Moonshine von PinkyTwinkleLeo (Fallen Angel of the Night - Part 02) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 01 --------------------- Kapitel 1 'Es heißt ja immer, das Leben ist das kostbarste Gut, auf Gottes Erden. Wie dankbar man doch sein müsse, damit gesegnet zu sein. Doch manchmal keimt in einem die unwillkürliche Frage auf, ob man überhaupt dieses Gut haben möchte, damit leben und vor allem ob man Gott dafür dankbar sein kann. Was ist mit den Menschen, die nicht mit der Gnade des Herren gesegnet sind? Denen es schlecht ergeht in ihrem Leben, einsam sind, arm auf der Straße leben oder einfach auf der Schattenseite der Welt? Es heißt ja schließlich auch immer, Gott liebe all seine Geschöpfe. Dennoch drängt sich mir unweigerlich die Frage auf, warum er sie zum Teil dann so sehr leiden lässt.' Emily legte ihre Feder für einen kurzen Moment zur Seite, um ihren Blick erneut über das Geschriebene huschen zu lassen. Wie schwer diese Worte doch wogen, doch es war das, was ihre Seele bereits seit ihrer Erschaffung quälte. Das, womit sie sich tagtäglich, jede Nacht herumqäulte. Wie lange das doch bereits vergangen war. Sie konnte sich noch immer an den ersten Tag erinnern, an dem sie ihren Schöpfer gesehen hatte. Damals hatte sie noch einen anderen Namen getragen, doch das war schon lange her. Zu lange, dass sie ihn eigentlich noch als real ansehen konnte. Dennoch liebte sie diesen Namen. Er hatte einst zu ihr gehört, wie das sterbliche. Doch genau wie ihr Name, hatte auch die Sterblichkeit lange Auszug aus ihrem Körper gehalten. Sie lief durch die Straßen des Dorfes, ihre kleine Füße in einem eiligen Tempo über den staubigen Boden eilend. Gerade hatte die weißhaarige Schönheit von gerade mal 15 Lenzen erfahren, dass man sie vermählt hatte. Sie war mit ihrem älteren Bruder Dimitri auf dem Feld gewesen, als eine der Mägde ihr diese Nachricht zugetragen hatte. Es sollte ein außergewöhnlicher Mann sein, von unglaublicher Schönheit und er würde im Haus ihrer Eltern auf sie warten, um sie sehen zu dürfen. Die Sklavin hatte erwähnt, dass er brünette Haare hatte. Helena schoss gerade um eine Kurve, sodass ihr langes weißes Haar hinter ihr aufwirbelte, als sie beinahe in einen Mann gelaufen war, der die Straße entlang kam. Sie flüsterte eine schnelle Entschuldigung und lief weiter. Die Sonne war bereits am untergehen, als sie zu Hause ankam. Sie drückte die schwere Holztür an der Gartenmauer auf und lief in das kühle Innere. Ihre Schwestern Danae und Theia erwarteten sie bereits. „Helena!“ rief Theia, die Ältere, empört. „Dein Kleid ist ja über und über voller Dreck!“ Die weißhaarige konnte ein Grinsen gerade noch unterdrücken. Was dachte Theia eigentlich auch, wie man aussah, wenn man den ganzen Tag auf dem Feld gearbeitet hatte? Danae schüttelte währenddessen nur schweigend den Kopf und betrachtete eher kritsich die Haare ihrer jüngeren Schwester. Die beiden Älteren nahmen die Jüngste nun in ihre Mitte und brachten sie auf ihr Zimmer, wo sie Helena ersteinmal aus ihren Kleidern befreiten und in ein frisches weißes Leinenkleid steckten. Mit einem roten Seidengürtel schnürte Danae es etwas zusammen. Unwirsch strich sie dabei eine der braunen Strähnen ihrer Haare aus dem Gesicht, die ihr immer wieder hineinfielen. Theia, deren blonde Haare schön geflochten waren, nahm nun eine Bürste und strich über das weiße Haar der kleinen Schwester. „Sieht er wirklich gut aus?“ fragte Helena an die Beiden gewandt. Danae legte ihren Kopf ein bisschen schräg, sodass sie zu Theia aufblicken konnte. In ihrer beiden Augen, die die selbe Farbe von grünem Gras besaßen, saß etwas Schalk und etwas Vorfreude. Es war auch Theia, die Helena nun antwortete. „Nun ja, wie soll ich sagen. Er ist schon schön.“ Helena hob eine Augenbraue. Schon schön? „Was? Was stimmt nicht mit ihm?“ Danae lachte kurz. „Es ist alles in bester Ordnung mit ihm Helena. Nur sein Name... er passt irgendwie zu ihm. Narciss.“ Welch ein schöner Name dachte sich Helena. Und schon hörte sie ihre Mutter nach ihr rufen. Theia, die noch immer an ihren Haaren kämmte, ließ die Bürste sinken, da sie wusste, welch sprunghaftes Temprament Helena besaß. Und so war es dann auch, als sie den Klang ihres Namens vernahm, sie an ihren Schwestern vorbeiflitze und nach draußen lief, wo bereits ihre Mutter wartete. Persephone nahm Helena nun an ihre Seite und führte sie in das kleine Zimmer, in welchem meistens die Empfänge abgehalten wurden. Dor saß nun ihr Vater und der schwarzhaarige Schönling, von dem ihre Schwestern wohl geredet hatten. Doch auch Helena fand, dass er diesen Namen wirklich zur recht trug. „Narciss, dürfte ich dir nun unsere Tochter Helena vorstellen?“ Wenn sie ihn bis jetzt auch erst von hinten gesehen hatte, so verschlug es Helena wahrlich die Sprache, als sich der junge Mann nun zu ihr herumdrehte. Das Gesicht fein geschnitten. Etwas kantig, doch weich. Die Lippen voll und geschwungen und die Augen blau wie das Meer. „Ihr habt nicht zu viel versprochen, als ihr sagtet, eure Tochter sei etwas besonderes Severus. Sie ist wirklich außergewöhnlich... schön.