Dark Circle von Darklover ================================================================================ Kapitel 41: 41. Kapitel ----------------------- Da Ryon im Augenblick der Kopf von ganz anderen Dingen schwirrte, als der Hexenzirkel, das Amulett und die Bedrohung dadurch, vermied er das Thema auch weitestgehend. Zumindest vorerst wollte er nicht mit Paige oder jemand anderen darüber reden. Weshalb das Frühstück und der Flug mit belanglosen Gesprächen angefüllt waren. Schon am Flughafen hatte er Tyler angerufen, damit dieser sie wieder mit einem Leihwagen abholen kam, während sie sich noch um Paiges Gepäck kümmerten. Schon bei der Begrüßung durch seinen Freund wurde offensichtlich, dass Ryon sich wieder stark zurück hielt. Oder eigentlich gar nicht zurück halten musste, wenn es nach ihm ging. Es gab kein herzliches Hallo und schön dich wiederzusehen. Zumindest nicht von seiner Seite her. Natürlich war es nicht so, dass er auf seine beiden Freunde sauer gewesen wäre, weil sie ihn mit dieser Rehabilitierungsmaßnahme so eiskalt erwischt hatten. Nein, das nicht. Viel mehr fiel es Ryon einfach nicht leicht, die jahrelang angewachsene Distanz zwischen seinen Freunden und sich zu überbrücken. Bei Paige war es etwas anderes. Sie bedeutete ihm sehr viel und obwohl sie sich sicherlich unter besseren Umständen hätten kennen lernen können, so hatte er doch nicht das Gefühl, als würde im Augenblick etwas zwischen ihnen stehen. Es war leicht, sich ihr gegenüber natürlich zu geben. Umso schwieriger war es aber, das auch bei Tyler zu tun. Doch zum Glück schien seine Reserviertheit seinen Freund nicht abzuschrecken. Er war gutgelaunt wie immer und wenn Ryon auch nur noch irgendeinen Blick für so etwas in der Art übrig gehabt hätte, wäre ihm sofort dieses kleine verräterisch zufriedene Grinsen in Tylers Gesicht aufgefallen. So aber, entging es ihm vollkommen. Umso dankbarer war Ryon jedoch für Tylers fröhliches Geplapper, das ihn davon abhielt, selbst irgendetwas sagen zu müssen. Stattdessen blickte er gedankenverloren aus dem Fenster. Es war noch immer trostlos draußen, aber bereits die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich ihren Weg durch die dichte Wolkendecke. Vielleicht sollte er es heute Nacht tun… Ryon hatte ihr die Tür aufgehalten und Paige war hinten in den Wagen gestiegen, während er selbst auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Das war ihr auch lieber so, als alle anderen Varianten, die ihr in den Sinn gekommen wären. Sie war schon seit ihrer Ankunft auf dem Flughafen sehr still geworden. Was nicht primär daran lag, dass sie sich unwohl fühlte. Paige war einfach nervlich völlig angespannt. Auf dem Weg von der Gepäckabholung zum Ausgang hatte sie sich bereits wie auf dem roten Teppich gefühlt, wo sie einen Prominenten als neue Eroberung begleitete. Die wenigen Augenblicke, die sie brauchten um Tyler zu sehen, der den Wagen direkt vor dem Ausgang geparkt hatte, waren eine echte Qual gewesen. Und danach? Die beiden Männer hatten sich begrüßt wie immer. Aufgeräumt und abgeklärt, als wären sie wirklich kaum mehr als Butler und Herr. Und obwohl Paige wusste, dass das nicht stimmte, beunruhigte es sie nicht sonderlich. Es war nun einmal so und sie hatte immer noch keine Ahnung, was zwischen Ägypten und dem Augenblick, in dem Ryon vor ihrer Tür in Dublin aufgetaucht war, mit ihm geschehen war. Allerdings vermutete sie sehr stark, dass Tyler und auch Tennessey etwas