Everything I do von Dahlie (Molly Weasley & die Liebe) ================================================================================ Kapitel 3: Die Grausamkeit der Realität. ---------------------------------------- - Der Morgen danach - Zum zweiten Mal an diesem Morgen öffnete Molly Weasley die Augen. Doch nun musste sie sich nicht verwirrt orientieren, sondern wusste sofort, wo sie sich befand. Trotz der gebliebenen Kopfschmerzen machte sich eine Welle der Erleichterung in ihr breit. Langsam zog sie sich aus ihrem breiten, bequemen Bett und bemerkte, dass es bereits spät vormittags war. In etwa einer Stunde würde das Mittagessen stattfinden und Molly hört alleine bei den Gedanken an leckeren Essen ihren Magen knurren. Bekleidet in einem übergroßen Shirt, auf dem ein magisches Einhorn seine Mähne nach hinten warf und einem rotbraunen Vogelnest auf den Kopf, stolperte sie durch das halbdunkle Zimmer, welches sie sich mit Dominique teilte. Von ihrer besten Freundin keine Spur und auch das Bett sah noch genauso aus, wie vor sechs Stunden. Gähnend bückte sie sich nach Kleidung, welche am Boden lag und stellte sich weniger fantasievoll als am Vorabend passende Klamotten zusammen. Erst dann schritt sie mit den kleinen Haufen Stoff ins Bad. Noch halb im Schlaf erinnerte Molly sich an das Fiasko, vor dem sie geflüchtet war. „Pappelerpapp“, sprach sie zu sich selbst und blinzelte mehrmals als sie das Licht anmachte. Der Raum war angenehm warm und sie zog sich ungeniert das übergroße Schlafshirt über den Kopf. Die Fußbodenheizung sprang sofort an und kurz darauf huschte Molly auch schon unter die warme Dusche. Das Wasser verfärbte sich braun, denn sie wusch sich die magische Farbe mit dem passenden Shampoo gründlich aus und begann damit ihre Haut zu pflegen. Irgendwie hatte sie das Gefühl über Nacht um vierzig Jahre gealtert zu sein. Angenehmer Vanillegeruch erfüllte den Raum. Die Kopfschmerzen rückten in den Hintergrund und als Molly nach einer gefühlten Ewigkeit aus der Dusche stieg, war der übergroße Spiegel beschlagen. Die Weasley öffnete die Tür zum Zimmer, sodass der Dunst abzog und begann ihre neue Creme zu öffnen und sich die Haare zu föhnen. Gerade, als sie zu ihrer Zahnbürste greifen wollte, erblickte sie zum ersten Mal an diesem Tag ihr Spiegelbild. Unter ihren Augen lagen Schatten. An sich nichts Verwunderliches. Doch, was sie viel mehr schockierte als ihre starke Blässe, waren die feinen Flecken auf ihrem Hals. „O Merlin“, stöhnte Molly und tastete vorsichtig über die frischen Knutschflecke. „Das ist wirklich passiert?“ Ein letztes bisschen Hoffnung hatte sich daran geklammert, dass sie sich das Ganze nur eingebildet hatte, umso härter war nun der Aufprall zurück in die Realität. Konfus musste sie sich erst einmal auf die Badewanne setzten und zog sich den grauen Pullover über den Kopf. Bekleidet in einer schwarzen Leggins und ebenfalls grauen Stiefeln konnte sie sich zumindest zum Mittagessen begeben. Doch im Moment war ihr alles andere als zum speisen zumute. Die Weasley atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Niemand würde ihr etwas ansehen, dessen war sie sich ganz sicher. Schließlich hatte niemand sie den gesamten Abend über erkannt. Widerwillig ließ sie so ihre Haare offen um das trügerische Gefühl von Sicherheit zu bewahren. Bevor sie sich vollkommen verrückt machte, musste sie zuerst etwas Essen. Danach konnte sie immer noch über sich selbst richten, wenn sie den Wunsch nach einer angemessenen Bestrafung verspürte. Mit müden Gliedern schleppte sie sich durch den leeren Gemeinschaftsraum, huschte durch die kalten Gänge und betrat schließlich die aufgeräumte große Halle. Die