alleine losziehen sollen!“ sagte Lucine, „ABER-“ rief sie rasch dazwischen, bevor Chandra etwas sagen konnte: „aber so wissen wir wenigstens das es höchstwahrscheinlich ein ganzes Schloss voll dieser Typen gibt. Abgesehen davon, dass unser Bekannter einen Zwillingsbruder hat.“ „-der verdammt gut küssen kann…“ lass ich lieber weg, dachte Lucine. „Mhm… okay, wir lassen das Thema „Lucine ist so blöd und lässt sich von einem Sohn Samaels ein“ – aber das ist wie gesagt nicht das Thema!“ grinste Chandra als Lucine rot wurde, „Jetzt da wir wissen, dass es wirklich Söhne Samaels sind und wahrscheinlich gar nicht wenig – jetzt müssen wir mit Mutter reden!“ sagte Chandra bestimmt. „Was meiner Meinung nach schon längst hätte geschehen müssen!“ nickte Rue. Schon waren wieder die Kerzen entzündet, die Schwestern hatten sich aufgestellt und Raven kniete in der Mitte des Kreises. „Mama wir brauchen dich – bitte melde dich!“ sagte Raven in den Raum. Wie bei Onkel Jeremy begann eine Kerze zu flacken und Raven trat aus dem Kreis. Die Gestalt kam zuerst perlweiß, doch dann materialisierte sich eine bildhübsche Frau um die dreißig. Sie hatte lange blondrote Haare, die ihr bis zu den Fußknöcheln reichten. Sie trug ein weißes Kleid und hatte tiefblaue Augen. „Hallo meine Süßen!“ sagte sie lächelnd. Kapitel 6: Das Spiel beginnt! ----------------------------- Zunächst herrschte Stille, als ihre Mutter sie der Reihe nach durch ansah, doch als ihr Blick an Lucine hängen blieb, durchbrach diese die Leere. „Mutter wir haben ein großes Problem!“ sagte Lucine. „Ich weiß mein Schatz – Onkel Jeremy hat mir alles erzählt und ich habe euch beobachtet. Und ich muss euch wohl kaum sagen, dass es dieses Mal etwas Ernstes ist – nicht wahr?“ Fragte Satine. „Nein – aber Mama…. Was sollen wir tun?“ fragte Rue. „Meine Süßen es wird Zeit, dass ich euch etwas erkläre. Ihr wisst, dass ihr Nachkomminnen des Draco Clans seid!“ sagte Satine ruhig. Die Mädchen nickten. „Unser Clan ist uralt, er besteht seit dem Mittelalter, als unsere Urahnin, deren Namen Chandra trägt –“ Die Älteste der Vierlinge nickte knapp, „- ihre Kräfte erkannte und zum Wohl der Menschen einsetzte. Doch wie viele unserer Art wurden wir gehasst, und gefürchtet. Weil wir anders waren. Darum mussten wir fliehen uns bedeckt halten und unsere Kräfte kontrollieren. Doch als ich damals vor 18 Jahren starb, war ich selbst Schuld. Wir hatten unsere Spuren nicht gut genug verwischt. Ein grausamer Fehler…“ sagte Satine traurig. „Ich verstehe es nicht Mutter – wir alle nicht. Wer hat dich damals getötet und warum?“ fragte Raven traurig. „Meine kleine Raven, es hat damit zu tun, das unser Clan einst ein mächtiger Jägerclan war…“ sagte Satine. „Jägerclan?“ fragte Lucine verdattert. „Ja mein Schatz. Eure Ahnen, euer Vater und auch ich, wir alle gingen demselben Handwerk nach. Mein Süßen – wer sind die größten Feinde der Hexen und Hexer?“ fragte Satine traurig lächelnd. Lucine stockte der Atem und sie wechselte einen Blick mit ihren Vierlingsschwestern, alle vier sahen gleich schockiert aus. „Erzähl nicht unsere Familie war ein Clan der die Söhne Samaels jagte!“ flüsterte Lucine. „Ja mein Schatz – das waren wir. Die Tochter eurer Urahnin Chandra hatte diese Idee, sie verteidigte einst ihre Familie gegen einen Sohn Samaels und seither hatte sie erkannt, welche Macht wir Hexen gegenüber diesen Kreaturen der Finsternis haben.“ Sagte Satine. „Oh Gott – das ist unglaublich. Ich meine, warum habt ihr uns das nie gesagt, du oder Onkel Jeremy? SO oft haben wir in den letzten Jahren geredet, und nie habt ihr auch nur ein einziges Wort darüber verloren!“ fauchte Rue wütend. „Meine Kleinen – es war zu eurem eigenen Schutz!“ sagte Satine traurig. „Wie meinst du das Mutter?“ fragte Chandra. „Ihr wisst alle vier, dass eure Kräfte sehr schwach sind!“ sagte Satine. „Danke fürs Erinnern!“ knurrte Raven. Auch die anderen wirkten alles andere als aufgebaut oder motiviert. Das war nichts Neues. „Meine Süßen, das hat einen guten Grund, warum ihr so seid.“ Sagte Satine langsam. Sie schien unentschlossen zu sein, was sie sagen wollte. „Klar, wir sind Vierlinge – die Kräfte die unsere Ahninnen hatten wurden anstatt an eine Ahnin nun an vier Töchter aufgeteilt – darum hat jede von uns nur ein Viertel der gesamten Kraft!“ sagte Chandra abtuend. „Das stimmt nicht ganz meine Kleine…“ sagte Satine. „Was willst du damit sagen?“ fragte Rue kühl. „Rue, deine Gabe ist das automatische Schreiben – du empfängst die Gedanken und Schwingungen von anderen Lebewesen. Viel zu oft, hast du diese Gabe aus falschen Gründen eingesetzt. Du hast damit andere Menschen erschreckt, zum Weinen gebracht und hast damit Angst geschürt – das ist völlig falsch!“ sagte Satine kalt. Rue blickte ungerührt zurück: „Kann schon sein, aber jedes Mal wenn ich es tat, tat ich es aus Schutz. Um uns vier vor den falschen Freundlichkeiten zu schützen. Jede von uns kann Auren spüren und wenn ich weiß, dass diese Person ein falsches Spiel treiben will, werde ich wütend und benutze meine Kräfte. Und dafür schäme ich mich nicht und verleugne es auch nicht.“ „Jede von euch, benutzte ihre Kräfte viel zu oft aus falschen Motiven. Auch wenn ihr euch nur vor den bösen Absichten von Außenstehenden schützen wolltet, ist das der falsche Weg. Ihr belügt euch und verhindert so, dass eure Kräfte wachsen und erwachen können!“ sagte Satine, ihr Blick suchte Chandras. „Mein Kind deine Gabe ist bei weitem eine der gefährlichsten. Du kannst nicht nur Gedanken lesen, du kannst sie auch manipulieren und Menschen in tiefe Abgründe stürzen lassen, sie verrückt machen – sie töten!“ Chandra zuckte nicht einmal mit der Wimper, sondern nickte nur gelassen. „Raven – deine Gabe ist für dich sehr anstrengend und du benutzt sie glücklicherweise immer nur um Gutes zu tun – oder zumindest um euch zu schützen. Aber so zerstörst du niemanden. Raven du bist postkognitiv sensibel, was dir erlaubt mit verstorbenen Seelen zu sprechen. Deine Kraft macht dich schwach und verletzlich. Doch du bist nicht grausam und versuchst niemanden zu töten.“ Satines Augen sprachen für sich. „Mutter…“ wollte Lucine den Zorn lindern. „UND DU!“ Satines Hand zeigte anklagend auf Lucine, diese schrak zurück: „Warum versperrst du dich deiner Kräfte? Deine Schwestern akzeptieren sie, machen sie zu einem Teil ihres Charakters ihres Körpers, ihrer Seele. Du nicht.“ Lucines Augen verhärteten sich. „Wie willst du dich selbst akzeptieren, wenn du Angst vor deinen Kräften hast! Lucine, bitte mach nicht diesen Fehler – sie werden sonst aus dir herausbrechen und dann…“ Satines Hand fiel schwach herab, wie verwelkte Blätter, „… und dann kann dir niemand mehr helfen.“ Die Schwestern schwiegen und starrten düster vor sich hin. Chandra ergriff das Wort. „Mutter – wir haben dich nicht gerufen, dass du uns eine Moralpredigt über unsere Kräfte halten sollst. Sag uns warum uns diese Vampire verfolgen!“ Sie hatte es nun ausgesprochen. Rue und Raven blickten Chandra ängstlich an, Lucines Augen blitzen vor Zorn. „Das weiß ich nicht, aber ich habe eine Vermutung.“ Satine sah ihre Töchter der Reihe nach an. „Sie wollen ihr Werk vollenden!“ „Welches Werk?“ fragte Lucine. „Ein Werk was sie begonnen haben, aber damals gescheitert ist, als es mir gelang euch vor ihnen zu bewahren!“ sagte Satine. „Mutter – soll das heißen…“ Lucine sah ihre Mutter fassungslos an. „Meine Kinder es liegt an euch. Ihr müsst eure Kräfte erkunden, sie endlich zulassen und sie zum Guten nutzen. Vorher werden sie euch verwehrt bleiben und dann können weder Onkel Jeremy noch ich, oder euer Vater helfen!“ Satines Geist wurde wieder durchsichtig und verblasste langsam. „Mutter bitte – was verschweigst du uns!“ rief Rue. „Findet euch selbst.“ Sagte Satine. „Was heißt das?“ rief Raven wütend. „Erkennt wer ihr wirklich seid!“ damit verschwand Satine. Einige Zeit lang sagte niemand etwas, da wurde es Lucine zu viel. Sie schrie ihren Zorn heraus: „AHHHHHHHHHH!“ und exakt in diesem Moment explodierte eine Glasvase neben ihr. „Lucine…“ sagte Chandra ruhig. Lucine atmete schwer, tief ein und aus. „Lucine?“ fragte Raven ängstlich. „Warum tut sie das!“ Lucine starrte wütend zu Boden und ihre Augen wirkten fast schwarz vor Zorn. „Mutter?“ fragte Rue. „Ja verdammt – man sollte eigentlich meinen, dass Mütter ihren Töchtern helfen! Was tut unsere? Sie redet in verdammten Rätseln, stellt uns als Schwerverbrecherinnen hin und verlangt von uns „UNS SELBST ZU FINDEN?“ SO eine verdammte SCHEISSE!“ brüllte Lucine, erneut explodierte eine Vase, dieses Mal eine hinter Chandra. Mit einem Schritt war diese bei Lucine und gab ihr eine feste Ohrfeige. Lucine fiel zu Boden und starrte Chandra an. Rue und Raven blickten schockiert auf ihre Schwestern. „Chandra!“ sagte Rue entsetzt. „Geht’s wieder?“ fragte Chandra ruhig. Lucine rieb sich die Wange und sagte brummig: „Ja – sorry wollte nicht so ausflippen!“ „Schon gut, Süße! Aber du hast auch Recht. Mutter hat uns nicht wirklich geholfen. Aber ich kann mir gut denken, was sie sagen wollte.“ Chandra drehte sich zu den anderen um. „Ach ja und was?“ fragte Rue. „Ganz einfach, die wollen uns umbringen, wenn unsere Kräfte erwachen. Ich weiß nicht wie, und wann das eintreten soll. Aber ich bin mir nun ziemlich sicher, dass irgendwer aus ihrem Clan unsere Mutter getötet hat. Sie wollten damals unsere gesamte Familie auslöschen. Aber Mutter hat uns gerettet und all die Jahre wussten sie nicht von unserer Existenz. Es ist ein bedauerlicher Zufall, dass wir hier gelandet sind und noch bedauerlicher, ist es, dass sie auf uns aufmerksam geworden sind. Sie haben schnell rausgefunden, wer wir sind…“ sagte Chandra. Rue, Raven und Lucine blickten vor sich hin. „Aber wenn sie glauben, dass wir klein beigeben, dann täuschen die sich. Wir halten zusammen.“ Sagte Chandra lächelnd. „Genau!“ nickte Rue. „Richtig!“ grinste Raven. Lucine blickte auf und Chandra hielt ihr die Hand hin: „Lucine?“ Lucine lächelte und nahm Chandras Hand: „Zeigen wir es diesen toten Fledermäusen!“ „Seht mal…“ grinste Bill. „Mhm?“ sein Zwillingsbruder sah auf. „Interessant!“ lächelte Gustav, Georg zog nur eine Augenbraue in die Höhe. „Du Miststück!“ rief eine ältere Bauersfrau und gab mitten auf dem Marktplatz einer zweiten Bäuerin eine feste Ohrfeige. Diese fiel zu Boden und sah geschockt ihre Freundin an. „Was tust du da?“ fragte sie fassungslos, ihr Gesicht war von seltsamen Malen entstellt und entzündet. „Maria du hinterhältiges, feiges - DU SCHLAMPE HAST MIT MEINEM MANN GEVÖGELT! DU UND ER HABT DEN GLEICHEN AUSSCHLAG! AUSSERDEM HAB ICH DEINEN TANGA UNTER MEINEM BETT GEFUNDEN! DEN ICH DIR ÜBRIGENS MAL GESCHENKT HABE!! DU SCHLAMPE!“ wütend stürzte die Frau auf Maria und ehe man sich versah prügelten sie sich gegenseitig fast ins Koma. „Das war ein kleines Hexlein, wenn mich nicht alles täuscht!“ lachte Bill leise, während sie an den zwei kämpfenden Frauen vorbeigingen und Gustav nickte. „Stimmt – das sieht wenn du mich fragst, nach der Blonden aus. Wenn mich nicht alles täuscht, hat sie doch vor wenigen Tagen der Frau da, die Krätze angehext!“ er lachte erheitert. „Stimmt – hab ich auch gesehen. War recht amüsant, wie die alten Schatullen auf ihre Kleider reagiert haben. Das hat die Blonde gar nicht gut vertragen und schwupp schon war ein kleiner böser Spruch aufgesagt.“ Lächelte Tom. „Endlich ist es nicht mehr so langweilig. Diese vier Hexen sorgen wenigstens für Unterhaltung!“ grinste Georg. „Apropos bleibt es bei der Aufteilung?“ fragte Bill. „Willst du dich beschweren – du hast die süße Lucine!“ grinste Tom. „Jede von ihnen ist es wert ein wenig gequält zu werden.“ Lächelte Georg. „Einverstanden – dann viel Glück. Und denkt daran, sie wissen wer Tom und ich sind – ergo werden sie gleich spüren, dass ihr genauso Vampire seid, werte Cousins!“ lächelte Bill Georg und Gustav schelmisch zu. „Das ist doch noch wesentlich lustiger – so können wir sie richtig schön aus der Fassung bringen. Wobei, ich bin ja mal sehr neugierig, was die alle für Kräfte haben!“ sagte Gustav. „Mhm – also diese Rue ist die automatische Schreiberin – mit ihr haben wir damals über die Gedankenwege kommuniziert. Es war recht erheiternd – diese Chandra scheint die Gemeinste zu sein. Sie verhext gern und viel. Erst gestern durfte sich unsere liebe Schülersprecherin einen Arzt holen lassen, weil sie ganz plötzlich grausame Akne im Gesicht bekommen hat.“ Sagte Tom. „Stimmt ich hab gesehen wie die Blonde Hexe sie nur wenige Sekunden vorher am Arm gepackt hatte und sie eiskalt abblitzen ließ. Die gute Schülersprecherin hatte den famosen Einfall sich zu ihnen an den Mittagstisch setzen zu wollen.“ Schüttelte Georg den Kopf. „Diese Raven finde ich seltsam – ich habe keine Ahnung was die für eine Kraft haben soll!“ sagte Bill nachdenklich. „Mhm – ich glaube ich habe einen Hauch Todesluft von ihr wahrgenommen.“ Sagte Tom nachdenklich. „Echt – dann ist so was wie postkognitiv. Cool eine die mit Toten rede kann!“ grinste Gustav. „Sagt mal – ist euch was aufgefallen?“ fragte Bill. „Was denn?“ die drei blieben stehen und sahen ihren Bruder und Cousin an. Bill hob den Kopf und lächelte: „Lucine hat gewaltige Kräfte – keine Ahnung was für welche, aber sie sind ganz schön eindrucksvoll – im Vergleich zu ihren Schwestern!“ „Ja – aber sie scheint sie nicht so einzusetzen wie die andern. Mir kommt es vor, als hätte sie Angst vor ihren eigenen Kräften…“ murmelte Georg. „Stimmt aber sie konnte Bill immerhin verbrennen, das bedeutet, dass sie zumindest so etwas wie eine starke Aura besitzt. Was ihre Kräfte sind, wäre interessant zu erfahren.“ Nickte Gustav. „Gut Jungs hier der Plan!“ Bill drehte sich um und sie steckten kurz die Köpfe zusammen – das Geschrei und Gezeter der noch immer kämpfenden Frauen war ihnen hierbei herzlich egal. „Wir versuchen den vieren nah zu kommen, was aber nur funktionieren wird, wenn wir sie voneinander trennen. Also das geht nur in einer einzigen Stunde!“ sagte Bill. Die drei nickten: „In den Freigegenständen zur dritten Stunden!“ „Jede von ihnen hat ein anderes Wahlfach belegt. Raven sitzt in Geschichtekurz für Absolventen und Maturanten. Rue hat glaube ich so etwas wie Kunst belegt – den Kurs bei der Zeichenlehrerin. Chandra hat sich bei der Gesangslehrerin eingeschrieben und Lucine geht in einen Profikurs für Pianisten. Also!“ Bill nickte jedem zu. „Dann werde ich mich mal in den Geschichte Club aufmachen!“ lächelte Gustav. „Ich setzt mich zu den Malhengsten!“ grinste Georg. „Auf zum fröhlichen Singen!“ jaulte Tom. „Bitte sing ja nicht laut – das tut in den Ohren weh!“ grinste Bill. „Na denn viel Spaß bei Klavier und Musik – kannst du überhaupt Klavier spielen?“ fragte Tom interessiert. „Keine Ahnung so schwer wird es schon nicht sein und wenn, dann tricks ich ein bisschen!“ grinste Bill. „UHHHH!“ heuchelte Tom interessiert. „So Leute auf geht’s.“ sagte Georg. „Auf geht’s!“ nickten die drei anderen. Kapitel 7: Mondscheinmelodie ---------------------------- „Mhm?“ Lucine blickte auf und sah sich fragend um. Sie stand vor einem riesigen Musiksaal. Doch sie war völlig allein. Das hatte sie nicht erwartet. Erneut kontrollierte sie die Zeit auf ihrer Armbanduhr – wohl zum 100. Mal in den letzten zwei Minuten. „Nein – es stimmt. Die dritte Stunde fängt um 10 nach 10 an. Und jetzt ist es Punkt genau, 10 Uhr 10. Mhm?“ erneut blickte sie auf. Da sah sie wie eine schlanke, ältere Dame auf sie zukam. Sie hatte lange dunkelbraune Haare und hellgrüne Augen. Sie schien sehr adrett und gut gekleidet zu sein. Lucine hatte seltsamerweise sofort Respekt und ein wenig freundschaftliche Gefühle, die sie für die alte Frau aufbringen konnte. Sie trug eine schwarze Tasche und balancierte gleichzeitig ohne Probleme einen mindestens 20cm hohen Stoß an Papierblättern. Noten, wie Lucine erkannte und ganz oben – Lucines Herz machte einen Sprung vor Freude – die Mondscheinsonate. Ihr allerliebstes Musikstück. „Guten Tag – bist du jetzt bei mir?“ fragte die alte Dame kühl. „Ja – Lucine Draco. Angenehm!“ sagte Lucine und nahm der alten Dame elegant einige Blätter ab. Ein sanftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Anastasia Nicolai – ich bin die Klavierlehrerin hier an der Schule. Komm rein!“ sagte sie und ging in den geöffneten Musiksaal. „Ich muss sagen, ich bin angenehm überrascht. Seit zwei Jahren hat sich keiner mehr für meinen Kurs angemeldet. Ich hatte fast die Hoffnung aufgegeben, dass sich junge Leute noch mit Musik im klassischen Sinn befassen!“ sagte Professorin Nicolai, als sie die ehrliche Freude auf Lucines Gesicht sah, als diese die Notenblätter ablegte. „Tja – ich habe schon immer gerne Klavier gespielt!“ sagte Lucine ehrlich. Sie war die musikalischste der vier Schwestern, neben Chandra, die eine wunderschöne Gesangsstimme ihr Eigen nannte. Sie und Lucine hatten in ihrer Kindheit immer gemeinsam musiziert. „Gut – das freut mich. So!“ Anastasia Nicolai legte ihre schwarze Jacke ab und sagte: „Wie lange spielst du schon?“ „Seit meinem vierten Lebensjahr!“ erwiderte Lucine. „Oh – wie alt bist du?“ überrascht hob die Lehrerin eine Augenbraue in die Höhe. „Ich bin jetzt 18 Jahre alt.“ Sagte Lucine. „Mhm ich bin beeindruckt. Du spielst also schon 14 Jahre lang Klavier… wie regelmäßig?“ fragte die Dame und ging zu dem großen schwarzen Flügel, der in der Mitte des Raumes auf einem roten langen, dicken Teppich stand. Sie öffnete ihn und schlug prüfend eine Taste an. Es war perfekt gestimmt. „Da wir ständig umziehen und schon bis zu 20 Mal die Schule pro Jahr wechseln – schwankt die Regelmäßigkeit. Aber in der letzten Zeit, also seit wir hier angekommen sind, übe ich wieder intensiv.“ Sagte Lucine. „Mhm… dann spiel mir mal was vor. Irgendetwas was dir gefällt!“ sagte die Dame. Lucine setzte sich und reine Vorfreude erfüllte sie. Da begann sie „Für Elise“ zu spielen und federleicht flogen ihre Finger nur so über die Tastatur. Die Dame hörte gelassen zu, während sie die Noten auspackte, wegpackte und zusammen schlichtete. Als Lucine vorbei war, nickte sie höchst anerkennend mit dem Kopf: „Sehr schön – dein Anschlag ist sehr federnd – das mag ich gerne. Und du legst sehr viel Gefühl in jede einzelne Passage. Das ist gut. Aber versuch ruhiger mit dem Pedal umzugehen. Da bist du noch nicht gelassen genug. Es muss mehr wie ein Engelshauch wirken – man darf das Pedal gar nicht bemerken – erst wenn der Ton schon vorbei ist, soll man glauben, dass ein Pedal dabei gewesen war. Sonst bin ich höchst zufrieden. Du spielst ausgezeichnet…“ Sie trat an das Klavier und hob eine Liste hoch. Sie sah prüfend hinauf und sagte: „Seltsam, es scheint, dass sich während der Pause noch ein Schüler angemeldet hat.“ „Ah ja?“ Lucine sah auf und sah wie die Dame die Stirn in Falten legte. „Mhm… den hätte ich am wenigsten erwartet.“ Murmelte die alte Dame. „Wen denn?“ fragte Lucine neugierig. „Entschuldigen Sie meine Verspätung!“ ertönte eine bekannte Stimme von der Tür her und Lucine fiel exakt in diesem Moment vom Klavierstuhl hinunter und blieb am Rücken leicht auf den Ellbogen gestützt liegen. „Huch?“ Anastasia Nicolai sah überrascht ihren neuen Schützling am Boden liegend und sagte, abwinkend: „Schon gut – ich war auch zu spät. Komm ruhig rein!“ „Das ist doch nicht möglich???“ hämmerte es panisch in Lucines Kopf. „Na so was – gleich zwei Schüler!“ sagte Anastasia und reichte dem Neuankömmling die Hand. „Das ist doch schön oder?“ fragte er charmant und neigte sich beim Klavier vorbei und stütze sich lässig gegen den Flügel und sah auf die am Boden liegende Lucine. „Nein so was – ich weiß ja, dass ich umwerfend bin, aber das musst du nicht gleich so wortwörtlich nehmen, meine kleine Lucine!“ lächelte Bill freundlich. Auf Lucines Gesicht hätte man vermutlich in diesem Moment Spiegeleier braten können. Wütend wollte sie sich am Flügel hochziehen, da gab der Teppich unter ihr nach und sie fiel erneut zu Boden. „Was für eine Aussicht!“ freute sich Bill und Lucine sah ihn böse an und verdattert blickte sie an sich hinunter. „AHHH!