mit seiner Veränderung zu tun hatten. Darauf deutete auch der Blick hin, mit dem der Rothaarige Ryon kurz bedachte. Es lag mehr darin als der leicht amüsierte Ausdruck, den Tyler oft zu Tage trug. Wenn ihr nicht bald jemand reinen Wein einschenkte, würde Paige vor Neugierde vermutlich demnächst platzen. Doch auch auf der Autofahrt hörte sie nur, wie gut es Ai ging, dass sie sich alle schon gewundert hatten, ob Paige tatsächlich zurück kommen würde und dass alles in Ordnung sei. „Von Langeweile kann ja im Moment auch keinesfalls die Rede sein.“, meinte Tyler mit einem Augenzwinkern, das Paige im Rückspiegel sehen konnte. Sie sah nur fragend zurück. Sie tauschten sich – wenn auch nur oberflächlich – darüber aus, wie es Paige ging, was sie in Dublin getan hatte und ob sie auch genug gegessen hatte. „Keine Sorge, Tyler. Ich freue mich schon seit unserem Abflug auf das Abendessen. Deine Kochkünste haben mir sehr gefehlt.“ Wieder war es so, dass Paige nervöser wurde, je näher sie dem Haus kamen. Ihre Augen huschten von ihrem Seitenfenster zur Windschutzscheibe, legten sich auf Ryons Nacken und wanderten zurück auf die Einfahrt, die sie wahnsinnig schnell zur Haustür brachte, wo Tyler den Wagen schließlich zum Stehen brachte. Paige schlug das Herz so stark im Hals, dass sie kaum schlucken konnte. Das Einzige, woran sie denken konnte, war, wie sie sich um Himmels willen bloß verhalten sollte. Im Moment zitterten ihre Finger leicht bei dem Gefühl am liebsten nach Ryons Hand zu greifen und sich doch nicht zu trauen. Was, wenn er sie einfach wegschubsen würde wie eine lästige Fliege? Naja, vielleicht nicht so krass, aber... Es war ihr Haus. Die Präsenz war fast mit Fingern zu greifen. „Katse!“ Ein begeistertes Quietschen ließ Paige hochschrecken. Sie blieb wie angewurzelt stehen und sah nicht einmal Tennessey oder Ai, die ebenfalls lächelnd aus der Tür getreten waren. Ihr Blick klebte allein auf dem süßen, blonden Mädchen, das die Arme nach Ryon ausgestreckt hatte und ihm begeistert entgegen lachte, während er auf sie zuging. Paige sah, wie er das Mädchen auf seinen Arm hob, wie sie sich an ihn kuschelte und sich in seinen Haaren festhielt. Wie sie ihn immer wieder auf ihre zum Dahinschmelzen süße Art 'Katse' nannte. „Das ist Mia. Sie wohnt bei uns, seit... Ja, fast seit dem Tag, an dem er allein aus Ägypten nach Haus gekommen ist. Die beiden kennen sich schon eine Weile.“ Paige lächelte Tyler an, der in seiner gewohnt unauffälligen Art neben ihr aufgetaucht war. „Ich weiß.“, sagte sie leise. Paige wäre nicht so gut in ihrem illegalen Job gewesen, wenn sie das Mädchen nicht wieder erkannt hätte. Die Kleine aus der Gruppe von Kindern, die Ryon am Samstag besucht hatte. Sie mochte Schoko- und Vanilleeis und hatte selbst ein Lachen, das die Pole hätte schmelzen können. „Na, dann steh hier nicht so in der Kälte rum, sondern lass' uns rein gehen.“ Sie schien bei dem Anblick vergessen zu haben, dass sie das überhaupt vorgehabt hatten. Ryon war inzwischen einige Schritte voraus und schon fast durch die Tür, während Ai nun auf ihre Freundin zukam und sie umarmte. „Schön dich zu sehen.“ Paige drückte Ai so fest an sich, wie sie es konnte, ohne ihr weh zu tun. „Ebenfalls. Ich hab dich vermisst. Sehr vermisst. Euch beide.