“ Das kurze Zögern von Seiten des Schönlings verpasste Helena einen Stich. Sie straffte die Schulter und ging auf den Schwarzhaarigen zu. Ihre roten Augen funkelten ihn finster an. „Ich bin mir sicher, ich bin nicht das, was Ihr erwartet habt! Aber auch, wenn meine Augen- und Haarfarbe etwas exotischer sein mögen, ich habe dennoch Gefühle, die ihr nicht so einfach mit Füßen treten braucht!“ Bei dem Gedanken an das erste Zusammentreffen mit ihrem Verlobten, musste Emily nun lächeln. Ja es war etwas außergewöhnlich gewesen, denn sie hatten einen perfekten Kontrast zueinander gebildet. Sie mit den weißen Haaren und den roten Augen eines Albinos, der sie war und dann Narciss mit den schwarzen Locken und den kristallblauen Augen. Doch an Schönheit hatten sie sich perfekt vereint. Leider war es jedoch nie zu einer Hochzeit gekommen. Denn den Mann, welchen Emily an diesem Tag beinahe über den Haufen gerannt hätte, war ihr späterer Schöpfer gewesen, Octavianus. Mit einem Seufzen nahm sie nun ihre Feder wieder zur Hand und begann erneut zu schreiben. 'Doch wo es Gutes gibt, muss wohl auch Schlechtes sein. Tag hat auch die Nacht zur Schwester, die Sonne ihren Mond. Und wie eine Medaillie muss auch dies zwei Seiten haben. Wesen, die den Tag bevölkern und auch welche, die des Nächtens hausen. Doch keineswegs sind diese schlechter oder gar böser, als die Bewohner des Tages.' Es klopfte an der Tür ihres kleinen Zimmers und ein schüchternes Räuspern war nach dem Öffnen der Tür zu vernehmen. Emily drehte sich mit einem Lächeln zu dem jungen Mann um, der das Zimmer betreten hatte. Ein guter Freund ihrerseits, Nion. Welchen sie kurz nach ihrer Ankunft in Frankreich kennengelernt hatte. „Nion“ sagte sie mit melodischer Stimme. „Was kann ich für dich tun?“ Nion hatte einige Zeit auf dem Flur gewartet. Doch nichts war geschehen. Nur das kratzen einer Feder hatte er immer mal wieder gehört, dann gar nichts mehr und schließlich mal das Knistern eines Zettels, der Stuhl, der kurz verrückt wurde und dann wieder nur die Feder oder gar nichts. Langsam wurde es ihm zu langweilig, andererseits wuchs seine Spannung darauf, was die Frau im Nebenzimmer schrieb. Er hatte gesagt, er würde sie in Ruhe lassen, aber das es gleich um einen ganzen Tag gehen würde, hatte er nicht erwartet. Schließlich ließ ihn seine Unruhe nicht mehr in Frieden. Verhalten ging Nion in das Zimmer und sah dann mit einem leichten Lächeln zu Emily. „Es ist schon spät“, stellte er fest. „Ich dachte, vielleicht würde ein wenig frische Luft gut tun“ schlug er dann vor und legte den Kopf etwas zur Seite. Emily schrieb schon wieder. Sie schrieb ziemlich oft und auch sehr viel, das war Nion bisher besonders aufgefallen. Aber auch, dass Emily die meiste Zeit alleine war, auch wenn sie, sobald sie erst einmal Kontakt gefunden hatte, sehr aufgeweckt und tatsächlich auch kontaktfreudig war. „Oder … möchtest du lieber weiter ungestört schreiben?“ fragte er dann noch mal zur Sicherheit und wich wieder einen Schritt zurück. Er wusste noch nicht so ganz, was er tun durfte, was er besser bleiben ließ und doch hatte er das Gefühl eine so enge Bindung zu Emily zu haben, dass er gar nichts falsch machen konnte. Er lachte leise. „Verzeih, ich bin schon wieder ganz wirr“ stellte er dann fest, als er sein eigenes Tun und Sprechen beurteilt hatte und grinste dann etwas. Er war eigentlich gespannt, was Emily dort schrieb und er würde es gerne wissen, es gerne lesen, aber er würde sich niemals wagen, sie danach zu fragen. Leicht unsicher spielte er an einer Haarsträhne, die sich einfach rebellisch anders kringelte, als die anderen Haare und immer wieder frech in sein Gesicht fiel. Er versuchte sie irgendwie zu den anderen zurück zu bekommen, aber diese Haare waren anderer Meinung. Schließlich gab er es auf und sah erneut zu Emily. „Und?“ fragte er schließlich. Sicher waren nicht mal Minuten vergangen, aber er hatte schon jetzt das Gefühl ewig hier zu stehen. Emily lauschte den Worten des jüngeren Vampirs und ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Er war einfach noch viel zu agil. Oder vielleicht war Nion einfach nur zu agil für sie. Sie war es gewohnt gewesen, allein zu sein. Sich einen Gefährten zu erwählen war ihr lange fern gelegen, bis sie vor ein paar Jahrzehnten schließlich auf den brünetten Vampir gestoßen war. Es war eine seltsame Begegnung in einer stürmischen Herbstnacht gewesen, doch es war ihr wie eine schicksalhafte Fügung vorgekommen. So erhob sich die Weißhaarige nun von ihrem Platz und legte die Feder beiseite, schob die Papierseiten ein wenig zusammen und bließ die Kerze auf dem Tisch aus. "Lass uns ein wenig nach draußen gehen. Ich habe das Gefühl, ich habe mich schon sehr lange hier drinnen aufgehalten." Sie fuhr mit ihrer Hand den Rand des Tisches entlang. "Ich langweile dich sicherlich Nion. Du brauchst nicht immer auf mich zu warten, ich bin es gewohnt, sehr lange nichts zu mir zu nehmen." Langsam schritt sie nun zu ihm hinüber und hakte sich bei ihm unter und gemeinsam schritten sie dann in das Atrium der großen Villa hinab. Sie hatte das Haus vor ein paar Jahren hier erstanden. Es lag am äußeren Rand von Paris und es