Freundschaften, Feindschaften von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 14: Ein gepunkteter Vollidiot ------------------------------------- XIV. Ein gepunkteter Vollidiot Justin rutschte innerlich etwas nervös auf dem Leder überzogenem Sessel hin und her. Brian saß etwas ruhiger neben ihm, obwohl Justin instinktiv auch seine Anspannung wahr nahm. Die Direktorin der Grundschule, eine Frau Anfang Vierzig mit ein wenig übertrieben gewelltem, dunkelrot gefärbtem Haar schaute sie undurchdringlich an. Mrs. Sandow. „Nun, meine Sekretärin hat mir einen Mr. Taylor-Kinney in den Terminkalender eingetragen. Wen von Ihnen beiden darf ich denn als solchen begrüßen?“ fragte sie. „Uns beide“, sagte Brian. „Wir sind verheiratet – ist das ein Problem?“ Wenn ja, konnten sie gleich wieder gehen. „Nein“, sagte sie, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. „Das ist kein Problem.“ Justin atmete innerlich auf. „Was kann ich für Sie tun?“ fragte Mrs. Sandow. „Wir würden uns gerne um einen Platz für unseren Sohn Gus für die erste Klasse bewerben“, sagte Justin und lächelte sie strahlend – wenn auch etwas aufgesetzt – an. „Gut“, sagte die Lehrerin und kramte einen Notizblock hervor. „Erzählen Sie mir von Gus.“ Brian warf ihm einen Blick zu. „Gus ist ein freundlicher, neugieriger, sportlich begeisterter Junge“, erklärte Justin im Brustton der Überzeugung. War er schließlich auch, wenn man von seinem sich anbahnenden fiesen Humor, seinem manchmal leicht entgleisenden Wortschatz und seinem Spongebob-Fetischismus absah. Aber das war für das Alter wahrscheinlich normal…? „Für was interessiert er sich besonders?“ fragte Mrs. Sandow. …für unsere behaarten Genitalien… „Oh, er spielt gerne Fußball, liebt Tiere – er hat zwei Meerschweinchen, um die er sich kümmert – und hat es gern, vorgelesen zu bekommen, weshalb er es auch gar nicht erwarten kann, bald selber lesen zu können. Er ist sehr wissensdurstig…“ „Das hört sich doch schon mal sehr vielversprechend an“, meinte Mrs. Sandow. „Was können Sie mir noch Wesentliches über ihn erzählen?“ „Er hat“, setzte Brian an, „kürzlich einen schweren Verlust erlitten. Seine beiden Mütter, bei denen er bis dahin lebte, sind bei einem Unfall ums Leben gekommen. Das war sehr… schwer für ihn, für uns alle. Inzwischen geht es ihm wieder gut, aber dennoch ist es eine große Last für ein Kind.“ Die Lehrerin nickte verstehend. „Wir würden ihn gerne kennen lernen, um zu schauen, ob er sich hier wohlfühlen könnte und ob er zu uns passt. Es wäre schön, wenn Sie ihn in der nächsten Woche zu uns begleiten könnten, dass er probehalber am Unterricht in einer der ersten Klassen teilnehmen kann? Darüber hinaus legen wir großen Wert darauf, dass sich die Eltern unserer Schüler bei uns engagieren – das dürften Sie unserer Broschüre entnommen haben…?“ „Selbstverständlich, Gus wird vor Aufregung außer sich sein“, lächelte Justin. „Und natürlich haben wir uns Gedanken gemacht. Ich arbeite als freischaffender Künstler, und es wäre für mich persönlich eine große Freude, etwas davon an die Kinder weitergeben zu können…?“ Mrs. Sandow musterte ihn ausgesprochen interessiert. „Eine Kunstgruppe… das würde ausgezeichnet in unser Profil passen. Trauen Sie sich zu mit Kindern zu arbeiten?“ Justin nickte und sagte aufrichtig: „Es wäre etwas ganz Neues für mich. Aber ich würde es sehr gerne versuchen.“ „Und Sie Mr. Taylor-Kinney?“ fragte sie an Brian gewandt. „Ich bin selbständig und leite eine Firma, das gibt mir nicht denselben Spielraum, wie mein Mann ihn bieten kann. Aber natürlich würde ich ihre Institution gerne unterstützen. Aber mein Engagement kann eher nur punktueller oder… pekuniärer Natur sein.