“ Mit einem freundlichen Lächeln streichelte sie kurz über Ais Bauch. Dann warf sie einen verstohlenen Blick auf Tyler, der immer noch neben ihr stand, dessen Augen aber nur voller Liebe für Ai glitzerten. Alles so, wie es sein sollte. Erst als Mia seinen ‚Namen‘ rief, realisierte Ryon überhaupt, dass sie schon da waren und seine Füße ihn schon längst aus den Wagen steigen hatten lassen. Sofort war es, als wäre sein Kopf wie blank gewischt. Da war der blonde Sonnenschein und es … ließ sich nicht in Worte fassen. Wie zwei stark anziehende Magneten, kam Ryon schnurgerade auf das kleine Mädchen zu, hob sie hoch und vergrub sein Gesicht in den kurzen blonden Löckchen die so wunderbar nach Karamell dufteten, dass er mit einem Mal entsetzliches Heimweh bekam. Nach einem Zuhause, das sich auch so anfühlte. Nach Frieden, der immer mal wieder Langeweile mit sich brachte und dem Glück, einfach nur auf dieser Welt zu sein. Ja, er hatte entsetzliches Heimweh und das würde sich leider auch noch eine ganze Weile so hinziehen. Wenn es überhaupt jemals vorbei sein würde. Eine Weile vergaß er alles um sich herum, bis auf den kleinen, zerbrechlichen Körper, an seinem. Doch schließlich holte ihn die Realität wieder ein, weshalb er den Griff um Mia noch einmal entschlossen erneuerte und sich schließlich samt dem Mädchen und den Anderen zurück ins Haus begab. Tennessey nickte er lediglich zur Begrüßung zu, während er Ai freundlicher aber nicht weniger kurz bedachte, immerhin hatten sich die beiden Freundinnen schon eine Zeit lang nicht mehr gesehen und er wollte dem nicht im Wege stehen. In der großen Eingangshalle verkündete Tyler, dass es sich mit dem Essen noch etwas hinziehen würde, also sollten sie sich ruhig erst einmal von der Reise erholen und richtig ankommen. Ryon hatte nichts dagegen, da er Mia wirklich sehr vermisst hatte und ohnehin noch etwas Zeit für sich brauchte. Paige würde es mit Ai sicherlich kaum anders gehen und alles andere hatte bis nachher auch noch Zeit. Also trat er samt Mia an Paige heran, berührte mit einer Hand ihre Wange, während er sich zu ihr hinab beugte, um ihr leise etwas zuzuflüstern. „Wir sehen uns später, Paige. Du hast sicher ein paar Fragen…“ Mia kicherte, als er sich wieder aufrichtete und sie kurz mit einem freundlichen Blick bedachte. Danach drehte er sich, ohne auf die anderen zu achten, um und ging mit der Kleinen davon. „Wenn du noch selbst gefälliger grinst, frisst du am Ende noch deine Ohren, Tennessey.“, bemerkte Tyler spöttisch, während Ryons Schritte auf dem Marmorboden verklangen. „Ach, was. Als würdest du dir nicht selbst auf die Schultern klopfen.“, brummte der Doc und machte ebenfalls die Fliege, allerdings in eine vollkommen andere Richtung. Tyler drehte sich daraufhin lächelnd zu den beiden Damen herum. „Ladys, darf’s ein kleiner Snack sein, oder soll ich mich ebenfalls verkrümmeln?“ „Warum hast du dich gar nicht gemeldet? Ich hab mir schon Sorgen um dich gemacht, Paige.“ Irgendwie war es dazu gekommen, dass sie Tylers nettem Angebot zugestimmt hatten und in die Küche gegangen waren, um einen Tee zu trinken und Scones mit Sahne dazu zu essen. Dabei zupfte Paige die meiste Zeit nur an ihrem Teigstückchen herum und trank einen Schluck Tee, während sie gleichzeitig versuchte Ais Fragen zu beantworten und selbst ein wenig nachzudenken. Und das alles, ohne sich zu große Sorgen zu machen. Ja, sie hatte Fragen... „Ich hab...