war ihr ziemlich passend als Unterschlupf vorgekommen. Wie lange sie die Fassade aufrecht erhalten konnte, stand noch in den Sternen, doch sie war bereit, es zu versuchen. Gerade als sie den letzten Fuß auf den Boden setzte, ertönte ein Klingeln von der Haustüre her. Eines der Hausmädchen eilte sofort, um diese zu öffnen. Bereits den ganzen Tag war ein nahendes Gewitter in der Luft gehangen und genau indem Moment, inwelchem das Mädchen die Tür öffnete, erhellte der erste Blitz die Shilouette zweier Männer in der Tür. Wie erstarrt blieb Emily stehen und sah auf die Tür. "Ma'am, Sie haben Besuch. Sir Leopold und Octavianus nannten Sie sich" sagte das Mädchen mit leiser Stimme, als sie zu der Weißhaarigen und Nion getreten war. Emily atmete tief durch und wandte den Blick nach oben auf die vielen Fenster. Es war lange her, dass sich die Fürsten auf den Weg zu einem fremden Vampir gemacht hatten und meist hatte es nichts gutes zu bedeuten. "Bitte, tretet doch ein!" sagte sie zu den zwei Männern in der Tür. "Nion, möchtest du mich begleiten, oder dich etwas in der Stadt vergnügen?" fragte sie ihren jungen Begleiter. „Nein“, sagte er schnell. „Du würdest mich nie langweilen. Ich warte gerne“, sagte er dann und lächelte leicht, ließ sie sich bei ihm einhaken und ging dann mit ihr die Treppen runter. Gerade als er anfing etwas zu entspannen, kam dieser wohl unerwartete und scheinbar auch unerwünschte Besuch. „Ich begleite dich gerne“, sagte er schließlich, auch wenn er sich unter den Blicken, selbst als die beiden Gestalten noch so weit weg standen, sehr unwohl fühlte. So abgeschätzt und eingeordnet. Einfach durchsichtig. Und das gefiel ihm nicht. Auch wenn er wusste, dass Emily ihn wohl auch in jeder Phase seines Lebens durchschauen konnte, so gab sie ihm nie das Gefühl, dies auch zu tun. Ganz anders die beiden Fürsten. Sie gaben einem immer sofort das Gefühl, dass man gar nicht erst zu denken brauchte, etwas besseres zu sein, als sie selber. Nur Octavianus, auch wenn er es meistens gut verstecken konnte, strahlte noch ein wenig Liebenswürdigkeit aus. Er war nicht ganz so hart im Urteilen und starrte auch nicht so unerbittlich kalt sein Gefolge an. Schließlich gingen sie nun, als eine kleine Gruppe, in einen der größeren Räume und nahmen Platz. Wie selbstverständlich, so schien es Nion. Und auch wenn seine Nervosität beinahe wieder an seiner Fassade rüttelte, so schaffte er es doch, mit einem neutralen Gesicht sitzen zu bleiben und nicht einmal seine Finger rührten sich, die sonst von seiner Aufregung, seiner Neugierde zeugten. Emily stellte sich schützend hinter Nion, der sich auf einen Sessel hatte sinken lassen. Sie ging zwar beinahe dahinter unter, sodass sie doch ihre Position wechselte und neben ihn trat, sich leicht an der Armlehnte niederließ. Das er nervös war, entging wohl keinem hier, doch wem würde es nicht so gehen, wenn unerwartet und vor allem unangekündigt zwei der großen Fürsten vor der Haustüre standen. Emily räusperte sich leise, um die unangenehme Stille zu unterbinden, die sich gerade bildete. "Womit verdiene ich euren Besuch?" fragte sie skeptisch. Octavianus hatte sie schon lange nicht mehr gesehen und Leopold erst einmal. "Kann ich euch etwas zu trinken anbieten? In meinem Keller lagern ein paar sehr gute Flaschen Rotwein." Es war ihre Art zu umschreiben, dass sie noch ein paar Blutkonserven übrig hatte. Nion, da war sie sich sicher, war gewiss hungrig. Was auch mit Sicherheit der Grund gewesen war, warum er sie gestört hatte. Wie gerne würde Nion auf das Angebot eingehen, doch es war nicht an ihm Forderungen zu stellen oder gar Wünsche zu äußern. Also hoffte er nur, dass einer der beiden Fürsten aus Höflichkeit wenigstens dem Angebot nachkommen würden. Es war nicht so, dass er es nicht mehr aushalten würde, aber es war schon ein angenehmeres Gefühl, wenn man wenigstens etwas zu sich genommen hatte. Und Emily war keine sonderlich häufige Trinkerin, geschweige denn, dass sie überhaupt was zu sich nahm. Manchmal glaubte Nion, er wäre zu gierig, so selten sah er seine momentane Begleiterin etwas zu sich nehmen. Und jetzt gerade wusste er nicht, ob er nicht im Endeffekt das Glas umbringen wollte, es angreifen und sich drauf stürzen würde. Manchmal waren seine Sinne einfach nicht stark genug, um die Vernunft aufrecht zu erhalten. Und dann gab es wieder Zeiten, wo ihn langes Warten gar nichts ausmachte. Noch verstand er nicht, warum es mal so und mal so war, aber er würde sich, seinen Körper und seine Wünsche schon noch verstehen. Langsam sah er zu Emily, die noch immer neben ihm stand, als würde er ohne sie irgendwie geopfert oder zumindest schutzlos sein. Es war eine merkwürdige Situation und die beiden Herren hatten noch immer kein Wort gesagt. Er überlegte, ob es vielleicht so wichtig war, dass seine Ohren nicht dafür bestimmt waren, es zu hören, doch dann hätte Leopold sicher direkt protestiert oder ihn ganz klar gezeigt, dass er unerwünscht war. Doch dem schien nicht so zu sein. „Ich hätte gerne etwas… Rotwein“, kam es dann schließlich spöttisch von dem eben Erwähnten und auch Octavianus nickte, nachdem Leopold sich dafür