Die Bruderschaft der Masken von Pokerface (Wichtelgeschichte für Finicella) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Hallo Finicella! Ich hoffe, die Welt, die ich dir erschaffen habe, ist schräg genug. Ich zumindest hab mir alle mögliche Mühe gegeben, was ich mir für dich erdacht habe, dementsprechend auf’s Papier zu bringen. Es hat mir eine Wahnsinns Freude bereitet, diese Geschichte zu schreiben, da sie nicht in dem Genre bzw Feld liegt, in dem ich mich normalerweise bewege, ist aber -meiner Meinung nach zumindest- nicht total grauenhaft und schlecht geworden. Ich hoffe, dass es dir genau soviel Spaß macht, sie zu lesen, wie es mir Spaß gemacht hat, sie für dich zu schreiben. Kleine Sache noch: »Seu« ist eine eher vertrauliche aber dennoch höfliche Anrede im brasilianischen Portugiesisch. Viel Spaß und danke für das außerordentliche Vergnügen :) Ich muss falsch gelaufen sein, dachte sich Vince, als er durch die Straßen ging und wieder mal seine Umgebung betrachtete. Stahl schien aus Beton zu wachsen, jedes Gebäude glich dem Nächsten und gleich einer Seuche verbreitete sich die graue Effizienz in der Stadt. Irgendwo musste er falsch abgebogen sein, denn das hier … war nicht sein Leben. Was sich ihm hier als Realität präsentierte, wirkte auf Vince eher wie eine verzerrte Spiegelung von dem, was früher mal sein Leben gewesen war. Und das alles Dank der Minz-Revolution … Vince war zehn Jahre alt, als das Ganze begonnen hatte. Bahia-Corporations, einer der größten Industriekonzerne Brasiliens, hatte die Forschungsgruppe MINZ gegründet, die mit der finanziellen und vor allem technischen Unterstützung ihres Gründers schnell zum weltweiten Gesprächsstoff wurden. Ihr Ziel war es, dem individuellen Menschen der Höchstmaß an einem hedonistischem Lebensstil zu bieten, soweit es ihnen möglich war; Und zwar, in dem sie nach einer Möglichkeit forschten, wirklich alles maschinell herzustellen. Nicht nur die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz sollte so weit revolutioniert werden, dass kein einziger Mensch zur Überwachung der Produktion nötig sein würde, man wollte sogar Mutter Natur besiegen und einen Weg finden, jegliche Wachstumsvorgänge in einer Maschine nachzustellen, sodass am Schluss nur die reife Frucht hervor kam. Verlacht in den seriösen Forschungskreisen, wurde die kleine Forschungsgruppe schnell vergessen. So lange, bis die erste, von einer Maschine hergestellte Kokosnuss auf den brasilianischen Markt kam. Damit hatte MINZ den ersten Stein ihrer Revolution ins Rollen gebracht. Der erste Stein, der Vince in sein Verderben führen sollte … Seit dieser bahnbrechenden Errungenschaft waren gut zwanzig Jahre vergangen und das Land, in dem der junge Mann aufgewachsen war, war nicht mehr wiederzuerkennen. Alles, für das man auch eine Maschine entwickelt hatte, die einen natürlichen Vorgang reproduzieren konnte, wurde inzwischen ersetzt. Deshalb sah man statt Bäumen seltsame, graue Säulen, die die Luft filterten. Jegliches Wild wurde schon längst ausgerottet, denn man konnte es genau so gut herstellen. Und um Schädlinge musste man sich Dank einer verbesserten Version der Stahlbäume auch keine Sorgen mehr machen. So war Vince’ Heimat bis ins letzte, effiziente Detail perfektioniert worden. Nur das Wetter natürlich hatten sie noch nicht in den Griff gekriegt, dachte er sich, als er sich mit der Hand über die