“ Mit forschenden Augen sah sie von ihrem Teller mit dem völlig zerlegten Scone in Ais Gesicht. Dann wandte sie sich kurz zur Küchenzeile, an der Tyler stand und gerade über die Arbeitsfläche wischte. Eigentlich wollte sie vor ihm nicht erzählen, was passiert war. Zumindest bestimmt keine Einzelheiten. Dafür kannte sie ihn einfach nicht gut genug. Und allein dass Ryon es wusste und Ai es gleich erfahren würde, war ihr unangenehm genug. Andererseits würde Tyler ohnehin nicht verstehen, wovon sie sprach. Als ihr Blick wieder den ihrer Freundin traf, holte Paige tief Luft. „Zuerst habe ich versucht etwas über die Ausgrabungsstätte in Ägypten heraus zu finden. Über die Bilder an der Wand, die ich gesehen hatte. Ryon und ich wollten ein bisschen mehr darüber heraus finden, aber ich bin ein bisschen stecken geblieben mit meinen Nachforschungen. Und dann... Ich bin krank geworden...“ Ais elegant geschwungenen Augenbrauen kräuselten sich zu einer skeptischen Miene. Natürlich wusste sie, dass Paige sich gemeldet hätte, wäre sie nur mit einer Erkältung oder leichten Grippe im Bett gelegen. Aber wie viel durfte sie Ai erzählen? Bestimmt war ihr inzwischen klar und sie hatte mit den beiden Männern ausgiebig darüber diskutiert, dass Ryon und Paige keine Urlaubsreisen unternahmen, sondern dass es damit etwas Schwerwiegendes auf sich hatte. Dass sie selbst noch nicht genau wusste, w i e schwerwiegend, machte kaum einen Unterschied. „Die Bilder haben die Geschichte einer dunklen Bedrohung dargestellt. Sie kamen mir von Anfang an bekannt vor. So, als hätte ich nicht genau dieses dunkle Wesen schon einmal gesehen, aber vielleicht etwas sehr Ähnliches.“ „Was für eine Krankheit war das, Paige?“ Ais Stimme war leise, aber eindringlich. Außer ihr schien im Raum um die beiden Frauen herum gar nichts mehr zu existieren. „Dad's Krankheit. Es war dem so ähnlich, was er erschaffen hat... Ich wollte... Es war dumm, aber ich wollte sicher sein.“ Eine fallende Stecknadel wäre so laut gewesen wie ein einstürzendes Haus. Paige konnte beim besten Willen nicht noch einmal von ihren Fingern aufsehen, die sich um den Rand des filigranen Tellers geschlossen hatten. Scham brannte auf ihren Wangen. Und da war auch noch Furcht, dass sie es trotz allen positiven Anzeichen nicht ganz überstanden hatte. Vielleicht wiegte sie das Ding nur in Sicherheit, um noch einmal zuzuschlagen. Und dann endgültig. „Und bist du sicher?“ Mit vielen Reaktionen hätte sie in diesem Moment gerechnet. Mitleid, Entsetzen, Vorwürfe, aber diese einfache Frage? Paige war so überrascht, dass sie genauso direkt antwortete. „Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Ich...“ „Du warst zu beschäftigt damit nicht an dem zu krepieren, was du dir verabreicht hast.“ Die ruhige Feststellung war ein größerer Schlag ins Gesicht, als wenn Ai sie angeschrien hätte oder ausgeflippt wäre. Noch dazu wussten sie beide, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Völlig unerwartet schlossen sich warme Arme um ihren Körper und Ais lange schwarze Haare ergossen sich über Paiges Schulter, als die Asiatin sich zu ihr beugte, um sie in den Arm zu nehmen. „Und wann in dem ganzen Schlamassel hast du festgestellt, dass du bis über beide Ohren verliebt bist?