“ rief sie peinlich berührt – ihr Rock war ihr bis zum Ansatz ihres Slips hochgeschoben und man erkannte dass er schwarz rot war. Sofort zog sie den Rock wieder hinunter und sprang mit hochrotem Gesicht auf. „Nun ja – ich entnehme der Begrüßung, dass ihr euch bereits kennt!“ meinte Madame Nicolai höflich und kühl. „Wie klein die Welt – oder eher die Schule – ist, nicht wahr Lucine?“ lächelte Bill sie verschwörerisch an und blinzelte ihr vertraut zu. Lucines Augen wurden zu gefährlichen Schlitzen und sie fauchte höchst unhöflich: „Ich kann mir kaum vorstellen, dass es Zufall ist – du Spanner!“ „Aber, aber Lucine…“ sagte Anastasia beruhigend. „Genau, Lucine. Weißt du nicht, dass Unhöflichkeit keine positive Eigenschaft ist?“ lächelte Bill weiterhin liebenswürdig. „Pffffffffff!“ Lucine hätte es selbst am wenigsten gewundert, wenn aus ihren Ohren in diesem Moment kein Dampf getreten wäre. „Na ja, wie auch immer…. Bill wären Sie so lieb und spielen mir auch etwas vor? Ich muss ja wissen auf welchem Level jeder ist. Wobei in einem Kurs für Profis, sollte es ohnehin das höchste Niveau sein!“ sagte Anastasia ruhig. „Gerne Madame Nicolai!“ erwiderte Bill höflich und setzte sich auf den Schemel und legte die Handy auf die Klaviertasten. Lucine beobachtete ihn genau und sie sah wie seine Augen kurz rot aufleuchteten und schon spielte er in bester Qualität, die von Lucine so geliebte, Mondscheinsonate. Lucine bekam ganz große Augen – so gut hatte sie diese zauberhafte Melodie noch nie gehört. „Was?“ dachte sie nur beklommen, auch Anastasia Nicolai schien überrascht. Da bemerkte Lucine wie ihr Kopf von Erinnerungen durchflutet wurde. Sie sah sich selbst, ihre Schwestern als Kinder. Sie standen am Grab ihrer Mutter … Raven weinte, Rue klammerte sich an ihren Vater. Chandra strich Raven immer wieder beruhigend über den Kopf. Und sie selbst? Lucine stand abseits, ihr Haar wehte im Wind, Tränen liefen ihr keine über die Wangen. Sie stand einfach nur da und starrte leer vor sich hin. Doch dann fielen ihr die Worte wieder ein, die sie damals sprach. „Adora quod incendisti, incende quod adorasti!!” flüsterte Lucine unhörbar und zugleich schossen ihr die deutschen Worte des Textes durch den Kopf: „Bete an, was du verbrannt hast; verbrenne, was du angebetet hast.“ Sie erschrak als Bill plötzlich aufhörte zu spielen. Seine Augen suchten die ihren und Lucine erschrak noch mehr. Sie waren knallrot – und sie spürte, dass ihre eigenen Augen zu glühen schienen. „Ich muss weg!“ rief sie noch zitternd, dann rannte sie aus dem Raum. Bill starrte ihr nach. Lucine rannte und rannte, so schnell sie ihre Füße trugen. Sie wusste nicht wohin, sie wusste nicht warum sie unbedingt so schnell und so weit wie möglich weg wollte – sie wusste nur, dass es so war. Weg! Weg! Weg! Spuckte ihr im Kopf herum. Lucine rannte aus dem Schulgebäude, vergessen waren ihre Schwestern. Vergessen die Schule. Nur diese Augen verfolgten sie noch – diese roten, unheimlich starken, alles verzerrenden Augen, dieses grausamen Vampirs. „LASS MICH IN RUHE!“ hämmerte es in ihrem Kopf. Sie lief nicht nach Hause. Sie rannte Richtung Wald, warum wusste sie nicht. Sie rannte weiter und stolperte dank ihrer hohen Sandalen einmal über die Wurzel, einmal über die andere. Sie hatte zwar schon in der Früh gemerkt, dass es kühler geworden war, dennoch trugen sie und ihre Schwestern hartnäckig noch die sommerliche Herbstmode, die Raven stets besorgte. „AHHH!“ Lucine strauchelte und fiel der Länge nach auf den Boden. Die Wurzeln schlugen gegen ihre Rippen und sie stöhnte vor Schmerz. Sie versuchte sich aufzurichten, doch erst jetzt erkannte, sie dass sie wie eine Irre weinte. Die Tränen rannten ungehemmt über ihre Wangen zu Boden. Laut schluchzend versuchte sie erneut aufzustehen. Aber sie konnte gerade mal in eine kniende Position gelangen – die Hände immer noch in die trockene Erde gegraben, das Moos zwischen den Fingern. Kalt, und frisch. Sie schluchzte immer noch vor sich hin, als es hinter ihr raschelte und Äste knackten. Sie hielt inne. „Sind die Erinnerungen so schmerzhaft?“ fragte Bill leise. Lucine schluckte und atmete ruhig tief ein und aus. Dann konnte sie sich endlich an einem Baumstamm neben ihr nach oben ziehen und keuchend lehnte sie sich dagegen. „Mhm….das müssen sie wohl wirklich sein – denn sonst hätte diese einfache Variante der kognitiven Sensibilisierung niemals funktioniert.“ Sagte Bill und lehnte sich wie Lucine gegen einen Baum, einige Meter von ihr entfernt. Er zog wie das letzte Mal eine Zigarettenschachtel heraus und zündete sich eine an. Elegant pustete er den Rauch aus. Seine Augen waren wieder dunkel und ruhten auf Lucine. Als wolle er jede Bewegung genauestens beobachten. „Ich…was?“ Lucine konnte immer noch nicht ganz klar denken. „Deine Erinnerungen.“ Bill blies erneut Rauchkringel aus und seufzte leise auf: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich nur an der Oberfläche kratzen muss, damit du dich schon wieder erinnern kannst – das ist mal was … Neues. Die meisten Hexen sind in der Lage, ihre Erinnerungen sehr genau zu kontrollieren und auch sehr leicht zu verschließen. Normalerweise können Wesen wie ich nicht so leicht, Zugriff darauf haben. Interessant…“ Lucine wagte es nicht ihm in die Augen zu sehen – zu tief saß der Schock über die roten Augen. „Keine Sorge, ich hab gerade erst mit dem Spiel angefangen…“ sagte Bill leise. Lucines Augen fuhren sofort herum und starrten ihn feindselig und geschockt an: „SPIEL? Was für ein Spiel?“ ihre Stimme war wie ein Rasiermesser. Bill pustete den Rauch aus: „Na – unser Spiel. Das von mir und meinem Zwillingsbruder, ach und natürlich das von meinen Cousins.“ „Cousins…“ flüstere Lucine. Sie sah Bill verwirrt an. „Oh … keine Sorge, wir sollen euch momentan noch beobachten – töten noch nicht.“ Lächelte Bill. Lucine sah ihn an und fauchte zornig: „Oh nein wie nett von euch! Nicht das wir euch Umstände bereiten!“ „Na sieh an – du kannst sogar lange Sätze reden. Sonst redest du gar nicht oder Minisätze! Erfreulich.“ Bill dämpfte die Zigarette in seiner Handfläche aus und Lucine konnte mitansehen wie sich gleich darauf die Wunde verschloss und man nichts mehr sehen konnte. Er hob den Blick und sie glänzten vergnügt: „Dann darf ich sogar annehmen, dass wir uns nun – gut verstehen?“ Lucine starrte ihn fassungslos an: „Gut verstehen? Wir beide? Sag mal – bist du als Baby auf den Boden gefallen oder so?“ „Süße nicht gleich so unhöflich!“ lächelte Bill. „ICH BIN UNHÖFLICH WANN ICH WILL!“ knurrte Lucine und hob zornig ihre Tasche auf, die sie zu Boden gleiten hatte lassen und wollte wütend an ihm vorbeistapfen. Bills Augen glänzten spitzbübisch auf, da zog er Lucine bereits gegen sich, und drückte sie ohne auf ihre Überraschung zu achten, gegen die Baumrinde und stütze seine beiden Arme links und rechts neben ihrem Kopf ab. Zwischen ihnen herrschte vielleicht ein Abstand von knappen 10 cm. Lucine starrte furchtlos in seine Augen. „Geh niemals an einem Vampir einfach so vorüber – wir mögen das nicht besonders!“ lächelte Bill. „Dein Ego ist nicht mein Problem!“ knurrte Lucine. „Nun ja – genau genommen schon. Denn siehst du…“ Bill kam noch näher und Lucine wurde es noch unangenehmer: „… ich bin praktisch ab sofort, überall wo du bist – egal ob du nun deine Haare kämmst, dich schminkst, dich anziehst, dich badest, ob du isst, trinkst, stehst, sprichst oder …“ seine Augen versanken in ihren und sein Mund war vielleicht noch eineinhalb cm von ihrem entfernt: „… schläfst.“ Damit senkte er seine Lippen, doch Lucine schob so abrupt ihre Schultasche vor ihr Gesicht, dass Bill eine erstaunte Schnute zog. „Hey?“ „Küsse gibt’s nicht mehr, Mr. Univers!“ fauchte Lucine dahinter und ihre Augen starrten immer noch in seine. „Was versprecht ihr euch davon, uns nicht mehr aus den Augen zu lassen?“ fragte sie kalt. Bill sah sie nachdenklich an: „Ihr Hexen seid wirklich ein seltsames Volk – oder sind nur du und deine Schwestern so?“ „Wie „so“?“ fauchte Lucine. „Na so …“ Bill suchte nach einem Wort, dann sah er ihr fest in die Augen und sagte: „Interessant?“ Lucine erstarrte und sah ihn ungläubig an: „Ihr tut das, weil ihr uns interessant findet?“ „Tja – so in etwa!“ lächelte Bill. „Da muss ich dich leider enttäuschen – wir sind alles andere als interessant. Merkwürdig? Ja! Launisch? Ja! Unausgeglichen? Ja!“ sie sah ihm ins Gesicht: „aber auf keinen Fall „Interessant“!“ damit wollte sie ihn von sich wegschieben, doch seine Augen glänzten erneut auf und er riss ihr die Tasche aus den Händen und Lucine fand sich in seinen festen Armen gefangen. Seine Lippen waren an ihrer Schläfe und er murmelte leise: „Kann es sein, dass du gerade … Angst hast?“ Lucine wagte es kaum zu atmen, doch sie schüttelte knapp den Kopf: „Nein – hättest du wohl gerne?“ „Na ja, ich muss sagen…“ seine Lippen berührten ihre Stirn: „… es würde manches sicher erleichtern. Aber das ist nun nicht wichtig…“ seine Hand berührte ihr Kinn und hob ihr Gesicht nach oben. Er konnte ihre Wimpern zählen – schwarz und dicht. Sinnlich. „Für mich zählte nur die Tatsache, dass du mein Zielobjekt bist. Und das tolle an meinem Zielobjekt ist, dass sie sehr süß und schön ist. Und das wird mir noch viel Spaß bereiten!“ lächelte er und senkte seine Lippen auf ihre. Lucine erstarrte vor Schreck. Sie spürte wie weich seine Lippen waren, wie warm, einladend und unglaublich wunderschön es sich anfühlte in seinen Armen zu liegen. Lucine, dachte sie verzweifelt, mach keinen Scheiß. WEHR DICH! Doch für nichts in der Welt hätte sie ihn jetzt von sich gestoßen. Bill spürte ihre Kraft, die in ihren Adern zu strömen begann, er konnte die magischen Energien spüren. „Hatte ich doch Recht!“ dachte er innerlich lächelnd, als er dieses ganz und gar süße Mädchen küsste, „Ihre Energien werden befreit, wenn sie sich gehen lässt. Sie hält sie die ganze Zeit unter so fester Kontrolle, dass sich eine Menge Magie angestaut hat – das dürfte lustig werden! Probieren wir doch aus, wie weit ich gehen kann…“ Er zog Lucine noch enger an sich und seine Zunge tauchte tief in ihren Mund. Mhm, wie schön, dachte er – er war so vollkommen. Süß, unschuldig und doch so erregend und einladend. Und zu seiner größten Verwunderung drückte Lucine sich noch enger an ihn und er spürte wie sehr sie den Kuss wollte. Seltsam, dabei habe ich noch gar nicht meine Verführungskünste auf magische Weise einsetzten müssen… Gut, dann noch weiter… dachte er. Er drückte sie rückwärts gegen den Baumstamm, wo er sie gerade noch gefangen gehalten hatte und seine Hände strichen sanft über ihren Rücken hinunter bis zu ihrem Po. Doch als er ihren Po umfasste, schlug Lucines Stimmung um. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, was sie da tat. Mit aller Kraft die sie aufbringen konnte, schlug sie fest mit der flachen Hand in Bills Gesicht. Oder zumindest wollte sie es, denn er fing ihre Hand einfach ab, unterbrach dabei nicht einmal den Kuss und hatte noch die Dreistigkeit seine zweite Hand auf ihren Po zu legen, zuzudrücken und sie noch näher an sich zu ziehen. „NGN!“ Lucine wollte ihm ihren Mund entziehen, doch er hielt sie fest und gab sie nicht frei. Nach einigen Minuten des Ringens, gab Lucine nach und wurde zu seiner Freude ganz schwach in seinen Armen. Er drückte sie erneut gegen den Baumstamm und sie ließen voneinander. Schwer atmend, geradezu atemlos keuchten beide und Lucines Wangen waren leicht rötlich geworden. Bill lächelte und dachte, wie hübsch sie in diesem Moment aussah. Die Lippen von seinem Kuss gerötet – ja er konnte sich an das Bild gewöhnen. Er ließ sie immer noch nicht frei und neigte seinen Kopf und begann ihren Hals leicht zu küssen. Lucine stöhnte leise und ihre Hände gruben sich hilfesuchen in die Falten seiner Ärmel. Sie verstand nicht, warum er eine solche Macht über sie hatte. Seit er sie vor zwei Tagen geküsst hatte, war es schlimmer geworden. Sie hatte von seinen Berührungen geträumt, hatte seine Lippen herbeigesehnt und sich zugleich unsagbar dafür geniert, geärgert und gehasst, weil er sie so empfinden ließ. ER war ihr Feind. Schlimmer er war ein Vampir und wenn sie nicht aufpasste, höllisch gut aufpasste – dann würde er sie verschlingen. „Weißt du, dass du ziemlich gut küssen kannst, kleine Lucine – und dass deine Haut wie weiße Sahne schmeckt?“ Bills Stimme vernebelte ihr den Verstand. „Mhm…“ er küsste zärtlich weiter und schließlich begann er an ihrem Ohrläppchen zu knabbern – was dazu führte, dass Lucine endgültig den Verstand verlor. Sie krallte sich noch fester. Bill lachte leise und dunkel auf. „Weißt du… ich finde dich richtig süß. Naiv und süß… eine sehr verführerische Mischung, kleine Lucine!“ GOTT, wie sie es hasste und zugleich abgöttisch liebte, wenn er ihren Namen aussprach. Lucine wollte allerdings, die Kontrolle zurück. Sie hatte sie zwar verloren, doch sie würde nicht aufgeben. „Was genau hat euer Clan vor?“ fragte sie plötzlich. Bill erstarrte und zog sich zurück. Seine Augen suchten ihre und er sah ihr fest in die dunkelgrünen Augen: „Unser Clan? Wieso glaubst, du dass ich dir das sage?“ „Weil du mir was schuldest!“ sagte Lucine. „Ah ja?“ er hob die Augenbrauen, was verflucht sexy an ihm aussah. „Ja – immerhin bist du gerade über mich hergefallen- was ziemlich unhöflich war…“ lächelte sie kalt. Bill starrte sie an, doch seine Augen lachten und sein Mund verzog sich zu einem Grinsen: „Ach ja – die Sache mit der Unhöflichkeit. Da hast du Recht. Ich bitte vielmals um Entschuldigung Mylady.“ Er zog Lucine erneut an sich heran und küsste erneut ihre Schläfe und Lucine musste sich leider eingestehen, dass sie es verflucht gerne mochte, wenn er sie im Arm hielt. „Mhm… was unser Clan plant, ist nichts was dich angeht.“ Sagte er leise. „OH DOCH! Und wenn ich raten dürfte, würde ich sagen, dass ihr vier… dein Bruder, deine zwei Cousins und du selbst den Auftrag bekommen habt, uns zu töten, falls wir unsere Kräfte aktivieren!“ sagte Lucine. Bill erstarrte und ließ Lucine los. Sie verschränkte genüsslich die Arme vor der Brust und Bill sah sie an: „Bitte?“ „Tu nicht so dumm. Wir wissen, dass ihr wisst, dass wir die Hexen des Draco Clans seid und wir wissen auch, dass ihr wisst, dass wir unsere Kräfte noch nicht vollkommen einsetzten können – weil wir unter dem Zeichen des Neumondes geboren wurden – ergo, erlangen wir erst unsere Kräfte. Aber wann das sein wird, dass weiß niemand. Darum wurdet ihr vier geschickt – ihr sollte uns töten, wenn die Kräfte erwacht sind!“ sagte Lucine und ihre Stimme war eiskalt. Bill sah ihr fest in die Augen: „Interessant, was das kleine Hexlein sich so ausgedacht hat…“ „Tja, du kannst es noch so oft abstreiten, ich sehe in deinen Augen, dass ich Recht habe!“ lächelte Lucine wissend. Bill zog sie hart an ihrem linken Handgelenk zu sich und sagte kalt: „Selbst wenn es so wäre, dürfte dir nicht entgangen sein, dass ihr euer eigenes Grab schaufelt. Wenn eure Kräfte kommen, dann werden wir euch töten!“ „Versucht es nur!“ sagte Lucine kalt. „Werden wir kleine Lucine, das werden wir!“ Bill sah sie lange an und ein gemeines Lächeln umspielte seine Lippen: „Keine Sorge…“ Kapitel 8: Die Beute wird zum Jäger ----------------------------------- WÄMM! „Oha – noch wer so gut gelaunt?“ hob Raven interessiert den Kopf. Lucine stand mit sprichwörtlich rauchendem Kopf in der Tür. Weder Raven, noch Rue hätte es in diesem Moment gewundert, wenn Dampf aus den Ohren ihrer Schwester gewichen wäre. „Äh – Lucine, alles in Ordnung?“ fragte Rue vorsichtig. „NEIN! IST ES VERDAMMT NOCH MAL NICHT!“ knurrte Lucine innerlich, doch nach außen hin setzte sie plötzlich ein strahlendes Zahnpasta-Lächeln auf, das Rue und Raven eine Gänsehaut über den Rücken jagte: „Aber natürlich – hat nur gerade zufällig jemand eine Axt bei der Hand. Ich würde gerne sinnlos etwas in kleine Stück zerhacken.“ Lucine schmiss die Schultasche auf den Sesseln neben Rue, die erschrocken zusammen zuckte und stapfte in die Küche davon. Wenige Sekunden später begann es darin zu rumoren und Raven zuckte die Schultern und vertiefte sich wieder in ein Geschichtebuch über die Französische Revolution. Das Hämmern, Klopfen und zeitweiliges Knallen aus der Küche ignorierten die Schwestern so gut es ging. Da flog wenig später erneut die Tür auf und dieses Mal stand Chandra zornig in der Türschwelle. „Hallo – auch einen tollen Tag gehabt?“ fragte Rue kühl. Chandra ließ sich aufseufzend in den Sessel fallen, setzte sich dabei prompt auf Lucines Schultasche und sah noch ein wenig böser drein. „Zerstört Lucine gerade unsere Küche?“ fragte Chandra, als sie das Toben in der Küche hörte. „Jepp – du kennst das ja!“ Raven sah grinsend auf: „Ihre Art der Stressbewältigung.“ „Solange sie die Küche nicht wieder in die Luft jagt, und hinterher wieder begehbar macht und hinterlässt, habe ich damit kein Problem!“ meldete sich Rue zu Wort und Chandra nickte. Sie saßen eine Zeitlang ruhig in ihren Sesseln oder auf den Sofas und lasen, zeichneten oder hörten Musik, da öffnete sich eine Stunde später die Tür zur Küche und Lucine kam mit einem Teller frischer Kuchenstücke zurück. „Ahhh – weißt du, wenn ich nicht deine Schwester wäre, würde ich sagen – flipp ruhig öfter aus. Dann gibt es immer so leckeren frischen Kuchen!“ freute sich Raven und alle nahmen sich ein Stück des leckeren Schokokuchens. Er dampfte noch leicht und schmeckte vorzüglich. Stöhnend ließ sich Lucine niedergeschlagen auf ein Sofa sinken. Rue, die ebenfalls dort lag, zog sofort die Beine ein, um Lucine Platz zu machen. „Weshalb so traurig?“ fragte Raven desinteressiert. „Traurig trifft es nicht ganz – entnervt und völlig überfordert schon eher!“ sagte Lucine müde, und rieb sich dabei die Augen. „Na toll – das heißt, nach unseren Mienen zu urteilen, hatte jede von uns heute einen männlichen Störenfried an der Seite!“ sagte Rue. Chandra, Raven und Lucine nickten im Takt mit dem Kopf. „Na großartig – neue Taktik der Vampire. Nerven wir unsere Erzfeinde einfach solange bis sie von selbst die Pistole nehmen und abdrücken!“ stöhnte Rue. „Jetzt beruhigen wir uns erst einmal. Raven – was ist bei dir heute passiert?“ fragte Lucine und bemühte sich um Objektivität. Nach ihrem Abreagieren in der Küche war sie wieder ansprechbar. „Tja – das war eigentlich alles sehr nervig. Ich habe mich ja in den Kurs für Geschichte der Absolventen und Maturanten eingeschrieben, was eigentlich eine sehr kluge Idee war. Die sind wirklich alle sehr interessiert in Geschichte.“ Ravens Augen bekamen einen gefährlichen Glanz, „Stellt euch vor, heuer machen wir das Thema frühe Hochkulturen mit Schwerpunkt auf die Maya! Ach ich bin so aufgeregt, weil-“ „RAVEN!“ sagten die drei Schwestern im Chor. „Was?“ „DU schweifst ab!“ sagte Lucine müde. „Oh… sorry, jedenfalls waren wir gerade dabei uns in Gruppen zu teilen, weil es eben Gruppenprojekt war und da öffnete sich die Tür und ein Kerl kam herein. Er sagte. „Sorry – hab das Klingeln überhört.“ Das hat mich ja nicht genervt – nur ein wenig. Aber egal. Jedenfalls, kam dann dieser Typ tatsächlich frech wie er war, zu mir herüber geschlendert und setzt sich beinhart neben mich an meinen Tisch. Erst wollt ich ihn anfauchen, dass er sich gefälligst verpissen soll – aber der Typ hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen. Er hat einfach gesagt: „Tagchen – ich bin Gustav. Und du bist?““ Lucine grinste innerlich, blieb aber nach außen hin ruhig und fragte: „Weiter?“ „Na ja, da bin ich erst mal ausgetickt, hab ihn mit meinem liebenswürdigsten Lächeln angefauchte: „Verzieh dich Penner – ich arbeitete grundsätzlich allein. Außerdem sitzt du auf meinem Geschichtebuch.“ Na ja, das hat ihn nicht wirklich beeindruckt, er hat einfach das Buch hervorgeholt, darin geblättert und gesagt: „Sieht ja ganz spannend aus. Also… mit Einzelarbeit kannst du hier nicht punkten.“ Und ehe ich was sagen konnte, hat dann die Geschichteprofessorin gesagt: „Gut, dann wären die Teams fertig. Oh Gustav, du und Raven – ausgezeichnet. Ihr arbeitet bitte an der Architektur der Maya!“ und weg war sie. Ich hab ihr nur blöd hinterher geglotzt und dann hat dieser Kerl – Gustav oder wie auch immer – einfach meinen offenstehenden Mund zu geklappt und schmunzelnd gesagt: „Mund zu – sonst verschluckst du noch eine Mücke. Wobei du noch viel schönere Dinge mit dem Mund anfangen könntest!