Haustische waren wieder da und jegliche Art von Dekoration verschwunden. Das Essen wurde nur spärlich besucht. Eine Hand voll Hufflepuffs stocherte lustlos in ihrem Essen herum, drei Gryffindors gähnten sich gegenseitig an und Slytherin hatte jeweils einen Schüler vorzuweisen. Ravenclaw wurde sogar von einem Schüler bevölkert, der überhaupt kein Rabe war. Geistig abwesend blätterte Fred Weasley in einer Zeitschrift herum und sah noch nicht einmal auf, als sie sich zu ihm setzte. Molly brauchte als erstes einen großen Becher Kürbissaft, erst dann wagte sie es, die Erscheinung ihres besten Freundes zu kommentieren: „Da hatte aber einer eine lange Nacht.“ Fred brummte etwas Unmissverständliches vor sich hin: „Sehr viel besser siehst du auch nicht aus.“ Molly trank den Becher in einem Schluck leer und goss direkt nach, erst dann nahm sie sich ein bisschen Gemüse und ein paar Bruchstücke Baguette. „Erzähl, wie war dein Abend?“, wollte sie wissen und er schlug die Zeitschrift zu. Fred gähnte demonstrativ. „Ganz okay, ich habe viel gegessen, mich mit irgendwelchen Bulgaren unterhalten und halt mit Leuten gequatscht, die ich nicht kannte. Habe dich übrigens vermisst und den ganzen Abend nach einem schwarzen Kleid und einer goldenen Maske Ausschau gehalten und niemanden gefunden, der so aussah.“ Sofort wurde sie rot und hustete um sich wieder in den Griff zu kriegen. „Ich ähm… hatte eine ausgezeichnete Begleitung für den Abend und gar nicht daran gedacht, dich irgendwie zu suchen.“ Wahrscheinlich hätte sie Fred sowieso nicht gefunden. Um das Thema zu wechseln sah sie ihn plötzlich skeptisch an: „Ich dachte, du bist mit einer Hexe zum Ball, schließlich war aus dir kein Wort rauszukriegen.“ Nun war es an Fred rot zu werden und er strich sich mit einer ungewohnten Geste durch die Haare. Fast erschien es ihr als würde er Zeit schinden wollen. Erst als er frustriert seufzte und sich zu ihr rüber beugte, begriff sie, dass sie in ein Staatsgeheimnis eingeweiht werden würde. „Versprich mir, dass du es niemanden sagst, wirklich niemanden! Und am allerwenigsten jemanden wie Dominique Weasley!“ Molly rollte mit den Augen und hob die Hand zum Schwur. Dass sie sich vorkam wie im Kindergarten, erwähnte sie besser erst einmal nicht. Fred holte tief Luft und sie erwartete schon den Skandal schlecht hin. Viel schlimmer, als das was sie sich geleistet hatte, konnte es nicht sein. „Jamie und ich sind zusammen hingegangen.“ Sie blinzelte. „Wir wollten einfach mal wieder Spaß haben und damit er dir nicht direkt in die Arme läuft zum Nachsitzen, habe ich ihm verraten, wie du aussiehst.“ Molly wartete. „Na ja und wir haben… es ähm… krachen gelassen.“ Sie runzelte die Stirn. „Krachen gelassen in welcher Form?“ Statt zu antworten grinste Fred nur vieldeutig und sie war schonungslos ihrer Fantasie ausgesetzt. Empört wollte die Schulsprecherin ihn zu Recht weisen als ein echter Wirbelwind ihren Tisch streifte. Blond, erhaben und mit einem diabolischen Lächeln auf den Lippen baute sich Dominique vor ihnen auf. Mit Neid musste Molly feststellen, dass man ihrer besten Freundin überhaupt nicht ansah, dass sie die letzte Nacht gefeiert hatte. Sie sah eher danach aus, als hätte sie ein entspanntes Wochenende auf einer Wellnessfarm hinter sich. Mit beiden Handflächen schlug sie unbarmherzig auf die Tischplatte und Molly zuckte zusammen, während Fred instinktiv nach ihrem vollen Becher griff, damit er nicht überschwappte. Molly fasste sich an den Kopf, denn die Kopfschmerzen kehrten zurück. „Ihr werdet nicht glauben, was ich da eben gehört habe!“, begann Dominique mit schriller Stimme, die sich an Freude fast überschlug. Fred sah sie entnervt an: „Das du in den nächsten drei Minuten tot umkippst?