“ „Ich verstehe… Nun, sehen wir doch, wie Gus sich hier einfügt, dann können wir entscheiden, nicht wahr?“ Justin und Brian stimmten höflich zu. Als sie durch den hohen, von Spinden gesäumten Gang hinaus gingen, murmelte Brian: „Wie einfach war die Welt doch, als ich noch alles, was ich wollte, per Karte zahlen konnte…“ Aus den Klassenräumen drangen Kinderstimmen. „Mich hast du nie per Karte bezahlt…“, erinnerte ihn Justin. „War ja auch nicht nötig. Du bist auch ganz ohne Salär willig gewesen… Oder habe ich da was missverstanden? Hast du mir deinen Hintern nur hin gehalten, damit ich da den Magnetstreifen durchziehe?“ „Psst, Mann! Wir sind in einer Grundschule!“ „Ach verfi… oh wie doooof.“ …………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… Michael hielt Jenny auf dem Arm, die begeistert strampelte. „Papa…“, brabbelte sie und griff mit ihren winzigen Händen nach seinem Kinn. Ihre Augen waren dunkle Teiche, wie Michaels. Das fein geschnittene Gesicht, das langsam Form bekam, schien sie jedoch eher von ihrer Mutter geerbt zu haben. Brian stand im Eingangsbereich, Gus an der Hand, der, wie im Testament vorgegeben, seine Schwester besucht hatte – obwohl ihn Michaels Actionfiguren langfristig deutlich mehr interessiert hatten. Jenny war nun mal gerade erst im Krabbelalter, da hatten sie und ein Sechsjähriger nicht sonderlich viel zu bereden. Immerhin konnte sie inzwischen schon „Gus“ sagen. Sie lernte verteufelt schnell, täglich purzelten neue Worte aus ihr heraus. Brian musterte Michael aufmerksam. Sein Gesicht wirkte entspannt, was es lange Zeit, während diesen ganzen Ärgers, nicht gewesen war. „Danke, Mikey“, sagte er. „Wofür?“ wollte Michael wissen. „Das du geholfen hast… Es ist gut…“ „Eigentlich habe ich gar nicht viel gemacht…“ „Aber du hast geholfen, das zählt.“ „Habt ihr ihn…“ „Platt gemacht? Ja.“ „Gut“, meinte Michael. „Ja“, lächelte Brian, „sehr gut.“ ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. Die wummernden Bässe der Anlage in Justins Atelier konnten nicht den Baulärm überdecken, der aus dem Kellergeschoss hinauf drang. Einmal Sauna-Landschaft de duxe bitte… Ein bisschen dekadent war es schon. Sie wollten schließlich nichts im Keller haben, das wie aus einem öffentlichen Hallenbad entsprungen aussah. Drei Kammern, ein kaltes Becken, eine offene Riesendusche, ein Solarium und ein kleiner Indoor-Pool, ausgestattet mit allerlei Schnickschnack, edlen Hölzern und eleganten Fliesen – eher ein kleines privat Spa – danke nochmal, Lance… Er streckte sich. Das Gemälde, diesmal im zivilen Maßstab von einem zu anderthalb Metern nahm Gestalt an. Erst hatte er naturalistisch gezeichnet, Studien aus seinem Skizzenblock nutzend – der alltägliche Wahnsinn, die alltägliche Hässlichkeit, dann die Figuren verzerrt, gestreckt in Anlehnung an Bacon und schließlich das Ganze mit einer weiteren Farbschicht unter Zuhilfenahme des Zufalls – oder des Unbewussten überarbeitet. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Das Normale demaskierte sich, ließ das Verborgene, Irrationale, Grausame und Brutale frei… Er seufzte. Die Feinarbeit strengte ihn noch immer an, dank Hobbs verdammter Attacke – aber andererseits… könnte er so, dies malen, wenn ihm das nicht widerfahren wäre? Justin trat an die breite Fensterfront. Der Mai hatte die Natur in einen wilden Rausch versetzt. Der rückwärtig gelegene Garten erstreckte sich weit und zeigte ein wirres, lebensstrotzendes Dickicht. Nahe an der Rückfront lag eine verwahrloste