““ Raven sah kurz vor einer Explosion aus. Chandra grinste und sagte: „Was hast du gemacht?“ „Ihm eine geknallt, raus aus dem Kurs und weg war ich. Dann hatte dieser Kerl doch tatsächlich noch den Nerv mir hinterher zu gehen und fängt mich ab. Ich wollte ihm eigentlich eine in die Intimsphäre treten, aber anstatt das zu schaffen, hält er mich fest, drückt mich gegen die Wand und sagt noch: „Interessantes neues Projekt – das wird Spaß machen!“ und dann…“ Raven blickte plötzlich sehr betreten. „Und dann?“ fragte Rue naiv. „ER hat dich geküsst, stimmt’s?“ fragte Chandra. Lucine beobachtete ihre Schwester genau, diese wurde tatsächlich rot. Eine Seltenheit. „Ja…“ geknickt ließ sie den Kopf sinken. „Und was hast du gemacht?“ fragte Chandra weiter. „Na ja…ehrlich gesagt…“ Raven verknotete ihre Finger in einander und blickte ein wenig drucksend herum. „Du hast zurückgeküsst?“ fragte Rue fassungslos. „Mein Gott – warum nicht – er war ein guter Küsser!“ sagte Raven verzweifelt, „Und außerdem war der letzte Kerl mit dem ich was hatte, 14 Jahre alt – da wird man mal schwach. Gott verzeihe mir meine Sünden!“ sagte Raven fauchend. „Schon gut – schon gut!“ Chandra hob die Hand, und lächelte plötzlich gezwungen: „Nicht nur du wurdest heute erniedrigt!“ „Du auch?“ fragte Rue neugierig. „Ja!“ Chandra schlug voller Zorn in den Holztisch vor ihnen und eine Delle blieb im Mahagoniholz zurück. „Erzähl!“ sagte Lucine. „Na ja – ihr kennt doch noch den Kerl – diesen Tom oder?“ fragte Chandra und holte tief Luft, während die drei nickten: „Dieser miese kleine Rattenknilch – er hat mich doch tatsächlich im Gesangskurs gestört – dieser Mistkerl. Er hat sich einfach eingeschrieben und da wir nur zu dritt waren, war das für die Gesangslehrerin kein Thema und sie hat nur lieb genickt und geheuchelt: „Klar, komm ruhig dazu!“ GOTT WIE ICH SIE HASSE!“ Chandras Stirn begann rot zu werden vor Zorn. „Weiter!“ sagte Lucine. „Jedenfalls hat der Typ mich die ganze Zeit gestört oder zweideutige Sprüche abgelassen – ich war so knapp davor –“ Chandra hielt die Finger bis auf 2mm auseinander und sagte: „-ihm eine reinzuhauen. Aber…“ sie seufzte und ließ die Schultern hängen: „Das Singen hat mir gefehlt und ich wollte die Lehrerin echt nicht stören – die ist nämlich wirklich gut darin. Jedenfalls hab ich die Stunde durchgezogen – so gut es jedenfalls ging und anschließend wollte ich diesen Tom zur Rede stellen. Deshalb hab ich gewartet bis alle draußen waren und hab mich umgedreht und gesagt: „Wenn du es noch ein einziges Mal wagen solltest mich dermaßen zu nerven, kannst du dich nach neuen Geschlechtsteilen umsehen!““ „Was hat er gesagt?“ fragten Raven und Rue im Chor, Lucine ahnte die Antwort. Chandra wurde rot vor Zorn: „Na was wohl – der Arsch hat nur gegrinst, mich an sich gezogen und geküsst. So schnell konnte ich gar nicht schauen, da hatte er mich schon festgehalten. Dieser arrogante kleine Mistkerl!“ schrie sie wütend und neben Lucine explodierte eine dritte Glasvase. Als die drei wieder aus ihrer Deckung hervorgekrochen waren, sagte Lucine trocken: „Ganz ruhig – wegen uns beiden, wird es irgendwann keine Glasvasen mehr in diesem Haus geben!“ „Sorry – Beherrschung verloren!“ sagte Chandra. „Jedenfalls hast du ihm dann wenigstens eine geklebt oder?“ fragte Rue. „Ja das auf jeden Fall, der Mistkerl war ja dreister als dreist. Die fünf Ohrfeigen haben ihm zumindest für einen kurzen Moment das blöde Grinsen aus dem Gesicht gewischt.“ Fauchte Chandra. „Rue – wie war das bei dir?“ fragte Lucine. „Na ja – eigentlich auch nicht viel anders. Ich war im Malkurs und wir hatten heute Stillleben als Thema. Der Kerl war mir völlig fremd und jedenfalls hat er sich neben mich gesetzt und hat zu Beginn einfach nur gemalt. Das hat mich also nicht gestört. Dann zum Abschluss, als die anderen schon rausgegangen sind, hat er sich zu mir gebeugt und gesagt: „Schönes Bild.“ Ehrlich gesagt, hat mich das sogar gefreut und ich wollte sagen: „Danke!“ da hat er sich noch weiter vorgebeugt und mich einfach auf den Mund geküsst. Ich war so perplex, dass ich einfach stocksteif sitzen geblieben war. Dann hat er seine Malsachen gepackt, sein Bild weggestellt und hat sich bei der Tür noch umgedreht und gesagt: „Bis bald!“ und ist dann verschwunden!“ sagte Rue. „Du hast nichts getan?“ fragte Chandra verdutzt. „Nö – war zu verblüfft. Ich bin einfach sitzen geblieben und hinterher habe ich mich natürlich dermaßen geärgert, dass ich einen dezenten Wutschrei-Anfall bekommen habe!“ sagte Rue und zuckte gelassen mit der Schulter. „Okay…“ sagte Chandra und Raven sah ihre Schwester fassungslos an. „Und du?“ fragten die drei, ihre Köpfe zu Lucine gedreht. Diese seufzte auf: „Tja – längere Story.“ Lucine erzählte von der Musikstunde, die eigentlich positiv anfing, dann das Auftauchen von Bill, und später dem Gespräch im Wald. „Okay damit ist es amtlich!“ Chandra stand auf und ihr Gesicht zeigte eine grimmige Maske: „Die Jungs wollen Krieg – den können sie gerne haben!“ „Und wie genau hast du dir das vorgestellt?“ fragte Lucine ruhig. Raven und Rue sahen ihre Schwester interessiert an. „Ganz einfach!“ Chandra grinste diabolisch: „Wir steigen auf ihr dummes Spiel ein!“ „WIR!“ rief Lucine. „SPIELEN!“ rief Rue. „MIT?“ rief Raven verdattert. Die drei sahen sich äußerst irritiert an und Chandra setzte sich mit einem gerissenen Lächeln hin und nickte: „Ja – wir spielen einfach ihr Drecksspiel mit und dann wollen wir mal sehen, WER hier WEN verführt. Weil, das ist ganz eindeutig – die wollen uns verführen, ein wenig mit uns spielen und Spaß haben und so unser Vertrauen erschleichen. Wenn unsere Kräfte sich aktivieren sollten, können sie uns dann ganz gemütlich ausschalten!“ „Aha und wie hast du dir das mit dem Mitspielen so gedacht?“ fragte Lucine interessiert, „Immerhin habe ich wortwörtlich das Gegenteil versprochen – Auflehnung und Krieg!“ sagte sie. „Kein Problem – wir Frauen gelten doch sonst immer als sentimental und wankelmütig. Du gehst einfach Stück für Stück auf ihn ein. Egal was sie wollen, wir spielen mit – und zum Schluss sind wir die Siegerinnen!“ lächelte Chandra verschlagen. „Du weißt schon, dass man einem Vampir das Herz nicht brechen kann – der hat nämlich keines mehr!“ sagte Rue trocken. „Das hat man von Davy Jones auch behauptet!“ wedelte Chandra den Einwand ab. „Das ist eine FILMFIGUR!“ meinte Raven. „Der Punkt ist!“ erhob Chandra ihre Stimme, „Der Punkt ist, dass sie vorhaben uns zu vernichten – Mädels wir müssen das verhindern. Denn irgendeiner von diesen Drecksäcken!“ Chandra blickte auf und ihre Augen wurden kalt und schmal: „Hat unsere Mutter auf dem Gewissen!“ Das richtete alle Mädchen auf und Lucine nickte als erste: „Ja, das ist uns klar – aber…“ sie sah auf und sah allen fest in die Augen und blieb bei Chandra hängen: „…das war keiner dieser vier Kerle – die sind noch nicht so alt. Man spürt, dass sie junge Vampire sind. Vielleicht genauso alt, wie sie sich ausgeben.“ „Lucine hat Recht!“ meldete sich Raven zu Wort. „Ich habe keinen Todeshauch bei ihnen wahrgenommen – die haben noch keinen Menschen umgebracht. Besonders noch keine Hexe. Die sind genau genommen „Frischlinge!“.“ „Mhm… das heißt wir müssen uns Zutritt verschaffen!“ sagte Chandra. „Zutritt?“ fragte Rue. „Ja – irgendeiner aus ihrer Sippschaft hat Mutter getötet. Diesen Vampir will ich tot sehen!“ sagte Chandra und ihre Augen leuchteten kalt auf. „Mhm gefällt mir – nur du hast ein winziges Detail vergessen!“ sagte Lucine liebevoll. „Der wäre?“ „WIR SIND NICHT STARK GENUG!“ betonte Lucine jedes Wort stark, „… auch wenn wir Hexen des Draco – Clans sind, unsere Kräfte haben sich durch die Geburt zur Neumondzeit verschoben. Ergo wissen wir nicht wann sie ihre vollständige Energie entladen. Also sind wir so was wie tickende Zeitbomben. Was passieren, wann und wie es geschehen wird, können wir nicht wissen.“ Sagte Lucine. „Ich HASSE es wenn du so redest!“ sagte Rue, „Objektiv und auch noch Recht habend. „Egal, ob ich Recht habe oder nicht – Fakt ist-!“ sagte Lucine und sah ihre Schwestern an: „Was werden wir tun, wenn unsere Kräfte erwachen?“ Lange Zeit schwiegen sie, dann sagte Raven ruhig: „Ganz einfach…“ ihre Augen glänzten spitzbübisch auf: „Wir werden alle Söhne und Töchter Samaels töten, die wir töten können. Und wenn wir dabei drauf gehen – ganz ehrlich, dann soll es wahrscheinlich so sein!“ Daraufhin breitete sich eine Stimmung voller Übermut und Trotz aus: „Genau!“ stimmte Rue zu. „Bin dabei!“ nickte Chandra. Alle sahen Lucine an und diese lächelte böse: „Wenn wir tatsächlich drauf gehen – dann nehmen wir so viele von diesen Drecksarschlöchern mit wie es nur geht!“ Chandra, Raven und Rue sahen Lucine stolz an und sie legten die Hände übereinander: „Die Macht der vier kann keiner trennen!“ sagten die vier Mädchen und so war es auch. Am nächsten Tag – Freitag „AHH!“ streckte sich Raven gemütlich im Schatten des großen Baumes auf dem Schulcampus: „Herrlich morgen ist endlich Samstag – Ladys Wochenende-Zeit!“ „Ah ja – endlich ausspannen!“ sagte Rue und legte ihren Kopf auf Lucines Schoß, die leicht im Schatten döste. Doch ein leises Flüstern erreichte sie, das sie schlagartig die Augen aufschlagen ließ: „LUCINE!“ Sie blickte gerade aus und sie spürte wie eine Aura sie lockte, sie umwarb wie ein Seidentuch. „Lucy?“ fragte Raven und Chandra blickte sie ebenfalls an. „Bill ruft nach mir!“ sagte Lucine gelassen. „Mhm…“ Chandra nickte kaum merklich und sagte: „Geh zu ihm – wenn was ist…“ sie bedachte Lucine mit einem ruhigen Blick: „Ruf uns!“ „Okay.“ Sagte Lucine und stand auf. Sie sah sich nach den Professoren um, doch keiner beobachtete sie und so lief Lucine wieder in den Wald, den sie bereits gut zu kennen schien. Sie trug an diesem Tag einen weißen Rock, ein dunkelblaues Top, das im Kreuz auf den Rücken gebunden wurde. Sowie auch weiße schlichte Ballerinas, mit einem dunkelblauen Netzmuster. Sie ging weiter. Wie das letzte Mal verschwand die Sonne je weiter sie ging und schließlich erreichte sie den Platz von wo aus, sie das gewaltige Schloss auf den Felsen sah. „Schön dass du gekommen bist!“ ließ sie eine Stimme hören, sie drehte sich nach links und sah nach oben. Auf einem dicken Ast lag Bill ausgestreckt und seine Augen waren geschlossen. „Was willst du?“ fragte Lucine. Bill öffnete nicht einmal die Augen und sagte: „Reden – mir ist langweilig!“ „Zum Reden holst du mich her?“ fragte Lucine verblüfft, doch dann zuckte sie die Achseln und begann auf den Baum zu klettern. Sie setzte sich auf einen Ast neben seinem und ließ die schlanken, weißen Beine elegant überschlagen. „Okay – dann rede!“ sagte Lucine. Bill hielt weiterhin die Augen geschlossen und sagte: „In drei Wochen ist Weihnachten!“ „Aha…“ sagte Lucine. „Wusste gar nicht, dass Vampire das Fest feiern!“ „Wieso nicht?“ fragte Bill. Darauf fiel Lucine keine Antwort ein: „Egal – also was willst du sagen?“ „Da gibt es in der Stadt einen großen Weihnachtsball, in der Schule findet er jährlich statt. Soll ganz nett sein, alles weiß und mit Kunstschnee verziert!“ sagte Bill ruhig. „Aha…“ sagte Lucine wieder. „Du wirst mit mir hingehen!“ sagte Bill. „Ach so – du bestimmst das jetzt schon?“ fragte Lucine amüsiert – was Vampire sich alles erlaubten. „Ja… eigentlich schon, denn…“ er öffnete verschlagen ein Auge. „…. Ich habe null Lust mit meinen Eltern zusammen Weihnachten zu feiern.“ „Aha und warum nicht?“ fragte Lucine. „Sie nerven und sind peinlich…“ sagte Bill schläfrig. „Das habe ich auch immer von meinen Eltern gedacht…“ sagte Lucine kichernd, dann aber fügte sie kühl hinzu: „… als Mutter allerdings starb, habe ich anders gelernt darüber zu denken. Nun vermisse ich einfach die gemeinsamen Weihnachten.“ Sagte Lucine. Bill hatte die Augen wieder geschlossen und eine Zeitlang sagte keiner etwas. Dann fragte Bill: „Meine Familie fährt jedes Jahr zu Weihnachten in ein altes Schloss hoch oben im Norden. Das bedeutet wir sind für etwa eine Woche nicht hier- da könnt ihr euch von uns erholen!“ lächelte Bill. „So, so…“ sagte Lucine leichthin. „Scheint dich ja nicht wirklich zu interessieren!“ sagte Bill. „Sagen wir mal – es haut mich jetzt nicht gerade um!“ sagte Lucine trocken. Daraufhin begann Bill herzlich zu lachen und Lucine spürte, dass ihr das Lachen gefiel. Es war dunkel, und warm. So warm… „Sag mal… ihr verschwendet keine Zeit, kann das sein?“ fragte Lucine. „Wie meinst du das?“ fragte Bill. „Na ja, abgesehen davon, dass jeder von euch – also warte mal, Tom – dein Zwillingsbruder und deine zwei Cousins Georg und Gustav…“ Bill hob eine Augenbraue, „… und natürlich auch du – gerade mal vor schätze ich ein oder zwei Tagen beschlossen habt uns nicht von der Seite zu weichen, und schon markiert ihr euer „Eigentum“ ganz lässig mit erotischen Küssen!“ sagte Lucine und sie lehnte sich müde gegen den Baumstamm. „Tja, man muss als Mann tun, was man tun muss!“ lächelte Bill. „Als Mann und Vampir!“ fügte Lucine hinzu. „Stimmt!“ nickte Bill. Erneut betrachten sie stumm das Schauspiel von verschwindender Sonne hinter den dicken Regenwolken und schließlich brach Bill das Schweigen: „Wieso bist du eigentlich gekommen?“ „Du hast mich gerufen!“ sagte Lucine. „Möglich aber …“ jetzt setzte Bill sich auf und lehnte sich gegen den Baumstamm, zog ein Bein lässig an und ließ das zweite nach unten baumeln, „… wieso auf einmal so… brav und gehorsam?“ „Wer sagt, dass ich es tue, weil du es mir befohlen hast. Könnte doch sein, dass ich selbst einfach mit dir reden wollte!“ sagte Lucine lächelnd. „Mhm…“ Bill neigte sich zu ihr und betrachtete ihr ebenmäßiges Gesicht, sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut und wartete bereits darauf, dass sich sein Lippen auf ihre legten. „Glaub ich dir nicht!“ sagte Bill und zog sich wieder zurück und schloss genüsslich die Augen. „Ach nicht?“ fragte Lucine und fühlte sich in ihrer Ehre gekränkt. „Wieso nicht?“ sie sah ihn interessiert und gereizt an. „Weil du nicht falsch oder hinterhältig bist – die Eigenschaften liegen dir nicht!“ sagte Bill. „Ach nein, wie gut du mich schon kennst, nach ZWEI Tagen!“ sagte Lucine trocken und ließ sich vom Ast heruntergleiten und sprang elegant zu Boden. „Gehst du schon?“ fragte er. „Ja – im Gegensatz zu dir, habe ich nicht eine ganze Ewigkeit Zeit nur um Sonne und keine Sonne anzusehen. Mein Leben ist mir etwas zu kostbar, um meine Zeit hier zu verschwenden!“ sagte Lucine und drehte sich um. Kaum hatte sie kehrtgemacht, stand Bill nur wenige Zentimeter hinter ihr und sah ihr fest in die Augen: „Tja,… dann wollen wir doch was dagegen tun, dass du das hier nicht als „Zeitverschwendung!“ siehst!“ lächelte er und zog sie an sich. Er hob ihr Kinn sanft an und küsste Lucine sanft auf den pfirsichfarbenen Mund. „Ha!“ grinste Lucine innerlich. „Ob Vampir oder Sterblicher – Männer sind ja so vorherseh- kontrollier- und manipulierbar.“ Bill hingegen dachte während er Lucine küsste: „Momentmal – war heute nicht die Taktik „Kein Küssen“ angesagt?“ doch als er ihre süßen Lippen spürte, schob er den Gedanken beiseite. „Ach – egal! Das ist einfach zu gut, um aufzuhören!“ Kapitel 9: Der Weihnachtsball ----------------------------- "Wieso mach ich das eigentlich?" dachte Lucine, während sie brav und gehorsam in Bills Armen über das Tanzparkett schwebte. Die zahlreichen, neugierigen Gesichter ihrer liebenswerten Mitschüler, beobachteten sie ganz genau, waren aber nicht nur auf Lucine und Bill, sondern auch auf die restlichen drei Paare gerichtet, die genauso die Aufmerksamkeit der Meute auf sich zog. So tanzte Chandra mit Tom durch den Saal, der in tausenden weißen Lichtern erstrahlte, mit weißen und hellsilbernen Tüchern ausgekleidet war. Die Beleuchtung war herabgedreht, dass es aussah als würde man durch Schnee tanzen. Neben Lucine tauchte immer wieder rothaarige Schopf von Rue auf, die in den Armen von Georg lag und gleich wenige Meter von Chandra entfernt wirbelte Raven mit Gustav herum. Eigentlich sah das ganze Bild harmonisch aus, wenn man von der winzigen Tatsache absah, dass jeder ihrer Tanzpartner reine Vampire waren. Und sie selbst waren die Vierlingsschwestern eines altehrwürdigen Hexenclans, von dem sie seit einigen Wochen wussten, dass sie auch Vampirjäger waren. "Egal wie man es betrachtet..." dachte Lucine düster, während sie mit Bill eine elegante Drehung absolvierte und wieder sicher in seinen Armen lag, "... es ist pure Ironie..." Da verklang schon der letzte Akkord und artig verneigte man sich voreinander. "Ich komme gleich wieder!" sagte Lucine und spürte die Blicke ihrer Schwestern in ihrem Rücken. Bill nickte langsam und ging inzwischen zu der Bar und genehmigte sich eine Bowle. "Mädels - ich glaube jetzt haben wir die Kontrolle über ihr Spiel!" sagte Chandra leise, als Lucine zu ihnen stieß. "Möglich..." sagte Raven und strich sich über das makellose enganliegende schwarze Schulterfreie Kleid, das sie trug und ihre Augen glänzten aufmerksam. "Ich bin mir da nicht so sicher - ich war nie ganz überzeugt, dass man Vampire täuschen kann!" meinte Rue trocken und kontrollierte die Bänder ihres tiefroten Kleides, dass einen Prinzessschnitt hatte und bis zu den Knien hing, dabei in Rüschen gehüllt war. "Seid nicht solche Optimisten!" meinte Chandra kühl. Lucine sah ihre Schwester, die heute an champagnerfarbenes Kleid trug und das auf der rechten Seite bei ihrem Oberschenkel bis zum Boden einen Schlitz hatte und dabei die perfekten Beine zeigte. "Chandra,Rue denkt nicht unlogisch. Ich meine, wir haben keinerlei Beweise, dass die Jungs nicht mehr aufmerksam sind. Gut, wir haben es geschafft sie teilweise zu manipulieren, aber das ist auch schon alles!" "Ja - ich weiß, ihr habt ja Recht." meinte Chandra ergeben und warf ihre Schwester, die ihre Haae heute glatt, lang und glänzend über den Rücken trug, sowie ein königsblaues Büstierkleid trug, einen langen Blick zu: "Dennoch können wir uns wenigstens auf erholsame Ferien freuen!" sagte sie. "Nur weil unsere Henker in die Ferien fahren, heißt das nicht, dass wir nicht weiterhin beschattet werden." sagte Rue. "Wie meinst du das?" fragte Rave. "Na ja, ich habe ..." Rue grinste frech: "Ich hab ein wenig gezeichnet, während der liebe Georg mit mir gestern in der Bibliothek war - ich hab seine Gedanken aufgeschrieben - da stand so etwas wie: "Keine Sorgen machen, sind gut bewacht..." "Das ist jetzt aber auch sehr wage ..." meinte Lucine trocken. "Möglich, aber trotzdem gute Idee." lobte Chandra Rue, und wandte sich erneut an Lucine: "Sag mal Lu - wie sieht es mit dir und dem Chef in spe aus?" Chandra nickte kaum merkbar Richtung Bill, der nun mit seinem Bruder und seinen Cousins an der Bar stand. Lucine seufzte kurz und sagte: "Ehrlich gesagt - keine Ahnung. Er ist..." sie suchte nach einem passenden Wort: "...undurchschaubar. Jedes Mal wenn ich glaube - HA - jetzt weiß ich was er denkt, schon hat er wieder etwas komplett anderes gesagt oder getan!" "Mhm - ein harter Brocken. Tom ist einfach zu durchschauen!" Chandras Miene verfinsterte sich bei dem Gedanken an ihren Widersacher. "Inwiefern?" fragten Rue und Raven. "Na ja - er ist ein hormongesteuerter Lüstling mit mehr Hirn für Sex als für alles andere!" sagte Chandra trocken. Die drei anderen grinsten. "UND?" fragte Lucine unschuldig. "UND - was?" fragte Chandra misstrauisch. "Hast du ihn schon mal rangelassen?" fragte Rue direkt. Chandra starrte ihre Schwester perplex an: "Für so eine haltet ihr mich? Nein - ich muss mich ja schon zusammenreißen, dass ich ihm nicht jedes Mal eine in die Fresse knalle, wenn er mich wieder mal ohne große Überlegung küsst!" ihre Nase wurde rot: "Glaubt ihr wirklich, ich wäre eine Schlampe?" "Nein - das haben wir nie gesagt, Chandra!" sagt Raven entsetzt. "Süße wir meinten nur, UNS würde es schwer fallen, deinem Sonnylover zu widerstehen. Weil ganz ehrlich - er hat den besten Sixpack von allen vier!" grinste Lucine liebevoll. Chandra wurde augenblicklich ruhig und sagte humorvoll: "Na ja, stimmt die