“ Dominique beachtete ihn gar nicht, sondern schenkte Molly ihre ganze Aufmerksamkeit. Die blauen Augen der Veela strahlten. „Stell dir vor, Eisklotz Malfoy hat Rose seine Liebe gestanden.“ Fred verschluckte sich an seinem Kaffee, während Molly im ersten Moment nicht reagierte. „Was hast du gesagt?“ Die Veela ließ sich neben ihr nieder und versuchte es mit englisch für Begriffsstutzige: „Malfoy – Rosie – ich liebe dich!“ Stille, dann riss Molly die Augen auf und quietschte: „Ist nicht war! Der Scorpius Malfoy?“ Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihre schüchterne Cousine und den Schwarm sämtlicher Mädchen. Wo der Slytherin lang ging, verwandelte sich der Boden in Gold und wo Rose lang stolperte, wurde der Boden zur Todesfalle. „Zu schade, dass ich das verpasst habe.“ „Ich konnte es auch nicht glauben“, ereiferte sich Dominique strahlend. „Denn wer hätte gedacht, dass der große Scorpius Malfoy auf Mauerblümchen steht?“ Wieder quiekten sie, als hätten sie vollkommen den Verstand verloren. Eine Tatsache, die nicht verleugnen konnte, dass Molly durchaus Spaß an Klatsch und Tratsch hatte. „Wann, wo, wie?“, begann sie atemlos, doch bevor Dominique antworten konnte, mischte sich Fred mit gelangweilter Stimme ein: „Anstatt hier so rumzuspinnen, würde ich an deiner Stelle schon einmal alle Türme absperren, falls Lily mit dem Gedanken spielt sich dort runter zu stürzen.“ Molly blickte ihn verständnislos an, dann sah sie mit Entsetzen auf ihre beste Freundin. Doch die Blonde winkte nur lässig ab: „Lils heulte erst rum wie ein Wasserspeier, nun hat sie sich wieder so weit im Griff, wie man es von ihr erwartet.“ Skeptisch hob Molly eine Augenbraue: „Was bedeutet das im Klartext?“ – „Sie ignoriert die Realität und himmelt Prinz Malfoy weiter dümmlich aus der Ferne an.“ Während Fred schmunzelte, wollte Molly so viele Details aus der Gerüchteküche wissen, dass sie noch nicht einmal den wachsamen Blick ihrer besten Freundin bemerkte. Diese erläuterte, niemand würde wissen, wo sich Rose nun befand. Molly verfluchte sich dafür, nicht dabei gewesen zu sein, als sich ein Malfoy öffentlich dazu bekannte eine Weasley zu mögen. „Sag mal Mollylein“, begann Dominique mit zuckersüßer Stimme, bei der die Schulsprecherin leicht nervös wurde. „Ist es das, was ich vermute?“ Die Hand ihrer besten Freundin wanderte zum Kragen ihres grauen Pullovers. Sofort wehrte Molly ab und rutschte von ihr weg. Plötzlich lachte Dominique hysterisch los und zog so sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Sofort „psste“ Molly sie hastig an und die Blonde hustete um ihre Belustigung zu verbergen. Fred schmunzelte und das kleine Grüppchen rutschte näher zusammen. „Hör bitte auf hier so einen Aufstand zu machen“, bat die Schulsprecherin mit roten, beschämten Wangen. „Knutschflecke, oh Rowena wie niedlich“, ereiferte sich Dominique vollkommen begeistert, auch Fred reckte nun den Kopf und sie konnte seine Neugier förmlich greifen. „Also, wer ist der Kerl, den du gestern aufgerissen hast?“ „Keine Ahnung“, gab Molly schließlich zu und wurde unter den Blicken ihrer Freunde immer kleiner. „Wirklich, ich schwöre! Falls ihr euch erinnert, Maskenball = Gesicht unkenntlich.“ Zum zweiten Mal an diesem Tag, wie sie unnötigerweise feststellte, hob sie die Hand wie ein Indianerbruder von Winnetou. Ach wäre sie besser im Bett geblieben! „So, so“, sprach Dominique höhnisch. „Erzähl doch mal, wie war es?