Terrasse, auf die man durch das selten genutzte Esszimmer gelangte. Daran grenzte der Pool an, der noch immer lediglich als eine Sammelgrube für Unrat diente. Ein draußen gelegener Pool in Pennsylvania zeugte von einem gewissen Optimismus… aber die Sommer waren heiß, wenn auch nicht ewig. Draußen zu liegen, alle Viere auf einer Gartenliege ausgebreitet… und sie könnten Gus das Schwimmen beibringen… er schloss genüsslich die Augen… endlich wich der Winter. Und Brian arbeitete sich voran, in der Ausführung etwas unkoordiniert, aber mit einer herzerfrischenden Freude… der jonglierende junge Mann und der Kontrollfreak in einer Person… Brian missbrauchte ihn gelegentlich wie ein altägyptischer Vorarbeiter beim Pyramidenbau vor sich her peitschend, wenn auch nur im übertragenen Sinne, sobald es um motorisch anspruchsvollere Arbeiten ging. Seufzend betrachtete er den Wildwuchs unter dem Fenster und dachte an die Kettensäge, die Brian vor ein paar Tagen kommentarlos angeschleppt hatte. Er konnte sich schon denken, wer die würde endlose Stunden lang auf Kommando hin schwingen müssen… Aber solange es Brian Freude machte, steckte es irgendwie auch an. Außerdem könnte er aus dem Holz vielleicht auch irgendetwas machen…? Am Vortag war er mit Gus in der Grundschule gewesen. Justin hatte sofort erkannt, wie hingerissen alle von dem kleinen Jungen waren. Gus hatte nicht nur die Schönheit seiner Eltern geerbt, die er wie ein tapsiger Welpe mit sich herum trug, sondern konnte auch mit seiner raschen Auffassungsgabe und seinem natürlichen Charme punkten. Sie würden ihn aufnehmen, da war Justin sich sicher. Er selbst hatte hinten im Klassenzimmer gehockt mit ein paar anderen Eltern, die ihn irritiert musterten, wohl wegen seines arg jungen Aussehens und seiner absolut nicht vorhandenen Ähnlichkeit mit Gus, der ihn konsequent mit „Papa“ angesprochen hatte. Aber Feindseligkeit war nicht zu verspüren gewesen. Gus hatte dagesessen, angespannt wie ein Fuchs beim Kacken, und hatte sich, nachdem er das Prinzip verstanden hatte, wie wild gemeldet, dass er beinahe vom kleinen Kinderstuhl geflogen wäre. Streber… Aber, naja, das waren Brian und er ja wohl auch gewesen, gute Noten kamen nicht von nichts. Und ob die anderen einen deswegen für ätzend hielten, konnte einem wurschtegal sein, es ging ja schließlich nicht um sie. Aber ein Schicksal als Außenseiter schien Gus nicht zu blühen, so interessiert die anderen Kinder ihn gemustert hatten. Gus hatte eine natürliche Führungspersönlichkeit ahnte Justin. Wer dem Kleinen krumm kam, sollte sich warm anziehen. Das schloss wahrscheinlich auch sie mit ein. Oh weh… Und Brian war, nachdem der Lance-Terror endlich hinter ihnen lag und die Trauer, obwohl sie immer irgendwie da sein würde, im Alltagsleben verblasste, wie neu geboren. Natürlich tanzten auf seiner Zunge nach wie vor zynische Bemerkungen, aber sie waren durch eine Zufriedenheit und Heiterkeit relativiert, die Justins Herz überfließen ließ. Das war sein Brian. Sein Partner, sein Geliebter, sein Sex-Spielzeug, sein Kampfgefährte, seine große Liebe – sein bester Freund. Und er wusste, dass Brian das nicht anders sah. Er legte die Stirn an die kühle Fensterscheibe. Sein Haar kitzelte ihn im Nacken, es wäre praktischer, es wieder kurz zu scheren. Aber Brian liebte sein Haar, dafür nahm er ein wenig Gepieke und einen erhöhten Verbrauch an Haarpflegeprodukten gern in Kauf. Ein Schauder durchlief ihn. Was war das…? Die Freude? Irgendwie fühlte er sich ein wenig schwummerig. Er fasste sich an die Stirn. Was war das… bekam er etwa Fieber? ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….. „Taylor Kinney?“ „Brian… ich bin’s…“ „Was ist los, Justin?“ fragte Brian alarmiert. „Ich glaub‘ ich werde – oder bin – krank… Kannst du Gus vom Kindergarten abholen oder wen organisieren? Ich kann so nicht Auto fahren…“ „Sicher, ich kümmere mich darum. Alles klar, Sonnenschein? Soll ich etwas mitbringen?“ „Kannst du zur Apotheke…? Irgendwas gegen Fieber…?“ „Wie viel hast du?“ „38, 9“, krächzte Justin. „Mmm, das ist ganz schön viel… Ich kann hier heute früh Schluss machen, den Rest kann Ted erledigen. Ich rufe Mal den Hausarzt an und komme dann Heim.“ „Okay…“, nuschelte Justin etwas weg getreten. Brian legte auf, zog seine Krawatte wieder fest, die er in einem unbeobachteten Augenblick angenehm gelockert hatte, und machte sich auf zu Ted. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. Als Brian zu Hause ankam, Gus im Schlepptau, der ihm erzählte, dass Schule viel cooler sei als der lahmarschige Kindergarten, war der Hausarzt bereits im Anmarsch. Brian begrüßte ihn, einen älteren Herr mit einer runden Brille und stahlgrauem Haar, der ihn schon diskret von so manchem peinlichem Wehweh kuriert hatte. Filzläuse waren nun mal echt nicht angenehm… Ein ständiges Übel, wenn man durch die Gegend fickte. Die Syphilis war dagegen allerdings schon noch eine Spur härter gewesen… Justin lag, notdürftig in einen ihm von Brian untergeschobenen Calvin Klein-Schlafanzug gehüllt in die Kissen gewühlt im Bett. Gut, dass sie, Mrs. Lennox kritischen Blick im Hinterkopf, weder Tanzstange noch Sling im Schlafzimmer installiert hatten. Und der Gedanke, dass Gus dergleichen als neuen Abenteuerspielplatz definieren könne, hatte die Sache auch nicht gerade voran gebracht. Aber wie war das mit Justins Stange im Fitness-Raum…? Sowas gab es schließlich auch portabel… Justin im Sling… mmm… aber dann würde er auch darin landen, darauf konnte er Gift nehmen… Momentan sah Justin jedoch nicht danach aus, dass ihm der Sinn nach irgendwelchen Sexperimenten stehen würde. Er glühte fiebrig und war benommen. Seine sonst so ebenmäßige Haut zeigte merkwürdige Rötungen. Brian stand daneben, Gus in sein Zimmer verbannt habend, als der Arzt Fieber maß und Justins Körper beäugte. „Justin…?“ fragte er professionell-sanft. Es war seine Eigenart, seine Patienten prinzipiell mit dem Vornamen anzusprechen. Wahrscheinlich weil man so zu den Kranken in ihrer häuslichen Umgebung besser durchdrang. „Ahhh…?“ murmelte Justin. „Hatten Sie Masern als Kind?“ „Nein“, hauchte Justin. „Dann haben Sie sie jetzt. Hatten sie in letzter Zeit Kontakt zu Kindern?“ „Ich war mit Gus… in der Grundschule…“, murmelte Justin. „Das könnte es sein…“ Brian fragte besorgt: „Was wird mit ihm?“ „Wer die Masern als Kind gehabt hat, ist weitestgehend aus der Gefahrenzone. Trifft das auf Sie zu, Brian?“ „Ja, ich hatte Masern… Aber was ist mit Justin?“ „Kinderkrankheiten wie diese wirken sich viel stärker auf Erwachsene aus… Er hat fast vierzig Grad Fieber, das müssen wir senken. Und der Ausschlag ist dabei, sich auszubreiten. Es wird furchtbar jucken, aber er darf nicht kratzen, sonst werden Narben zurück bleiben. Er braucht Antibiotika und muss regelmäßig mit Salbe eingerieben werden – machen Sie das?“ „Sicher…“ „Aber er ist jung und in bester körperlicher Verfassung, es wird eine Weile dauern, aber er wird sich erholen. Es ist zu vermuten, dass ihr Kind auch infiziert ist, aber vielleicht bricht es bei ihm nicht aus. Ich werde einen Test machen, solange sollten Sie die beiden wegen der Ansteckungsgefahr voneinander fern halten. Können Sie auf jemanden zurück greifen, der Ihnen hilft?