sind wirklich nicht schlecht!" sie grinste. "Was meint ihr - was denken sich unsere vier süßen hübschen Hexlein für eine Verschwörung aus?" grinste Tom und nahm einen tiefen Schluck von seinem Rotwein. Während die anderen feixende Kommentare abgaben, ließ Bill Lucine nicht aus den Augen. Über den Glasrand seines Rotweins hinweg, betrachtete er sie. Wie sie sich bewegte. Ihre sonst knapp über die Schultern fallenden, lockigen schwarzen Haare, glänzten heute glatt und lang wie ein Wasserfall aus Obsidianen. Alles war weich und ewig. Ihr Körper lang, weiß und geschmeidig war in dieses wunderschöne königsblaue Kleid gehüllt, das sie noch zarter aussehen ließ, als sie es ohnehin schon tat. "Bill?" "Mhm?" Bill blickte in die Augen seiner Familie. Sein Zwillingsbruder starrte ihn skeptisch an. "Okay - Bruderherz - was ist los?" fragte Tom. "Was - gar nichts ist los warum?" fragte Bill. "Na weil du die ganze Zeit Lucine beobachtest, als wäre sie ein Juwel, das jederzeit gestohlen werden könnte. Und den Dieb würdest du töten, so wie du jetzt aussiehst!" meinte Tom besorgt. "Quatsch!" schüttelte Bill den Kopf. "Kein Quatsch!" meldete sich Gustav zu Wort. "Du siehst sie viel zu intensiv an. Vergiss nicht, wir müssen sie vielleicht einmal töten... wenn ihre Kräfte erwachen!" Bill sah Gustav nur stumm an. "Ja und das könnte jederzeit eintreffen!" saget Georg zustimmend. "Und ihr seid einfach ein wenig - paranoid. Ihr glaubt wirklich ich würde unseren Auftrag vergessen? Pffff!" Bill schüttelte unwirsch den Kopf. Seine Augen fanden allerdings recht schnell wieder zu Lucine zurück. Diese spürte seinen Blick und obwohl sie gerade noch herzlich über einen Witz von Rue gelacht hatte, drehte sie ihren Kopf zu Bill. Ihre dunkelblauen Augen blickten in seine dunkelbraunen und sie spürte die Leidenschaft darin. "Oh je..." dachte Lucine und spürte bereits wie ihre Knie zitterten. Doch da bewegte Bill nur kurz seinen Kopf und Lucine nickte unmerkbar. Sie löste sich aus der Gruppe. Sie ging auf der ihrigen Seite des Saales entlang. Sie hielt ihre Augen auf Bill gerichtet, der sie weiter wie hypnotisierend anstarrte und trotz der zahrleichen tanzenden Paare auf der Tanzfläche verloren sie einander nie. Schließlich erreichte Lucine eine kleine Seitentür und sie spürte ihr hämmerndes Herz in ihrer Brust. "Ich muss raus - weg - weg von ihm!" rauschte es durch ihren Kopf. Sie stieß die Tür auf und rannte mit laut klopfenden Herzen den langen Korridor entlang und am Ende stieß sie die nächste Tür auf, sie stolperte in die freie kalte Luft. Sie atmete tief ein und ihr kam es vor, als würde die eiskalte Luft in ihren Adern pochen. Es tat so gut. Da spürte sie etwas Kaltes auf ihrer Haut und als sie verdutzt auf ihre Schulter sah, beobachtete sie noch mit, wie eine Schneeflocke dort zu Wasser gerann. "Schnee?" wisperte sie und blickte nach oben. Irgendwo in der Ferne schlug gerade im selben Moment die Kirchturmuhr Mitternacht und als Lucine ihren Kopf hob, sah sie über sich tausende kleine Kristalle. Der Himmel war erfüllt von Schneeflocken, die langsam und würdevoll zu Boden fielen. Immer dichter und dichter bis Lucine ihre Hand heben konnte und die Flocken sogar so knapp nebeneinander fielen, dass immer sobald eine geschmolzen war, schon vier wieder ihren Platz eingenommen hatten. "Wie schön..." lächelte Lucine. Sie und ihre Schwestern liebten den Winter. Übermütig drehte sie sich im Schnee. "Lucine..." Sie blieb stehen und richtete ihren Blick auf die Tür, durch die sie nach draußen gelangt war. Bill stand im Türrahmen und beobachtet sie. "Lucine...." lächelte er. Sie starrte zurück und ihr Brustkorb hob sich schnell und heftig, weil sie von dem Drehen noch außer Atem war. Er kam auf sie zu, Schritt für Schritt. Sie blieb wo sie war und nun wusste sie, dass ihr Herz nur hämmerte, weil er da war. Wegen ihm. Er zog sie an sich und hielt sie fest im Arm. Sie spürte seine Hände auf ihrem Rücken und er zog sie immer fester an sich, bis sie irgendwann spürte, dass er es nur tat, weil er seine Gefühle nicht anders zeigen konnte. "Lucine ich will dass du mit mir über die Weihnachten in unser Familienschloss im Norden des Landes kommst." flüsterte Bill in ihr Ohr. "Was?" "Keine Widerworte, Kleines..." er hob ihr Kinn an und ehe Lucine noch etwas entgegen konnte, lächelte er und sagte: "Das ist ein Befehl!" und verschloss ihre Lippen mit einem Kuss. "Verdammt in welche Richtung führt uns das alles?" fragte Lucine sich panisch. Kapitel 10: Krisentagung ------------------------ "NEIN!" Chandra schüttelte ihren Kopf so sehr, dass ihre Haare nur so herumzuwirbeln schienen. Lucine verdrehte genervt die Augen, während sie am Frühstückstisch saßen. Raven kaute nachdenklich auf einem Stück Brot mit Butter hin und Rue starrte trübe in ihren warmen Tee. "Nein - keine Chance. Eh - eh!" erneut schüttelte Chandra den Kopf. "Du weißt schon - dass wir eigentlich gar keine Wahl haben?" fragte Rue trocken. "Möglich- aber nein! Ich meine, es geht hier um WEIHNACHTEN!" sagte Chandra und biss wütend in ihre Marmeladesemmel. "Jah - das wissen wir, aber dennoch - du kennst sie inzwischen schon gut genug, einen Monat immerhin!" sagte Raven und spülte einen Bissen mit kalter Milch hinunter. Sie blickte fest in die Augen ihrer Schwester. "Sorry - aber wir müssen uns wohl oder übel ihrem Willen beugen. Immerhin hat Daddy passender Weise auch noch geschrieben, dass er nicht zu Weihnachten hier sein kann." sagte Lucine ruhig. Sie deutete auf die große Postkarte von den kanarischen Inseln. Darauf stand: Hallo meine Mädchen, ich liege hier leider nicht auf der faulen Haut - ich arbeite fleißig und viel, mein Chef hat von einer baldigen Versetzung plus Beförderung gesprochen. Dann können wir endlich wieder in unser altes Haus ziehen. Ist das nicht herrlich? Aber leider heißt das auch, dass ich über Weihnachten nicht bei euch sein kann, meine Kleinen. Wir arbeiten bis zum 23. durch und anschließend geht für die nächsten vier Tage kein einziger Flug von den Kanaren. Ich wünsche euch trotzdem ein schönes Weihnachtsfest und dafür feiern wir einfach nach, wenn ich in den Energieferien wieder bei euch sein kann. Euch herzlich drückend, umarmend und Küsschen gebend, Papa. Chandra blickte wütend auf den Brief. Passenderweise hatte tatsächlich nur einen Tag nach dem Weihnachtsball im Postfach gelegen. Was für ein Zufall. Natürlich, dass wussten alle vier niedergeschlagen, war es kein Zufall. Gab es wirklich nichts, wovor diese Kerle nicht zurückschreckten? "Aber - aber ohne Papa ist es doch kein Weihnachtsfest..." sagte Chandra, die diese Zeit, wie auch ihre Schwestern, innigst liebte. "Ja - und dreimal darfst du raten, warum er nicht kommt. Diese Typen haben zu 100% ihre Hände im Spiel!" seufzte Raven. Deprimierte Stimmung machte sich breit. Als im selben Moment eine Gruppe Weihnachtssänger an ihrem Haus vorbeikam, klingelte und bereits ein Weihnachtslied anstimmte, ließ ihre Stimmung noch mehr sacken, als das ohnehin möglich war. "VERSCHWINDET!" brüllte Chandra genervt als sie die Tür aufriss und panisch nahmen die fünf Mädchen aus ihrer Schule die Beine in die Hand. "Uff - da nimmt man an, dass sie einen inzwischen wirklich fürchten... von wegen!" seufzte Rue auf. "Leute - was machen wir jetzt?" lenkte Raven das Gespräch wieder auf das ursprüngliche Thema. "Na ja - so wie es aussieht haben wir wohl oder übel nur eine einzige Wahl!" sagte Lucine kühl und düster. Sie warfen sich einen unwohlen Blick zu. Raven schluckte, Rue ließ einen tiefen Seufzer hören und Chandra nagte nervös an ihrer Unterlippe. Lucine fasste es schließlich in Worte: "Wir werden wohl wirklich alle zu diesen verrückten Kerlen in ihre Schlösser gehen." "Was mich schlussendlich gar nicht so stört. Aber was mir ein Dorn im Auge ist, ist, dass wir getrennt sind. Rue und Raven sind in einem anderen Schloss und wir beide sind in einem anderen Schloss!" seufzte Chandra. "Jahhhh!" ein Viererseufzer ertönte. "Dadurch sie uns trennen, sind wir noch verletzlicher als sonst!" seufzte Lucine. "Was mir allerdings die ganze Zeit durch den Kopf schießt, ist die Möglichkeit, dass unsere Kräfte erwachen könnten, wenn wir so angreifbar sind. Nur wenn wir zu viert gegen diese Typen vorgehen, werden wir überhaupt eine Chance haben!" sagte Rue. Raven nickte. "Aber wir sind in Gedanken immer bei einander!" meinte plötzlich Chandra warm. Die anderen drei Schwestern sahen sie an, dann lächelten auch sie. "Jah stimmt - auch wenn wir nun getrennt Weihnachten feiern und dass auch noch mit Vampiren, so lassen wir uns nicht unterkriegen. Sollen sie doch versuchen uns zu verwirren, wir halten zusammen!" nickte Lucine. Die Vier umarmten einander und ließen sich nicht mehr so schnell los. "SEID IHR VERRÜCKT GEWORDEN?" fauchte Erik fassungslos. Seine Söhne saßen mit zerknirschter Miene vor ihm. Selene saß in einem hohen Sessel und ihre Miene verriet nichts von ihrer Unruhe. Ruhig und konzentriert betrachtete sie ihre einzigen Kinder. "Warum habt ihr so einen Schwachsinn angefangen?" rief Erik weiterhin wütend. Er ging vor seinen Söhnen auf und ab. Bill und Tom starrten betroffen auf ihre Knie. Keiner wagte etwas zu sagen, wenn ihr Vater wütend war, jagte er sogar ihnen einen Schauer über den Rücken. "REDET ENDLICH!" brüllte er zornig und seine Augen glänzten gefährlich rot auf. "Liebling..." sagte Selene kühl und beruhigend. Ihre Augen blickten in die seinigen und er atmete tief durch. "Verzeih!" sagte er ruhig. "Schon gut - nur mit Brüllen wird nichts ungeschehen..." sagte Selene, die stets den kühlen Kopf behielt. "Nun gut!" nickte Erik. Seine Augen wanderten wieder zu den beiden Unglücksraben, die immer noch lautlos vor ihm saßen. "Also - Bill, Tom... wieso habt ihr diese absolut hirnrissige-" setzte Erik an. "Darling!" kam es tadelnd von Selene. "- Verzeihung - also diese, nun ja nennen wir es "unorthodoxe" Idee umgesetzt?" fragte Erik und ließ sich schwer atmend in seinen Sessel zurückfallen. Bill und Tom sahen sich leicht unwohl an, doch Tom gab sich einen Ruck: "Nun ja, Vater um genau zu sein..." "JAH?" sein Blick wurde schmal. "- äh es war Bills Idee!" kam es hastig als Antwort. "FEIGLING!" flüsterte Bill wütend. "Sorry - Panik gekriegt..." murmelte Tom in seine Brust. "BILL?" Selene setzte sich aufrecht hin und musterte ihren jüngeren Sohn: "Also? Erzähl?" Bill seufzte auf: "Gut, also die Idee war eher eine "Blitzaktion"..." "Für dich ja so untypisch..." kam es von Erik. Bill erlaubte sich sogar ein Grinsen. "Ich habe mir gedacht, es wäre doch mehr als dumm, unseren Einfluss über die Hexen zu zerstäuben, wenn wir sie über die Feiertage hinweg nicht beobachten und beeinflussen. Darum fand ich es am sinnvollsten sie einfach..." Bill verstummt. "...mit auf unser Schloss zu nehmen?" kam es schwach von Erik. "äh jah..." Bill wurde rot. "Ach herrje - könnte es sein, dass wir sie bei der Geburt vertauscht haben?" fragte Erik Selene. "Hey!" protestierten die beiden leise. "Jungs - das war mehr als töricht. Immerhin sind es nach wie vor Hexen, Hexen des Draco-Clans, Hexen die von uns wissen! Und leider nein Schatz,..." Sagte sie zu Erik, "... die beiden sind dein und mein Ebenbild!" Die Vampireltern seufzten auf. "Nun gut - jetzt ist an der Situation sowieso nichts mehr zu ändern!" sagte Erik und stand auf. Er trat zum Fenster und blickte hinaus ins Schneetreiben. Er konnte das Dorf sehen und atmete tief ein: "Die Hexen werden mit uns kommen - aber!" sagte er schnell, als die Augen seiner Jungen aufleuchteten: "- keine miesen Tricks! Ihr bewacht sie, lasst sie nicht eine Minute, nicht eine Sekunde aus den Augen. Wenn ihr es tut- könnte das verherrende Folgen für uns alle bedeuten!" sagte er hart. Die beiden schluckten und nickten ergeben. "Gut..." seufzte Erik und winkte mit der rechten Hand: "- geht und besprecht euch mit euren Cousins!" Bill und Tom nickten, standen auf und gingen die Treppe hinauf. Selene wartete bis die beiden außer Hörweite waren: "Glaubst du wir haben einen Fehler gemacht?" Erik starrte weiterhin aus dem Fenster: "Wir können das Steuer noch herumreisen, Selene. Die Jungen sind noch zu weich. Sie haben noch nie Menschen getötet, getrunken haben sie das Blut seit jeher, doch nie getötet. Sie wissen nicht, was das für eine Seelenqual bedeutet - was es aus ihnen macht. Ich war dagegen, dass Victor unsere Söhne auserkoren hat. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass wir gegenüber ihm zu absolutem Gehorsam verpflichtet sind..." Selene trat zu ihrem Mann heran und schmiegte sich an seinen Rücken: "Können wir denn nichts tun?" ihre Stimme klang dünn und ängstlich. Erik fasste sie und zog sie in eine wärmende Umarmung. "Gott - Erik, es sind unsere Kinder. Unsere Söhne..." sie blickte mit Tränen in den Augen in seine. "Sag mir, dass wir keine Angst haben müssen. Sag mir, dass sie sich nicht in der Liebe verlieren!" Selenes Augen waren groß und voller Tränen. Erik seufzte: "Ich wünschte ich könnte es sagen, Selene. Aber..." er starrte wieder aus dem Fenster und seufzte: "... ich befürchte, dass was kommen wird, liegt nicht in unserer Macht!" Kapitel 11: Schloss aus Eis --------------------------- "WOW!" war das einzige was Lucine und Chandra im Chor herausbrachten. Mit offenen Mündern blickten sie, die Taschen, die sie gerade noch in den Händen gehalten hatten, waren ihnen ausgeglitten, auf das gewaltige Gemäuer vor ihnen. "Beeindruckt?" grinste Tom und klappte Chandras süßen Mund zu, während Bill dasselbe schmunzelnd bei Lucine tat. "Das kann man wohl sagen..." kam es erneut im Zweierchor. Die Brüder grinsten. Ja, das Schloss ihrer Ahnen war wirklich ein unglaubliches Wunderwerk. Es war ein gewaltiges Schloss, ganz und gar aus Schnee und Eis erbaut, manchmal konnte man gelegentlich ein Aufblitzen des Gemäuers in der seltenen Wintersonne sehen. Es war einfach umwerfend, unglaublich - überwältigend. Die Zinnen waren im alten Mittelalterlichen Stil gehalten, während die Verzierungen des Schlosses eindeutig gotische Züge aufwiesen. Das Schloss war über einem zugefrorenen See erbaut und nur eine einzelne Zugbrücke war das Verbindungsglied zum Festland. Tausende und abertausende Eisblumen waren auf der Steinbrücke angelegt, die zum Einrasten der Zugbrücke vorhanden war. Das Wappen der Vampirfamilie - zwei gekreuzte Schwerter mit einer Rose war über dem Eingang in gigantischer Größe eingraviert. Fahnen mit demselben Wappen wehten im Wind und zeigten, dass das Schloss bewohnt war. Obwohl es alles andere als einladend wirkte, hatte es eine gewaltige Anziehungskraft auf die beiden Schwestern. "Also - das ist euer Winterpalast?" fragte Lucine verdattert. "Winterresidenz!" winkte Tom ab. "Residenz..." sagte Chandra schwach. "Jah - unser eigentlicher Palast liegt in Russland - um genau zu sein, rede ich von dem alten Zarenpalast in St. Petersburg!" grinste Bill und schloss seine Arme von hinten um Lucines zarten Körper, während sie immer noch ungläubig auf das gewaltige Schloss starrte. "Mhm - du riechst heute unglaublich gut!" wisperte er leise in ihre schwarzen langen Haare, die sie heute zu einem seitlichen Zopf geflochten hatte. Lucine wurde Rot: "Äh... danke..." Tom hatte Chandra bereits mit sich gezogen und ging nun Hand in Hand mit ihr über die Zugbrücke, die gerade herabgelassen worden war. Zahlreiche Butler und Dienstmädchen standen bereits in Dienstkleidung Spalier und schienen sie bereits erwartet zu haben. "Komm - ich zeig dir den Rest des Schlosses und natürlich dein Zimmer!" lächelte er höflich. "Öhm... okay!" meinte Lucine nach wie vor überwältigt. Sie ließ sich einfach von Bill mitziehen. Im Inneren des Schlosses gab es noch gewaltig viel zu sehen. Bill zeigte Lucine nur einen der insgesamt 20 großen Spiegelsäle, die auch die Ballsäle waren. In jedem könnte man ein Fest für mehrere hundert Personen geben. Was Lucine aber am meisten erfreute waren die großartige Bibliothek und der wunderschöne Rosengarten. Überwältig von der kristallenen Pracht der Eisrosen blieb Lucine solange in der Kälte, dass Bill sich schließlich Sorgen machte, dass sie sich erkälten konnte. "Sag mal - trag ihr immer nur so dünne Sachen?" fragte er besorgt und fuhr ihr über den dünnen Rücken. "Wieso? Was meinst du?" fragte Lucine verblüfft. Sie trug - wie Chandra und ihre anderen Schwestern auch, die Kleidung die Raven stets besorgte. Allerdings musste sie sich eingestehen, waren sie nicht zum Shoppen von Winterkleidung gekommen, darum bemerkte sie, jetzt da Bill es erwähnt hatte, wie die Kälte in ihre Knochen kroch. "Normalerweise tragen wir auch wärmere Sachen." grinste sie entschuldigend. "Komm lieber rein - ich will nicht dass du krank wirst!" lächelte Bill und hielt ihr die Hand hin. Ohne zu zögern legte sie ihre hinein und gemeinsam gingen sie in den gewaltigen - warmen - Eingangsbereich. Rechts und links gingen zwei großartig gestaltete edle Treppen nach oben, über die ein königsblauer Läufer führte. "Königsblau ist die Farbe unseres Wappens!" erwähnte Tom gerade, da Chandra anscheinend danach gefragt hatte. Genauso überwältigt wie Lucine es war, blieben ihre Augen niemals ruhig und wanderten rastlos über die wunderschöne Einrichtung. "Ah - unsere beiden Gäste - wie schön!" ertönte eine ruhige, klare Stimme. Alle 4 Augenpaare schossen zur Treppe und Lucine schluckte schwer. "Was für eine wunderschöne Frau!" dachte sie und spürte, dass ihre Schwester das gleiche gedacht hatte. Eine schlanke, hochgewachsene Schwarzhaarige Frau kam die Treppe herunter. Sie trug ein bordeauxrotes Kleid mit Hermelinpelz und ihre Haare hingen schwer glatt und ewig lang bis zu ihren Knien über ihren Rücken. Was Lucine am meisten faszinierte waren die hellen eisblauen Augen. "Mutter!" erwiderten Bill und Tom, während sie höflich mit dem Kopf nickten. "Das ist seine Mutter?" dachte Lucine und sah Bill aus den Augenwinkeln her, an. "Ich freue mich euch willkommen zu heißen. Mein Name ist Selene van Campton." sagte Selene mit einem höflichen Lächeln. Sie schüttelte Chandra die Hand und blickte ihr lange in die Augen, dann sagte sie ruhig: "Interessant - eine Leserin der Gedanken..." Chandras Augen blieben ruhig und sie erwiderte: "Vielen Dank für den freundlichen Empfang, Mylady Campton!" Selene nickte. Damit ging sie zu Lucine und als sie ihr die Hand reichte, glaubte Lucine ein Blitz hätte sie gescannt. Ein Kribbeln ging aus ihrer Handfläche aus und Lucine spürte wie diese Augen alles zu erkennen schienen. Selene gab einen überraschten Ton von sich: "Oha!" Bill starrte seine Mutter an und ließ seinen Blick zwischen Lucine und ihr hin und her wandern. Selene hatte schon vieles erlebt, doch die gewaltigen, unterdrückten Schwingungen dieser kleinen Hexe überraschten sie. Da war so viel Angst und auch ... Selene hob die Augen ... Unsicherheit. "Obwohl sie solche Kräfte besitzt, weigert sie sich diese zu benutzen. Erstaunlich..." dachte sie. Dann sagte sie ruhig: "Es freut mich auch dich kennenzulernen Lucine ..." "Ebenfalls Mylady Campton!" sagte Lucine. Katzengrün traf auf Eisblau. Dann sagte Selene freundlich: "Mein Gemahl trifft erst am Abend ein - bis dahin, könnt ihr gerne das Schloss erforschen." Damit entschwand sie. "Eure Mutter sieht unglaublich jung aus..." kam es feixend von Chandra. "Ja - Vampir zu sein, hat anscheinend auch seine positiven Seiten!" meinte Lucine trocken. Bill und Tom grinsten nur. Lucine war genervt - bisher war sie keine Sekunde alleine mit Chandra gewesen. Sie seufzte, dass hätte sie sich aber auch denken können. Natürlich waren die Eltern der Vampirbrüder alles andere als erfreut über Bills Aktion gewesen, dass konnte sie sich gut vorstellen. Vor allem nach diesem eiskalten Willkommen der Mutter, dachte Lucine, aber dass Bill auch wirklich rund um die Uhr an ihrer Seite kleben musste, trieb sie langsam aber sicher zur Verzweiflung. "Äh hättest du was dagegen, wenn ich mich zurückziehe?" fragte sie daher sehr sanft, " - ich würde mich gerne etwas Schlafen legen!" "Klingt gut - ich bin dabei!" grinste Bill anzüglich und hatte Lucine bereits in seine Arme gezogen. Seine Lippen waren gefährlich