Die Engelstrilogie von Drifter ================================================================================ Kapitel 2: Gipfeltreffen ------------------------ Die Sonne schien völlig ungehindert vom Himmel. Keine einzige Wolke stand am Himmel, der genau so blau war, wie das kristallklare Wasser unter ihm. Seichte Wellen rollten sanft an den elfenbeinweißen Sandstrand. Eli’el stand barfuß im Sand und genoss das Wasser, das ihre Füße umspielte. Sie sah aufs Meer hinaus und spürte den Wind auf ihrer Haut. Der weibliche Engel war immer noch in weiß gekleidet, aber sie hatte sich hier für ein weites Sommerkleid entschieden. Ihre weißen Flügel waren offen sichtbar und schienen einfach durch das Kleid zu gehen. Auf ihrem Kopf trug sie einen passenden Sonnenhut. Eli’el drehte den Kopf nach rechts und blickte den endlosen Strand entlang. Dort hinten konnte sie ein Hitzeflimmern ausmachen. Eigentlich nicht verwunderlich, wenn man die Temperaturen bedachte. Sie konzentrierte sich weiter auf das Flimmern und beobachtete, wie sich Asaziel langsam daraus materialisierte, während er weiter auf sie zu ging. Die Hände in den Taschen und eine Zigarette im Mundwinkel, trottete er den Strand entlang. Er trug eine schwarze Hose und ein dunkelrotes T-Shirt, über dem er eine alte, abgewetzte braune Lederjacke trug. Auch seine Flügel waren zu sehen. Während Eli’els Flügel weiß, gleichmäßig und sauber waren, waren Asaziels Flügel schwarz und unschön. Mehrere Federn standen ab und ab und an verlor er auch ein paar. Was aber nicht heißen sollte, dass er wirklich „kahl“ wurde. Das schien alles zur Optik zu gehören. Es war unbestreitbar, dass er eine imposante Figur abgab, wenn er seine Flügel zur vollen Spannweite ausweitete. Knapp zehn Meter von ihr entfernt blieb er stehen. Er blinzelte in die Sonne, nahm einen letzten Zug von der Zigarette und schnipste sie ins Wasser. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, schnipste sie mit den Fingern und der Stummel verschwand. Sie sagte einfach nichts dazu, weil sie ihn einfach zu lange kannte. „So, da bin ich.“, brummte er. Sie bemerkte, dass er an ihr vorbei sah. „Hey, was macht der Wichser hier?“ Der „Wichser“ befand sich ungefähr zwanzig Meter auf der anderen Seite von Eli’el und hockte im Sand. Er hatte nichts an, außer einer abgerissenen blauen Jeans. Seine Augen waren von einem schwarzen Film bedeckt und wenn er seine Zähne bleckte, konnte man sehen, dass auch sie ölig waren. Ganz offensichtlich bestanden alle seine Körperflüssigkeiten aus dieser schwarzen Substanz. Auf dem Rücken hatte er etwas, das aussah, wie abgerissene Flügel. Es waren nur noch zwei Stummel, die immer noch etwas rauchten und aus denen das Öl unablässig rauslief. Eine ewige Wunde, die nie heilt. Jetzt stand er auf und zeigte mit dem Finger auf Asaziel. „Pass auf, was du sagst, Schwanzträger.“ Vor langer Zeit einmal mochte seine Stimme ähnlich wie die von Asaziel gewesen sein, aber die Zeit war lange vorbei. Das Zischeln bestätigte das. Asaziel zeigte ihm den Mittelfinger. „Lieber ein Schwanzträger, als ein Schwanzlutscher.“ Azrael fauchte den dunklen Engel an. „Du wagst es.“ Azrael begann in stampfenden Schritten auf Asaziel zuzugehen. „Dir wird ich zeigen…“ „Wie du blasen kannst. Das weiß doch schon die ganze Hölle.“ Er griff sich in den Schritt. „Willst du ein Stück davon? Komm und hol’s dir, wenn du kannst, DU SCHWUCHTEL!“ Azrael rannte jetzt und Asaziel holte bereits aus. Die beiden waren nur noch Zentimeter auseinander, als genau zwischen ihnen ein Blitz aus dem blauen Himmel in den Boden einschlug. Die Wucht schleuderte die beiden Streithähne auseinander und jeder wurde mehrere Meter nach hinten in den Sand geschleudert. Als sie aufblickten stand Eli’el mit einem Arm in die Luft erhoben zwischen ihnen. Sie atmete schwer. Nicht, weil sie den Blitz heraufbeschworen hatte, sondern weil sie sauer war. Die beiden hatte die schöne Idylle gestört. Aber innerlich schalt sie sich selbst. Sie hätte es wissen müssen. „Asaziel, war das nötig?“ Er stand auf und klopfte sich den Sand aus der Kleidung. „Natürlich war es das. Er springt doch immer wieder drauf an. Kann ich doch nichts für.