entschieden hatte. Nion überlegte, ob das etwas mit einer Rangfolge zu tun hatte, doch im Rat sollten doch alle gleich sein, nicht wahr? Er sah zu Emily, sagte aber kein Wort. Sicher würde sie so oder so für ihn sorgen und so blickte er wieder zu den beiden, älteren Vampiren. Emily nickte einem der Hausmädchen zu. Eine der wenigen, die über ihre wahre Identität Bescheid wusste. Sie wusste noch nicht, wie sie mit diesen Bediensteten verfahren sollte. Vielleicht würden sie das alles hier überleben und ihm hohen Alter eines natürlichen Todes sterben, aber vielleicht würde sie sie auch einmal als kleines 'Opfer' auf einem ihrer Bälle geben. "Nun, Ihr habt meine erste Frage noch immer nicht beantwortet. Womit habe ich diesen hohen Besuch hier in meinem bescheidenen Heim verdient? Warum seid ihr beiden gekommen?" Ihr Blick galt einzig Octavianus. Sie sehnte sich manchmal sosehr nach seiner Nähe, da er wohl der einzige Vampir auf der ganzen Welt war, der ihre Sehnsucht verstehen konnte. Er hatte sie zu seiner Gefährtin erwählt und sie hatte sich einfach von ihm abgewandt. Konnte ihm einfach nicht folgen, weil sie noch viel zu jung war, nicht verstand, was es hieß, ein unsterbliches Leben zu führen. Doch mit den Jahrhunderten war sie weiser geworden, innerlich gewachsen. "Das hier ist Nion. Ich habe ihn hier vor ein paar Jahrzehnten in Frankreich kennengelernt." Sie strich ihm liebevoll über die Schulter. "Ich denke, er wird sicherlich unserer Unterhaltung beiwohnen können." Dann erschien auch schon ihr Dienstmädchen mit vier Gläsern. Emily erhob sich von ihrem Platz neben Nion und schwebte schier auf das zitternde Kind zu. Mit einer schwungvollen Bewegung nahm sie die vier Weinkelche vom Tablett und reichte jedem eines. "Es tut mir Leid, dass ich euch nichts besseres bieten kann." Erneut strahlte die Neugierde von Nion aus, der eigentlich gar nicht abwarten konnte, zuhören zu dürfen. Er kannte zwar die Vampire. Vom Aussehen, vom Namen, aber so einem gegenüber gestanden hatte er noch nicht. Und nun sollte er sogar zuhören dürfen, falls sie etwas zu besprechen hatten, was eigentlich nicht anders sein konnte, wenn gleich zwei aufkreuzten. Er blickte zu dem Kelch, den Emily nun vor ihn stellte und leckte sich leicht über die Lippen. Doch er griff weder danach, noch bewegte er sich überhaupt. Verunsichert blickte er zu den beiden anderen Anwesenden und zu Emily. Noch immer sprachen die beiden Männer kein Wort. Vielleicht müsste er irgendwas sagen? Auch auf die Vorstellung hin, hatten beide nicht einmal mit dem Mundwinkel gezuckt. „So, Nion“, kam es schließlich von Leopold und er leerte seinen Weinkelch mit einem Zug, wischte sich danach unwirsch mit dem Handrücken über den Mund und ließ den Becher einfach fallen. Schockiert, äußerlich aber noch immer voller Ruhe, beobachtete Nion das Szenario. Was war denn das für ein Verhalten? Langsam sank sein Ansehen dem Vampir dort gegenüber und er wusste nicht so recht, ob das kindisches Verhalten war oder doch irgendeine tiefere Bedeutung hatte. Doch Octavianus blickte einmal kurz zu Leopold, als wäre dieser von Sinnen und schien dann Nion wieder mit seinem Blick umbringen zu wollen. Oder auch nicht… aber er war so intensiv, dass Nions Herz sicher stehen geblieben wäre, wenn es noch schlagen würde. „Ich bin mir nicht sicher, warum wir hier sind“, sagte Octavianus dann schließlich zu Emily. In seiner Stimme schwang so viel Leid und gleichzeitig Begehren mit, dass Nion fast schwindelig wurde, dabei zuzuhören. Er wusste nicht so recht, ob das einfach die Art von ihm war zu sprechen, oder ob das mit Emily zu tun hatte, doch es tat ihm leid, ihm zuzuhören und das war schon seltsam. Dann lachte Leopold schließlich. „Wisst ihr, ihr zwei!“ Er blickte zu Octavianus und dann zu Emily. „Es ist traurig euch zu sehen oder auch nur zuzuhören!“ Es war also nicht nur Nion gewesen, der so empfunden hatte. Das beruhigte ihn schon mal ungemein. „Und deswegen kam ich auf eine Idee, aber die Idee kann ich alleine nicht umsetzen“, sagte er und zuckte leicht mit den Schultern. „Ich hatte einfach mal gedacht, wir brauchen eine Frau im Rat“, weiter sprach er nicht, denn nun sollten alle eigentlich Bescheid wissen, worauf er hinaus wollte. Emily hatte sich schon längst mit Leopolds ungehobelten Manieren abgefunden. Sie selbst nippte nur kurz an ihrem Kelch, ehe sie ihn auf den Tisch vor sich stellte. Leopold hatte noch nie einen Hehl aus seiner Herkunft und seinem Blutdurst gemacht, so wie es bei ihr oder Nion der Fall war. Sie versuchten in der menschlichen Welt zu überleben, sie sicherten sich auf diese Art und Weise eine sichere Zukunft. Selbst wenn sie nicht alterten und sich über Tags nur selten in der Öffentlichkeit zeigten. Sie waren den Menschen hier in Paris doch sehr bekannt. Vor allem den Wesen der Nacht, den Huren, Strichern, Barbesitzern. Doch es störte Emily nicht, sich in solchen Kreisen zu zeigen. Als Octavianus mit ihr sprach, legte sich ein leidender Ausdruck in ihre Augen. Und dann vernahm sie auch schon Leopolds spöttische Aussage. "Sei still" zischte sie ihn an. "Es ist etwas, was dich nichts angeht! Eine Sache