“ „Ich habe ihn nur geküsst und so“, versuchte sie sich rauszuwinden und hoffte, man würde ihr diese kleine Notlüge erlauben. Da ihre beiden besten Freunde schwiegen und Freds Gesichtsfarbe merkwürdig fahl geworden war, tat Molly das einzig vernünftige, was ihr einfiel. Sie erhob sich vom Tisch und ließ verlauten, dass sie sich um einige Pflichten zu kümmern hatte. Eilig verließ sie die große Halle und spürte die Blicke der Beiden im Nacken. Auf dem Korridor angekommen, blieb sie ratlos stehen. Ihr Herz pochte aus unerklärlichen Gründen bis zum Hals. Na toll! Zurück in den Ravenclawturm wollte sie nicht, schließlich würde Dominique sie früher oder später in die Mangel nehmen. Besser später, fand sie und beschloss die Zeit in den Räumen der Schulsprecher totzuschlagen. Scamander würde gewiss nicht anwesend sein. Sie hoffte es zumindest. Vielleicht hatte er ausnahmsweise einmal in Rose´s Anwesenheit die Puppen tanzen lassen, aber angesichts des Malfoy-Desasters, machte sie sich selbst einen vor. In Molly keimte die Frage auf, ob sie tatsächlich wissen wollte, wer der Kerl unter der Maske war. Trotz aller Peinlichkeit hatte er ihr wirklich lustvolles Vergnügen geschenkt. Nicht, dass sie diesen Fauxpas direkt wiederholen wollte, aber bereits beim Tanz hatte er bewiesen, das er auch ein durchaus angenehmer Gesprächspartner sein konnte. Gleichzeitig fragte sie sich, wie sie ihn überhaupt finden sollte, denn Hogwarts hatte insgesamt sicherlich dreißig Schüler, die dafür in Frage kommen würden. Irgendwo schepperte etwas und Molly fuhr herum. Überrascht sah sie, wie James Potter fluchte und genervt mit dem Zauberstab gegen mehrere Kisten tippte, die zu Boden gestürzt waren und Dekoration beinhielten. Er sah müde und erschöpft aus, weshalb sich Molly dazu herabließ sich bemerkbar zu machen. „Kann ich dir helfen?“ Überrascht und zugleich erschrocken sah James sie an und sie bemerkte, dass er irgendwie einen ziemlich unglücklichen Eindruck machte. Verwirrt darüber, beugte sie sich zu einer Kiste herab, aus der mehrere weiße Schleifen gefallen waren. Für James gab es doch überhaupt keinen Grund, so missmutig zu sein, schließlich war sie ihm gestern doch gar nicht über den Weg gelaufen und er hatte die Party genießen können. „Hey“, begrüßte er sie trocken und machte ein ernstes Gesicht. Scheinbar musste er sich konzentrieren alle Kisten gleichzeitig in der Luft halten zu können. „Brauchst du Hilfe?“, fragte sie zum zweiten Mal und er schüttelte knapp den Kopf: „Das Zeug soll nur so schnell wie möglich in die Räume der Schulsprecher.“ „Dann kann ich dich begleiten“, sprach Molly mit einem Lächeln, sie war überrascht, dass ihr Cousin nur schwieg und keinen derben Witz riss, wie es sonst seine Art war. Stattdessen trappten sie schweigend nebeneinander her. Diese seltsame Stille machte Molly nervös. Schließlich wollte sie diesen Trübsal verscheuchen: „Seltsam, dass ich dich gestern nicht zum Nachsitzen verdonnern konnte.“ Und zum ersten Mal legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. Er grinste leicht: „Dank Freddy wusste ich ja, wie du aussiehst und habe mich des Öfteren dezent verdrückt.“ „Sehr witzig“, sprach sie nüchtern, doch er schenkte ihr einen gespielten ernsten Blick: „Du musst selbst zugeben, dass du schlimmer bist, als ein Sturm, der dabei ist sämtliche Deiche einzureißen.“ „Was für ein reizender Vergleich“, brummte die Schulsprecherin und ging direkt einen Schritt schneller. James bemerkte sofort, dass er sie sichtlich verstimmt hatte: „Ach komm schon Molly, du weißt, wie ich das meine. Besser so, als wenn ich dich tote Zeitzone nennen würde.“ Überschwänglich riss sie die Tür zum Raum der Vertrauensschüler auf und bemerkte zu ihrem Glück, dass sie alleine waren. Keine Spur von Scamander-Perfekt. Umso besser. James stolperte hinter ihr herein und sie zeigte ihm, wo sie die Kisten abstellen konnte. „Tote Zeitzone, wo hast du das wieder her?