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Still

Sasuke & Sakura
von

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Realitätsfern

Die Mittagssonne leuchtet ungewöhnlich hell. Ich liege auf dem grünen Rasen, aber merke die piekenden Grashalme nicht. Meine nackten Füße spüren nichts, auch nicht das Kitzeln der Sonnenstrahlen. Sie sind ganz taub. Ich bin taub, völlig leer und im nächsten Moment wieder gefüllt mit einem explosiven Gemisch aus Trauer und Wut und weiß nicht wie ich damit umzugehen habe.
 

Irgendwann wird es kühler und dunkle Wolken ziehen an dem sonst so klarem Himmel auf. Oder ist es nur Einbildung, Wunschdenken, dass das Wetter sich meinen Inneren Gefühlen anpassen würde? Ist dieses Verlangen so stark, dass ich anfange zu halluzinieren? Ich weiß es nicht, wollte es auch nicht wissen. Gehe einfach wieder ins Haus, die Augen fast geschlossen, und nehme nichts wahr, denn ich bin ja nicht da, lege mich auf mein Bett und bin regungslos.
 

--
 

Wenn ich mich an die Zeit davor zurückerinnere, dann möchte ich lachen und weinen, all meine Wut und Trauer rausschreien, die Zeit zurückdrehen und dann wieder vergessen. Ich möchte jemanden die Schuld geben, ihn anschreien, beschimpfen und für all das Unglück auf der Welt verantwortlich machen. Aber es geht nicht, weil dort niemand ist, den man beschuldigen könnte. Ich möchte nicht, dass mir alles gleichgültig ist. Ich möchte fühlen. Den Schmerz, meine Tränen, meine Wut, alles. Aber im Moment stecke ich fest. Zwischen dem Heute und Morgen. Vergangenheit und Gegenwart. Gegenwart und Zukunft. Und ich komme nicht mehr los, bilde mir ein ich sei angekettet, doch dort ist nichts.
 

Ich möchte loskommen. Möchte so vieles, das mir der Kopf weh tut und mir das Atmen schwer fällt. Aber am Ende ist es doch sowieso nur ein bitterer Traum, oder? Ein Traum der mir Dinge zeigt, deren Schmerz mich zu erdrückend droht, mir alles nimmt. Meine Luft zum atmen, mein Gefühl, mein Herz. Nichts bleibt übrig, alles verschwindet. Ich verschwinde. Irgendwie. Dabei möchte ich doch so, so dringend aufwachen. Aber nichts passiert. Stattdessen ändert sich um mich herum alles und ich löse mich langsam auf. Weil ich mich nicht mit ändere. Weil ich kein Teil dieser neuen Welt werden will. Weil ich so sehr daran festhalte, das dies hier ein Traum ist. Nicht die Wirklichkeit. Einfach, weil ich nicht loslassen kann. Und weil leben schwer ist.

Junisturm

M o n a t : O k t o b e r
 

In meinem Zimmer läuft der Fernseher ohne Ton und die Stille um mich herum ist so wunderbar perfekt, dass ich mich nicht leer fühle und auch nicht voll. Merkwürdig unvollständig. Bilder flackern über den Bildschirm und meine Gedanken ziehen mit ihnen völlig heillos in ein chaotisches Durcheinander. So schön sinnlos, das ich fast schon anfange gedankliche Selbstgespräche zu führen, zu lachen, ja beinahe mich gut zu fühlen. Dann schweift mein Blick ab und etwas verändert sich, aber ich kann nicht beschreiben, wie oder wo. Da ist nur die Gewissheit, dass es passierte, als ich die roten Ziffern betrachtete. Jetzt ist es ein Uhr neunundzwanzig.
 

Einschlafen ist eine Art Fehler. Schließt du die Augen, fängst du an zu Träumen. Dann kommen die Erinnerungen, aber nicht die schönen, befreienden, die bei denen du denkst, du fliegst-so gut fühlen sie sich an, so gut-sondern die, die unbeachtet in deinem Kopf umher kreisen, begierig darauf warten aus dieser Routine ausbrechen zu können, dich verschrecken und sich in sowas wie Alpträume entwickeln. Sie sind schlecht.

Deshalb schaue ich nicht in den Spiegel, denn die bläulichen Schattierungen unter meinen Augen verraten mir, wie sehr ich mehr Schlaf benötige. Den anderen Grund versuche ich zu verdrängen. Die Erinnerungen lauern überall.
 