nahe, als Lucine stotternd abwimmelnd sagen konnte: "ICH ÄH meine ALLEIN!" Bill sah sie misstrauisch an, doch dann grinste er wieder: "Na gut - ich lass dich allein. Wir sehen uns beim Abendessen." Er hielt sie weiterhin in seinen Armen und Lucine sagte trocken: "Lass mich raten, du lässt mich erst los, wenn du einen Kuss gekriegt hast?" "Wow - und da dachte ich Chandra wäre diejenige bei euch die Gedanken lesen kann!" meinte Bill fröhlich. "Gott - du bist anstrengend!" sagte Lucine und ließen Kopf gegen seine Brust sinken. "Wieso sagen das in letzter Zeit alle?" dachte Bill beleidigt. Doch plötzlich zogen Lucines Hände sein Gesicht sanft zu ihr nach unten und ihre süßen Lippen legen sich auf seine. "Gott das muss wirklich Sünde sein!" dachte er genießerisch, während die Wärme von Lucines Körper auf seinen überging. Sie war so zart und weich in seinen Händen, dass er sie nur noch fester umarmen musste. Lucine, dachte er verschwommen, langsam aber sicher, wird es kompliziert. Atemlos ließen sie voneinander ab und sie sagte lächelnd: "Bis zum Abendessen!" und damit schob sie ihn bestimmt aus ihrem Zimmer. Bill musste lächeln. Pfeifend ging er die wenigen Treppen nach unten und traf im größten Wohnzimmer mit dem warmen Kamin seine Mutter und seinen Bruder. "Oh hallo!" sagte er und ließ sich mit glückseligem Lächeln in einen Sessel fallen. "Oha - der nächste verliebte Gockel!" sagte seine Mutter aufseufzend. Tom und Bill schraken hoch und sahen ihre Mutter empört an: "Wir sind was?" "Zwei verliebte Gockel!" wiederholte Selene und nahm einen beruhigenden Schluck Rotwein. "Von wegen!" widersprach Tom. Doch Selene hob die Hand: "Jungs - das ist ein Spiel mit dem Feuer! Und dieses Feuer verbrennt sogar uns Vampire!" Ihre Augen waren kühl und besorgt, als sie das sagte. "Was willst du uns sagen, Mutter?" fragte Bill direkt. Selene starrte ins Feuer und sagte leise: "Wenn ihr euch in diese Hexen verliebt, werdet ihr in euer Verderben rennen!" Das Abendessen verlief unglaublicher Weise sehr ruhig, vor allem da Lord Campton noch nicht eingetroffen war. Aufgehalten, wie es Selene erklärte. Sie sprachen über belanglose Kleinigkeiten. Selene erfreute sich allerdings an Lucines wunderschönem Klavierspiel und Chandras unglaublicher reiner Gesangsstimme, als sie die beiden um eine Kostprobe ihrer Künste bat. Anschließend war die Stimmung gelockert, beinahe freundschaftlich und warmherzig. Als die Standuhr im Eingangsbereich allerdings Mitternacht schlug, erhob sich Lucine und sagte: "Entschuldigt - es ist schon spät. Ich werde ins Bett gehen!" "Ich auch!" nickte Chandra. Sofort sprangen Tom und Bill auf: "Wir begleiten euch!" "Ist doch nicht nötig!" wollten die beiden abweisen, aber es war ohne Erfolg. Die beiden Schwestern waren in zwei weitentfernten Flügeln untergebracht, so schlief Chandra im Ost- und Lucine im Westflügel. Sie umarmten sich, wünschten einander gute Nacht und wurden von ihren "Begleitern" auf ihre Zimmer geführt. Lucine sagte, während sie durch die geheizten und schwach beleuchteten Gänge wanderten: "Ihr macht eure Sache ziemlich gut!" "Was denn?" fragte Bill. "Mich und meine Schwestern zu trennen!" sagte Lucine leise. Bill sagte nichts. "Aber - wir müssen einander nicht sehen um uns nah zu sein, dass ist euch schon bewusst oder?" Lucines katzengrüne Augen blickten zu Bill. Er blieb immer noch stumm. Sie erreichten Lucines Zimmer. Bill sah sie an: "Morgen ist Weihnachten - da gibt es so gewisse Familientraditionen die gewahrt werden müssen. Ich erwarte, dass du dich daran beteiligst!" "Was sind das für Traditionen?" fragte Lucine misstrauisch. "Ein Weihnachtsball!" sagte Bill. "Noch einer?" fragte sie verblüfft. "ja - es ist der Familienball. Er findet nur zu Weihnachten statt. Meine Verwandten werden kommen und ich erwarte, dass du mich begleitest." sagte Bill. "Du erwartest ganz schön viel in letzter Zeit!" sagte Lucine wütend. Ihre Augen wurden zu gefährlichen Schlitzen: "Und ich weiß nicht, ob ich noch länger mitspiele!" Bills Augen wurden dunkel. Er stieß Lucine gegen die geschlossene Eingangstür ihres Zimmers. "AH!" rief sie schmerzvoll. Sie hob den Blick und starrte in Bills Augen, sie erstarrte vor Angst - sie waren rot geworden - rot wie Blut. Sie blieb geschockt wo sie war. Er stützte seine Arme rechts und links von ihrem Kopf auf und kam ihr gefährlich nah: "Überspann den Bogen nicht, kleine Hexe. Vergiss nicht!" er entblößte seine scharfen Eckzähne: "- WER hier das Kommando hat. Solange ich es will, bist du in Sicherheit. Denn schließlich befindest du dich in einem Schloss voller Vampire." Bill kam Lucine noch näher, so weit, dass seine Lippen von ihren nur noch durch einen Zentimeterabstand getrennt waren:" Lehn dich nicht zu weit aus dem Fenster, glaub mir, dass könnte nicht gut für euch ausgehen." Damit packte er Lucine und küsste sie brutal auf die Lippen. "MHM!" stöhnte sie wütend und warf den Kopf hin und her, sie entriss sich seiner Gewalt und schaffte es ihm eine Ohrfeige zu verabreichen. KLATSCH! Bills Wange war leicht gerötet, doch seine Augen glühten wesentlich unheilvoller: "Das war ein Fehler, Lucine!" "Nein - es war ein Fehler euch nicht gleich zu töten!" fauchte sie wütend. Bills Augen verengten sich. "Denn auch wenn ihr uns als euer Spielzeug betrachtet, sind wir das nicht. Und glaube mir, wenn ich meine vollständigen Kräfte erlangt habe, " Lucines Augen leuchteten vor Hass, "... - dann bist DU der ERSTE den ich mir hole!" damit drehte sie sich um und wollte in ihr Zimmer gehen. Doch sie konnte die Tür nicht öffnen. Sie spürte wie Bill sich fest an sie drückte und sein Kinn auf ihre linke Schulter legte, sie spürte seinen Atem in ihrem Nacken und sie fühlte seine bedrohliche Nähe. "Lucine..." Sie erstarrte. Es war wie ein greller Blitz, dann spürte sie einen unmenschlichen Schmerz. Etwas Warmes rann über ihren Hals und tropfte zu Boden. Sie verkrampfte sich und ihre Fingernägel bohrten sich das Eis der Tür. "AHHH!" stöhnte sie und ihre Beine zitterten. Bills Zähne hatten sich fest in ihren Hals gebohrt und sie fühlte, wie er von ihrem Blut trank - sie fühlte wie sie immer schwächer wurde. Dann ließ er von ihr ab und sie rutschte zu Boden. Geschockt blieb sie mit schmerzendem Hals am Boden sitzen. Zögernd sah sie über ihre rechte Schulter und erstarrte. Seine Augen waren rote glänzende Rubine, er kniete sich zu ihr hinab und erneut stützte er seine Hand rechts neben ihrem Kopf gegen die Eistür. Er atmete schwer ein und aus, und als er wieder in ihre Augen sah, waren sie wieder braun geworden. Er sah sie an. Sie starrte zurück, während ihre Hand zitternd ihren Hals hielt. "Lucine..." sagte er heißer. Er wollte nach ihr greifen, doch sie sprang zitternd auf. Sie wich vor ihm zurück - er spürte ihre Panik - ihre Angst. Das hatte er nicht gewollt. "Lucine, warte! Es tut mir-" Sie riss die Tür auf und schlug sie zu, er hörte wie sie sich einschloss. Er hörte das Klicken des Schlüssels, und obwohl er sich jederzeit in ihr Zimmer hätte begeben können, blieb er draußen stehen. "-Leid..." flüsterte er. Lucine rutschte im Inneren an der Tür hinab, und lautlos fielen ihr, unzählige Tränen über die Wangen auf den Eisboden. Bill hämmerte voller Wut einmal mit seiner Faust gegen die Tür und verbarg sein Gesicht daran: "Verdammt - es tut mir Leid..." Kapitel 12: Aufeinandertreffen von Kälte und Hitze -------------------------------------------------- Bill fand lange keine Ruhe, immer wieder spielte sich diese grausige Szene vor seinen Augen ab. Seine Wut - ihr Zorn - Ablehnung - Hass - warmes Blut, dass Lucines Hals hinab rannte. "OH GOTT!" stöhnte er und schlug sich die Hände vor das Gesicht. "WAS HAB ICH NUR GETAN?" hauchte er entsetzt. "Das würde ich auch gerne wissen!" ertönte eine Stimme von der Decke herab. Bill öffnete die Augen und sah seinen Bruder verkehrt von der Decke hängen. "Hau ab - dich kann ich jetzt echt nicht gebrauchen, Tom!" brummte Bill. Unbeeindruckt ließ sich Tom von der Decke fallen und landete ohne einen Laut auf Bills Bett. "Ach ja - wie kommt es eigentlich, dass ich heute Blut gerochen habe?" fragte Tom möglichst ruhig. Obwohl es in seinem Inneren geradezu brodelte. Wie Magma unter der Meeresoberfläche. Bill senkte den Blick. "Bist du verrückt geworden?" kam die nächste wesentlich kältere Frage. Tom war enttäuscht - er wusste, dass sein Bruder sich immer schwerer getan hatte, kein Blut über einen längeren Zeitraum hinweg zu trinken. Aber dass er gleich so über die Hexe herfallen würde, hätter nicht geglaubt. "Also???" Tom ließ nicht locker. "GOTT!!!" rief Bill genervt. Manchmal konnte er seinen Bruder wirklich hassen: "Ich habe es getan - ja!! Ich hab Lucine gebissen und ihr Blut getrunken - zufrieden?" fragte er wütend. KNALL! Bill fand sich auf dem Boden wieder, mit verflucht schmerzenden Kiefer. "Was soll der Dreck?" fragte er belämmert. "Das wagst du auch noch zu fragen?" kam es als Antwort von Tom, seine Augen waren dunkel vor Wut. Bill blickte bestürzt zur Seite: "Verzeih..." "MICH musst du nicht um Verzeihung bitten..." kam es leise zurück. Bill sah auf und sein Bruder war verschwunden. "Oje..." dachte er noch und ließ sich einfach wieder auf den Boden sinken. "Ich befüchte, ich muss morgen wieder etwas Richtig stellen..." dachte er betrübt. Am nächsten Tag wachte Lucine mit starken Schmerzen im Halsbereich, sie brauchte nicht lange zu überlegen, woher diese stammen konnten. "Ich hätte nicht gedacht, dass er mich beißen würde..." gestand sie sich ein, und schimpfte sich gleichzeitig eine Närrin - ein Vampir war ein Dämon, etwas durch und durch Böses. Was hätte sie schon groß erwarten können? Sie seufzte auf, während sie sich im Badezimmer wusch und anschließend anzog. Als sie auf den Flur hinaustrat, war sie froh. Kein Bill weit und breit. Anscheinend war er selbst über sich erschrocken gewesen, er hatte es vielleicht sogar gar nicht gewollt... "Dennoch!" hielt sich Lucine vor, bevor sie gar noch Mitleid mit diesem Mistkerl bekam, "DENNOCH er hat mich gebissen. Er soll ruhig ein mieses Gewissen haben... vorausgesetzt natürlich er hat überhaupt ein Gewissen..." dachte Lucine angestrengt nach, während sie die Wendeltreppe hinunter ging. Sie seufzte erfreut auf, auch Chandra saß alleina am Frühstückstisch. "MORGEN!" regelrecht erleichtert fiel sie ihrer Schwester um den Hals. Diese sah sie verdattert an: "Morgen - was ist passiert? Du bist so blass Kleines..." sagte Chandra besorgt. "Ach - nichts!" tat Lucine ab. Nein, sie wollte sich nicht an der starken Schulter ihrer Schwester ausweinen - das war eine Sache, die sie ganz und gar alleine lösen musste. Es wurde ein fröhlicher Nachmittag. Endlich waren die beiden ungestört und konnten sich nach Herzenslaune über die nervigen Zwillinge auslassen. „Du glaubst ja gar nicht wie frech Tom ist.“ Meinte Chandra genervt – doch Lucine merkte einen gewissen Unterton – eine liebevolle kleine Note. Ganz so, als würde sie ihn richtig gern haben, dachte Lucine kichernd. „Was ist – warum grinst du?“ fragte Chandra verdattert. „Ach gar nichts – ich glaube dir nur nicht ganz!“ lachte Lucine herzhaft über Chandras verblüfftes Gesicht. Diese wurde rot und sagte leise: „Na ja – ganz so schrecklich ist er gar nicht. Er ist zwar ein echter Hormongesteuerter Idiot, aber andererseits…“ sie blickte zu Tom, der gerade hoch zu Ross von einem Ausritt zurückkam und dabei eine äußerst knackige Figur lieferte, und wirkte leicht peinlich berührt: „ – andererseits … na ja, er ist…“ Chandra warf ihrer Schwester einen verzweifelten Blick zu: „Gott – Lu! Er ist auch so verdammt süß!“ Chandra verbarg ihr Gesicht an Lucines Schulter und sie hörte gedämpft die Frage: „Bin ich jetzt eine Verräterin?“ Lucine konnte nicht anders, umarmte ihre Schwester kichernd und sagte ernst: „Nein – schlussendlich sind wir auch nur Frauen und wenn damit auch gemeint ist, dass wir uns in diese Kerle verlieben, soll es wohl so sein!“ Chandra blickte sie entsetzt an: „NEIN! Verliebt – das ist doch- ich meine…-“ Sie stotterte und unterbrach sich selbst, als sie Lucines warnenden Blick bemerkte: „Chandra!“ „Na gut – möglich! Vielleicht – aber auch nur vielleicht…“ sagte Chandra leise und ließ ihren Blick wieder zu Tom schweifen, der abgestiegen war, ihren Blick bemerkte und ihr fröhlich zuwinkte. Sie wurde fast wieder rot – grinste – und winkte fröhlich zurück. „Also?“ kam es feixend von Lucine. Chandra sah sie unruhig an: „Also – was?“ „GEH ENDLICH ZU IHM!“ sagte Lucine brummig, schubste Chandra von der kleinen Eisbank auf der sie saßen und sie stolperte einige Schritte nach vorne und prallte dabei schon gegen eine durchtrainierte Brust. Verblüfft sah sie auf, wurde wieder ein wenig rot und sagte stotternd: „Äh – schöner Ausritt?“ Tom grinste und sagte leise: „Ja – das nächste Mal kommst du mit!“ „Äh ich kann nicht reiten!“ wollte Chandra abwehren, da hatte Tom sie schon Huckepack gehoben und sagte grinsend: „Dann fängst du eben mit mir als Objekt an!“ Chandra wurde flammend rot und verbarg ihr Gesicht an seinem Rücken: „DU bist so unmöglich!“ Tom lachte, winkte Lucine fröhlich und war mit Chandra verschwunden. Lucine lächelte, stutzte kurz und dachte: „Seltsam – hat er mich gerade besorgt angeguckt?“ Sie zuckte mit den Schultern und sagte sich selbst: „Na ja – Bill wird es ihm wohl erzählt haben.“ Unbewusst hob sie die Hand und fuhr über die bereits verheilten kleinen Wundmale. Eines musste man den Vampiren wenigstens eingestehen – die Bissspuren waren schnell verheilt. Seufzend stand sie auf und fuhr sich frierend über die Oberarme: „Ich geh besser wieder ins Schloss!“ Sie verließ den gewaltigen, schönen Innenhof, und betrat das Schloss durch den Haupteingang. Sie wandte sich nach rechts und kam so in den wunderschönen Salon, mit dem großen weißen Flügel. Lucine seufzte innerlich auf und dachte bekümmert: „Schade, so einen schönen Flügel – vergeudet in einem Eispalast.“ Sie trat näher und öffnete das Verdeck des Flügels. Sie sah sich um, keiner war zu sehen. Grinsend setzte sie sich schnell hin und schlug vorsichtig einen Ton an. Er klang wie ein Zauberstück – wunderschön, perfekt gestimmt und rein. „So macht musizieren wahren Spaß!“ lächelte Lucine heiter und begann eine wunderschöne, heitere Melodie – den Frühling nach Vivaldi. Sie war gänzlich darin versunken, so dass sie gar nicht die schlanke Gestalt bemerkte, die sich in den Salon stahl. Sie hielt inne, stellte sich in den Schatten und lauschte Lucines Spiel. Dann als sie endete, hörte sie ein lautes Klatschen. Erschrocken fuhr sie hoch. „Autsch!“ brummte sie – prompt hatte sie sich die Hand gegen den Flügel geprellt – das tat weh. Sie sah erstaunt auf, als eine große, schlanke Herrengestalt eintrat. Er hatte eisblaue Augen und sie starrten Lucine mit geradezu erhabenen Ausdruck an. „Eine zauberhafte Weise – Ihr seid begabt, Hexe des Dracoclans!“ sagte die Gestalt. Lucine erstarrte und betrachtete die Erscheinung des Mannes – es war ganz bestimmt nicht Bills oder Toms Vater. Dafür wirkte er wesentlich zu alt und sah ihnen auch nicht ähnlich. Sie reichte ihm die Hand, und er schüttelte sie fest und kräftig. „Vielen Dank, Mylord…“ sagte sie zögerlich. „Mein Name ist Victor. Ich bin… ein Bekannter der Camptons!“ sagte der ältere, sehr edel aussehende Mann. Er wirkte kühl, kultiviert und auf eine seltsame Art und Weise vertraut. „Sehr erfreut Lord Victor, ich bin Lucine. Lucine Draco!“ sagte Lucine höflich und der Vampirfürst nickte: „Verstehe – die Jüngste der Vierlingsschwester…“ er betrachtete sie wie ein äußerst seltenes Juwel. Lucine fühlte sich trotzdem sehr wohl in seiner Nähe. „Nun denn, Lucine Draco – wie alt seid Ihr?“ fragte Lord Victor. Seine Augen waren ruhig und sie sah darin keine Bedrohung. Darum lächelte sie und sagte: „Ich zähle 18 Jahre, Mylord!“ „So jung…“ sagte er leichthin. Sein Blick schien sie regelrecht zu röntgen. Dennoch spürte Lucine noch keine Angst oder Unmut gegenüber Lord Victor. Sie nickte. „Jung – aber nicht ungefährlich, Mylord!“ sagte sie frech. Lord Victor schmunzelte: „Nein – ungefährlich wohl kaum, aber noch so naiv… Naiv und –“ seine Augen verschränkten sich mit Lucines: „ – unwissend.“ Lucine fühlte die Kälte in seinem Blick, und gleichzeitig fühlte sie auch eine unglaubliche Hitze in ihr aufsteigen. Plötzlich wurde ihr Blick stumpf und sie schwindelte. „Lucine?“ hörte sie eine besorgte Stimme. Lucine sah aus den Augenwinkeln wie ihre Schwester in den Saal kam. Sie spürte ihre Präsenz bevor sie bei ihr war. Schützend stellte sich Chandra vor Lucine und betrachtete Lord Victor mit einem hasserfüllten Blick. „Verzeiht – wer seid Ihr?“ fragte sie barsch. Der Lord blieb unbeeindruckt: „Lord Victor – und Ihr meine Liebe seid-?“ „Chandra – Chandra Draco. Lucines Schwester!“ sagte sie kühl, legte Lucine ihren Arm um die Schulter. Schlagartig verschwand Lucines Schwindel und ihr Blick wurde wieder fest. So war es immer – ging es ihr nicht gut, brauchte sie nur die Nähe ihrer Schwestern. Es war dann immer eine Wärme um sie herum, die sie einfing und unterstützte. „Die Älteste… Sehr erfreut.“ Sagte Victor und verneigte sich ein wenig mit dem Kopf. Chandra betrachtete ihn nur kühl und stumm. „Chandra – es ist alles in Ordnung!“ ließ Lucine sie tonlos wissen. Chandras Stimme ertönte in ihrem Kopf zurück: „Wir gehen Lucine – der Kerl ist boshaft!“ „Aber-!“ „KEIN ABER!“ „Verzeiht- aber wir möchten uns gerne den Park ansehen. Ein Spaziergang, lebt wohl – Lord Victor!“ sagte Chandra bestimmt und nickte nur kurz mit dem Kopf. „Wiedersehen Lord Victor!