“ Die gute Laune schien zurück gekehrt zu sein: „Auch wenn ich nicht so aussehe, so beherrsche ich doch die Fähigkeit des Lesens.“ Nun musste die Weasley lachen und half ihm die Kisten zu stapeln. James verblüffte sie allerdings ein zweites Mal. „Deine ganzen toten Dichter kenne ich übrigens. Sie geben ein seltsames Englisch von sich, aber irgendwo sind sie auch ganz interessant.“ „So?“, sie hob eine Augenbraue. „Welche toten Leute kennst du denn?“ Gerade, als er antworten wollte, öffnete sich die Tür erneut und ein weiterer Päckchenschlepper glitt in den Raum. Jedoch nicht ohne sich vorher noch den Fuß am Türrahmen zu stoßen, weil seine Augen aufmerksam an den schwebenden Kisten hafteten. Mit Lysander Scamander hätte sie in diesem Augenblick am wenigsten gerechnet. Fluchend humpelte er ein paar Schritte und ließ zu, dass sämtliche Kisten zu Boden stürzten. „Verfluchte Eulenscheiße!“, sprach er ungehalten und Molly konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. „O je“, sie ging auf ihn zu und fragte: „Alles in Ordnung, oder hast du Blut im Schuh?“ Es klang, wie ein Zitat der Tauben, an denen der Prinz aus Aschenputtel mit der falschen Braut Heim ritt. Der Slytherin ließ sich auf der Couch am feuerlosen Kamin nieder. „Geht so“, antwortete er ungehalten und James ließ sich neben ihm fallen: „Es ist immer wieder eine Ehre von deinem Bruder versklavt zu werden.“ Der sarkastische Unterton blieb dabei nicht unbemerkt. Um eine Lästerei zu verhindern, wollte Molly wissen, ob Lysander einen angenehmen Abend verbracht hatte. Er sah ziemlich fit aus, keine Augenränder, keine Blässe, irgendwie so, als hätte er die Nacht ruhig und frühzeitig geschlafen und keinen einzigen Tropfen Alkohol zu sich genommen. „Ganz gut“, sprach der Zwilling mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht. „Ich habe viel getanzt, was getrunken und die ganze Veranstaltung sehr genossen. Hätte nicht gedacht, dass so gute Musik laufen würde.“ James nickte zustimmend und Molly war erleichtert darüber, dass es auch den eher wilden Leuten in Hogwarts gefallen hatte. Abwechslungsreich und vielseitig sollte das ganze Programm werden. Die Weasley sah auf die umgefallenen Kisten und den ganzen Kramzeug, der herausgefallen war. Was sollten sie mit der Menge Kerzen, Tischtücher und magisch haltbaren Blumenbestecken? Während sie sich den Zauberstab von James lieh und versuchte Ordnung zu schaffen, wechselten die beiden Jungen wieder das Thema. „Ich bin echt davon ausgegangen, das Lorcan sich heute mal ein bisschen locker macht, aber stattdessen tyrannisiert er uns mies gelaunt durch die Korridore“, ereiferte sich Lysander. „Und mal ehrlich, der Mist hätte auch bis morgen warten können.“ James streckte die langen Beine aus: „Ich würde sagen, die Malfoy-Sache hat ihn ziemlich viele Nerven gekostet.“ Alarmiert drehte sich Molly um. „Kam es zum Duell?“ „Zwischen Lily und Rose?“, plapperte der Potter dümmlich und sie schnaubte: „Nein, zwischen Scamander und Malfoy!“ Hatte sie an diesem Abend wirklich nichts mitbekommen? Der Typ musste ihr ja ordentlich den richtigen Riecher für Ärger verstopft haben. Verdutzt sahen die beiden Trantüten sie an und kurz hatte sie das Gefühl die beiden würden sich ein Gehirn teilen. Lysander war der Erste der antwortete: „Pff, als wenn Lorcan sich duellieren würde, ich glaube dazu hat er gar nicht die Courage.