Stirn wischte. Es waren die heißeren Tage des Jahres; zumindest glaubte das Vince. Aber mit den ganzen Veränderungen, die hier vorgegangen waren, hatte man die Sonne vollkommen vergessen. Die Sonne und die Kunst. Kunst war, so wie das Wetter, etwas, das Trotz den eifrigen Bemühungen der Minz-Revolution noch nicht entschlüsselt werden konnte, zu Vince’ Leidwesen. Denn konnte er nur schlecht ohne Sonne leben, so war es ihm schier unmöglich, ohne Kunst zu leben. Und das war der hauptsächliche Grund, warum er sich immer wieder dachte, dass er irgendwo falsch abgebogen sein musste. Denn aus einer Welt, in der er frei seiner Leidenschaft nachgehen konnte, wurde eine Welt, die jegliche Kunst verbat, die nicht vorher staatlich geprüft worden war. So war aus Vince ein Mensch geworden, der sich dafür schämen musste, was er war: Schriftsteller. In leicht gebeugter Haltung ging Vince durch die Straßen und versuchte, keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen. Seine Hand fummelte nervös am Krempel seines Sakko, als er an einem großen Mann vorbei kam, der an einer Laterne stand und einfach nur sinister aussah. Kurz blickte Vince nach links und rechts, dann zeigte er dem Unbekannten den Ärmel seiner Jacke, ließ den Arm anschließend aber sofort wieder sinken. Weder sah ihn der Mann an, noch zeigte er irgendeine Regung und der Schriftsteller hatte gelernt, dass das ein gutes Zeichen war. Er hatte noch nie versucht, sich unrechtmäßig Zugang zur Bruderschaft zu verschaffen, aber er nahm an, dass die Wächter dann nicht regungslos an ihrem Posten stehen würden. Wieder spielten seine Finger an dem Krempel und Vince musste sich selbst zur Ruhe ermahnen. Eigentlich konnte er immernoch jeder Zeit erwischt werden. Der Gedanke ließ seinen Blick weiter kreisen, während er die Rückseite eines hohen Gebäudes ansteuerte. An der Seite der Treppe, die hinauf zum Hintereingang des Gebäudes führte, blieb Vince stehen, sah sich noch einmal um, bevor er dann durch eine kaum sichtbare Türe in der eisernen Treppe verschwand. Eine beruhigende Kälte umgab den Schriftsteller mit einem Mal und wie immer fühlte er sich so, als wäre eine Tonnen schwere Last von ihm gefallen. Einige Atemzüge lang lehnte sich Vince an die Türe hinter ihm. Inzwischen wieder leichteren Schrittes durchquerte Vince die kleine, kahle Eingangshalle und betrat den nächsten Raum: Das Kunstatelier. Eine Zuflucht und ein sicherer Hafen für alle Künstler in diesem Land, die wie er, keine andere Wahl hatten, als Kunst zu schaffen. Kaum hatte er das Atelier betreten, begrüßten ihn einige Mitglieder der Bruderschaft, eine Gemeinschaft, die vor vielen Jahren ins Leben gerufen wurde, um Künstlern außerhalb der Forschungsateliers einen Raum zu geben, um ihre Kunst zu leben. Vince war es schleierhaft, wie der Neid auf den kreativen Prozess so groß werden konnte, dass man zu solchen radikalen Maßnahmen griff und Künstler wie eine eigene Rasse behandelte; Und sie so wiederum zu verzweifelten Taten trieb. »Seu Vince, schön, Sie wieder einmal hier zu sehen!