“ „Ja… Ich kann Justins Mutter – und meine…. – anrufen.“ „Gut. Ihr Partner braucht Wadenwickel, damit das Fieber ein wenig gesenkt wird – wissen Sie, wie das geht?““ „Ähhhh… so ungefähr…“ „Ich zeige Ihnen, wie das geht, kommen Sie.“ Justin hatte ihn gepflegt, als er krank gewesen war, jetzt war er an der Reihe. Wie war das noch gewesen… In guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Gesundheit… Nun, dann mal los. Immerhin konnte er in Justins Hintern Fieber messen, das würde er ihm garantiert nicht ersparen. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. Jennifer lag, notdürftig gekleidet, auf dem Sofa, Craig umschlang sie von hinten. Molly war bei einer Sportveranstaltung in der Schule, irgendein Hockey-Turnier. Es war friedlich. „Jenn“, flüsterte Craig. „Mmmm“, murmelte sie nur genüsslich. „Ich liebe dich, Jenn“, sagte Craig. Jennifer machte die Augen auf. Liebte sie Craig…? Oder war das immer noch nur ein Überrest vergangener Zeiten? Das Damals war noch da… aber das hier war neu. Sie hatten sich neu getroffen, und dennoch lebte das Einst. Die Wunden schlossen sich, die guten Seiten begannen wieder zu blühen… Vielleicht war sie auch im Hormonrausch völlig belämmert. Aber der Sex war spitzenklasse. Vertraut und unvertraut, zärtlich und Grenzen sprengend, die sie einst selbst gezogen hatten. Sie fühlte sich… nah. Verstanden. Akzeptiert. War das eine Selbsttäuschung? Nein… Er hatte recht. „Ich dich auch“, flüsterte sie, kaum hörbar, zurück. Sie roch seinen warmen Körper, fühlte die Muskeln, die sie nahe zogen, Craigs Nase, die sich in ihrem Haar vergrub und musste nicht hin schauen, um zu wissen, dass er lächelte. Er war glücklich. Sie auch. Also, was sollte es… Das Telefon schrillte und riss sie aus ihrer trauten Zweisamkeit. „Taylor?“ meldete sie sich entspannt. „Hallo Jennifer, hier ist Brian“, meldete sich ihr Schwiegersohn. „Oh hallo, Brian… Was gibt es…?“ „Störe ich gerade? Belebst du gerade eine alte Liebe in der Horizontalen wieder…?“ kam es punktgenau. Verdammter Brian. Es war, als könne er dergleichen riechen. „Brian!“ sagte sie leicht genervt. „Was gibt es?“ „Hatte ich doch wieder recht - schöne Grüße an Craig… Justin ist krank.“ „Was?! Was hat er?“ fragte Jennifer leicht panisch. Oh Gott, sie hatte immer so eine schreckliche Angst, dass er… krank werden könnte. „Ruhig durchatmen. Wir sind brave Jungs und vergnügen uns nur im Ehebettchen – Details…?“ „Nein danke!“ „Auf die verzichte ich in deinem Fall auch dankend… wenn es sich denn ausnahmsweise mal vermeiden lässt. Nein, Justin war mit Gus in der Grundschule beim Probelernen und hat sich die Masern eingefangen.“ „Stimmt“, sagte Jennifer erleichtert, „die hatte er als Kind nicht.“ „Ich wollte nur fragen, ob du es einrichten kannst, nach ihm zu sehen? Ich kann mich von Kinnetic loseisen, aber ich brauche noch einen Tag. Meine Mutter hätte wahrscheinlich Zeit… aber er ist in erster Linie dein Sohn…?“ „Unser Sohn“, meinte sie und schaltete den Lautsprecher auf Raumempfang. „Hallo Brian“, sagte Craig, Jennifer von hinten umfangend. „Hallo Schwiegervati – mitbekommen? Der Nachwuchs hat die Masern und muss umsorgt werden.“ „Das wird schwer“, meinte Jennifer, „ich bin gerade schrecklich eingespannt, aber ich könnte etwas absagen…“ „Lass mal“, sagte Craig, „ich kann das machen, ich habe Zeit. Die Firma läuft auch ohne mich gerade wie am Schnürchen. Es reicht, wenn ich ab und an reinschaue.“ „Das würdest du machen?