“ Sie saßen geschlagene zwei Stunden in der Küche und kauten alles durch. Tyler hatte sein Talent genutzt und war bereits vor der geringsten Erwähnung irgendwelcher Gefühlsthemen aus dem Raum verschwunden und weder er noch irgendjemand anders hatte sich bis jetzt gezeigt. Paiges Wangen glühten und ihr klebte ein wenig Salz in den Augenwinkeln, als sie sich nun aber wirklich zum letzten Mal ein Taschentuch nahm, um sich die Nase zu putzen. Zu einer endgültigen Lösung waren sie nicht gekommen. Es gab nunmal keine Weisheit, die sich einfach auftat und einem das absolut Richtige präsentierte. Aber das hatte sie schon vorher gewusst. Bloß nicht, dass es sie so auflösen würde mit Ai über alles zu sprechen. Darüber, was zwischen Ryon und ihr passiert war. Was sie sich erhoffte, was noch passieren würde. Und wie viel Angst ihr dieses Haus und die darauf lastende Vergangenheit machte. Immerhin hatte er sie sofort stehen lassen. Die kleine Mia hatte nicht einmal Paiges Namen erfahren, bevor die beiden verschwunden waren. Ja, mit der Voraussicht, dass sie sich irgendwann später unterhalten würden. Paige wollte gar nicht wirklich darüber nachdenken, wo ihr Gepäck nun stand. Da Tyler nichts ahnen konnte, bestimmt in dem Gästezimmer, das Ai und Paige sich am Anfang geteilt hatten. Inzwischen würde es Paige allein gehören... „Würdest du bitte den Kopf nicht so hängen lassen? Das passt gar nicht zu dir.“ „Ich weiß...“ Paige blickte hoch und lächelte leicht, während sie ihre Taschentücher zusammen suchte und aufstand, um sie in den Mülleimer zu werfen. „Keine Sorge, ich fang mich gleich wieder. Es war einfach alles ein bisschen... viel auf einmal.“ Aber das Gespräch hatte ihr geholfen eine paar Gedanken zu ordnen. Sich selbst darüber bewusst zu werden, was realistische Wünsche waren. Auch wenn das nicht unbedingt Paiges Stärke war... Realismus. Aber dafür hatte sie nunmal so eine gute Freundin. Während Ryon neben Mia auf dem Boden des Kinderzimmers lag und ihrer kleinen Faust dabei zu sah, wie sie den blauen Buntstift über einen großen Bogen Papier führte, gingen auch seine Gedanken verschlungene Wege, so wie die eigensinnigen Linien, Kreise und Muster die sie da malte. Sie murmelte beständig unverständliche Worte vor sich hin, während sie ab und zu um seine Aufmerksamkeit bat, ehe sie sich erneut auf ihr Werk konzentrierte. Die Linienführung war mit der Zeit fast schon hypnotisierend und erleichterte es ihm förmlich, seine Gedanken zuzulassen, so schwer es ihm auch fiel. Ryon hatte letzte Nacht eine Entscheidung getroffen, die, sofern er sie auch durchzog, alles verändern könnte und hoffentlich auch würde. Doch er würde erst wissen, ob es funktionierte, wenn er … dort war… An jenem Ort, den er nie wieder besucht hatte. Sein Seufzen war lang und tief und brachte Mia völlig aus dem Konzept. Weshalb sie die Buntstifte weg legte und stattdessen auf seinen Rücken kletterte. Allerdings nicht, um ihn als Pony zu benutze, sondern um sich dort an ihn zu kuscheln. Wieder murmelte sie etwas Unverständliches, aber es hatte irgendwie etwas Tröstendes an sich. Geschlagen vergrub er sein Gesicht in den Armen und seufzte ein weiteres Mal gedämpft. Paige würde es hoffentlich verstehen und hatte sie nicht selbst gesagt, dass sie gerne einmal ein paar Tage im Bett verbringen wollte? Bestimmt konnte ihr Tyler einen Fernseher samt Anschluss ins Zimmer stellen, damit sie ihre Cartoons sehen konnte. Außerdem hätte sie so auch die Möglichkeit, sich von ihrem Experiment noch weiter zu erholen und auf andere Gedanken zu kommen. So gesehen, wäre es eine gute Sache, bis auf die Tatsache, dass er gehen musste, ohne dass er ihr sagen könnte, wohin. Das brachte er einfach nicht fertig, egal wie oft er das Gespräch auch in Gedanken durchging. Es war eine Sache, mit der er erst alleine zurecht kommen musste. „Ach, Mia. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich dich manchmal beneide.