«, wurde der Schriftsteller von einem älteren Mitglied begrüßt und so aus seinen Gedanken gerissen. Vince sah den älteren Herren an und musste sich zusammen reißen, ein freundliches Lächeln zu bewahren. Wie viele andere Künstler und Mitglieder, trug der Mann über Nase und Mund eine Art OP-Maske; ein weiteres Gesetz, das mit der Minzrevolution kam. Da man den kreativen Prozess noch nicht erfolgreich reproduzieren konnte, arbeitete man unter der Annahme, dass es etwas in dem Individuum Künstler war, ein Genstrang oder Ähnliches, das diesen Prozess leitete oder unterstützte. Um auf Nummer sicher zu gehen, war es jedes registrierten Künstlers Pflicht, eine Atemschutzmaske zu tragen, um mögliche Kontaminierung zu verhindern. Vince musste schnauben. Sein Gesprächspartner unterbrach sich mitten im Satz und sah ihn fragend an. »Stimmen Sie dem etwa nicht zu?«, fragte er etwas zurückhaltend und der Schriftsteller musste zugeben, dass er ihm gar nicht zugehört hatte. »Nein, es geht nicht darum«, antwortete Vince vage. »Finden Sie es nicht seltsam, dass hier fast alle Versammelten hier ihre Masken tragen, als sei sie irgendein Symbol?« Der alte Mann schien sichtlich verwirrt. »Nun … Es ist unsere Pflicht, sie zu tragen. Sie zeichnet uns aus«, sagte er mit einem Zögern in der Stimme, als dachte er das erste Mal über die Bedeutung der Masken nach. »Aber dafür wurde doch die Bruderschaft gegründet! Damit wir frei unsere Kunst schaffen und teilen können, ohne die ständige Überwachung in den Forschungsateliers. Diese Masken«, mit einer wütenden Bewegung zog Vince seine eigene Maske aus seiner Jackentasche und wedelte damit herum, »gehören doch zusammen mit diesen Verbot zu den Instrumenten der Unterdrückung!« Alle Blicke, manche neugierig, die meisten aber skeptisch, fixierten sich auf den Schriftsteller, als dieser weiter seine Stimme erhob. »Wir gehen ein großes Risiko ein, jeder einzelne von uns, der hierher kommt, ein viel größeres Risiko, als wenn man sich ohne Maske bewegt. Vor allem in unseren eigenen Reihen! Hatten Sie denn nie die Angst, jemals entdeckt zu werden?« Einen Moment fühlte Vince sich schuldig, als der Mann vor ihm mit bekümmerter Miene (soweit er das mit der Maske beurteilen konnte) einen Schritt zurück trat. Es hatte geklungen, als hätte er ihn persönlich angesprochen, wenn auch seine Worte an alle gerichtet waren. Er sah sich um, die Aufmerksamkeit des ganzen Ateliers gehörte inzwischen ihm, doch machte niemand Anstalten, sich zu äußern. Waren sie wirklich so in diesem System verfahren, dass sie die auferlegten Gesetze als Privilegien sahen? Warum dann das Risiko einer Verbindung wie der Bruderschaft eingehen, wenn man nicht mal mehr den Mut hatte, diese verfluchten Masken abzunehmen? Jemand zu Vince’ Rechten räusperte sich auffällig. Eine Frau trat einen Schritt vor und sah sich zuerst in der versammelten Menge um, bevor sie den Schriftsteller ansah. »Sie sprechen durchaus valide Kritikpunkte an, Seu Vince. Ich persönlich habe mir auch schon Gedanken in der Richtung gemacht und glaube, sie treffend in meiner neusten Bilderreihe wiedergegeben zu haben.« Da war er. Der Grund, warum diese Bruderschaft nicht mehr als eine Farce war, warum sich Vince trotz der gemeinsamen Sache auch hier wie ein Außenseiter fühlte. Eitelkeit. Mit dem Verbot der Kunst war natürlich auch die Prestige und der Ruhm, die manchen Artisten zu Teil wurden, weggefallen; Eine Tatsache, an der sich Vince nicht störte. Doch andere in diesen Kreisen schien genau das zu suchen: Anerkennung und nicht Freiheit. Mit dieser Erkenntnis kam ein Gefühl von überwältigender Einsamkeit. Diese Menschen waren nicht wie er. Sie hatten nicht dieses quälende Drängen in sich, dass nur durch Schaffen gestillt