“ fragte Jennifer. „Ich bin gerührt“, bemerkte Brian, wobei die Ernsthaftigkeit seiner Aussage zur Disposition stand. Er wurde ignoriert. „Klar…“ murmelte Craig, Jennifer tief in die Augen schauend. Sie liebte ihn…? Sie liebte ihn… Brian räusperte sich: „Hallo…? Ich bin auch noch da. Bitte keine Schweinereien treibe, solange ich das mithören muss. Und das fängt bei mir bei euch Heten schon bei einem keuschen Küsschen an. Justins Zustand muss überprüft werden, er muss viel trinken und nach Möglichkeit auch was Essen. Der Arzt hat gesagt, wir sollten ihm Baby-Gläschen einflößen, das sei am einfachsten und zugleich nahrhaft – wehe, wenn er das erfährt, wenn er wieder munter wird. Und er braucht Wadenwickel, muss seine Tabletten ein nehmen, eingecremt werden – und vor allem darin gehindert werden, sich zu kratzen, sonst ist sein Teint im Arsch! Zugleich muss Gus von ihm fern gehalten werden, bis sein Testergebnis kommt – und bespaßt. Bekommen Sie das hin, Craig?“ „Sicherlich!“ erwiderte Craig leicht beleidigt. Er zog Jennifer an sich und küsste sie. „Ich komme auch vorbei, sobald ich kann“, murmelte sie. „Wundervoll. Schichtwechsel ist morgen um halb Sieben. Ich bin jetzt besser aus der Leitung, bevor meine unschuldigen Ohren Dinge hören, die nicht für sie bestimmt sind…“ „Jaaaa…“, gurrte Jennifer, aber meinte Craig. „Ich bin dann da“, flüsterte Craig heiser und machte sich auf Entdeckungstour in Jennifers Dekolleté. „Und ich bin jetzt sowas von weg, um das Ergebnis eurer oder Ihrer innigen Beziehung davon abzuhalten, sich die Haut- danke übrigens für das Erbe - zu ruinieren. Einen angenehmen Abend noch…“ „Den haben wir garantiert!“ erwiderte Craig und küsste Jennifer geräuschvoll. Aber Brian hatte schon aufgelegt. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. Brian hielt den fieberheißen Justin in seinen Armen, die Hände um die des anderen geschlungen, damit der sich nicht kratzte. Justins ganzer Körper war mit quälenden Pusteln übersät. „Oh, Brian“, flüsterte er, „was für eine Scheiße…“ „Mmm, ganz ruhig, du wirst schon wieder“, murmelte Brian in sein Ohr. „Tut mir leid, dass ich krank bin…“ „Bist du bescheuert? Entschuldige dich bloß nicht dafür. Was soll ich denn sagen?“ Justin entspannte sich in seinen Armen, obwohl ihm anzumerken war, dass er sich dem Juckreiz folgend am liebsten blutig gekratzt hätte. Aber Brians Griff blieb eisern. „Du weißt, dass ich dich liebe, ich kann gar nicht sagen wie sehr…“, presste Justin aus seinem Delirium hervor. „Ja, ich weiß“, erwiderte Brian. „Ich dich doch auch, du gepunkteter, bescheuerter Vollidiot.“ „Warum… warum bin ich ein Idiot?“ fragte Justin schwach. „Weil du mich liebst. Niemand anderes hat das je getan, nicht so, nicht ganz und gar. Dazu muss man wohl ein Idiot sein…“ Dem fieberwahnsinnigen Justin konnte er das sagen. „Schwachkopp… Du bist der Beste… Der Klügste… Der Schönste… Der Liebeswürdigste… überhaupt…“, murmelte Justin kaum hörbar, bevor sein Körper sich leicht streckte und er wieder zurück in schlafende Benommenheit sank. Brian wiegte ihn sanft. Oh Gott… wie war das möglich? Er war glücklich… glücklich… Wenn es Gott doch gab, dann hatte er ihm etwas Besonderes geschickt: Einen gepunkteten, bescheuerten Vollidioten. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. „Emm...“, sagte Drew und runzelte die Brauen. „Es tut mir echt leid… Aber es funktioniert nicht… Ich habe es wirklich versucht.“ „Was meinst du?