“ Azrael knurrte. Es war in den letzten Jahrtausenden ein kleines Ritual geworden. Wann immer sie sich begegneten, triezte Asaziel Azrael. Der Dämon schwor sich zwar jedes Mal nicht wieder darauf einzugehen, aber der Engel schaffte es trotzdem immer wieder, ihn in Rage zu bringen. „Jetzt mal ernsthaft. Was macht er hier?“ Eli’el, glücklich darüber, dass Asaziel von selbst das Thema gewechselt hatte, sah ihn an. „Ich habe ihn hergebeten. Das, weswegen ich dich gerufen habe, geht ihn genau so viel an, wie uns.“ Der dunkle Engel überlegte kurz. Dann hielt er ihr die offene Hand hin, als Zeichen, dass sie fortfahren sollte. Sie schaute kurz zu Azrael, der sich wieder nur aufrecht hingesetzt hatte, aber sich nicht die Mühe gemacht hatte, aufzustehen. Der Dämon nickte kurz. Alle Gefühle waren fortgewischt. Alles lief auf professioneller Basis ab. Eli’el hatte sich lange überlegt, wie sie Asaziel die Nachricht überbringen konnte, aber sie hatte sich dann doch für die einfachste Methode entschieden. Sie ließ die Bombe platzen. „Gabriel rüstet sich für einen zweiten Krieg.“ Asaziel reagierte nicht. Sie glaubte erst, er hätte sie nicht verstanden. Plötzlich stocherte er wie wild mit einem Finger in einem Ohr und sagte lachend: „Ohoho, entschuldige, aber ich habe gerade verstanden, dass Gabriel sich für einen zweiten Krieg rüstet. Was hast du nochmal gesagt?“ Der Engel schaute ihn nur ernst an. Asaziels Miene verdüsterte sich und er blickte zu Azrael. Der Dämon blickte ihn ebenfalls mit ernster Miene an und nickte ihm zu. Asaziel verstand die Welt nicht mehr. „Aber…aber wieso…warum? Gegen Wen?“ Azrael zeigte nach oben. „IHN.“ Asaziel fiel die Kinnlade herunter. „Was? Gabriel war der oberkommandierende General der himmlischen Heerscharen gegen Luzifers Rebellen. Er hat den Thron bis aufs Letzte gegen die Verräter verteidigt und jetzt will er ihn selbst angreifen? Das macht doch keinen Sinn.“ Eli‘el trat vor. „Gabriel ist weit davon entfernt Sinn von Unsinn unterscheiden zu können. Luzifer hatte den Thron damals angegriffen, weil er ihn für sich selbst haben wollte. Ihn und seine Leute trieb die Gier. Nicht böse gemeint.“, warf sie über die Schulter nach hinten ein. „Passt schon.“, erwiderte Azrael. „Gabriel jedoch ist neidisch. Auf die Menschen. WIR waren die Erstgeborenen. Wir hatten SEINE ganze Liebe. Aber dann hatte er die Menschen geschaffen. Er gab ihnen die Welt und seine wertvollsten Besitztümer. Seelen. Er gab ihnen alles, aber sie verschwendeten es einfach so. Und trotzdem waren sie für IHN an erster Stelle. Das wurmte Gabriel. Schon seit Ewigkeiten. Hattest du das damals, bevor du hier runter gekommen bist, nicht gemerkt?“ „Klar. Ich hatte schon bemerkt, dass er unzufrieden war. Das hatten doch alle. Aber ich wusste nicht warum.“ Eli’el machte jetzt wieder einen Schritt ins Wasser. „Das wusste keiner. Das Warum kam erst sehr viel später heraus. Er arrangierte sich mit der Situation, aber er mochte sie nicht. Jetzt hat er offenbar genug. Vor kurzem stolzierte er vor den Thron und stellte IHM ein Ultimatum. IHM. Entweder die Engel, oder die Menschen. Eine falsche Entscheidung würde ER bereuen.“ Asaziel riss die Augen auf. „Oh, ja.“, sagte sie wissend. „Natürlich hatte ER gesagt, dass er die Menschen niemals an die zweite Stelle setzen konnte. Gabriel zog daraufhin sein Schwert, warf es IHM vor die Füße und ging. Das hättest du sehen sollen.“ Im gleichen Augenblick wurde ihr bewusst, was sie da gesagt hatte. „Oh, entschuldige.“ Asaziel zog eine Zigarette aus der Innentasche seiner Jacke und steckte sie sich in den Mund. Als er daran zog, glimmte sie. „Ja.“, sagte er nur. „Naja, jedenfalls hat ihn seitdem niemand mehr gesehen.“ „Weder dort oben, noch bei uns.“, warf Azrael ein. „Na super. Und was hat das alles jetzt mit mir zu tun?“ Azrael hievte sich aus dem Sand hoch und klopfte sich den Sand ab. „Ach komm. Selbst du kannst nicht so eine lange Leitung haben. Muss ich das jetzt wirklich erläutern?“ Asaziel rollte mit den Augen. „Na gut, du wolltest es ja so. Du bist der einzige Engel, der andere Engel UND Dämonen töten kann. Also endgültig vernichten kann. Wir können das nicht.“ „Stimmt. Wenn ich Azrael jetzt erschlagen würde, würde er sich kurz danach wieder vollständig erholen.