“ „Stimmt schon. Ihre Schönheit hast du nicht gerade und ich hätte auch nicht gedacht, dass du es genießen würdest, jeden Tag von Männern verwöhnt zu werden. Schreib doch mal einen Wunschzettel für dein nächstes Leben, ja? Vielleicht wachst du eines Tages als Männerschwarm auf.“ Ryon hob finster den Blick und sah zur offenen Tür. Tyler lehnte sich breit grinsend dagegen und hatte diesen triumphierenden Blick drauf, da er Ryon wieder einmal überrascht hatte. Sich so an ihn heran schleichen, konnten nur die wenigsten. Sein Freund gehörte eindeutig dazu. „Hast du noch nie etwas von Anklopfen gehört?“ Leicht mürrisch richtete er sich auf und griff nach der halb dösenden Mia, die heute wohl noch nicht ihren Mittagsschlaf gehabt hatte. „Kommt darauf an, was ich hinter den Türen zu hören bekomme. Ich dachte, schweres Seufzen und leises Kindergebrabbel kann nicht so schlimm sein, wenn ich da hinein platze. Eigentlich wollte ich sowieso nur sagen, dass das Essen fertig ist. Also, wenn du dich lieber in Wehmut ertränkst, nehme ich die kleine Lady mit, damit sie wenigstens anständig was zu essen bekommt. Die Kleine hat immerhin einen ganz schönen Appetit drauf.“ „Pass auf, dass sie bei deinem Essen nicht solche Rettungsringe ansetzt wie Tennessey.“, war alles was Ryon darauf noch kommentierte, da er sich sicherlich nicht vor Tyler für sein Verhalten rechtfertigen würde, obwohl er sehr deutlich riechen konnte, wie neugierig der Rothaarige war. Vermutlich weil Ryon nach der Rehabilitierung so schnell abgehauen war, dass seine Freunde das Versuchsobjekt nicht lange genug beobachten konnten. Die Genugtuung würde er ihnen aber auch weiterhin nicht geben. Auch wenn er ihnen eigentlich dankbar sein sollte. Das war er aber noch immer nicht. „Keine Sorge, im Gegensatz zum Doc schläft sie nachts, anstatt sich am Kühlschrank zu vergreifen. Aber irgendwie erinnert mich das an noch jemanden…“ „Worauf willst du hinaus, Tyler? Das letzte Mal, als du mich mit den Fingern in der Keksdose erwischt hast, hatte ich noch nicht mal Bartwuchs, also such dir jemand anderen, über den du lästern kannst.“ Tyler hob beschwichtigend die Arme, ehe er sie vor seiner Brust verschränkte. „Mann, sind wir heute wieder gut gelaunt. Aber glaub ja nicht, dass ich dich deshalb schonen werde. Wenn du stinksauer bist, ist mir das tausend Mal lieber, als wenn dir alles am Arsch vorbei geht. Vergiss das nicht und gewöhn dich schon mal dran, dass deine Freunde dich wieder in ihre Scherze mit einbinden werden. Ob du willst oder nicht, du kannst nicht mehr in dein Zombiedasein zurück. Also gewöhn dich schon mal daran, wieder etwas mehr Humor in dein Leben zu lassen.“ Ryon schenkte seinem Freund einen finsteren Blick, schwieg aber, als er mit Mia im Arm an ihm vorbei ging. „Siehst du? Genau das meine ich. Wenn du nicht ohnehin schon so stinkreich wärst, würde ich für deinen Gesichtsausdruck bezahlen!“ Natürlich wusste Ryon worauf sein Freund hinaus wollte. Jede gefühlsmäßige Reaktion, mochte sie noch so schlecht sein, war besser, als dieses gefühllose Nichts, das noch vor Kurzem sein ganzes Wesen beherrscht hatte. Eigentlich konnte er es seinem Freund nicht verdenken, dass er mehr davon sehen wollte. Aber er sollte es bloß nicht zu weit treiben, was er ihm schließlich auch sagte. Vorerst gab Tyler schließlich Ruhe, da er ganz zufrieden mit sich selbst schien und sich schließlich wieder auf das Abendessen konzentrierte, das noch