“ „Wir können uns gerne nach draußen begeben und du kannst es überprüfen“, sprach eine dritte Stimme und alle sahen sie erneut zur Tür. Molly hob beide Augenbrauen als sie den Schulsprecher betrachtete. Er sah müde und mitgenommen aus. Eine Erscheinung, die sie zum ersten Mal an ihm beobachtete. Brummig schwang er seinen Zauberstab und acht weitere Kisten stapelten sich am Bücherregal. So ungehalten und schlecht gelaunt hatte sie ihn noch nie erlebt und seltsamer Weise machte es ihn irgendwie sympathisch. Abwehrend hob Lysander die Hände: „Hey, musst nicht gleich alles wörtlich nehmen, nur weil du die Nacht unter einem Tischtuch verbracht hast.“ James lachte, während Molly so gut wie nichts verstand. Schwerfällig erhob sich der Potter und klopfte dem Schulsprecher auf die Schulter: „Nimm es dir nicht so zu Herzen, aber einen kleinen Rausch hat jeder mal, die einen früher, die anderen später.“ Er nickte Molly knapp zu und wartete darauf, dass sich auch der Slytherin von der Couch erhob. Nur widerwillig kam er diesem Drängen nach und konnte den Fuß immer noch nicht richtig aufsetzten. Von Lorcan erntete er einen missmutigen Blick und lachte zufrieden. An der Tür hielt Lysander jedoch noch einmal inne: „Übrigens Weasley.“ Sie sah ihn an und er zwinkerte: „Ein hübsches Kleid hast du gestern getragen.“ Noch bevor sie sich verwirrt bedanken konnte, huschte er auch schon in den Flur hinaus. Molly seufzte. Schön, dass das große Fest ein voller Erfolg war, aber wie es scheint waren nicht alle heile durch die Party gekommen. Hinter ihr stöhnte der männliche Teil des Schulsprecherparts und sie sah, dass er sich langsam in dem Sessel sinken ließ. In der linken Hand hielt er die Liste mit dem Dekokram. Er war wirklich ein Workaholic, schrecklich. Statt etwas zu sagen, schwieg Molly und setzte sich an ihrem Schreibtisch. Nun, was sollte sie jetzt machen? Um irgendwelche wichtigen Dinge durchzugehen, fehlte ihr die Konzentration und Scamander würde sicherlich wieder irgendeinen nichtigen Fehler finden und dann dürfte sie alles noch einmal machen. Nein danke, die Arbeit wollte sie sich sparen. Stattdessen kreisten ihre Gedanken um jenen Abend. Irgendwie war ihr nicht ganz wohl zumute als sie daran dachte, dass sie nie erfahren würde, wer jener Junge gewesen war. Das ganze würde wohl zu einem einmaligen Erlebnis ausarten. Plötzlich und ganz ohne Vorwahrnung fuhr ihr ein Schock durch die Glieder. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und vor ihrem geistigen Auge spielte sich noch einmal jene Szene zum Raum der Wünsche ab. Nein. Nein! Nein! Er hatte sie Molly genannt! Verflucht! Wieso war ihr das nicht direkt am Abend aufgefallen? Zu der Panik schob sich die Tatsache, dass jener Kerl ganz genau gewusst hatte, wer sie war. Ihre Fingerspitzen wurden kalt und irgendwie stieg Übelkeit in ihr auf. Erwusstewersiewar. Erwusstewersiewar. Erwusstewersiewar! Und sie wusste nichts! Am liebsten hätte sie ihre Stirn auf die Tischplatte fallen gelassen. Stattdessen begnügte sie sich damit, sich an den Kopf zu fassen und die Augen zu schließen. Was hatte sie nur getan? Würde er darüber tratschen? Nein, dass konnte sie sich nicht vorstellen. Aber was war dann seine Absicht? Molly starrte auf das leere Blatt Papier. Sie würde es wohl herausfinden müssen, aber vorerst müsste sie einen Plan haben, mit wem genau sie es eventuell zu tun gehabt haben könnte. Mit zitternder Hand griff sie zur Feder und tauchte diese vorsichtig in ein Tintenfass, dann begann sie sämtliche Jungenamen runter zu schreiben, die den sechsten oder siebten Jahrgang besuchten. Dabei strich sie Albus und Malfoy konsequent durch. Beide hatten ein Alibi. Am Ende blieben ihr Sage und Scheibe 38 Namen. Molly verzweifelte und schluckte heftig. Sie zwang sich ruhig zu bleiben und logisch zu denken. Wer von diesen 38 Leuten hätte wissen können, wie sie aussah? Sie strich Name um Name durch. Louis