zwischen mir und Octavianus. Und wenn ihr jemanden im Rat haben wollt, der nach eurer Pfeife tantz, seit ihr bei mir an der falschen Adresse Leopold. Ich habe meine eigene Meinung! Und diese lass ich mir nicht nehmen." Sie hatte sich erhoben und ging nun langsam auf und ab. Was sollte das, wollten die beiden sie hier bloßstellen, ihr ein solches Angebot machen, um es anschließend wieder zurückzuziehen. "Verkauf mich nicht für dumm Leopold!" Sie kehrte schließlich wieder zu Nion zurück. "Weißt du Leopold, du wirst nie verstehen, was es heißt, jemanden bedingungslos zu lieben. Octavianus hat mich aus Liebe verwandelt, mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin. Nion ist bei mir, weil er sich zu mir hingezogen fühlt. Doch dich fürchtet jeder. Du bist der Schrecken der Nacht, den selbst unsere Rasse fürchtet." Verwundert sah Nion das ganze einfach nur als eine Art Betrachter. Er wusste nicht, was er davon halten soll, ob er überhaupt in der Lage war, irgendwas davon zu halten. Also schwieg er, nahm dann langsam und mit einem Blick zu den Anwesenden seinen Kelch und trank nun einen Schluck, behielt das Gefäß aber in seiner Hand. Der Streit, der nun langsam aufkeimte, machte ihn beinahe noch nervöser, als es zuvor seine Neugierde getan hatte und wenn Emily nicht hier stünde, würde er vermutlich auch einfach gehen. Doch so konnte er sie schlecht im Stich lassen, ob Octavianus da war oder nicht, scherte ihn gerade wenig. Er konnte ihr ja scheinbar nichts weiter bieten, als Trauer und verletzte Gefühle. Doch schließlich stand Emily neben ihm und erklärte Leopold, dass er alles nicht verstünde und dass er, Nion, sich zu ihr hingezogen fühlte. Verwundert betrachtete er das junge Mädchen neben sich. Das war interessant, denn so hatte er das Ganze noch gar nicht betrachtet. Sicher, er fühlte sich auf eine gewisse Art zu ihr hingezogen, doch aus dem Zusammenhang, wo zuvor Octavianus mit Liebe in Kontakt gebracht wurde und er nun mit Zuneigung, klang das Ganze doch etwas zweideutig. Dennoch schwieg er, nahm lieber noch einen Schluck von dem nicht ganz so schmackhaften Getränk in seiner Hand. Er hoffte, Emily würde nicht die ganze Nacht mit Streitigkeiten verbringen oder ihn gar fort schicken. Wütend fauchte Leopold und schlug wütend auf den Tisch. Das laute Poltern ließ nicht nur Nion zusammen fahren, auch Octavianus zuckte kaum merklich. Langsam fragte sich Nion, wieso dieser Kerl nie etwas sagte, nicht dafür einstand, was er davon hielt? Immer hin hatte er doch auch gerade erst die Pläne seines Genossen erfahren, oder etwa nicht? „Liebste Emily“, zischte Leopold bedrohlich. „Du verstehst mich falsch“ presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Gerade wegen deiner eigenen Meinung und wegen deiner … neuen Weltanschauung wollte ich dich ja in den Rat bitten!“ Langsam bemerkte Nion, dass dies sicher nicht auf Leopolds Mist gewachsen war, aber da Octavianus noch immer schwieg und überrascht schien, konnte nur ein Dritter darüber verfügt haben, solch einen Vorschlag zu unterbreiten. Emily räusperte sich um ein Lachen zu unterdrücken. Leopold war also nicht freiwillig hier, um ihr diese Entscheidung mitzuteilen? Das waren ja ganz neue Töne. Sie nippte erneut an ihrem Glas und stellte es auf den Tisch, um anschließend Octavianus zu fixieren. "Und was hältst du von Jien-Wus Idee, mich mit in den Rat zu holen?" Sie hörte das abfällige Schnauben von Leopold. Natürlich war ihr klar, dass dieser nicht gerade darauf erpicht war, sie beide gemeinsam an seiner Seite zu wissen. Er mochte sie nicht, wenn er sie sogar nicht hasste. Er konnte es nicht verstehen, wie sie Octavianus gegenüber so undankbar hatte sein können, ihn dann auch noch zu verlassen, obwohl er ihr das unsterbliche Leben gegeben hatte. "Ich hätte gerne deine Meinung gehört Octavianus." Sie hatte ihren Arm auch wieder um Nion gelegt, damit keiner auf die Idee kam, ihm auch nur zu Nahe zu kommen oder ihm gar unschickliche Fragen zu stellen. Denn allein Leopolds Blick verriet mehr, als seine ganze Mimik es je tun hätte können. Wenn Emily es nicht besser gewusst hätte, hätte sie sogar ein wenig Eifersucht in diesen Augen erkennen zu können. Es fiel Nion eigentlich gar nicht so schwer, hier weiter sitzen zu bleiben und doch fühlte er sich dankbar, als Emily ihm wieder nahe war. Sie gab eben doch ein wenig mehr Sicherheit, als er sich selber geben konnte und Leopolds Anwesenheit schüchterte ihn ziemlich ein. Dieser Kerl schien immer wütender zu werden und er wollte sich gar nicht ausmalen, wo dieser Vampir sonst mit seinen Aggressionen hinging. Dann blickte auch er interessiet zu Octavianus. Dieser hingegen wich dem Blick von Emily einen Moment aus. Er musste selber erst einmal darüber nachdenken und so dauerte es einen Moment, der stillschweigend abgewartet wurde, ehe er wieder zu ihr blickte. "Ich hätte dich gerne im Rat", gab er dann zu, auch wenn ihn Leopold dafür heftig auf den Fuß trat. "Stell dich nicht so an!", fauchte er schließlich und verblüffte damit sicher nicht nur Leopold, der nun wie entblößt und völlig sprachlos vor dem Ratsmitglied stand. Dieser riss sich aber