“, warf Eli’el ein. „Na danke.“ Sie grinste dem Dämon kurz zu. „Wartet, wartet, wartet. Ihr wollt also allen Ernstes, dass ich den Erzengel Gabriel vernichte?“ „Hallelujah, er hat’s begriffen.“ Eli‘el warf Azrael einen bösen Blick zu. Dann wandte sie sich wieder an Asaziel. „Er ist kein Erzengel mehr.“ „Du weißt, was ich meine.“, fuhr er sie an. Asaziel begann hin und her zu gehen. Er fühlte sich bei dem Gedanken nicht wohl. „Hey Mann. Wo ist das Problem? Du wolltest doch eine Chance, wieder heimzukommen. Hier hast du sie. Quasi auf einem Silbertablett.“ „Wo das Problem ist. Stell dir vor, jemand würde von dir verlangen, Luzifer zu töten, weil er Kirchenlieder singt.“ „Luzifer singt Kirchenlieder. Er verändert nur die Texte etwas.“ Asaziel blieb stehen und blickte Azrael genervt an, der abwehrend die Hände hob. „Schon gut, schon gut. Ich verstehe deinen Standpunkt.“ Der dunkle Engel sah seine helle Schwester an. „Ist das ein Schwur? Ein Versprechen? Ich brauche eine Garantie, dass ich danach nach Hause darf.“ Sie antwortete sanft: „Ich gebe dir mein Wort. ER hat mir sein Wort gegeben, dass du heim darfst, WENN Gabriel getötet wird. Endgültig.“ „Das klingt aber nicht nach ihm.“ „Die Sicherheit der Menschen ist IHM mehr wert, als das Leben eines Engels.“ „Und damit bist du einverstanden?“ „Es ist SEIN Wille.“ Azrael schnaubte. „Und du? In wie weit betrifft euch das?“ Jetzt stand Azrael auf. „Wenn Gabriel Erfolg hat, dann bleibt von der Erde, wie wir sie kennen nichts übrig. Er würde sie in einen zweiten Himmel verwandeln, mit ihm als Gott. In Wahrheit wäre es aber eine zweite Hölle. Und wir brauchen nicht noch eine.“ Asaziel nickte nachdenklich. Eli’el kam näher. Sie legte ihm eine Hand auf die Wange und sagte: „Ich weiß, du tust das Richtige. Ich vertraue dir.“ Sie küsste ihn auf die andere Wange und ging dann zum Wasser. Sie ging einige Schritte hinein. Weder Azrael noch Asaziel bemerkte groß, dass sie auf dem Wasser ging. Das war für sie sowieso normal. Eli’el spreizte ihre Flügel, als ein Bogen aus Wasser vor ihr erschien. In ihm drin war gleißendes Licht. Ohne sich noch einmal umzusehen, trat sie hinein und verschwand. Im gleichen Augenblick fiel der Wasserbogen wieder in sich zusammen. Asaziel und Azrael waren allein am Strand. Der Dämon kam näher und fragte den Engel völlig ohne Gehässigkeit. Er zischte: „Sag mal, wie kommst du damit zurecht? Wenn du Menschen tötest, dann kannst du dich damit trösten, dass ihre Seelen weiterleben. Aber Engel habe keine. Wenn sie sterben, dann ist nichts mehr da. Wie hältst du das aus?“ Asaziel sah ihn an. „Ich…ich weiß nicht.“ Azrael nickte. „Woher auch? Du hast noch nie einen deiner eigenen Art getötet, nicht wahr? Du hast das Potential, hast es aber nie ausgenutzt. Wenn du ihn tötest, dann beendest du eine Existenz. Für immer. Denk darüber nach.“ Azrael drehte sich um und ging in Richtung Landesinnere. Dann blieb er noch einmal stehen und blickte über die Schulter. „Du bist kurz davor einen Engel zu vernichten. Was unterscheidet dich so sehr von uns?“ Mit diesen Worten versank Azrael im Sand, als ob es Treibsand wäre, nur um einiges schneller. Asaziel war allein zurückgeblieben. Er nahm die Zigarette aus seinem Mund und dachte über die Worte des Dämons nach. Dann bemerkte er, dass der Glimmstängel ausgegangen war. „Fuck.“, bemerkte er trocken, was sich sowohl auf seine Zigarette, als auch auf Azraels Bemerkung bezog. Er schnipste den Rest fort und blickte zu Boden. Asaziel dachte ernsthaft darüber nach, was er tun sollte. Dann entschied er, dass er Gabriel erst mal finden und stellen sollte. Daran führte kein Weg vorbei. Was er dann tun würde, würde er kurzfristig entscheiden. Er entfaltete seine schwarzen Flügel und tatsächlich sah es sehr beeindruckend aus, auch wenn er wieder ein paar Federn verlor. Er sprang nach oben, schlug einem mit den Flügeln und erhob sich majestätisch in die Lüfte. Die Sonne schien völlig ungehindert vom Himmel. Keine einzige Wolke stand am Himmel, der genau so blau war, wie das kristallklare Wasser unter ihm. Seichte Wellen rollten sanft an den elfenbeinweißen Sandstrand. Alles war so unscheinbar. Alles war wieder ruhig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)