“ sagte Lucine und reichte ihm höflich die Hand. Lord Victor ergriff sie und starrte lange in ihre Augen: „Auf Wiedersehen, Lucine. Wir werden uns bald wiedersehen…“ damit wurde Lucine von Chandra mitgezogen und das letzte was sie sich merkte, waren Lord Victors Augen – eisblau aber nicht kalt. Kapitel 13: Aussprache ---------------------- Lucine lag auf dem Bett in ihrem Zimmer und starrte nachdenklich die gewaltige Decke mit den zahlreichen Freskos aus Eis an. "Der Sturz aus dem Himmel, Hades Unterwelt, Atlas mit der Weltenkugel..." murmelte sie vor sich hin. "Seltsame Auswahl von mystischen Heldenfiguren...", musste sie innerlich grinsen. Schlagartig setzte sie sich auf und ihr gesamter Körper war auf Vorsicht eingestellt. Sie blickte zur Tür. Wenige Sekunden später klopfte es. Tock - tock. "Wer ist da?" fragte Lucine, hätte sich die Antwort allerdings just im selben Moment selbst geben können. "Ich bin es - Bill! Ich muss mit dir reden, Lucine!" kam es zurück. "Kein Interesse!" meinte sie darauf schnippisch und ließ sich wieder aufs Bett zurückfallen. "Du weißt, dass ich mich jederzeit in dein Zimmer stehlen kann?" kam die trockene Antwort. "Wage es, und du wirst mit einem Pflock durchbohrt!" meinte Lucine brummig. "Ich liebe deinen Sarkasmus..." kam die feixende Antwort. "Bill, verschwinde! Ich will dich nicht sehen!" meinte Lucine müde und wischte sich mit ihrem Unterarm über das Gesicht. Das entsprach nur teilweise der Wahrheit. Lucine hätte sich gerne wieder mit Bill vertragen, sie vermisste seinen Geruch, wenn sie in seinen Armen lag. Sie vermisste es mit ihm zu lachen - dennoch... zu tief saß der Schock über den Biss. "Tja, du weißt, ich bin auf diesem Ohr taub!" kam erneut die tiefe Antwort. Lucine musste schmunzeln - Bill war eben ein Unikat. Aufseufzend ging sie zur Tür, öffnete sie allerdings nicht. "Weißt du, dass du ein grober, unverschämter und einfach unverbesserlicher, nerviger Sadist bist?" fragte sie höflich durch die Tür. "Möglich - aber das hält dich nicht davon ab mich gern zu haben, oder?" lächelte Bill auf der anderen Seite. Nun blieb es bei Lucine stumm. "Lucine - Süße bitte mach auf, ich will ganz normal mit dir reden!" sagte Bill ungewohnt bedrückt. Er wollte sich nicht in ihr Zimmer stehlen - er wollte, dass sie es wollte. "... nur reden?" kam die Frage. Bill grinste: "Außer du willst noch was anderes machen?" "MÄÄÄP! Falsche Antwort - der Zugang ist ihnen weiterhin verweigert!" zischte Lucine genervt. Sie hätte es besser wissen müssen - Kerl blieb immer Kerl! "Lucine - langsam aber sich wird das hier zur Farce!" sagte Bill mit einem tiefen Aufstöhnen und ließ seinen Kopf gegen die Tür sinken. Plötzlich gab diese nach und Bill knallte der Länge nach in Lucines Zimmer. Gequetscht kam es vom Boden: "Das war Absicht..." "Aber niemals edler Herr!" kam es zynisch zurück. "Okay - okay..." Bill setzte sich auf und rieb sich die schmerzende Nase. "- das hab ich verdient. Ich geb es zu!" "Oh, nein, nein, nein..." Lucine setzte sich vor ihm kokett auf den Boden und tippte genussvoll auf seine beschädigte Nase. Sie sagte kalt: "Nein, wenn ich dir den Kopf abschlage, dein Blut in einem Kelch auffange und damit bösen Hexenzauber betreibe, der dich wie ein Huhn in alle Ewigkeiten gackern lässt - dann - und erst DANN, hätte ich es dir richtig heimgezahlt!" Bill blieb staunend der Mund offen stehen. "Gut - du wolltest reden, also -" Lucine stand auf und ließ sich elegant auf einen freien Sessel im Raum sinken: " -rede!" "Ich ..." zum ersten Mal war Bill sprachlos. Das kleine Hexlein hatte es verflucht faustdick hinter den Ohren. Er schüttelte knapp den Kopf und sagte, sich im Schneidersitz auf den Boden setzend: "Ich wollte mich entschuldigen - für den Biss und ins besonders für die Schmerzen!" Lucine sah ihn ungläubig an: "Ist das alles?" "Äh...? Ja?" fragte Bill und hätte sich im nächsten Moment gerne auf die Zunge gebissen. Lucine stand auf und ihre Augen glühten vor Wut. "Ähhhh - hehehehe?" von Bill kam ein äußerst unwohles Kichern. "Du wagst es mit so einer halben Entschuldigung hier anzutanzen? Mach, dass du raus kommst!" sagte Lucine wütend. Sie nahm ein Kissen vom Sessel und verdrosch Bill regelrecht damit. Ein Kissen nach dem anderen knallte gegen seinen Kopf, anschließend sogar Bücher. Bill rief nur zornig: "Warte - warte halt - hey, nein - hör zu, nein - nein! Leg - leg das Lexikon weg!" doch schon segelte es gegen seine Stirn und riss Bill regelrecht zu Boden. "AUA!" kam es von ihm. Begraben unter einem Berg von Büchern und Kissen kam seine dumpfe Stimme hervor: "Fertig mit dem Tobsuchtsanfall?" Lucine schnaubte noch einmal tief durch, ließ sich dann ruhig auf den Sessel sinken und sagte mit unglaublich ruhiger Stimme: "Ja - es geht mir jetzt wesentlich besser - danke!" "Freut mich!" Bill grub sich aus dem Berg heraus und schüttelte den Kopf. Ein absolut treuherziger Blick und Lucines Eisschicht bekam einen leichten Knacks: "Ist nun alles wieder in Ordnung - mit uns, mein ich?" "In Ordnung? Nein, aber ich würde sagen, lassen wir das was war, ruhen. Ich bin kein Freund von Vergangenen..." sagte Lucine ehrlich. Natürlich saß der Schmerz über die raue Behandlung tief, aber noch grausamer schmerzte ihre Seele über seinen Verrat. Bill hielt ihr die Hand hin: "Können wir noch mal von vorne anfangen?" "Nein!" sagte Lucine und stand auf: "Machen wir nicht. Es gehört mehr zu einer guten Freundschaft über die Fehler des anderen hinwegzusehen. Es gehört auch Vertrauen dazu..." sie blickte aufrecht in seine Augen. "Und du verstehst - das ist etwas, was du niemals von mir bekommen wirst..." Am Abend traf man sich zu einem gemeinsamen Abendessen. Zum ersten Mal war auch der Vater der Zwillinge - Lord van Campton anwesend. Er begrüßte seine Gäste und Lucine mochte ihn auf Anhieb. Er war grundehrlich und machte keinen Deut daraus, dass er seine Gäste jederzeit töten würde, falls sie zu vollständigen Hexen erwachen sollten. Beim Gespräch stellten er und Lucine gemeinsame Interessen fest, darunter auch das Klavierspiel. "Es ist leider eine Schande, aber meine Söhne haben keinerlei musikalisches Verständnis." seufzte er. "Das müssen sie von mir haben!" lächelte Selene. Chandra und Lucine grinsten. "Vater meint, dass wir "musikalische Ignoranten, des Schönen und Zauberhaften" sind!" kam es trocken von Tom. "Du hast "idiotische, notorische Schürzenjäger" vergessen!" sagte Bill nach einem Schluck Rotwein. "Ach ja..." sagte Tom in Erinnerungen schwelgend. "Nun denn - morgen findet der große Ball statt, meine Lieben. Selene wird euch gerne einige neue Abendkleider zeigen. Ihr braucht keine Angst haben - in erster Linie werden es Verwandte sein, auch eure Schwestern werden für einige Tage zu uns kommen." sagte Lord Campton. "Verzeihung - mehrere Tage?" fragte Lucine. "Yup." kam es von Bill, der ihr gegenüber saß. Seine Augen verschränkten sich mit ihren: "Bälle von Vampirgilden dauern im Allgemeinen ungefähr eine Woche, sie sind voller Sinnlichkeit." Lucine schluckte schwer. "-und ungezügelter Lust..." fügte Tom hinzu. Ein äußerst verzweifelter Blick der Schwestern brachte die Familie zum Lachen. "Verzeiht unseren Söhnen - sie übertreiben gerne!" schmunzelte Selene. "Ja - es stimmt. Unsere "alten" Bälle liefen so ab. Prinzipiell benutzen wir sie heutzutage um geschäftliche Kontakte zu knüpfen!" sagte Lord Campton. Die Uhr schlug Mitternacht. Die Schwestern verabschiedeten sich und als sich die Söhne erheben wollten, hielt Lord Campton sie zurück: "Bill, Tom - auf ein Wort." Überglücklich - für eine kurze Zeit alleine mit ihrer Schwester zu sein - wünschte Lucine eine gute Nacht und die beiden stahlen sich auf ihr Zimmer. "Bill - ich weiß von deinem Fehlverhalten!" sagte Lord Campton. Bill richtete seinen Blick auf Tom: "Verräter..." "Reine Bruderliebe!" sagte Tom ruhig. "Du darfst deinen Auftrag nicht vergessen! Das Blut dieser Hexe zu trinken wird dich keineswegs stärken - es wird dich angreifbar machen!" sagte Lord Campton unwohl. "Inwiefern?" Bill war verwirrt. "Du wirst dich in ihrer Seele verlieren. Du und Tom - dürft niemals das Blut der Hexen trinken - verstanden? Besonders nicht in großen Mengen!" sagte Lord Campton eindringlich. "Ja - Vater!" nickten die beiden, äußerst verdattert. "Nun gut - geht schlafe. Morgen wird ein anstrengender Tag." seufzte Lord Campton. "Gute Nacht Mutter, Vater!" die beiden verschwanden. "Erik - wieso?" Selene sah ihren Gemahl genauso verwirrt an, wie seine Söhne vorhin. "Schatz - der Clan der Draco-Hexen hat sich selbst einen Fluch auferlegt..." sagte Erik unwohl. "Einen Fluch?" echote seine Frau ungläubig. "Ja - so wie es aussieht, hatte sich einst eine Hexe innerhalb der Hexenfamilie in einen Sohn Samaels verliebt. Und diese Hexe sprach daraufhin einen Fluch über ihre Nachkommen aus. Als Schutz. Sollte ein Sohn Samaels sich in eine Tochter der Dracos verlieben, wird er sich selbst zerstören, durch das Wissen, dass er sie niemals besitzen kann. Der Fluch zerstört jeden Vampir!" sagte Erik. "Oh Gott - seit wann weißt du das?" zischte Selene. Erik wandte sich um: "Seit gestern - ich war in der verbotenen Bibliothek!" Selene starrte ihn geschockt an: "Das ist die Bibliothek, die nur Lord Victor zugänglich ist. Schatz!" sie starrte ihn schockiert an. "Ich weiß - aber ich musste es tun." sagte Erik. "Was, wenn er darüber Bescheid weiß?" fragte Selene heißer. "Deswegen müssen wir spätestens nach dem Ball eine Entscheidung treffen!" sagte Erik traurig. Kapitel 14: Die Nacht bricht herein ----------------------------------- "Bitte sei so lieb und erklär mich noch einmal ganz kurz wieso wir eigentlich hier sind?" bat Chandra Lucine mit einem breiten Grinsen, während sie geschützt von Bill und Tom - jeweils auf ihrer rechten Seite, nebeneinander standen und die zahllosen Vampirvorstände begrüßten. Dazu war wenigstens nicht viel nötig - ein Lächeln, ein Knicks, fertig. "Sorry - da muss ich passen!" kam es wenig hilfreich von der Schwarzhaarigen mit den dunkelblauen Schimmern darin. "Na wunderbar!" lächelte Chandra immer noch. Eine Stunde später konnten sie sich endlich von ihren Begleitern lösen und versteckten sich am unteren Ende des gigantischen Saales, passenderweise an der Bar. Sofort hatte Chandra zwei Sektgläser geleert. "Langsam Süße - willst du noch Herrin über deine Unterwäsche sein?" fragte Lucine sachte und nahm Chandra das dritte Glas rasch aus der Hand. "Du hast gut reden - ich will am liebsten gar nicht hier sein!" brummte Chandra. "Nicht nur du nicht!" dachte Lucine und nahm sich selbst ein Sektglas. Langsame Schlucke trinkend sah sie sich um. Verdammt viele Vampirfürsten, dachte sie insgeheim. Was sie allerdings als amüsanten Zeitvertreib sah, war die wunderschönen Kleider der dazugehörigen Ladys zu bestaunen. Die hatten allesamt einen wirklich guten Geschmack, musste sie anerkennen. Schließlich kam von Chandra der erlösende Seufzer: "Na endlich! Lucine da!" Lucine hatte es ebenfalls gespürt. Als sich die Reihen der vielen Vampire lichteten, sahen sie ihre Schwestern Rue und Raven in den Saal schreiten. Beide von den Cousins der Campton-Zwillinge begleitet - Gustav und Georg. Ohne große Hemmungen zu zeigen, düsten die Schwestern zwischen den Vampiren hindurch. "LUCINE! CHANDRA!" rief Rue glücklich. "Schwestern!" Ein Regen von Umarmungen war die Folge und jede Schwester hätte die andere gar nicht mehr loslassen wollen. "Ihr tut fast so, als hätte ihr euch jahrzehntelang nicht gesehen!" meinte Gustav den Kopfschüttelnd. "Das verstehst du nicht!" kam die entmutigende Aussage von Raven. Ohne sie zu beachten waren die Mädchen bereits in eine Ecke des Tanzraumes verschwunden. "Ich brauch was zu trinken!" meinte Georg seufzend. "Eh Voila!" kam es im selben Moment neben ihm und ein Rotweinglas mit Bordeaux wurde in seine Hand gedrückt. "Danke Tom!" sagte er nur noch und leerte den Alkohol wie Wasser in sich hinein. "Schade dass wir nicht betrunken werden können!" meinte Bill aufseufzend. "Wieso denn das?" fragte Tom neugierig. "Dann hätte ich einen Grund Lucine einfach in mein Zimmer zu verschleppen. Und die Schuld auf den Alkohol schieben können… Ich meine - macht sie das mit Absicht?" fragte Bill gereizt. "HÄH?" drei Köpfe drehten sich Richtung ausgestreckten Zeigefinger von Bill. Lucine stand bei ihren Schwestern. Sie trug ein kurzes Kleid, das im Prinzessschnitt gefertigt worden war und aus vielen Azurblauen Seidenstoffen drapiert war. Es sah an ihr einfach bezaubernd aus. Ihre endlosen Beine steckten in schwarzen, schlichten Stöckelschuhen. "Äh - was meinst du?" fragte Georg verwirrt. "Ich rede von ihren Beinen!" sagte Bill dunkel. "Jahhhh - ziemlich lang!" kam ein Nicken im Dreierteam. "Ihr seid keine Hilfe!" meinte der Unglückliche. "Pfff - nicht nur du "LEIDEST"!" meinte Tom knapp. Georg und Gustav nickten im Takt. Rue hatte ein hübsches, schmal geschnittenes Kleid aus roten Stoffen an, Raven trug smaragdgrün und Chandra champagnerfarben. Jedes Kleid kurz genug um die Fantasie der armen Kerle ordentlich anzuregen, aber lang genug um als "brav" durchzugehen. "Ich bring den Designer um!" kam es von jedem einzeln und sie stimmten einander mit einem dunklen Blick überein. „Ich kann es gar nicht fassen – endlich sehen wir uns wieder!“ sagte Rue fröhlich und drückte Chandra so fest, dass sie hektisch nach Luft zu schnappen begann. „Jah – aber ist es nicht ein wenig unvorsichtig von den Vampiren uns zusammen hier sein zu lassen?“ fragte Raven misstrauisch. „Ich glaube die denken, dass wir keine Gefahr darstellen. Erstens wir sind noch nicht erwacht, zweitens sind sie eindeutig in der Überzahl!“ sagte Lucine trocken und deutete auf den Vampirgefüllten Raum hinter sich. „Tja…“ kam es gequetscht von Chandra, die sich endlich aus der Umarmung von Rue befreien konnte. „Wie war eure Zeit in dem Schloss der beiden?“ fragte Lucine neugierig. Rues Augen bekamen einen gefährlichen Glanz: „Ihr glaubt gar nicht was Georgs Familie für ein wundervolles Gefühl für Kunst hat. Vor allem seine Mutter – ach Lady Georgina und ich habe die ganze Zeit über unsere Lieblingskünstler geredet. Stell dir vor – sie hat mir einen echten MONET geschenkt. EIN MONET!“ sie schüttelte Chandra heftig hin und her, von Raven kam nur ein wohliges Seufzen. „Lass mich raten – eine große Bibliothek?“ fragte Chandra und versuchte wieder normal zu stehen – ihr war noch ganz schwindlig. „EINE RIESIGE BIBLIOTHEK!“ hauchte sie hingerissen. Mehr musste sie auch gar nicht sagen, das selige Lächeln war Antwort genug. „Und ihr zwei?“ fragten die beiden Schwestern im Chor. „Nun ja – ich wurde unfreiwillig zur Reiterin!“ sagte Chandra hohl und Lucine bekam augenblicklich das Bild von Toms halbnacktem Körper auf einem schwarzen Rappen in Erinnerung. „Du meinst wohl eher – Schülerin des Reitlehrers!“ kam es daraufhin von Lucine. „LUUUUU!“ Chandra wurde krebsrot. „Was? Hast du etwa nachgegeben?“ fragte Rue interessiert. „Verdammt noch mal – langsam glaub ich jede von euch glaubt ich wäre eine Schlampe!“ schimpfte Chandra, doch ein anzügliches Lächeln stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Sinnlos zu fragen – da schweigt sie wie ein Buch!“ kam es von Lucine. „Und duuuuu?“ nun waren alle Augen auf Lucine gerichtet. Vor Verlegenheit wusste sie zunächst nicht was sie sagen sollte, doch dann entschied sie sich für die Wahrheit. „Ich mag Bill – aber er hat mein Vertrauen nicht verdient!“ sagte sie leise. „Keiner von denen verdient das!“ sagte Chandra kühl. Die Mädchen nickten – auch wenn ihre „Begleiter“ noch so charmant, gutaussehend und „perfect guy“ waren – sie konnten es sich einfach nicht leisten, ihnen zu vertrauen. Schlussendlich waren sie auf sie angesetzte Killer, die jederzeit zuschlagen würden. Plötzlich ertönte ein leises Raunen im Saal. Die Vampir formten sich zu einem langen Gang. „Nanu? Was ist da los?“ fragte Rue. „Gute Frage!“ meinte Raven Stirn runzelnd. „Da!“ sagte Chandra und zeigte auf die Schneise. „Das ist ja-!“ sagte Lucine verblüfft. Lord Victor war erschienen. Neben ihm ging eine wunderhübsche elegante Frau. Sie hatte weiße, ebenmäßige Haut, blonde, lange, glatte Haare, und funkelnde eisblaue Augen. Sie war sehr hübsch. „Meine Freunde!“ sagte Lord Victor und neigte knapp den Kopf, mal nach links, mal nach rechts. „Lord Victor – Lady Elaine. Ich freue mich Sie in meinem bescheidenen Schloss begrüßen zu dürfen.“ Sagte Lord Campton. Er verneigte sich vor dem obersten Vampirlord. Lord Victor nickte nur gnädig. „Ich freue mich ebenfalls wieder dieser fröhlichen Versammlung beizuwohnen.“ Sagte Lord Victor. „Mein geliebter Onkel wäre allerdings nicht gekommen, hätte ich ihn nicht wieder einmal mitgezerrt.“ Lächelte Elaine. „Elaine, Elaine…“ lächelte Victor vergnügt. Er klatschte in die Hände und sagte Richtung Musik: „Bitte spielt – nur weiter!“. „Der kommt mir eher vor wie ein König, der sich herabgelassen hat den Ball zu besuchen.“ Sagte Rue kichernd. „Ich kenne diesen Vampir!“ sagte Chandra. Sie drehte sich zu Lucine, die ihn immer noch erstarrt anstarrte: „Du auch – der war vor einigen Tagen hier. Er hat mit dir geredet!“ „Echt – worüber?“ fragte nun auch Raven interessiert. „Über-!“ doch ehe Lucine antworten konnte, legten sich zwei Hände um ihre Taille und sie fand sich in Bills Armen gleitend über den Parkettboden wieder. „Nanu?“ sie blickte verdattert in sein Gesicht und er lächelte ihr grinsend zu: „Das ist ein Ball – tanzen gehört zum guten Ton.“ Sie lächelte: „Was für eine galante Einladung.“ Bill neigte seinen Kopf zu ihrem Ohr und flüsterte: „Außerdem hast du so zauberhaft ausgesehen – ich wollte unbedingt mit meiner Begleitung angeben!“ „Narzisst!“ flüsterte sie zurück. Sie tanzten eng – enger als sonst. Die Musik spielte einen feurigen Tango und Lucine fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder sehr wohl in Bills Armen. Sie ließ sich treiben, gleichzeitig rief aber irgendwo eine Stimme in ihrem Hinterkopf „LEICHTSINNIG“! „Lucine ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr es mir Leid tut. Ich hätte dich niemals beißen dürfen. Das ist unverzeihlich!“ sagte Bill leise. Lucine schwieg. „Deine Schwestern-?“ „Wissen absolut nichts davon!“ sagte Lucine ruhig und sie drehte sich elegant von ihm weg und Bill fing sie selbstsicher auf. „Wieso hast du geschwiegen?“ fragte Bill die Stirn runzelnd. Lucine drehte sich erneut und antwortete: „Wer sagt denn das ich weiterhin schweige? Vielleicht werde ich es ihnen noch heute Abend sagen!“ Bill fing sie auf: „Hexe!“ grinste er. „Vampir!“ kam es hart zurück. „Wir können nicht bestreiten was wir sind, Lucine…“ sagte Bill und plötzlich fühlte er eine tiefe Traurigkeit in sich aufsteigen. „Nein – aber das tun wir auch nicht!“ sagte Lucine kühl. Sie schwebten über die Fläche. Bill hielt sie fest in seinen Armen und sie verspürte immer stärker einen inneren Drang. Sie blickte auf – nein Bill hypnotisierte sie nicht. Er starrte gedankenverloren vor sich hin. Aber warum fühlte sie sich so? Wieso wollte sie-? Lucine schüttelte verärgert den Kopf – nein, fang nicht an zu spinnen, rief sie sich selbst in Erinnerung. Es ist leicht zu behaupten, dass er an allem Schuld ist, dachte sie. Sie drehte sich erneut. Bill hielt sie sicher fest. „Es ist leicht sich zu sagen, es wäre von Grund auf falsch!“ dachte sie. Sie sah ihre Schwestern mit Tom, Georg und Gustav ebenfalls über die Fläche schweben. Jede von ihnen strahlte und lachte. „Es ist einfach zu sagen, halt dich von ihm fern!“ dachte Lucine und tanzte eng mit Bill zu den letzten Takten der Musik. „Es ist leicht zu sagen, er ist dein Feind und das abgrundtiefe Böse!“ dachte Lucine und schmiegte sich an Bill. Dieser drückte kurz zärtlich und fest zugleich ihre Hand. „Aber – kann ich das wirklich behaupten? Kann ich es einfach sagen?“ Lucine blickte zu ihm auf. Seine Augen waren so braun, wie das tiefste Holz einer alten Eiche. So schön dunkel, dass man darin versinken könnte. „Nein – mich selbst kann ich nicht belügen!“ dachte Lucine und ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Ich habe mich selbst vergessen. Die Musik endete. Sie klatschten höflich Beifall, doch jeder ging in eine andere Richtung des Saales davon. Seltsamerweise, bemerkte Lucine, jede auf einen anderen Ausgang. „Bill wohin-?“ fragte sie. „PST!“ sagte er angespannt. Lucine war verwirrt. Was ging hier vor? Bill zog sie mit sich und sie spürte wie er sie immer weiter Richtung Gartenanlagen zog. Wohin wollte er denn? Wo waren Chandra, Rue und Raven? Was geschah hier? „Bill ich will zu meinen Schwestern!“ sagte sie langsam genervt. Ihr gesamter Körper schrie: „RENN! RENN! RENN!“ Doch Bill hielt sie so fest, dass er ihr schon fast wehtat. Als sie sich loszureißen versuchte, spürte sie eine gewaltige Druckwelle. Panisch warf sie sich zu Boden, Bill schützte sie so gut wie es ging mit seinem Körper. Lucine zitterte, die Explosion war gewaltig. Feuer stob in den Himmel und sie hörte Fensterglas brechen. In tausende Teile. Sie wand sich unter Bill hervor und starrte schreckerstarrt auf seinen Rücken. Zahlreiche Splitter steckten darin. Bill stöhnte allerdings nicht vor Schmerzen, verzog nur kurz das Gesicht. „Was zur Hölle?“ fragte Lucine. „LUCINE!“ hörte sie einen lauten Ruf. Sie blickte auf. Überglücklich sah sie ihre Schwestern ohne einen Kratzer auf sie zu rennen. „Alles in Ordnung?“ fragten sie hysterisch und umarmten sich. „Nichts passiert!“ versicherte Lucine. Bill stand bereits und blickte auf den explodierten Teil des Schlosses. Stumm sahen Tom und er wie das Schloss in Flammen stand. „Eure Eltern…“ sagte Chandra und half Lucine aufzustehen. „Das war ihr Plan!“ sagte Tom heißer. „WAS?“ fragte Chandra geschockt. „Sie sind sicher wohlauf. Wir müssen jetzt fort!“ sagte Bill. „Was – wohin?“ fragte Lucine schockiert. „Weg von Lord Victor. Er wollte euch heute um Punkt Mitternacht töten lassen. Darum war auch seine Nicht Elaine anwesend. Sie sollte es tun!“ sagte Bill. „Ich verstehe kein Stück.“ Sagte Rue zitternd. Georg legte ihr beruhigend den Arm um die Schultern. Sie schmiegte sich eng an ihn. Lucine beneidete sie einen kurzen Moment um das blinde Vertrauen, was sie in Georg setzte. Das konnte sie selbst nicht. Sie blickte Bill aufmerksam an. „Vater hat gegen Lord Victors Gesetz verstoßen und die Verbotene Bibliothek, die nur Lord Victor zur Verfügung steht, besucht. Auf so ein Vergehen steht eine harte Bestrafung. Uns war klar, dass Lord Victor EUCH dafür büßen lassen würde.“ Sagte Tom ruhig. Er hielt Chandra im Arm. „Uns?“ fragte Lucine. „Ja – weil wir euch inzwischen alle viel zu gern haben. Weil wir die Regeln verletzt haben!“ sagte Bill ruhig. „Was heißt das?