werden konnte. Er hatte keine andere Wahl als zu schreiben, doch wirkte es auf Vince so, dass er mit diesem Gefühl alleine war. Vielleicht hatte er überreagiert. Dieser Gedanke verfolgte Vince einige Tage, in denen er Abstand von der Bruderschaft genommen hatte. Vielleicht waren an dem Tag einfach nicht die richtigen Leute anwesend gewesen, die seine Sorgen teilten. Noch einige Tage verstrichen, bevor er sich wieder auf den Weg zum Versteck der Bruderschaft begab. Dieselbe Angst wie bei jedem anderen Besuch begleitete Vince auf Schritt und Tritt und ließ ihn sich immer wieder umsehen. Heute schien etwas Seltsames im Gange zu sein. Alles kam Vince besonders verdächtig vor, wenn er sich durch die Stadt schlich, doch diesmal schien dieses Gefühl um ein vielfaches intensiver. Seine rechte Hand in seiner Hosentasche hielt die Maske umklammert, als er den einstudierten Weg entlang lief, doch er wurde unmittelbar gestoppt. Der Wächter, der unter dieser Laterne stehen sollte, war … verschwunden. Panik kam in Vince auf, als sein Blick die Umgebung absuchte. Er war immer hier gestanden und dass er jetzt nicht da war, konnte nur Schlimmes bedeuten. Wenn der Wächter erwischt wurde, waren die Chancen hoch, dass die Revolution hier weitere Agenten platziert hatte, sollten sie der Bruderschaft auf die Schliche gekommen sein … Hastig verschwand Vince in einer Seitengasse und zog sich seine Maske über, bevor er wieder auf die Hauptstraße trat und den Weg nach Hause einschlug. Jetzt beim Versteck aufzutauchen, um zu sehen, ob etwas passiert war, war viel zu gefährlich. Wenn ihn jemand in der Gegend entdeckte … Übelkeit stieg in dem Schriftsteller auf, als er an die Konsequenzen dachte, die ihn erwarteten, sollte er erwischt werden. Doch auf dem Weg zurück in sein Apartment begegnete er einer kleinen Gruppe Wissenschaftler, die am Wegrand standen und sich angeregt unterhielten. Vince verlangsamte seinen Schritt, als er einige Signalwörter aufschnappte. » … und das ginge schon seit Monaten so!«, sagte der Wissenschaftler im dunkelgrünen Kittel, was ihn als Mitglied der Agrarforschung kennzeichnete, und schüttelte dabei den Kopf. »Unglaublich! Ich frage mich wirklich, wie sie es geschafft haben, so lange im Untergrund zu existieren, bevor man sie endlich geschnappt hat«, antwortete eine Frau im hellblauen Kittel, eine Kunstforscherin, ihrem Kollegen. Das war alles, was Vince zu hören brauchte. Er musste fliehen, bevor irgendwelche Hinweise aufkamen, die ihn mit der Bruderschaft in Verbindung brachten. Ein plötzliches, hektisches Klopfen durchbrach die angenehme Ruhe in Morgans Wohnung. Mit einem irritierten Stirnrunzeln legte sie ihr Buch beiseite und erhob sich aus ihrem Sessel. Das Klopfen hielt den ganzen Weg vom Wohnzimer bis zur Türe an, sodass die junge Frau versucht war, ihren ungeduldigen Gast stehen zu lassen. Doch ein kurzer Blick durch den Türspion verriet ihr die Identität des Besuchers und mit noch tieferen Furchen auf der Stirn öffnete sie die Türe. »Meine Güte, Vince, was ist denn los mit dir?«, fragte Morgan, als ihr Bruder eilig die Türe hinter sich schloss und sich ohne Grußwort an den Küchentisch setzte. Ärgerlich folgte die Frau Vince und wollte ihm böse anfahren, doch der gehetzte Ausdruck, den er auf dem Gesicht trug, ließ sie ihren Mund wieder zuklappen. Stumm setzte sie sich ihm gegenüber hin und sah ihn auffordernd an. Vince hatte die Maske bereits abgenommen und knetete sie mit beiden Händen. »Ich habe mich in Schwierigkeiten gebracht«, murmelte der Schriftsteller schließlich und hielt den Blick gesenkt. »Was ist passiert?