schnell wieder zusammen und brachte etwas Abstand zwischen sich und den verblüfften Kerl. Es war nun keine Zeit zum Streiten. Nions Blick wanderte wieder zu Emily, er fühlte sich gerade wie ein kleines Kind, das den Gesprächen der Erwachsenen zu folgen versuchte und alles irre interessant fand. Aber so war es nun mal, außer, dass er kein Kind mehr war. "Hab ich Zeit, darüber nachzudenken, oder wollt ihr allen ernstes gleich eine Entscheidung von mir?" Emilys Blick wich aus dem Fenster, in die stockfinstere Nacht, die nur ab und an von einem Blitz erhellt wurde. "Ich lebe noch nicht lange genug hier, um Frankreich oder gar Paris wieder zu verlassen. Etwas fesselt mich an diese Stadt, auch wenn ich noch nicht weiß, was es ist. Aber wenn ich nicht hier bleiben kann, werde ich euch sicherlich nicht begleiten oder dieses Angebot annehmen." Plötzlich schlich sich ein düsterer Gedanke in ihren Kopf. "Es ist doch ein Angebot?" Mit einem Mal war sie sich dessen nicht mehr sicher. Doch wenn dem nicht so sein sollte, hatte sie überhaupt eine Möglichkeit zu fliehen? Konnte sie so schnell mit Nion von hier verschwinden, dass es niemand bemerken würde? Da sie das Haus bis jetzt selten verlassen hatte, gab es für sie zwar einen Namen, mehrere sogar, wenn sie sich nicht täuschte, aber kein Mensch konnte ein genaues Bild von ihr wiedergeben. Sie war ein Schatten, der sich auf die Geister der Bewohner der Stadt gelegt hatte. Aber trotzdem fürchteten sie sie nicht wirklich. "Warum hat Jien-Wu euch nicht begleitet?" kam schließlich ihre nächste Frage, leiser, als die anderen bis jetzt. Es war doch sonst so selten, dass sie sich allein oder nur zu zweit bewegten. Und das verunsicherte Emily noch etwas mehr. Langsam wurde Nion das ganze zu viel. Er wollte eigentlich gar nicht mehr zuhören und wenn er nicht wüsste, dass es eh nichts ändern würde, dann würde er gerne gar nichts erst davon gewusst haben. Doch nun saß er hier und war sich fast schon sicher, dass alleine das Wetter, die Uhrzeit und die Anwesenheit der beiden Vampir verhindern würde, dass er mit Emily durch die Nacht streifen konnte. Und so machte ihn das ganze nur noch mehr zu schaffen. "Leopold hat mich nur eingesammelt, ich bin mir ziemlich sicher, dass er alleine her kommen sollte, aber sich nicht getraut hat", stellte Octavianus dann fest und erntete erneut einen wütenden Blick seines Gleichgesezten, doch da er dieses Mal außer Reichweite war, blieb es bei einem Grummeln. Dann blickte der wohl wesentlich ruhigere von beiden zu dem Mädchen, dass nun bald in den Rat sollte. Gut, sie war kein Mädchen, aber sie als Frau zu betrachten, viel Octavianus noch immer schwer. "Du musst dich nicht sofort entscheiden. Aber wenn du bis morgen Nacht eine Entscheidung treffen könntest, wäre das sehr vorteilhaft. Ich bin mir nicht sicher, wie lange wir zwei uns nicht zerfleischen." Damit sah er drohend zu Leopold, der versuchte sich unauffällig wieder in die Reichweite zu bringen. Wie kindisch, dachte sich Nion, doch würde er das niemals laut aussprechen. Jeder wusste wohl um Leopolds Verhalten und niemand konnte genau sagen, wann man sich etwas heraus nehmen durfte und wann man lieber schweigen sollte, daher kam Leopold mit seinen Spielchen einfach immer durch und keiner hielt ihn davon ab, Unsinn zu treiben. Einzig Octavianus und Jien-Wu waren bisher dafür bekannt gewesen, doch scheinbar nahm auch Emily einen großen Einfluss auf dieses impulsive Ratsmitglied. Er sah dann zu Emily. Es würde ihn unheimlich freuen, wenn diese kleine Gruppierung hier aufgelöst würde und Emily vielleicht doch noch nach draußen wollte, nur um einen klaren Kopf zu bekommen. Aber dann wiederum überlegte er, dass sie nun sicher lieber alleine oder bei Octavianus sein würde und sogleich erstickte sich all seine Hoffnung wieder im Keim. Sie nickte bei Octavianus Worten. Bis morgen Abend konnte sie sicherlich in Ruhe darüber nachdenken. "Ich werde es euch nach Sonnenuntergang mitteilen. Aber bitte, erweist mir doch die Ehre und seid solange Gäste in meinem Haus." Sie erhob sich von ihrem Platz und ging auf die große Flügeltür zu. Man konnte leise das tapsen ihrer nackten Füße auf dem Boden hören. Sie rief nach einem der Bediensteten, damit diese zwei Zimmer fertig machte. Anschließend wandte sie sich zu ihren Gästen und Nion um. "Bitte, entschuldigt mich und Nion nun, wir waren gerade auf dem Weg in die Stadt, als ihr uns gestört habt." Unverfroren nahm sie diese Worte in den Mund und sah abwechselnd von Octavianus zu Leopold, ehe sie ihrem brünetten Begleiter die Hand hinhielt. "Ich hoffe du hast noch Lust auf einen kleinen Ausflug Nion. Es tut mir Leid, dass wir dabei unterbrochen wurden. Aber lass uns jetzt beeilen, es sind nur noch ein paar Stunden bis zum Sonnenaufgang." Sie nahm einen Umhang vom nahen Kleiderständer und schwang ihn um ihre schmalen Schultern. Da von den übrigen Answesenden keinerlei Reaktion kam, folgte Nion Emily ohne Wiederstand. Warum auch, er wollte gerne mit ihr los. Trotzdem verabschiedete er sich noch höflich, ehe die beiden dann den Raum verließen und direkt danach eine Bedienstete herein trat, die die