“ fragte Raven unsicher. Sie warf Gustav einen unruhigen Blick zu. Er seufzte: „Das bedeutet wir sind nun Freiwild. Vogelfrei. Lord Victor wird uns jagen, bis er uns – euch – getötet hat. Erst dann wird er zufrieden sein.“ „Aber warum solltet ihr das tun? Mit uns gehen, meine ich!“ fragte Lucine kühl. Ihr Blick galt Bill. Er sah sie nur lange an und sagte schließlich: „Weil wir uns in euch verliebt haben.“ Kapitel 15: Das Urteil des Krieges ---------------------------------- Vampirfestung Lord Victors Lord Campton und seine Gemahlin Lady Selene hielten sich fest an ihren Händen, während Lord Victor auf seinem gewaltigen Sessel im Empfangssaal saß und stumm auf sie starrte. Seine Nichte - Elaine - stand einen knappen Meter hinter ihm und ihre Augen waren dunkel. Auch die anderen anwesenden Vampire der unterschiedlichen Clans schwiegen. So entstand eine äußerst unangenehme finstere Aura, die sich bedrohlich zu verstärken schien. "Eine interessante Wendung meine lieben Freunde." ertönte es schließlich von Victor. Er starrte emotionslos auf das Ehepaar. "Eric - du als mein ältester Freund - dein Verrat schmerzt tief. Doch du mein eigenes Kind..." Victors Augen verengten sich als er Selene ansah, die ruhig seinen Blick erwiderte: "Mein eigenes Fleisch und Blut tötest mich damit!" "Mylord Euer Herz ist bereits tot. Noch einmal töten kann man es nicht!" erwiderte Selene ruhig. Ein lautes Auffauchen der übrigen Vampire war die Folge. Düstere, wütende Flüche der alten Zeit und der toten Sprache traten von ihren Lippen. Elaine fauchte: "Wie könnt Ihr es wagen Tante! So widerwärtig-" Victor hob die Hand und das Gemurmel erstarb und auch Elaine schwieg sofort. Seine Augen glänzten eisblau so wie Selenes es taten. "Verraten vom ältesten Freund und der eigenen Tochter - sowie auch den eigenen Neffen und Großneffen. Mein Herz ist nur froh über den Gedanken das mein einziger Sohn den Verrat seiner Schwester nicht erleben muss." "Mein Bruder beschwor seinen Tod selbst herauf!" fauchte Selene. Erneut ertönte lautes Gefluche. Victors Augen glänzten hell: "Du hast keine Ahnung - keine Ahnung von der drohenden Gefahr mein Kind! Durch den Verrat von den vier jungen Vampiren wird diese Welt schneller brennen als ich dachte." Die Vampire wurden unruhig. Selene und Eric hielten sich an den Händen fest: "Dieser Krieg dauert bereits viel zu lange!" "Dieser Krieg wird bald enden und es wird mit dem Tod dieser Vierlingshexen beginnen!" Victor erhob sich. Seine Augen färbten sich rot ein und seine Zähne traten lang hervor: "Sperrt diese Verräter in das dunkelste Loch das ihr finden könnte und ich will nie wieder ein Wort über sie hören!" Starke Vampire traten aus den Reihen und zerrten das Ehepaar fort. Doch Selene konnte noch einmal die Aufmerksamkeit ihres Vaters erregen: "In einem Traum liebster Vater sah ich Blut - und es war nicht das Blut der Vierlingsschwestern!" Victor sah sie an: "Närrin!" "Es wird sich bald zeigen, Vater - wer hier der Narr ist!" Damit wurden Selene und Eric in die tiefsten Zellen der alten Burg geworfen. Eric wischte sich über die Stirn und zog seine elegante schwarze Jacke aus und war sie achtlos in eine nasse, schimmlige Ecke. Seine Augen glitten zu seiner Frau, die ihm gegenüber eingesperrt war. Selenes Blick kreuzte seinen und sie sagte: "Victor wird die anderen Fürsten zu sich rufen. Der Krieg wird alles verschlingen." Eric nickte: "Ich kann mich noch gut an den Anfang erinnern. Ist es wirklich schon so viele Jahrhunderte her?" Selene lächelte traurig: "Es gab eine Zeit, wo Magier und Vampire im Einklang lebten. Gegenseitiger Respekt und sogar Freundschaften waren vorhanden. Doch einer von ihnen zerstörte alles. Die Harmonie zerbrach an jenem Tag..." Osmanisches Reich 16. Jahrhundert "Mylord - Mylady!" ein atemloser Soldat stürmte in die dunklen Kammern der alten Burg. Lord Victor hob seinen Blick und betrachtete den Mann emotionslos: "Sprich!" "Es gab einen Vorfall!" der Soldat stand kerzengerade, seine Arme hinter dem Rücken verschränkt. Sein Blick war ernst. "Was ist geschehen?" fragte die junge Vampirin. Selene war kaum 20 Jahre alt und somit noch ein blutjunger Untoter. Ihre Augen waren riesig. "Ein Magier hat einen Vampir getötet!" Der gesamte Thronsaal verfiel in eine tödliche Stille. Victor schloss die Augen und es war als würde sich animalisches Stöhnen aus seiner Brust erheben. Er ließ sich auf seinen Thron sinken. "Mein Sohn..." flüsterte er. Selene fiel auf ihre Knie und hauchte: "Mein Bruder..." Victor stand auf und legte seine Hand auf Selenes rabenschwarzes Haar: "Er wird gerächt werden meine Tochter!" Der älteste aller Vampire blickte in die Gesichter seines wütenden Volkes: "Ruft die fünf Generäle - verkündet die Botschaft. Es herrsche Krieg zwischen Magiern und Vampiren. Bringt mir den Kopf des Mörders meines Sohnes!" Selenes Augen waren vor Zorn rot geworden. "Ich lösche alle Hexen und Magier aus - sie sollen alle sterben!" schwor sie sich. Eric blickte zu dem Mond hinauf, der durch das winzige Fenster schien, das auf dem Flur lag: "Alkım wurde damals von einer Hexe getötet, nicht wahr?" Sein Blick suchte Selenes Augen. Diese nickte. "Mein Bruder war so verliebt - so töricht. Bill erinnert mich sehr an ihn - genauso wie er Lucine liebt, liebte mein Bruder diese Hexe. So tief und fest, dass ich es nicht glauben konnte. Sie war wunderschön. Mächtig und königlich..." Eric nickte: "Die erste Hexe der Draco-Linie." Selene blickte dunkel zum Mond empor. Sie sagte leise: "Der Hass wurde zum Selbstläufer - aller Zorn richtete sich gegen die Hexer und da Alkım auch der Prinz der damaligen Zeit war, war der Krieg gewaltig. Ich selbst tötete so viele von ihnen. So viele Kinder - unschuldig - aber mein Zorn und meine Trauer waren so riesig. Doch wenn ich eines inzwischen erkannt habe, ist es, dass Alkım nicht unschuldig war. Er liebte sie, doch sie liebte ihn nicht. Es gibt nur eines was du auf der Welt nicht erzwingen kannst." Erics Augen spiegelten den Mond wieder: "Die Liebe." Kapitel 16: Hexen und Vampire ----------------------------- Lucine starrte trübsinnig auf die nebeligen Straßen der kleinen Stadt, wo sie Halt gemacht hatten. Ihre Schwester Rue war bei ihr und ihr Blick war nicht minder traurig und verwirrt. Es fühlte sich alles furchtbar falsch an. Wie waren sie nur in dieses Schlamassel geraten? "Hey Süße - wir sollten uns umziehen. In den Klamotten fallen wir nur auf." murmelte Rue und strich über ihr hübsches Ballkleid, dass vom Regen nass und dreckig geworden war. Lucine sah unbeteiligt an sich herab und nickte. Auf dem schimmligen Sofa in dem noch schimmligeren Motelzimmer, wo sie sich versteckt hielten, lagen Plastiksäcke mit billigen Klamotten aus einem Secondhandladen in der kleinen Stadt. Mit trübsinnigen Augen zogen sie sich um und Rue schnalzte missbilligend mit der Zunge: "Furchtbarer Geschmack!" Das brachte Lucine zum Lächeln. Rue grinste und schnitt eine lustige Entengrimasse. Sie bildete mit ihren Lippen einen Schnabel und sah Lucine mit schielenden Augen an. Erheitert konnte ihre Schwester nicht anders. Laut lachend gab sie ihr einen Klaps auf die Schulter und schmunzelte vor sich hin. So konnte sie sogar die hässliche Jeans mit dem unförmigen Schnitt ertragen und zog noch den einfachen schwarzen Pullover drüber. "Wir sind zurück!" ertönte Chandra und gemeinsam mit Gustav, Georg und Raven betrat sie das Zimmer. In ihren Händen hielten sie und Raven braune Papiertüten von einem kleinen Night-Supermarkt. "Essen!" Rues Augen strahlten auf und kurz darauf biss sie in ein belegtes Brötchen. Chandra reichte Lucine ein Stück Brot und eine Cola. Dankbar nahm sie es an. Lucines Augen blickten Gustav an: "Wo sind die Zwillinge?" "Auskundschaften!" kam die knappe Antwort. Die Vierlinge hielten im gleichen Moment inne und starrten Gustav an. Georg grinste: "Übt ihr das, oder könnt ihr das einfach?" Sie ignorierten ihn und Rue fragte: "Was wird jetzt geschehen?" Die Cousins schwiegen. "Gute Nachrichten - wir haben Tickets für die Überfahrt!" Tom und Bill kamen herein. Bill schüttelte sich den Schnee aus den Haaren und Tom zog sich die schwarze schäbige Lederjacke aus. Gelangweilt warf er sie auf das schimmlige Sofa. "Welche Überfahr?" fragte Chandra mit kaltem Blick. "Eine Überfahrt nach London. Direkte Schiffsroute." sagte Tom und sein Blick verschränkte sich mit ihren. Chandras kalte Körpersprache änderte sich ein wenig und ihr Blick wurde ein wenig offener. Ihre Schultern entspannten sich und sie sah Lucine an. "Vater ist in London!" Lucines Augen hielten sich fest mit ihren verankert und ihre Gedanke strömten sich zu. "Sie werden uns nicht zu ihm lassen..." kam es von Raven, die ohne eine Regung weiter ihr Brötchen aß. Auch Rue schaltete sich ein, während sie eine Weste anzog: "Seit wann gehorchen wir anderen?" "Wir werden ihn finden." schloss Lucine. "Wann geht das Schiff?" fragte sie und sah Tom an. Bill kam zu ihr und stellte sich neben sie. Lucine ignorierte ihn. "In etwa einer halben Stunde. Wir bleiben solange es geht hier und gehen anschließend so schnell es "unaufällig" geht zum Schiff. Noch habe ich keine Präsenz gespürt. Aber das wird sich bald ändern." sagte Tom und seine Augen blickten dabei immer noch fest Chandra an. Diese erwiderte erst jetzt den Blick und sie atmete tief ein und seufzend aus. "Wir sind müde, Jungs. Wir können nicht ewig wachbleiben. Wir laufen seit zwei Tagen ohne Schlaf durch die Gegend. Wir müssen uns irgendwann erholen!" sagte Raven und Rue hatte sich erschöpft gegen ihre Beine gelehnt. Lucines Augen starrten ins Leere und irgendwann blendete sie die Gespräche aus. Sie spürte Bills Präsenz hinter sich und hörte ihn plötzlich sanft in ihrem Kopf. "Schlaf auf dem Schiff ... du bist müde." Sie widersprach nicht und nickte nur kurz. Sie spürte seine wohltuende Nähe in ihrem völlig chaotischen Kopf, wo sich ein Gedanke mit dem anderen stritt. "Komm mit." Ohne nachzudenken folgte sie ihm aus dem schimmligen Zimmer. Chandra blickte ihr kurz nach und ihre Schultern zogen sich angespannt nach oben. Sie gingen zur leeren Rezeption in die winzige Eingangshalle des Motels. Lucine spürte eine tiefe Müdigkeit und Traurigkeit in sich aufsteigen. Einen kurzen Moment schloss sie die Augen und ließ ihren Kummer nach außen. Eine einsame Träne rannte über ihre Wange. Wärme und Sanftheit umschlossen sie, als Bill sie in seine Arme zog und langsam mit starken Händen sie festhielt. Er legte seinen Kopf auf ihre Haare und Lucine legte ihre Hände zart auf seine Brust. Ein tiefer Seufzer löste sich aus ihrem Mund und schließlich rannten zahlreiche Tränen über ihre Wangen und versickerten sicher und aufgefangen in Bills dickem Pullover. Er hielt sie so lange, dass sie nicht mehr wusste, wie lange sie schon hier standen und sich nur hielten. "Ihr habt euren Clan verraten!" sagte Lucine und sie musste nicht laut sprechen, damit er sie hörte. Bills Atem streifte ihre Haare: "Ja." "Welche Auswirkungen hat das?" fragte die junge Hexe und vergrub sich noch tiefer in seinen Armen. Bill starrte lange vor sich hin und schließlich hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf. "Lord Victor ist ein jahrhunderte alter Vampir. Er lebte schon zu Zeiten als der Krieg ausbrach. Er wird diesen Verrat teuer bezahlen lassen. Er wird uns jagen. Mich und meine Brüder erwartet der Tod so sicher wie euch, wenn er euch findet." "Was wird mit uns geschehen? Warum fürchtet er uns?" "Er fürchtet was ihr machen könnt. Wenn oder falls eure Kräfte erwachen, werdet ihr stärker sein, als irgendein Sohn oder Tochter Samaels." "Es muss einen Grund für diesen Krieg geben. Wir wuchsen mit dem Wissen auf dass Hexen die Todfeinde der Vampire sind und umgekehrt. Woher kommt dieses Wissen? "Das alles hat mit dem Tag des vergossenen Blutes zu tun." "... als eine Hexe einen Vampirprinzen tötete..." "Du kennst die Geschichte?" "Jede Hexe kennt sie. Sie wird uns erzählt, damit wir die Vampire jagen. Aber ich glaube, dass sie nicht wahr ist, so wie die Hexen sie sich erzählen." Sie hörten Schritte und sie lösten sich voneinander. Lucine wischte sich die Tränen ab und sah Bill an: "Was wirst du tun, wenn es gilt eine Entscheidung zu treffen?" Bills Blick war intensiv. Sie spürte eine unglaubliche Energiewelle und auch eine Portion Wut. "Du zweifelst immer noch?" seine Zähne glänzten auf. Lucine starrte nur schweigsam zurück. "Wir müssen los!" ertönte eine scharfe Stimme. Ihre Blicke glitten zur Treppe. Chandra, Rue und Ravens Energie ließen die Luft elektrisch werden. Ihre Augen starrten Bill wütend an. Doch dieser ignorierte sie. Er betrachtete nur Lucine und seine Stimme in ihrem Kopf war eiskalt. "Ich werde nie dein Vertrauen haben... Lucines Stimme war nicht weniger kalt. "Vertrauen und Begehren sind zwei grundverschiedene Dinge, Vampir." Ihre Schwestern nahmen sie an die Hand und die Vampire sahen sie an. "Wir haben keine Zeit für Machtspiele, los zum Schiff!" knurrte Tom und zog den Kragen seiner Lederjacke hoch als er bei den Hexen vorbei ging. Die anderen folgten ihm. Schiff "Constantia" Reiseroute London - Dublin" Die Schwestern hatten eine Kabine und die Brüder und Cousins. Sie lagen zwar nebeneinander, doch die Schwestern waren überglücklich einmal für sich zu sein. "Sie haben hoffentlich einen Plan." sagte Rue und wickelte sich in ihre Bettdecke ein. Die Fahrt würde nur knappe fünf Stunden dauern, doch das Schiff vergab nur Schlafkojen. "Was auch immer sie wollen, wir müssen Papa finden. Wir müssen ihn vor den Vampire beschützen." sagte Raven. Sie starrte aus dem winzigen Bullauge auf die unruhige See. Chandra lehnte sich gegen die Rückwand ihres Bettes: "Wir müssen aufpassen - sie werden versuchen uns weiterhin zu verführen und an sie zu binden. Vertrauen ist nicht möglich." Lucine starrte nachdenklich vor sich hin: "Erinnert ihr euch an die Geschichte, die uns Mama erzählt hat. Vom Tag des vergossenen Blutes?" Überrascht sahen sie ihre Schwestern an: "Klar, die Geschichte kennt jede Hexe." kam es von Rue. Raven hob eine Augenbraue: "Vor vielen hunderten Jahren herrschte Einigkeit zwischen Vampiren und Hexen. Man respektierte sich und pflegte freundschaftliche Kontakte. Harmonie." "Die Hexen wurden von Chandra regiert, die oberste Hexe des Dracoclans. Unserem Clan." setzte Chandra hinzu. "Chandra war jung und freundlich, doch auch sehr mächtig. Sie pflegte freundschaftliche Band zu den obersten Vampirlords. Darunter auch Lord Akim. Dem Sohn des damaligen Vampiroberhauptes. Dem mächtigsten Vampirs." sagte Raven. "Doch der Vampirprinz wollte mehr als Freundschaft. Er zwang Chandra mit Hilfe seiner Kräfte zu einer gemeinsamen Nacht." erzählte Chandra weiter. Lucine starrte noch immer vor sich hin: "Als Chandra am nächsten Morgen neben Akim aufwachte, litt sie unglaubliche Schmerzen und fassungslos erkannte sie, was ihr Freund getan hatte. In ihrem Zorn und ihrer Wut entlud sie ihre ganze Macht. Sie tötete somit nicht nur den Prinzen, sondern auch sich selbst." Die Vierlinge schwiegen. "Seit diesem Tag schworen sich die Hexen aller Welts gegen die Vampire zu kämpfen. Sie auszurotten bis auf den letzten Vampir." beendete Rue die Geschichte. "Warum fragst du Lu?" fragte Chandra und sah ihre Schwester an. Lucine schwieg doch schließlich antwortet sie: "Ich glaube, dass diese Geschichte nicht der Wahrheit entspricht." Sie sah auf. "Worüber habt ihr geredet - du und Lucine?" fragte Tom. Bill lag mit geschlossenen Augen auf seinem Bett und sagte: "Sie trauen uns kein Stück." "Wundert es dich? Hexen werden dazu erzogen Vampire zu hassen und zu töten. Wieso sollten sie uns trauen?" fragte Gustav mit sanftem Lächeln. Georg hob unbeeindruckt den Kopf: "Weil Billilein sich in Lucine verliebt hat." Tom stand auf und setzte sich neben seinen Zwilingsbruder: "Bill, das hat keine Zukunft. Hexen und Vampire werden einander nie wieder lieben können. Du vergisst Großonkel Akim." Die Vampire starrten vor sich hin. "Chandra Draco tötete ihn vor über hunderten von Jahren. Sie zerbrach an ihrem Hass, weil Akim sie so sehr liebte, dass er sich an ihr vergriff." sagte Georg. Bill erwiderte: "Ich glaube, dass diese Geschichte nicht wahr ist. Solch ein Hass muss einen anderen Ursprung haben. Es gibt Berichte, dass Chandra und Akim einander liebten. Ich glaube, dass diese Geschichte mehr bereit hält, als was wir glauben." Die Cousins und Brüder sahen sich an: "Wie meinst du das?" Bill öffnete die Augen und sagte: "Der Krieg ist auf einer Lügengeschichte aufgebaut." Kapitel 17: Erwachen bei Neumond -------------------------------- Anlegehafen Tilbury Als sie am Anlegehafen Tilbury, nur eine knappe Stunde von London entfernt, ankamen, beschlich Rue ein äußerst ungutes Gefühl. Unverwandt drehte sie sich mehrmals auf dem Weg zum Bus um und blickte mit unruhigen Augen über die ruhige morgendliche Straße. Verlassen lag der Hafen vor ihnen, viele waren nicht ausgestiegen. Die Fähre selbst war fast leer gewesen. Georg bemerkte es neben den Schwestern am schnellsten und blieb neben Rue stehen. Seine Stimme ertönte in ihrem Kopf. "Was ist los, Rue?" Sie gab zuerst keine Antwort und schaute nur mit äußerst hellen Augen über die Umgebung. Sie biss sich zögerlich auf die Lippen, bevor sie sowohl an Georg als auch an ihre Schwestern eine Botschaft schickte: "Etwas ist über die Schwelle getreten!" Ruckartig blieben die Mädchen stehen. Lucine und Bill sahen sich kurz an und Chandra fragte leise: "Welche Stufe Rue?" Rues Augen hatten sich verschleiert und sie ging in eine sanfte Hocke über. Mit hellen Augen begann sie mit einem Finger im Dreck zu fahren. Die Mädchen schlossen sofort einen Kreis und bildeten mit ihren Händen einen Schutzwall. Rue hörte schlagartig auf und fiel fast um. Georg fing sie auf und ihre Augen glänzten matt. Raven beugte sich über die Nachricht. "Sie sind hier - lauft!" "Onkel Jeremy!" sagte Raven und ihre Augen starrte in die von Gustav. "Wer?" fragte Tom mit hochgezogenen Augenbrauen. "Der Bruder unserer Mutter - Jeremy. Er wacht aus dem Totenreich über uns. Er ist ein äußerst starker Geist mit unglaublicher Präsenz. Er kann schneller als sonst ein Wesen Rue erreichen." erklärte Raven. Rue stand bereits wieder auf den Beinen. "Leute - die Straßenlaternen gehen aus." murmelte Lucine. Tatsächlich - der Reihe nach gingen die modernen Straßenlaternen, die den gesamten Hafen beleuchteten aus. Flackernd erstarb immer eines auf der linken Seite, dann eine auf der rechten Seite. Es brannten schließlich nur noch zwei Laternen exakt bei der kleinen Gruppe. Auch hinter ihnen gingen die Laternen flackernd aus. "Elaine..." knurrte Bill. Er zwang Lucine hinter sich und auch die anderen jungen Vampire drückten die Mädchen hinter sich. Rücken an Rücken, die Mädchen in einem engen Kreis, standen sie da und blickten auf die Straßen. Aus allen Richtungen kamen Gestalten auf sie zu. Hochgewachsen mit weißen Gesichtern und noch grelleren blauen Augen. "Verdammt - wir sind eingekreist!" gab Chandra an ihre Schwestern durch. Raven kam ein entsetzlicher Gedanke: "Vielleicht haben sie Vater bereits gefunden und getötet!" Lucine schüttelte den Kopf: "Nein - das hätte Onkel Jeremy dir sofort mitgeteilt. Und wir hätten es gespürt. Unser Familienband hätte gezittert sowie damals bei Mom." Plötzlich trat eine sehr hübsche Frauengestalt auf sie zu. Ihre Augen glänzten gefährlich blau. Ihre langen Zähne waren sichtbar. Eindeutig auf Angriff eingestellt, lächelte sie wie ein Raubtier. "Söhne Samaels ihr wurdet vom hohen Rat wegen Verrat und Intrige zum Tode verurteilt. Die Strafe wird heute an diesem Ort vollzogen!" sagte sie mit einem teuflischen Lächeln. "Tante Elaine schön dich zu sehen!" sagte Tom höflich. Ihr Lächeln verhärtete sich abrupt und ihre Augen waren Eisdolche: "Eure eigene Familie zu verraten!" Sie spuckte auf den Boden. Sie blickte auf: "Für Hexenbrut? Ist denn kein Funken Ehre in euren jungen Dickköpfen?" Ihre Augen waren wütend aber auch unglaublich traurig. "Geh einfach Tante - sag du hast uns nicht gefunden." sagte Georg. Die Mädchen horchten ungläubig auf. "Geh und wir müssen dich nicht