«, fragte seine Schwester und wieder zögerte er. »Versprich mir, dass du nicht über mich urteilst, wenn ich es dir sage.« Im Gegensatz zu Vince hatte Morgan sich für den Pfad der Wissenschaft entschieden und arbeitete mit der Revolution zusammen, während Vince stets Zweifel an deren Arbeit hatte. Doch hatten die beiden immer ein gutes Verhältnis zueinander gehabt und um es nicht zu strapazieren, hatte er ihr verschwiegen, warum er eigentlich Künstler geworden war. Morgans Meinung nach tat er das, um wie sie der Wissenschaft zu dienen. Vince wusste, dass er ihr sein Geheimnis anvertrauen und auf ihre Hilfe zählen konnte; Nur was sie danach von ihm dachte, machte ihm zu schaffen. »Ich verspreche es. Würdest du mir nun bitte erzählen, was los ist? Ist etwas mit Gabriel passiert?« »Ich muss fliehen und brauche dazu deine Hilfe. Ich war an der Bruderschaft der Masken beteiligt und wenn die Revolution von meiner Verbindung zu ihnen erfährt, werden sie mich hinrichten«, sagte er und hob schließlich den Blick. »Du musst mir helfen, du als Wissenschaftlerin hast besseren Einblick darauf, ob ich verdächtigt werde oder nicht. Es darf mir nichts zustoßen, ich … ich kann Gabriel unmöglich im Stich lassen.« Die Stimme des Schriftstellers brach je ab, als er an seinen kleinen Sohn dachte. Es war seinetwegen, dass panische Angst in ihm aufgekommen war, wenn er sich der Bruderschaft genähert hatte. Hätten sie ihn selbst erwischt, hätte Vince damit umgehen können, aber seinen Sohn für seine Fehler büßen lassen, nachdem der Kleine bereits seine Mutter verloren hatte. Ein Zittern erschütterte seinen ganzen Körper und er sah seine Schwester hilfesuchend an. Sekunden vergingen, in der nichts in ihrer Haltung verriet, was sie dachte. Vince konnte sich gut vorstellen, dass sie erschüttert war, diese Seite ihres Bruders zu entdecken, aber gleichzeitig zweifelte er nicht daran, dass ein Teil von ihr schon plante, was als Nächstes zu tun war. »Das war ausgesprochen dumm, deine Familie so in Gefahr zu bringen, Vince«, sagte Morgan schließlich und sah ihn ernst an. »Hast du denn keine Sekunde an deinen Sohn gedacht?« »Natürlich habe ich das! Es ist nur … ich konnte nicht anders. Mit all den Verboten und Gesetzen, die mir auferlegt wurden, war es mir kaum möglich zu atmen. Ich mag falsch gehandelt haben, aber bitte hilf Gabriel und mir. Er kann nicht auch noch seinen anderen Elternteil verlieren.« Wieder sah Morgan ihn stumm an, bis sie schließlich einen Blick auf ihre Armbanduhr warf und nickte. »Gut, ich werde mich umsehen, wie schlimm die Sache ist. Wenn du am Ende des Tages nichts von mir gehört hast, suchst du mich am Morgen hier auf. Ich werde zusehen, was sich machen lässt.« Vince stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, bevor er aufstand und seine Schwester fest in die Arme schloss. Sie erwiderte seine Umarmung, bevor sie ihm einen Kuss auf die Wange hauchte und aufforderte zugehen. »Hol’ Gabriel vom Kindergarten ab und warte dann Zuhause auf eine Nachricht von mir. Wir müssen schnell handeln.