beiden Herren wohl zu den Zimmer begleiten wollte. Nion würde gerne irgendwas fragen, alles fragen, doch als er zu Emily sah, fand er keine Worte. "Wo wollen wir hin?" fragte er schließlich, als sie in den Regen hinaus traten. Hätte er doch nur auch einen Mantel angezogen oder wenigstens einen Regenschirm mitgenommen. Ihn selber störte es weniger nass zu werden, doch kam es immer merkwürdig, ohne alles bei vollem Regen in der Stadt unterwegs zu sein. Aber sicher würde sich eine nette Frau finden lassen, die ihn mit unter ihren Schirm ließ. Er grinste ein wenig, dann erinnerte er sich aber an seine Frage und sah wieder zu seiner Begleitung. Emily zog beim hinausgehen die Kapzue über ihre Haare, damit diese nicht nass wurden. Schließlich hatte sich Marié soviel Mühe gegeben beim Flechten heute Nachmittag, sie wollte sie auf keinen Fall zerstören. Daran, wohin sie gehen sollten, hatte sie eigentlich noch gar nicht gedacht oder sich gar Gedanken darüber zu machen. "Wohin möchtest du denn gehen?" kam ihre Gegenfrage. Sie hatte sich keine Schuhe angezogen, eine dumme und außergewöhnliche Angewohnheit, die sie seit ihren Tagen in Griechenland nicht abgelegt hatte. Sie hakte sich bei Nion unter und lief neben ihm her. Sie wirkte wohl wie seine Tochter oder seine kleine Schwester, so zierlich wie sie war. "Was beschäftigt dich Nion?" Ihre Augen waren auf das beinah reglose Gesicht gerichtetet, dass der Brünette in die Nacht gerichtet hatte. "Ich denke bei dem Wetter wäre irgendeine Kneipe wohl das Richtige! Und zum Amüsieren auch noch passend", stellte er fest und sah dann nach einer Weile wieder zu Emily. "Was sollte mich denn beschäftigen?" fragte er ganz verwundert, denn als sie fragte wüsste er nicht, dass er an was bestimmtes Gedacht, geschweige denn über etwas nachgedacht hatte. Sanft löste er seine Hand aus ihrer Umklammerung und schob sie ein Stück vor sich, blieb dann stehen und betrachtete sie. Sie zwei mussten schon komisch aussehen. Er bei diesem Sauwetter ohne passende Kleidung, sie im Mantel aber ohne Schuhe. Vielleicht sollten sie eher in einen Puff gehen und wie wohl so oft altbekannte Gesichter grüßen. Aber das war das Gute am Menschen. Sie erinnern sich zwar, aber selten an das, woran sie sich erinnern sollten. Die meisten Frauen in den Lusthäusern hier sahen die zwei sogar sehr gerne in ihrem Haus und das wunderte Nion nicht wenig. Sie waren ja stehts gut bezahlt und gut behandelt worden, aber eigentlich hatte er keine Lust mehr, in solch einem Milleu herum zu lungern. Ganz anders als wohl Emily. Sie schien sich dort sehr wohl zu fühlen und das war noch viel unverständlicher für Nion. "Was hälst du von dem Angebot? Mit dem Rat meine ich." kam nun doch eine Frage über seine Lippen, die er im selben Moment eigentlich bereute. Immerhin sollte sie in Ruhe darüber nachdenken und hatte eben schon geäußert, dass sie Zeit brauchte. Es war ihr äußerst willkommen, dass er sie darauf ansprach. "Ich weiß nicht ganz, was ich davon halten soll. Ich bin nicht wesentlich viel jünger als Leopold. Sogar noch etwas älter als Jien-Wu. Doch darüber nachgedacht, dass man mich in den Rat aufnehmen möchte, habe ich wirklich nie. Es war mir fremd und äußerst zuwieder." Sie begann wieder langsam in Richtung Innenstadt zu gehen, wartete jedoch etwas darauf, dass Nion wieder zu ihr aufschloss. Die Idee mit der Kneipe war sicherlich nicht verkehrt, aber nicht die Art von Etablissement, nachdem es Emily verlangte. Sie wusste selbst nicht, warum sie immer wieder zu den Bordsteinschwalben und Strichern zurückkehrte, aber sie zeigten ihr die schöne Vergänglichkeit des Lebens, denn nie beklagten sie sich über ihr bisheriges, so wie es viele ihrer Rasse taten, die es müßig waren, ewig zu leben. "Sollte ich wirklich annehmen, trage ich ein Viertel dieser Verantwortung. Ich weiß nicht, ob ich dazu im Stande wäre oder gar die Kraft dazu besäße. Vielleicht halten mich die drei für stark genug, aber ich bin noch immer unerfahren, was das Leben als Vampir angeht. Es gäbe sicherlich bessere für diese Aufgabe als mich." Nachdenklich folgte er ihr, doch bemerkte er ziemlich schnell, dass sie den Weg einschlugen, den sie eigentlich immer nahmen, wenn sie zur Innenstadt aufbrachen. Innerlich seufzte er, doch äußerlich hatte er wieder eine stablie Fassade aufgebaut. "Nun, vielleicht bist du unerfahren als Vampir, aber deine Vernunft und deine Menschenkenntnis lässt dich sicher weit über den anderen stehen. Und ich denke, dass sie jemanden wie dich auf jeden Fall im Rat brauchen. Das WIR jemanden wie dich im Rat brauchen" stellte er dann fest, denn der Rat sollte ja nicht für sich Entscheidungen treffen, sondern beeinflussten die gesamte Welt der Vampire. Und bisher war wenig von einer Führung zu spüren, es schien einfach nur eine Laune zu sein. Mal wurde das verlangt, dann gab es dieses Gesetzt, danach eines, dass es wieder aufhob und und und. Jemand, der sich in der Welt der Menschen auskannte und wusste, was die Vampire brauchten. Eigentlich sah Nion genau das in Emily und deswegen würde es ihn selber wohl sehr freuen, wenn sie in den Rat ginge, selbst wenn das bedeuten