“ fragte Emmet. Sie saßen in Drews luxuriöser Wohnung mit Blick auf den überdachten Innenhof, in dem allerlei exotische Gewächse bunt blühten. “Diese Freundschafts-Sache… Ich will… Ich will mehr von dir…“, murmelte Drew, den Blick erst halb auf Emmet gerichtet, dann niederblickend. „Drew…“, sagte Emmet warm, aber bestimmt. „Ja, ich weiß – Halbheiten kommen für dich nicht in Frage…“ Emmet nickte aufrecht. Drew senkte den Kopf. „Drew…“, meinte Emmet, „ich habe dich wirklich sehr, sehr gern. Und ich weiß auch zu schätzen, wie sehr du dich um mich bemühst hast. Aber… für Freunde sind wir zu viel – aber für mehr… da stimmt es nicht, noch nicht… Dein Körper schlägt noch Saltos, will noch erfahren, lernen… und das ist gut so. Du musst deine… Sexualität erst ganz und gar erfahren, bevor du…“ „Es ist zu früh“, gab Drew zu. „Ja, das ist es“, meinte Emmet. „Aber… was jetzt… ich will dich… nicht bloß deinen Körper…?“ „Zeit. Geduld. Anders geht es nicht.“ „Wirst du warten?“ „Ich kann es dir nicht versprechen. Aber ich… ich will dich auch, das ist wahr...“ „Geduld“, wiederholte Drew wie ein Mantra. „Geduld.“ ………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….. „Papa…?“ Justin sah elendig aus. Er fieberte, sein Gesicht war fahl und verquollen, sein ganzer Körper von Pusteln verunziert. Das verschwitzte Haar stand in alle Richtungen, er sah schrecklich jung und verletzlich aus. „Ist ja gut, Justin“ sagte Craig leise, auf der Bettkante sitzend. Alte Erinnerungen wurden wach… Sein kleiner Junge, der ihm vertraute, der ihn brauchte… Aber dieses Bett… unanständig breit…Obwohl – wenn er da an Jennifer und ihren neu entfachten Hunger dachte… Er fühlte Justins Stirn. Heiß. Er hatte hohes Fieber. „Opa…?“ kam eine Stimme von der Tür. „Was ist, Gus?“ „Ich habe Hunger…“ „Ich mache uns ein paar Spiegeleier – und für Justin machen wir ein Gläschen warm?“ „Okay…“ Er schnappte die Handgelenke seines Sohnes, der momentan jenseits aller Zurechnungsfähigkeit war, und schnallte sie mit einem Fesselriemen ans Bett, den Brian ihm für solche Fälle überreicht hatte. Er wollte absolut nicht wissen, wozu das Ding eigentlich diente. Aber dafür, Justin davon abzuhalten, sich die Haut auf zu reißen, eignete es sich vorzüglich. …………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… „Brian…?“ Die Stimme hörte sich so an, als würde sie gerade weinen. „Daphne?“ entfuhr es Brian. „Was ist los? Alles okay?“ „Brian… bitte… Ihr müsst kommen, bitte…“ „Was… was ist los, Daphne?“ entfuhr es Brian. „Kommt das Baby?“ „Ja… ja!!! Scheiße… scheiße, scheiße, scheiße! Ich habe so eine verkackte Angst…“ „Wo bist du!?“ „Immer noch Mexiko… bitte… ihr müsst kommen…bitte“, jetzt weine Daphne definitiv. „Daphne… das können wir kaum, wenn wir nicht wissen, wohin! Ist jemand bei dir?“ „Nein… Ich bin allein… bitte… bitte!!!“ keuchte sie. „Okay – ganz ruhig. Ich komme…“ „Justin?“ „Justin hat sich die Masern eingefangen. Er hat hohes Fieber und ist nur bedingt ansprechbar. Geschweige denn, dass er dir und… Lilly momentan damit zu nahe kommen sollte.“ „Aber du kommst…?!“ „Ja! Ich komme! Aber du musst mir schon sagen wohin!“ Daphne sagte es ihm. „Wo zum Teufel ist das denn?! Gibt es da wenigstens anständige Ärzte?! Ich werde es schon finden…“ „Bitte, beeile dich! Bitteee!!! Die Scheiß-Vorwehen haben schon angefangen. Oh Scheiße!!! Bittee!!!“ „Ich bin unterwegs!“ brüllte er fast ins Telefon. „Krieg dich wieder ein! Du bist nicht die erste Frau auf Erden, die ein Baby bekommt! Na gut, vielleicht die erste, die so eins bekommt… Aber ich werde da sein, versprochen! Solange du mich nicht zwingst zu zuschauen, wenn es aus dir raus ploppt!“ „Darauf kann ich auch verzichten! Und es „ploppt“ auch nicht heraus – sie wird geboren – scheiße! Scheiße! Das passiert wirklich! Oh Gott! Brian!