fiel weg, Leppin, Anderson, Blythe… Am Ende hatte sie noch knapp zehn Namen. Auch diese wurden gekürzt, schließlich war John McBeal kleiner als sie, Robert Monore zu dick und Richie Harper lag seit gestern Abend im Krankenflügel. Molly unterdrückte einen Schluckauf. Louis Weasley Richie Harper Fred Weasley John McBeal Robert Monore Lysander Scamander Albus Potter James Potter Lorcan Scamander Scorpius Malfoy Demonstrativ hatte sie ihren Schulsprecherpartner durchgestrichen, so war er doch schließlich die Begleitung ihrer Cousine gewesen und hatte den Abend betrunken unter einem Tisch verbracht. Blieben also noch drei. Molly tippte mit der Spitze der Feder immer wieder auf das Papier und hinterließ Tintenflecken. Fred. Ja war sie denn von allen guten Geistern verlassen? Ihr bester Freund würde sich doch niemals so einen makaberen Scherz erlauben, außerdem, wenn sich zwischen ihnen irgendetwas verändert haben sollte, dann hätte sie das doch bemerkt. Molly konnte sich nicht helfen, aber Fred benahm sich wie immer und sollten sie tatsächlich miteinander geschlafen haben, so würde er sie doch anders behandeln. Die Weasley neigte den Kopf. Auf der anderen Seite war er plötzlich ganz blass geworden als sie ihm erzählt hatte, dass sie mit einem Jungen auf gut englisch rum gemacht hatte. Nun war sie verwirrt und schüttelte den Kopf, um diesen absurden Gedanken loszuwerden. Sie widmete sich den nächsten Namen und spürte, wie sich ihr Magen zusammen zog. Lysander. Auch das war so ziemlich ausgeschlossen. Molly argumentierte mit sich selbst und die Liste, warum Lysander es nicht war, erwies sich jedoch als erschreckend kurz. Er saß ständig bei ihr nach. Was natürlich ein Argument für ihn war, denn vielleicht tat er das Ganze ja auch nur weil er – Molly wagte es kaum, den Gedanken zu Ende zu führen – weil er sie mochte, irgendwie. In ihrer Nähe war er immer vorbildlich, hin und wieder auch dreist, aber alles in einem benahm er sich nicht annähernd so schrecklich, wie manche Vertrauensschüler gerne erzählten. Der nächste Punkt war die Tatsache, dass er, genau wie James, gewusst hatte, wie sie aussah und schon war sie bei ihrem letzten Kandidaten. James. Ohne sich beherrschen zu können, lachte sie laut und verschluckte sich fast als sie den missmutigen Blick Scamanders begegnete. Das war doch völlig absurd, was sie hier trieb. Als wenn James solche Gedanken ihr gegenüber hegen würde. Er dachte viel eher daran, welche Möglichkeiten es noch gab ihr auf den Geist zu gehen. Außerdem, James Potter? Wer würde das schon glauben! Niemand! Er würde doch nicht mit seiner eigenen Cousine schlafen. Molly griff sich an die Stirn und starrte hypnotisiert auf das Blatt vor sich. Doch würde er. Sie erinnerte sich daran, dass Dominique bereits in seinen Genuss gekommen war. Zumindest wenn sie ihrer besten Freundin glauben konnte und das tat sie. Zum Henker, manchmal verfluchte sie es, bei intimen Details im Bilde zu sein. Zum Glück hatte das in den letzten Monaten rapide nachgelassen. Ob sie das angesichts ihres Chaos gut finden sollte, wusste Molly noch nicht, denn sie war sich sicher, dass Dominique ihr bestimmt weiter helfen konnte. Denn vielleicht wusste sie, welcher Junge ein magisches Tattoo in Form eines Springers auf seiner Schulter hatte. Das Tattoo brachte Molly auf eine Idee. Sie musterte noch einmal die Liste und ging sämtliche Namen durch. Das Einzige, was sie tun musste, war zu überprüfen, ob einer der drei ein Tattoo hatte und es wäre doch gelacht, wenn sie das nicht hinbekommen würde. Schließlich stand zwischen ihr und der Wahrheit lediglich ein Pullover oder Shirt. Trotz des mutigen Entschluss wollte die Weasley nicht