« Mit einem aufmunternden Lächeln verabschiedete er sich von seiner Schwester und machte sich auf den Weg zu Gabriel. Ich habe einen Mäzen gefunden, der euch vor Einbruch der Dunkelheit aus der Stadt befördern wird. Packt eure Sachen und seid um 04:00 an der Rua da Ciência. Dort erwartet euch euer Transport. M- Mit zitternden Fingern las Vince die Nachricht seiner Schwester erneut und sah dann auch seine Uhr. 04:03. Neben ihm saß sein Sohn Gabriel auf dem Koffer und gähnte ausgiebig. »Warum sind wir hier, Papa?«, fragte er nicht zum ersten Mal und rieb sich dabei die müden Augen. »Weil Tante Morgan uns eine schöne Reise geschenkt hat«, antwortete er ihm halb abwesend und starrte dabei immer wieder in alle Ecken der Straße. Sie standen in der Nähe einer Laterne, so dass sie aus der Ferne nicht mehr waren als Schatten und erst näherkommen musste, um etwas zu erkennen. Bei jeder Bewegung, die Vince hörte, machte sein Herz einen Sprung und er versuchte so gut es ging, die Nerven zu bewahren und sich nichts vor seinem Sohn anmerken zu lassen. »Ich möchte aber lieber schlafen«, murmelte der Junge und seine Stimme zitterte dabei verräterisch. Vince ging zu ihm hinüber und vor ihm in die Hocke. »Du bist müde, ich weiß. Es tut mir leid, dass wir so früh los müssen. Aber sobald wir einmal unterwegs sind, kannst du schlafen, okay?« Er lächelte seinen Sohn an, als er spürte, dass der Kleine etwas von seiner Angst mitbekam. »Nicht mehr lange.« »Vince Barroso?« Die männliche Stimme ließ den Schriftsteller einen Moment lang erstarren, bevor er sich schließlich umdrehte. Einige Schritte von ihm entfernt stand ein etwas hagerer Mann mit bereits ergrauendem Haar. Trotz der unglaublichen Hitze trug er einen dunklen Mantel und einen Hut auf dem Kopf; beides verlieh ihm eine seltsame Aura der Autorität. Vince schluckte und nickte nur, während er die Hand seines Sohnes ergriff. »Man hat mir eine Nachricht zukommen lassen, dass ich Sie hier antreffen würde«, sagte der Mann und musterte Vince einen Moment lang, bevor er jemandem zunickte. Kurz darauf traten vier weitere Gestalten aus den Schatten hinter ihnen. Einer von ihnen ergriff Gabriel, während die anderen drei auf Vince zukamen. »Was geht hier vor?!«, rief der Schriftsteller, doch statt einer Antwort bekam er einen Schlag in den Unterleib, der ihm sämtliche Luft aus den Lungen trieb und in die Knie gehen ließ. »Vince Barroso, Sie sind hiermit wegen Verstoß gegen das Künstlergesetz und Beteiligung an der Bruderschaft festgenommen«, hörte er den Mann wie aus weiter Ferne sagen, während ihm jemand die Hände hinter dem Rücken in Handschellen legte. Namenlose Panik flammte in ihm auf, als er irgendwo hinter sich Gabriel schreien hörte, doch als er herum wirbelte, um nach seinem Sohn zu sehen, sah er nur das kalte Gesicht des Mannes im dunklen Aufzug, bevor er einen harten Schlag auf dem Hinterkopf spürte und das Bewusstsein verlor. Mit einem Nicken schickte der Unbekannte seine Gehilfen weg und wandte sich dann um. Hinter ihm im Schatten stand eine weitere Figur. »Gute Arbeit«, sagte er und tippte mit dem Finger seine Hutspitze an. »Ich werde Ihren Vorgesetzten von Ihrem Einsatz für die Revolution berichten, Barroso.« Morgan lächelte sanft und neigte den Kopf in einer Verbeugung. »Ich tue nur meinen Dienst für mein Land, Senhor«, antwortete sie ihm und sah noch einen Moment den Männern nach, die ihren Bruder weg brachten, bevor sie sich wieder umwandte und in der Dunkelheit verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)