Meine Augen gleiten wie von selbst zurück zu der Uhr auf meinem Nachttisch. Dieselben Ziffern strahlen mir entgegen, als wollen sie mich herausfordern, als würden sie sagen, durchhalten kannst du sowieso nicht, als wäre die Zeit stehen geblieben. Letztendlich haben sie recht, denn als meine Augen langsam zufallen, trotz meines Versuchen sich dagegen zu wehren, und mein Blick langsam verklärt, das leuchtende Rot vor mir verschwimmt, gebe ich mich den Träumen hin, schwelge in Erinnerungen, verliere den Kampf. Schon wieder.
 

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Am Anfang sind die Bilder unscharf. Kaum zu erkennen. Nur eine verwirrende Mischung aus Farben. Als ein mir nicht unbekanntes Lachen ertönt, klärt sich alles auf und ich sehe wie der gelbliche Federball in meine Richtung fliegt und mein Arm mit dem Schläger in der Hand sich wie automatisch bewegt, Schwung holt und trifft. Auf der anderen Seite ist meine Mutter mit ihrem erfreuten Gesicht dem hellen, jungen Lachen, dass mich hier her geholt hat. Sommer vorletzten Jahres, warme Augustnachmittage, der letzte gemeinsame Familienurlaub bevor wir die Diagnose bekamen. Und eigentlich sollte mir aufgrund dieser Erkenntnis das Herz so unsagbar schwer werden, dass es nicht auszuhalten wäre, aber ich fühle mich gut-nein, glücklich. So verflucht glücklich, dass mir alles, was in diesem Moment passiert noch unglaubwürdiger erscheint. Surreal.
 

Und ehe ich mich versehe, ganz plötzlich, so schrecklich unerwartet, verwischt alles. Die bunten, fröhlichen Farben vermischen sich zu unschönen Klecksen und werden schließlich zu einem hässlichen, nichtssagendem Grau. Ich weiß was jetzt kommt, kann die salzigen Tränen auf meiner Wange schon spüren, noch bevor sich das Grau weiterverarbeitet, sich die Konturen herausbilden. Das helle Licht im Krankenhaus brennt in meinen Augen und ich möchte sie am liebsten zu pressen, mit den Fingern drüber reiben, aber ich fühle mich eingerostet. Meine Augenlider wie versteift. Ich höre den Regen, vom heftigen Wind getrieben, laut gegen die Fensterscheibe klatschen. Ein Blitz zuckt durch den Himmel, macht das Zimmer für einen winzigen Moment noch heller. Donnergrollen. Das durchdringende Geräusch der starken Tropfen, das das nervige Ticken der Uhr übertönt.

So sind sie. Stürme im Juni. Wild. Ungebändigt. Laut.

Mein Vater sitzt neben mir. Zitternd. Ich glaube er weint auch.

Der Wunsch er würde mich in den Arm nehmen, mir wenigstens die Hand reichen, wird nicht erfüllt. Stattdessen sitzen wir nur reglos nebeneinander. Kein Wort. Nichts. Ich fühle mich ihm gegenüber, wie eine Fremde. Wir verharren so für Stunden, lauschen dem Junisturm, bis auch dieser verstummt. Irgendwann kommt eine Schwester herein und entschuldigt sich, sagt wir sollten nachhause gehen, sie müssten sie nun nach unten bringen. Es ist früher Morgen. Ich sehe ein letztes Mal in das abgekämpfte, müde Gesicht meiner Mutter, bevor die Schwester es mit einem Laken verdeckt.

So sind sie. Stürme im Juni. Erbarmungslos. Nicht vorhersehbar.
 

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Die SMS von Naruto weckt mich am Morgen. Die Kälte in meinem Zimmer erschreckt mich und die feinen Härchen auf meinen Armen stellen sich auf, ehe sich mein ganzer Körper für einen winzigen Moment so leicht schüttelt, dass ich es fast nicht spüre. Erst jetzt bemerke ich das weit offen stehende Fenster, den dunklen Bildschirm meines Fernsehers und die aufkeimende Wut, die darauf baut, dass er schon wieder in meinem Zimmer war, schlägt genauso plötzlich, wie sie gekommen war, in das bekannte dumpfe Gefühl um. Ich greife nach meinem Handy, ignoriere den zerkratzten, unschönen Bildschirm, lese die Nachricht und die Leere in mir scheint sich wieder zu vervollständigen.
 