töten!" setzte Gustav hinzu. Der Kreis der bedrohlichen Vampire wurde immer enger. "Geh einfach und wir tun das Gleiche!" sagte Tom, eine Hand hatte Chandras Hand fest gepackt und seine Sorge um sie pochte in ihrem Blut wieder. Ihre Augen waren riesig. Bill sah sie lange an und seine Zähne blitzten auf: "Wir werden dich töten, legst du Hand an diese Frauen. Sie stehen unter unserem Schutz. Richte Onkel Victor das aus und jetzt geh!" Elaines Augen verzogen sich zu Schlitzen. Sie sah wie Bills Hand zart die von Lucine streifte und sie spürte sogar selbst die Woge der Gefühle der beiden. Sie biss sich wütend auf ihre Lippen und ihre Gedanken summten. Sie sagte es sehr leise: "Tötet sie!" Die Vampire stürmten los. Die jungen Hexen schrien auf und von kaltem Entsetzen gepackt, warfen sie sich zu Boden. Die jungen Vampire kämpften ohne auch nur einen Gedanken an Mitleid zu verschwenden. Sie rissen Gliedmaßen ab, durchbohrten ihre Feinde mit ihren ausgefahrenen Krallen. Ihre Augen glänzten so stark wie es Bills Augen getan hatten, als Lucines Blut getrunken hatte. Die Mädchen hielten sich fest an ihren Händen und blieben geduckt am Boden. Mehrmals gelang es einem ihrer Beschützer nur äußerst knapp einen angreifenden Vampir von ihnen wegzureißen. "Wir müssen helfen!" schrie Raven in Gedanken. "Was willst du groß tun - wir sind erbärmlich schwach!" schrie Chandra zurück und trat einem Vampir gegen den Kopf als einer sie angriff. Fest prallte er zurück und wurde sofort von Tom in Stücke gerissen. Rue war damit beschäftigt ihre Panik zu kontrollieren. Lucine starrte abwesend und mit größter Angst auf den kämpfenden Bill. Sie sah seine zahlreichen Wunden. Und jede dieser Wunden war ihre Schuld. Chandra spürte die gleiche Wut wie ihre Schwester und ihre Angst um Tom war unbegreiflich groß. Genauso erging es Rue und Raven. Immer noch ihre Hände fest verschlungen, standen sie langsam auf. "Es ist leicht zu behaupten, dass er an allem Schuld ist." erhallte Rues Gedanke. Georg entging einem knappen Schlag mit ausgefahrenen Krallen. "Es ist leicht sich zu sagen, es wäre von Grund auf falsch!" Tränen sammelten sich in Ravens Augenwinkeln. Gustav blutete gewaltig aus einer faustgroße Wunde an seiner Schulter. "Es ist einfach zu sagen, halt dich von ihm fern!" Chandras Herz schlug vor Angst fest gegen ihre Rippen. Tom zwinkerte ihr trotz gewaltigen Wunden zu, als er ihren Blick spürte. "Es ist leicht zu sagen, er ist dein Feind und das abgrundtiefe Böse!" Lucines Hände drückten noch fester die ihrer Schwestern und ihre Augen begannen so hellgrün zu strahlen, dass das sanfte Braun daraus gänzlich verschwand. Bill blieb schlitternd vor ihr stehen und fing einen unabwendbaren Angriff eines Vampirs ab, der ihr gegolten hatte. Schwer verwundet blieb er dennoch stehen und tötete den Angreifer. "Wir lassen euch nicht sterben!" Bill, Tom, Georg und Gustav konnten der gewaltigen Übermacht der Angreifer nicht länger entgegentreten. Alle waren schwer verletzt und es war ein Wunder, das sie noch lebten. "Wir müssen sie beschützen!" sagte Bill unnachgiebig. "Ich kann keinen hören, der was anderes sagt!" grinste Tom. Georg wischte sich über die aufgesprungene blutigen Lippen. Gustav wischte mit einer erstaunlichen Ruhe die kaputte dreckige Brille ab. "Ihr seid meine Familie Männer!" lächelte Bill traurig mit einem verschmitzten Lächeln. Elaine trat vor. Sie sagte: "Gebt auf - Söhne Samaels - ihr seid besiegt!" Die Vampire hoben ihre Krallen und ihre Augen glühten. Die vier jungen Männer hoben ihre Arme zum Angriff, da fauchte Elaine fürchterlich laut auf und auch die anderen Vampire wichen zurück. "Was?" fragte Bill, doch er bemerkte es auch. Seine Augen blickten zum Himmel hoch. Ein leerer dunkler Neumond blickte ihnen zwischen den Wolken entgegen und das plötzliche Fehlen von Wolken ließ es sie erst erkennen. "Ein Neumond..." sagte Gustav. Georg nickte geschockt. Tom schloss die Augen: "Heute ist der Sterbetag ihrer Mutter." "Ihr Geburtstag..." nickte Gustav. Bill drehte sich um und auch die anderen taten es ihm gleich. Elaines Kreischen tönte nur sehr leise in ihren Ohren: "TÖTET SIE! TÖTET SIE!" "Wunderschön!" dachte Bill nur. Die vier Schwestern hielten sich an ihren Händen und jede von ihnen strahlte ein anderes helles Licht aus. Es schien als würde ihr Körper von innen heraus leuchten. Chandra war in ein fast weißes Licht gehüllt. Ihre Augen strahlten heller als der Mond. Rue erstrahlte mit violetten Glänzen - ihre Pupillen waren länglich wie die einer Katze. Ravens Augen waren zwar geschlossen doch ihr Körper leuchtete blauer als das Meer. Lucine aber strahlte am gewaltigsten. Ein grelles grünes Licht - strahlender und heller als jedes Licht dieser Welt und jeder Stern im Universum - waren ihre Augen geworden. "TÖTET SIE!" schrie Elaine immer wieder. Ihre Panik war gewaltig. Chandra lächelte und hob ihre zarten Finger. Im selben Moment erstarrte Elaine hob ihre Hände gegen ihre Kehle. Sie schien zu ersticken. Gierig schnappte sie erfolglos nach Luft. "Deine Angst stinkt meilenweit liebe Elaine. Dazu brauche ich nicht deine Gedanken zu lesen." Chandras Finger krümmten sich und Elaines Augen wurden schwarz. Ohne Regung fiel sie zu Boden. Ein Untergebener fing sie auf. Ravens Augen glänzten auf und wurden plötzlich dunkelblau. Um sie herum tauchten Gestalten, mehr Rauch als Körper, aus dem Boden, aus dem Meer, aus der Luft auf. Tote Seelen wanden sich um ihre Hände. Sie streichelte sie zärtlich und sagte leise: "Holt sie euch meine Kinder!" sie breite die Arme aus und die ruhelosen Geister griffen die Vampire an. Schreiend wurden sie in der Luft von den Geistern angegriffen und schwerz verletzt. Rue schlug in aller Ruhe ihr Heft auf und begann zu schreiben. Ihre Worte wurden zu taten, Böden taten sich auf und rissen die Vampire in die Tiefe, begruben sie tief unter sich. Bäume fielen um und erschlugen die Angreifer. Doch Lucine brauchte nichts davon, sie ging kerzengerade auf die anderen Vampire zu. Sie blieb neben den verletzten Brüdern und Cousins stehen. Mit einer sanften Bewegung heilten ihre Wunden augenblicklich. Sie berührte Bills Hand nur kurz und ihre Gedanken trafen ihn genauso sanft: "Geht zurück!" Damit hob sie ihre Hände und mit einem Schlag gingen alle Laternen wieder an, sie erstrahlten wie kleine Sterne. Lucines Augen wurden leer - die Pupille verschwand. Ihre Schwestern hielten inne und Lucines Kraft ließ alle Vampire in der Luft erstarren. Sie hingen wie willenlose Marionetten an unsichtbaren Fäden. Lucines Stimme hallte wie ein Donnergrollen in der Luft ohne dass sie ihren Mund bewegen musste. "Geht und nehmt eurer mickriges Leben mit. Richtet eurem verehrten Lord Victor eines aus: "Er will Krieg - den kann er haben"!" Damit schleuderte sie die Vampire mit einer fragilen Handbewegung meterweit durch die Luft. Sie prallten wie durch eine Explosion durch Häuserfronten, Bäume, Asphaltböden und andere Hindernisse. Schwer verletzt rappelten sie sich auf und verschwanden in den Schatten der Nacht. Elaine hing immer noch wie eine leblose Puppe in den Armen eines Vampirs. Die Schwestern traten neben Lucine und jede legte eine Hand an eine Stelle auf ihrem Körper. Rue berührte ihre Hände, Raven ihre Haare und Chandra die Stelle über ihrem Herzen. Schlagartig bekamen ihre Augen wieder die normale Farbe und Lucines Beine wurden wackelig. Sie musste sich hinsetzten. Die Frauen hielten sich in den Armen und lange Zeit sagte keiner etwas. Die jungen Vampire starrten die Frauen an. "Fürchtet ihr uns jetzt?" fragte Raven. Um sie herum schwebten immer noch die Wesen, die sie selbst "Kinder" genannt hatte. Sanft strich sie über ihre rauchigen Körper. Mit einem sanften Wedeln ihrer Hände verschwanden sie. Rue schrieb noch einmal in ihr Heft und die Gebäude, Straßen, Bäume und alles um sie herum richtete sich wieder auf, wurde heil und reparierte sich von selbst. Selbst der Reparo-Spruch aus den Harry Potter Büchern hätte nicht besser funktionieren können. Chandra strich Lucine sanft über die Haare und ihre Augen blickten Tom an. Die Männer schwiegen. "Ihr fürchtet uns..." sagte Lucine leise. "Nennen wir es eine gesunde Portion Respekt!" grinste Tom und kniete neben Chandra nieder. Georg setzte sich zu zu Rue und sie legte den Kopf an seine Schulter. Raven ließ sich von Gustav stützen und eine starke Müdigkeit erfasste sie. Bill zog Lucine sanft auf die Beine und seine starken Arme schlossen sich um sie. Gewaltig erleichtert lehnte sie ihren Kopf gegen seine Brust. "Ich liebe dich kleine Hexe..." seine Gedanken ließen ihren Körper warm werden und sie seufzte sanft auf, als er ihr einen Kuss auf den Kopf drückte. "Wie geht es jetzt weiter?" fragte Chandra, die sich an Tom abstütze. Jede Hexe war ausgelaugt. Ihre Kräfte das erste Mal in so einem gewaltigen Versuch zu testen hatte sie alle ausgelaugt. Tom und die anderen sahen sich an: "Victor wird die Vampirlords zu sich rufen, wenn er es nicht schon längst getan hat!" "Andere Lords?" fragte Rue. "Es gibt fünf Vampirreiche, jeder von einem anderen Lord regiert. Victor herrscht über die europäischen Teile. Es werden also noch vier weitere Herrscher kommen." erklärte Georg. "Sind sie alle so stark wie Victor?" fragte Raven. Lucine starrte Bill an. Dieser nickte: "Jeder ist ein Herrscher. Zusammen sind sie gewaltig. Ich weiß nicht ob ihr eine Chance habt..." Lucine sah vor sich hin, doch Chandra lächelte: "Wir werden nicht alleine sein!" Die anderen Schwestern starrten sie an und Lucine fragte entgeistert: "Du willst den Clan zusammenrufen?" "Es wird Zeit das der Draco-Clan zurückkehrt!" sagte Chandra. Kapitel 18: Das Meer der Erinnerungen ------------------------------------- Lucines Finger zitterte ein wenig als sie knapp vor der Türklingel erstarrte. Ihre Augen waren besorgt und sie kaute fast unsichtbar auf ihrer Unterlippe. Chandra stand hinter ihr und auch ihre beiden anderen Schwestern sahen ein wenig unsicher aus. "Das war keine außerordentlich intelligente Idee..." sagte Rue. Ihre Augen huschten nervös die Straße rauf und runter. "Beruhige dich, das macht uns alle nur noch nervöser. Rue, deine Aura ist gerade so zittrig wie ein Hase der vor einem Fuchs kauert." knurrte Lucine. Rue schüttelte sich und plötzlich ging eine Wärme spendende Welle durch die Junghexen. Da hörte Lucine Bills Stimme: "Ihr schafft das - einfach klingeln. Drücken und fertig!" Lucine verkniff sich ein Grinsen, doch da presste sie ihren Finger auf den Knopf neben der Nummer 13. Sie hörten nichts - keine Regung. Es vergingen einige Sekunden da drückte Lucine noch einmal. Wieder nichts. Ratlos drehte sie sich zu den Hexen um. Chandra hatte den Kopf schief gelegt: "Seltsam..." "Vielleicht ist er in der Arbeit?" meinte Rue und berührte vorsichtig den Türknauf. Seit dem Erwachen ihrer Kräfte, fühlte sich jede Hexe wie eine Antenne, die unter stetigem Strom stand. Als fürchteten sie das ihre Kräfte plötzlich aus ihnen herausbrechen konnten, waren sie äußerst vorsichtig. "Um 1 Uhr Nachts?" sagte Raven spöttisch und sah sich um. "Dann schläft er..." meinte Rue, doch Lucine packte plötzlich ihre Finger und hielt sie von den Postkasten ihres Vaters zurück. "Was?" fragte Rue verwirrt, doch Lucine sagte leise: "Wir müssen in seine Wohnung - jetzt!" Chandras Blick wurde eisig als sie die Straße entlang sah. Sie spürte es - eine neue Bedrohung kam. Sie war noch entfernt - aber viel Zeit hatten sie nicht. Raven drückte sich bei Lucine und Rue vorbei. Sie wisperte etwas und eine rauchiges Gestalt sauste durch das Türschloss. Es klickte und die Tür öffnete sich. "Im Ernst?" fragte Chandra grinsend, "Geister können Schlösser knacken?" "Du willst gar nicht wissen, was die alles können." brummte Raven und sie quetschten sich gleichzeitig durch die Eingangstür. Ein flackerndes Licht ging in dem Flur an und die Mädchen unterdrückten ein Schaudern. Die Nase rümpfend sagte Chandra: "Im Ernst - von seinem Gehalt kann er sich nur diese Bruchbude leisten?" Sauber und elegant war es wahrhaftig nicht, und als Rue zum Lift gehen wollte, ertönte bereits ein Seufzer: "Lift ist kaputt!" "Na toll - in den 7. Stock rauflaufen? Eindeutig nicht mein Tag..." meinte Raven und auch die anderen seufzten. Lucines Gedanken öffneten sich und Bills Stimme ertönte: "Beeilt euch - Elaines Scheitern wird bald überall bekannt sein. Victor wird eine neue Gruppe schicken..." Lucine sagte es denn anderen und ohne weiteres knurren stiegen sie die endlosen Treppen hinauf - bis in den 7. Stock. "Was meint ihr?" ertönte die Stimme von Raven in ihren Köpfen. "Was meinst du genau?" kam es sarkastisch von Chandra zurück. "Ob Vater überhaupt da ist? Vielleicht wurde er entführt!" sagte Raven. "Glaub ich nicht - das hätten wir gespürt. Ich glaube eher er schläft!" meinte Rue. Da blieb Lucine stehen und ihre Schwestern prellten gegeneinander. "Unhöflich so einfach stehen zu blei-!" sagte Rue. "STILL!" klatschte es ihr entgegen und die Mädchen spürten eine enorme Präsenz. "Scheiße..." fluchte Chandra. Der gesamte 7. Stock sah durcheinander gewirbelt aus. Die Deckenlichter hingen zerbrochen und teilweise noch schwach flackernd von der Decke. Die Wände waren an manchen Stellen durchbrochen und sogar die Dielen des Bodens waren an manchen Stellen wie mit einem Hammer zerschmettert. Eine drückende Stille hing in der Luft. Lucine drehte sich zu ihren Schwestern um. "Haltet euch bereit - könnte sein, dass Vater .... verletzt - ist." sagte sie zögerlich doch entschlossen das Wort "tot" nicht zu benutzen. Die Schwestern nickten. Um Raven schwebten bereits drei Schutzgeister. Rue hatte ihr Heft entschlossen geöffnet. Sie fuhr mit der offenen Hand über die Seiten und Worte schrieben sich von selbst nieder. Chandras Körper schien elektrische Impulse abzusondern. Lucine nickte und sie schlichen zur Tür mit der Nummer 13. Die 3 der Zahl hing schief herunter und die Tür war nur angelehnt. Mit einem sanften lautlosen Stupser öffnete Lucine die Tür und sie betraten die Wohnung. Nichts war heil geblieben, Tische, Bänke, Sessel, Schränke alles war wahllos geöffnet und herausgerissen oder umgeworfen worden, teilweise sogar komplett zerstört. Lucine hob eine Augenbraue und stellte sich plötzlich gelassen aufrecht hin. "Lu?" fragte Chandra überrascht. "Könnt euch abregen - hier waren sie, aber es ist länger her. Vater ist jedenfalls nicht hier. Onkel Jeremy hat ihm wohl geholfen zu fliegen - schaut mal." Lucine trat in die Mitte des Flurs und zeigte am Boden eine eingeritzte Zeichnung. "Ein Portal - Vater ist geflohen... aber wohin?" fragte Chandra neugierig. Sie hockte sich auf den Boden und fuhr die eingeritzten Linien nach. "Es ist ein altes Portal - das hat ihm sicher Onkel Jeremy verraten wie es geht. Vater hat ja keine magische Begabung. Als er angegriffen wurde muss es ein Geist für ihn geöffnet haben. Was meinst du Raven?" Raven warf nur einen kurzen Blick auf die Gravur und nickte: "Es ist ein Portal auf metaphysischer Ebene, sicher eines von Onkel Jeremy." "Na gut - Papa ist weg - aber wohin ist immer noch die Frage..." sagte Rue. Lucine wanderte durch die zerstörte Einrichtung und im Schlafzimmer blickte sie zweimal auf den halb verrückten Schrank. Neugierig trat sie näher und fuhr mit der Hand an der Kante entlang. Sie zog eine Schnute und schob den Schrank ganz von der Wand weg. Dahinter fiel ein Brief heraus. "Schwestern!" rief sie leise. Da waren die anderen drei schon bei ihr und Rue sagte: "Eine Nachricht von Vater!" "Mach auf!" sagte Chandra und auch Raven sah neugierig aus. Lucine öffnete den Brief hastig und las ihn halblaut vor: Meine Mädchen, wenn ihr das lest, bin ich nicht mehr da. Ich musste fliehen - Onkel Jeremys Portal habt ihr sicher gleich gesehen. Habt keine Angst mir geht es sicher gut und ich bin in guten Händen. Der Draco Clan hat immer noch Freunde in der Welt. Wichtig ist nur eines meine Kinder - ich weiß nicht wie viel ihr von dem Krieg, der noch immer tobt wisst. Seid euch aber im Klaren, die Legende ist nicht wahr so wie sie uns erzählt wurde. Ich weiß nicht viel, und erst recht nicht die Wahrheit, aber ich weiß, dass wenn ihr diesen Krieg beenden wollt, müsst ihr die richtigen Fragen stellen. Sucht nach dem Auslöser des Krieges und hinterfragt alles was ihr darüber wisst. "Das ist nicht wirklich hilfreich - wir wissen, dass die Legende über Chandra und Akim nicht der Wahrheit entspricht. Zumindest glaubt Lucine das." feixte Chandra. Lucine streckte ihr die Zunge heraus und Raven sagte: "Aber wenn Vater auch meint, dass da etwas nicht stimmt, dann hat Lucine Recht. Der Ursprung - der Grund für diesen lächerlichen Krieg, wir müssen herausfinden was los ist. Vielleicht könnten wir den Krieg so wie Vater schreibt beenden und wieder für Harmonie zwischen uns und den Vampiren sorgen." "Du bist so überhaupt nicht optimistisch hm?" fragte Lucine zynisch. Sie las weiter: Ich hoffe meine Mädchen, dass eure Kräfte inzwischen erwacht sind und ihr genügend Macht besitzt euch zu wehren. Wenn ihr mich finden wollt, wartet damit! Es ist eure Hauptaufgabe herauszufinden, was an der Kriegsgeschichte nicht stimmt. Sorgt euch nicht um mich, wir werden uns wieder sehen. Vertraut in euch und eure Stärke als Schwestern und als die stärksten Hexen der Welt. Ich liebe euch meine Mädchen! In liebe Papa. Langsam sahen die vier junge Frauen vom Brief auf und Lucine fasste zusammen: "Nachdem wir keinen Hinweis auf Vaters Aufenthalt haben, wir müssen wir einfach vertrauen was in dem Brief steht. Er hat Freunde und die verstecken ihn!" "Ja schon - aber welche Freunde? Meint er damit unsere Familie? Soweit ich damals noch mitbekommen habe, ist der gesamte Clan der Draco über die Weltkugel zerstreut. Wie sollen wir Papa nur finden?" fragte Rue seufzend. "Du hast ihn doch verstanden, oder? Wir sollen ihn nicht finden - zumindest nicht jetzt. Wir sollen herausfinden was mit der Geschichte nicht stimmt." sagte Chandra. Lucine kaute auf ihrer Unterlippe herum, da drehte sie sich um: "Erinnert ihr euch was Mama uns erzählt hat?" "Was meinst du konkret? Viel hilfreiches war da in der letzten Zeit nämlich nicht dabei..." knurrte Raven, immer noch zornig über die letzte Begegnung mit ihrer Mutter. "Mutter hat uns mal erzählt, dass die Geschichte des Krieges aufgeschrieben wurde. Und verwahrt wird." sagte Lucine. "Puh..." sagte Raven und ließ sich auf das nicht ganz zerstörte Bett sinken, "Das ist lange her - da waren wir noch klein. Aber sie sagte so etwas stimmt..." "Warte ich kann versuchen die Erinnerungen an diesen Tagen wieder aufzurufen." sagte Chandra. "Und wie?" fragten die anderen. "Nachdem meine Kräfte ganz erwacht sind, kann ich vielleicht durch unsere Gedanken reisen und die richtigen Erinnerungen hervorholen. Ich meine was haben wir zu verlieren?" fragte Chandra. "Na du bist gut - und was ist wenn du was kaputt machst in meinem Kopf?" meinte Rue beleidigt. "Glaub mir Schwesterlein - da kann man nicht viel kaputt machen!" feixte Chandra. Prompt flog ihr ein kaputtes Kissen an den Kopf: "AUA!" "Rache ist süß!" "Oder federig" kicherte Raven. "Probiere es Chandra!" sagte Lucine ruhig. Die vier Schwestern setzten sich auf das Portal im Eingangsbereich - so konnten sie hören, falls jemand kam. Sie streckten die Hände zu einander und bildeten somit ein kleines Viereck. Sie bewegten sich sanft von links nach rechts, wie eine Welle. Rhythmisch und im Einklang. Chandra begann leise zu summen und die Schwestern taten es ihr nach. "Memoria veni supinus!" Gemeinsam sprachen sie diese Worte immer wieder. "Gedanken kommt zurück!" flüsterte Lucine leise innerlich und plötzlich spürten sie eine starke Welle über sie hinwegbrausen, wie kaltes Wasser. Chandra öffnete die Augen und in diesem Moment taten es die anderen ihr gleich. Ungläubig sahen sie sich in einem weiten Meer an. Ein unendlicher Raum voll mit Wasser und in den Fernen sahen sie riesige Wellen die aufbrausten und sich wieder legten. "Wo sind wir?" fragte Rue verwirrt. "Das ist der Raum der Gedanken - das Meer der Erinnerungen." sagte Chandra. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)