daran denken, was sie tun wurde, wenn wirklich einer der drei Kandidaten besagter Junge wäre. Von Fred wäre sie wohl mehr als enttäuscht, bei James und Lysander würde sie schlucken müssen. Die Schulsprecherin riskierte einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es spät geworden war. Fred würde sie sich morgen als erstes vorknöpfen und wenn es sein musste mit Gewalt. In ihrem Kopf malte sie sich auch direkt ihre Vorgehensweise aus. Er würde überhaupt nicht drum herum kommen ihr die Wahrheit zu sagen. Zum ersten Mal in ihrem Leben war Molly froh, dass ihr Vater sie als Kind immer so dermaßen in die Enge getrieben hatte, wenn sie etwas aufgefressen hatte, dass sie sich diese Methoden nun selbst beherrschte. Entkommen würde er ihr ganz gewiss nicht. Möglichst leise erhob Molly sich, denn sie sah, dass Scamander-Perfekt im sitzen mit den Blättern in den Händen eingeschlafen war. Sie lächelte und schlich so lautlos, wie sie nur konnte zur Tür. Mit jemand, der einen Kater hatte, war aus Erfahrungen mit Dominique nicht zu spaßen. Das Abendessen schenkte sich Molly und schlug direkt den Weg zum Ravenclawturm ein. Es war seltsam ruhig und auch im Gemeinschaftsraum saßen nur ein paar Erstklässler, die im letzten Augenblick noch Hausaufgaben machten und ein Duo an Vierklässlern, die eine Runde Zauberschach spielten. Molly liebte es, sich im Gemeinschaftsraum aufzuhalten, wenn es so leer war, aber im Moment wollte sie nur noch in ihr Bett und die ganzen Wendungen noch einmal überdenken. Sie trappte in das dunkle Zimmer, in dem nur eine Lampe auf dem Nachtisch Licht spendete und sah, dass Dominique sich bereits Bettfertig gemacht hatte. Die Veela strich sich durch das lange Haar und sah sie musternd an. „Kein Wort, bitte.“ Molly schlüpfte aus ihrer Alltagskleidung und ließ sich schließlich Rücklinks auf ihr Bett fallen, dann fuhr sie wieder hoch. Mist! Die Liste, sie hatte diese auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Ihr Herz raste und sie zwang sich vernünftig zu denken. Scamander war eingeschlafen und würde sicherlich besseres zu tun haben als sich ihre dämliche Liste anzusehen und etwas rein zu philosophieren. Molly begegnete den Blick ihrer besten Freundin, sie grinste und die Weasley gab auf. „Was willst du wissen?“ „Alles!“, hauchte Dominique freudig und hopste zu ihr aufs Bett. Molly stöhnte und entschloss sich, zu erzählen. Dabei erwähnte sie auch das magische Tattoo und beobachtete, dass eine feine blonde Augenbraue. Na toll. Wie es aussah, hörte die Veela zum ersten Mal davon und so ging die Unterstützung irgendwie flöten. Das Einzige, was Molly ausließ, war der innere Kreis, der sich aus drei Jungen zusammenformte. Zum Gespött wollte sie sich wirklich nicht machen und Dominique schien das zu verstehen. „Hmm…“, machte sie am Ende der Erzählung. „Irgendwie gruselig, dass er wusste, wer du bist. Hast du denn schon eine Vermutung, um wen es sich eventuell handeln könnte?“ Sie nickte und die Blonde riet ihr dazu, der Vermutung auf den Grund zu gehen, dabei grinste sie allerdings anzüglich. „Und wer weiß, wer weiß, vielleicht wird unsere kleine Molly dann doch noch der Typ für eine Affäre.“ Peinlich berührt griff diese nach einem Kissen und warf es Dominique an den Kopf, diese konterte lachend und als die ersten Federn durch die Luft flogen, fragte Molly sich, ob sie sich eine Affäre wirklich vorstellen konnte. Die Antwort war: Sie wusste es nicht. Vorerst bestand ihr Plan darin, besagten Darcy-Typen zu finden. Das sie sich damit noch tiefer ins Chaos stürzte, war Molly in diesem Moment noch nicht bewusst. - Fortsetzung folgt - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)