“ „Bin schon so gut wie im Flieger…“ …………………………………………………………………………………………………………………………………………………………… „Taylor, bei Taylor-Kinney“, meldete sich Craig brav, während Gus im Hintergrund seinen Spezial-Milchbrei mit Zimt und Rosinen mampfte und Justin oben im Schlafzimmer mit Bondage-Equipment ruhig gestellt war. „Brian hier, hören Sie, es gibt einen Notfall…“ Craig seufzte: „Was denn nun schon wieder…“ „Erinnern Sie sich noch an Daphne, Justins Freundin?“ „Ja, sicher, sie war immer bei uns, nettes Mädchen, ich dachte immer, dass sie und Justin…“ „Tja, das war wohl nichts. Stattdessen haben Sie mich abbekommen – wo bleibt der Jubel? Wie auch immer – Daphne ist im Begriff, ihr erstes Kind zur Welt zu bringen.“ Wenn es denn mal ihres war – und nicht… sonstwas. Der Film „Alien“ stieg unwillkürlich vor seinem inneren Auge auf. „Oh… das wusste ich gar nicht… wie schön…“ „Sie ist ganz allein irgendwo am Arsch der Heide in Mexiko, und sie möchte, dass wir kommen.“ „Justin ist krank… Wieso Sie…? Was ist mit dem Vater?“ „Eine ausgezeichnete Frage. Leider hüllt sie sich in dieser Sache in Schweigen. Und, bevor sie es fragen: Wir sind wirklich schwul, nicht nur so manchmal, zum Spaß! Weiß der Geier, wer der Vater ist. Könnte jeder sein. Aber jeder ist leider nicht auch ihr Freund. Bekommen Sie und Jennifer das mit Justin und Gus hin? Ich rufe auch meine Mutter an, damit Sie auf sie zurückgreifen können. Das Mädchen bekommt ihr Kind völlig allein gelassen…“ „Schon gut! Natürlich bekommen wir das hin! Ich habe eine ganze Ladenkette zum Leben erweckt, da werde ich das ja wohl auch noch hin bekommen!“ „Wie geht es Justin?“ „Etwas besser. Tolles Fesselwerkzeug übrigens, echte Qualitätsarbeit. Wo haben Sie das her?“ „Erzähle ich Ihnen beim nächsten Familiendinner… Haben wir natürlich nur gekauft, weil es so gut zur Inneneinrichtung passt…“ „Warum auch sonst, Mr. Taylor-Riesendildo-Kinney…“ „Darüber ist Gras gewachsen, schon vergessen? Und falls Sie unseren Hausstand nach dergleichen absuchen möchten – der einzige verdächtige Ort ist der Hintern ihres Sohnes, dass sollten Sie beim nächsten Fiebermessen mal überprüfen! Ich habe es satt, als die perverse Sau abgestempelt zu werden, während Klein-Justin natürlich sowas von unschuldig ist. Sie haben ja echt keine Ahnung! Fassen Sie sich doch erst einmal an die eigene Nase! Wie heißt es so schon: wer von euch blabla, der werfe den ersten Stein! Passen Sie jetzt auf meinen Sohn und meinen kranken Mann auf, während ich versuche, einer ziemlich verzweifelten jungen Frau zu helfen, die irgendwo in Mexiko in den Wehen liegt?! „Jaaaaa! Verdammt, ich mach’s ja schon.“ „Gut. Ich muss jetzt los, der Flieger wurde aufgerufen.“ Brian schaltete das Handy aus. Er hatte einen kleinen Handkoffer dabei mit Klamotten und Waschzeug, die er bei Kinnetic für alle Fälle gebunkert gehabt hatte. Er hielt dem Kontrolleur seinen Ausweis vor die Nase. Auf nach Mexiko. ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………. So, hier ist erst einmal der Schlusspunkt für diesen Handlungsstrang. Aber keine Panik… und auch keine fauligen Tomaten/Kürbisse/Kühe – es geht natürlich nahtlos weiter. Arbeitstitel: „Das Wunder des Lebens“ – werde am Wochenende wohl schon das erste Kapitel posten können, diesmal wohl eher in kleineren Portionen mit ca. 10 getippten Seiten, so bekommt ihr schneller Nachschub. Ich danke allen aufrichtig für die lieben Worte & die Unterstützung & die Anregungen!!!!! Wie heißt es so schön: Heute ist nicht alle Tage.. Weiter geht’s – mit lieben Grüßen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)