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Mein Blick wandert durch die Straße, beobachtet das herzlose Treiben der roten, gelben, orangenen Blätter. Der bittere Geschmack auf meiner Zunge. Kaffee schwarz, ohne Zucker.
 

Naruto sieht mich an. Verständnislos und kurz streift mein Blick seinen, beendet meine Wandertour schlagartig und es reicht mich so unendlich zu schämen, dass meine ganze Wut verschwindet, wie weggeblasen scheint. Der Wind wird stärker, weht mir die Haare ins Gesicht, lässt die Blätter rascheln. Meine Finger verkrampfen sich und Naruto rutscht ein Stück weg. Ganz zaghaft, so als würde er hoffen, dass ich es nicht bemerke. „Naruto, es-“ Tut mir leid, ich meinte es nicht so, ich bin so dumm –will ich sagen aber er unterbricht mich.
 

„Nein, du hast ja recht. Ich-ein zögern-ich kann das nicht verstehen.“ Dann taucht sie wieder auf, mit einer Wucht, dass mir der Kopf schwirrt und als ich Narutos Gesicht sehe, wächst die Wut in mir immer weiter, nimmt all den Platz ein, den sich die Scham eben noch genommen hat. Ich kann nicht glauben was er gesagt hat und noch weniger, dass er versucht mich anzulächeln. Auch wenn es seine Augen nicht erreicht und mir doch eigentlich zeigt wie sehr ich ihn verletzt habe, brodelt es in mir.
 

In diesem Moment wird mir klar, was ich mit meinen Worten erreichen wollte. Ich wollte, dass er mich anschreit, mir sagt, dass ich so nicht mit meinen Mitmenschen umgehen kann, darf, weil sie mir doch nur helfen wollten, genau wie er. Aber Naruto reagiert so anders, so falsch. „Ich muss gehen.“, sage ich, stehe von der Bank auf, greife meine Tasche und lasse ihn allein, kalt wie ich war. Auf einmal.
 

„Du verstehst das nicht. Du hattest nie eine Familie.“
 

Der Wind pfeift mir wieder um die Ohren, spielt mit meinen Haaren. Es ist Anfang Oktober. Und während ich den steinigen Weg entlang laufe, meine Finger immer noch verkrampft, so dass sie langsam anfangen zu schmerzen, stelle ich mir die Frage, ob es schlimmer ist einen Elternteil zu verlieren, als je einen gehabt zu haben.
 

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Die Tür fällt hinter mir wie von allein ins Schloss. Der Geruch von Essen schlägt mir entgegen, dringt in meine Nase, lässt mich sie rümpfen. Ich lockere die Schnüre, ziehe meine Schuhe aus und stelle sie in die Ecke. Die Jacke hänge ich an den Haken und dann höre ich schon die Schritte, wie lautes Trampeln wiederhallend in meinen Ohren.
 

Sie kommt auf mich zu, nimmt mich in den Arm -fester- versucht mir Liebe zu vermitteln, Geborgenheit. Es reicht nicht. Sie riecht nach Dior, Armani, Chanel, was auch immer und nicht nach Mütterlichkeit, Vertrauen. Wird es nie. In der Küche sitzt mein Vater, klimpert mit dem Besteck und kratzt auf dem Teller rum. Bemerkt mich nicht. Wir hatten nie diesen Draht zueinander. Zwischen uns war es schon immer kompliziert.
 

„Ich hab dir dein Lieblingsessen gemacht.“ Sie streicht mir durch die Haare. Ich schaue auf den Boden. Aniko ist meine Tante und es überrascht mich nicht, dass sie wieder hier ist. Wahrscheinlich hat mein Vater sie angerufen, in all seiner Verzweiflung, weil er nicht weiß, wie er mit mir umgehen soll oder kann. Ich habe früher gerne mit ihr Zeit verbracht, aber jetzt, jetzt ist sowieso alles anders. „Komm.“ Sie legt mir ihre Hand auf den Rücken, folgt mir in die Küche. Die Wärme, die sie ausstrahlt, ist nicht wohlig, angenehm, sondern befremdend und ich finde es schrecklich was sie tut, denn sie führt mir vor Augen, wie ausgelaugt ich bin, wie hohl ich klinge und wie allein ich mich fühle.
 