würde, dass er allein zurück bleiben musste. "Aber lass uns jetzt nicht darüber reden" bat er sie dann leise und ließ sie wieder bei ihm einhaken. Das Thema war ihm doch zu schwer, um es auf fast leerem Magen und Kopfschmerzen zu bereden. Sie kannte Nion mittlerweilen gut genug um zu wissen, dass sie seine Entscheidungen ernst nehmen konnte und vor allem auch seine Ratschläge. Auch wenn er noch jung war, so hatte sie zumindest das Gefühl ihm wenigstens ein bisschen von der menschlichen Welt näher bringen zu können. Sie bogen nun zusammen in die kleine Gasse ein, die sie immer wieder in den Nächten besuchten. Bereits erblickte Emily ein paar der altbekannten Gesichter und sie wurden freundlich gegrüßt. Sie löste sich langsam von dem brünetten Vampir und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Amüsier dich Nion, aber übertreibs nicht zu stark. Ich werde im La Rosé auf dich warten, oder wir treffen uns zu Hause wieder." Meistens trennten sich ihre Wege hier und sie fanden sich später wieder zusammen. Emily liebte das La Rosé, da sie dort nie jemand erkannte. Außer ein paar Nutten vielleicht. Nion ließ sich den Kuss geben und sah dann Emily nach, wie sie voller Freude in ihrem Lieblingshaus verschwand. Nun stand er wieder mal alleine hier, manchmal fragte er sich, warum er überhaupt auf sie wartete und nicht einfach alleine ging, wo sich ihre Wege ja doch immer wieder trennten. Aber schon der Weg hier her gemeinsam bereitete ihm einfach zu viel Freude, als dass er es sein lassen könnte. "So alleine hier?", hörte er auf einmal eine Stimme hinter sich und er drehte sich um. Natürlich wurde er angemacht, warum sonst sollte er auch hier herum stehen, wenn er das nicht wollte. "Jetzt nicht mehr" war seine Standardantwort, ehe er seinen Arm um die Frau legte und sich von ihr irgendwo hin bringen ließ. Es kümmerte ihn selten, wo sie hingingen, solange sie ungesehen blieben. Die rothaarige Schönheit führte Nion in eine kleine Seitengasse, wo sie sich schließlich von ihm löste und sein Gesicht genauer betrachtete. "Das hier ist kein Ort für einen reichen Jungen wie dich" stellte sie mit einem belustigen Unterton in ihrer Stimme fest. "Man könnte dich sehen und dir schlimme Dinge andichten, wenn dich die falschen Leute hier sehen. Aber wie es scheint, kennst du unseren Schatten." Sie stieß sich von der Wand weg und ging tiefer in die Gasse hinein. "Komm schon... oder willst du etwa keinen Spaß haben?" Eigentlich war Nion gerade etwas lustlos. Gar nichts wollte er am liebsten machen, lieber wieder vor verschlossenen Türen sitzen und darauf warten, dass er Aufmerksamkeit bekam. Aber nun war er schon hier her gekommen und da fiel ihm auch kein Grund ein, warum er jetzt einen Rückzieher machen sollte. "Ich komme ja", meinte er dann leise und ging der Frau hinterher, bis sie schließlich tief in der Gasse waren. Er blickte sie keck, aber doch ein wenig gespielt an. "Soll das hier unser Versteck werden?" fragte er leicht amüsiert, denn wirklich ungestört waren sie hier nicht, aber weder links noch rechts war eine Tür zu sehen. Sie lachte laut auf und machte wieder einen Schritt auf Nion zu. "Du warst wohl noch nie mit einer Nutte näher zusammen was?" Sie legte ihre Hände um seinen Nacken, presste ihren völlig durchweichten Körper an seinen. "Wir scheren uns nicht gerade darum, ob wir gesehen werden oder nicht." Sie spielte etwas mit den Haaren in seinem Nacken. "Aber wenns dir hier zu öffentlich is, wir können auch ein Zimmer nehmen. Hinten links gibts was gemütliches. Nicht teuer und auch stundenweise zu bezahlen." Sie sah erneut in seine Augen. "Du kannst doch zahlen nicht wahr?" Er konnte nicht anders als zu Grinsen. Nein, er war selten mit einer Nutte zusammen, nur beinahe jeden Abend. "Nun, wenn eine Schönheit wie du sich nicht schert gesehen zu werden, sollte ich mich wohl besonders dazu angetan fühlen, lieber mit dir alleine zu bleiben. Nachher kommt noch ein schönerer Mann und nimmt dich mir weg" säuselte er und drückte sie dann hart aber mit einem besänftigenden Blick gegen die Wand. "Sagtest du nicht eben noch, ich sei ein reicher Junge, der hier nicht her gehört? Wie kommst du dann auf die Idee, ich könnte nicht bezahlen?" Dann ließ er sie aber wieder los und riss sich zusammen, schob sie aber ein wenig vor sich in die Richtung, die sie eben sagte. "Los, ab aufs Zimmer. Ich habe ja nicht die ganze Nacht Zeit" meinte er dann nur kühl. Die Rothaarige löste sich wieder von der Wand, packte ihren Kunden am Kragen und zog ihn mit sich. Am Ende der Gasse stieß sie eine Tür auf und betrat eine warme Stube. "Jozeph, ich brauche ein Zimmer für..." Sie wandte den Blick zu Nion. "Ach sagen wir ich brauch ein Zimmer für die ganze Nacht!" Sie knallte dem Alten ein paar Scheine auf den Tisch, ehe sie sich einen Schlüssel vom Bord nahm und die Treppen nach oben stieg. Bei jedem ihrer Schritte rutschte das Kleid etwas zur Seite und entblößte die nackte Haut ihrer langen Beine. Es war ein großes geräumiges und vor allem, sauberes Zimmer. "So mein Märchenprinz" frozelte sie ein wenig. "Da wären wir." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)