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Als Sasuke am Abend vor unserer Tür steht, stockt mir der Atem und das Pochen meines Herzens wird stärker. Aber es ist nicht dieses angenehme, kräftigere Schlagen, was mich glauben lässt das mir das Herz bis zum Hals klopft und welches ich noch vor wenigen Monaten gespürt hatte, wenn ich an ihn dachte oder ihn sah. Dieses ist anders, unangenehm, zu weit, zu stark, so als bestünde mit jedem weiteren Herzschlag die Gefahr, dass es mir aus der Brust springt. Es engt mich ein. Irgendwie.
 

„Was-“, beginne ich, anstatt ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen, dass, was er verdient hätte und er unterbricht mich-natürlich. „Von meinem Bruder.“

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, wundere mich, dass ich überhaupt irgendwelche Erwartungen an Sasuke hatte, mögen sie noch so winzig gewesen sein. Allerdings war es doch ein wenig mehr, als das was er mir-von seinem Bruder- vor die Nase hält. Aber ich verdränge diese Gedanken, konzentriere mich auf einen gleichgültigen Gesichtsausdruck.

Zögernd betrachte ich den weißen Umschlag, bis ich ihn stumm entgegen nehme.

„Sonst noch was?“, frage ich trocken, das eklige Kratzen in meiner Stimme ignorierend. Er zögert, steckt sich die Hände in die Hosentaschen. Es dauert nicht lange, bis er wieder zu sprechen anfängt:„Es tut mir leid, was passiert ist.“ Ich muss mich zurück halten ihm nicht irgendwas, wie Kann dir doch egal sein entgegen zu brüllen, meine Wut auf seine Worte, sein Verhalten, ihn runterschlucken. Kurz fühle ich mich so, wie damals nach unserer Trennung. Hintergangen. Ich sehen auf den Boden, an Sasuke vorbei, nur nicht ein sein Gesicht, zerknittere den Umschlag ein wenig, presse nach ein paar gefühlten Minuten ein Geh einfach heraus und mache so schnell es geht die Tür zu, sammle mich kurz und gehe zur Treppe.

„Wer war das, Schätzchen?“ Aniko steht fragend im Türrahmen, trocknet sich die Hände mit einem Geschirrtuch und sieht mit dem warmen, warmen Lächeln zu mir hoch. Ich bleibe auf der Stufe stehen, mein Griff um den Brief wieder fester. „Niemand wichtiges.“
 

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„Ich stecke orientierungslos im Stillstand still.

Ich würde gerne wissen wer ich bin und was ich will.“


 

[Bosse - Kilometerweit]
 



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  TigerNagato
2012-05-30T09:39:33+00:00 30.05.2012 11:39
Dein Schreibstiel ist einfach genial. Diese bedrüchende Stille, die Traurigkeit. Zugegeben es ist erst der Anfang und ich persöhnlich glaube dass es noch ein sehr weiter weg ist, aber ich freue mich darauf weiter zu lesen.

Aber eine frage brennt mir auf der Zunge. Was ist in dem weißen Umschlag von Itachi und warum hat er ihn nicht selbst vorbeigebracht?

bis zum nächsten Kappi
lg Tiger
Von:  Kleines-Engelschen
2012-05-29T19:31:29+00:00 29.05.2012 21:31
ein echt toller anfang, ich freu mich schon auf das nächste kapitel.
mach weiter so

greetz
Von:  DarkBloodyKiss
2012-05-28T07:28:38+00:00 28.05.2012 09:28
Wow
ein richtig Toller Anfang und ein sehr tolles Kappi ^^
bin gespannt wie es weiter geht ^^

glg DarkBloodyKiss ^^
Von:  TigerNagato
2011-11-02T22:45:18+00:00 02.11.2011 23:45
Wow

Das ist das erste, was mir hierzu in den Sinn kommt. Ich mag diesen Prolog, die melancolie. Es erinnert mich ein wenig an den tot meines Onkels und den meiner Uroma. Vor allem die underechte Welt.

Ich bin einmal sehr gespannt, wie es weiter geht.
Könntest du mir vielleicht bescheid geben?

lg Tiger
Von: abgemeldet
2011-11-01T11:44:42+00:00 01.11.2011 12:44
Hallo!
Dein Prolog ist dir wirklich gelungen.
Ich mochte diese nachdenkliche Art.
Du schreibst sehr schön und einfach, es entstehen Bilder, das finde ich sehr wichtig.
Ich bin gespannt, wie es weiter geht und würde mich freuen, wenn du mir Bescheid geben würdest :)

Liebste Grüße


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