darauf wartete, angerichtet zu werden. Die Zeit lief Ryon davon. Das spürte er sehr genau. Nach dem Abendessen und nachdem er Mia ins Bett gebracht hatte, wollte er mit Paige reden. Zuerst einmal sollte er ihr erklären, weshalb Mia hier im Haus war. Dabei musste er ihr auch mitteilen, dass er in ihrer Abwesenheit erneut auf ihren Feind gestoßen war und schließlich kam das Schwerste. Er würde ihr sagen müssen, dass er ein paar Tage lang wegging, ohne das sie wissen durfte, wohin. Das durfte niemand… Tyler war zurück gekommen, um das Abendessen zu kochen. Die beiden Frauen hatten ihm noch eine Weile Gesellschaft geleistet und sich darüber unterhalten, was während Paiges Abwesenheit im Haus vor sich gegangen war. Darüber, was Mia für ein liebes und fröhliches Mädchen war. Und sogar recht unkompliziert zu handhaben, wenn man ihre Herkunft bedachte und was sie in ihrem kurzen Leben bereits mitgemacht haben musste. „Sie spricht noch nicht besonders viel. Aber mit ihrem einnehmenden Charakter kann sie auch so vermitteln, was sie möchte.“ Paige musste lächeln, als sie Ais glänzende Augen sah. Ihre Freundin konnte es offensichtlich kaum noch erwarten, dass es bei ihr selbst so weit war. Das Essen war gelaufen wie immer. Tyler hatte den Großteil der Konversation bestritten und alle Anderen hatten mehr oder weniger oft eingehakt. Ryon war still gewesen. Er hatte die Runde genauso sehr ignoriert, wie sonst, wenn sie zusammen gegessen hatten. Etwas, das Paige ziemliche Magenschmerzen bereitete. Denn eigentlich hätte sie die Tatsache, dass jetzt sehr viel hinter seinen Augen vor sich ging, irgendwie beruhigen müssen. Aber das tat es absolut nicht. Er sah sie kaum an, sagte fast nichts und aß Tylers leckeres Essen weiterhin so, als hätte es genauso gut aus Pappmaché sein können. Nach dem Essen sprang er mehr oder weniger vom Tisch auf und nahm Mia mit sich, um die Kleine ins Bett zu stecken. Paige kam sich so vor, als würde er nicht nur vor ihr flüchten, sondern auch mit aller Gewalt verhindern wollen, dass Paige näheren Kontakt zu Mia hatte. Warum das so war, konnte sich Paige nicht erklären. Wollte sie auch gar nicht. Denn sobald sie auch nur nach dem Ansatz für eine Erklärung suchte, hätte sie schon wieder heulen können. Also half sie stattdessen beim Abwasch und ging dann in ihr Zimmer, um sich bequeme Sachen und dicke Socken anzuziehen. Wie bereits am Vormittag besprochen, würde sie nur im Wohnzimmer mit ihrer Suche nach einem Fernseher Erfolg haben. Weshalb sie ihr Weg auch dort hin führte. „Hey...“ Paige ließ sich auf das äußerste Eck des Sofas gleiten. Ein Stück von dem Punkt entfernt, an dem Ryon vor dem Kamin auf dem weichen Teppich saß. Für sie war es schon eine große Überwindung gewesen, den Raum überhaupt zu betreten. Ryon wirkte so in Gedanken versunken, dass sie das Angebot ausgesprochen hatte, bevor sie überhaupt darüber nachdenken konnte. „Entschuldige, ich wollte dich nicht stören. Ich kann wieder gehen, wenn du willst.“ „Du störst mich nicht, Paige. Bitte bleib.“ Ryon blickte von den lodernden Flammen auf zu Paige hinüber. Einen Moment lang betrachtete er sie eingehend, ehe er entschlossen seinen Becher mit dem Milchkaffee beiseite stellte. Es hatte ohnehin eher den Anschein gemacht, als würde er sich daran fest halten als umgekehrt. Gänzlich gegen seine Gewohnheiten setzte er sich neben Paige auf die Couch. Wie auch die dazu passenden Sessel, benutzte er sie so gut wie nie, obwohl sich die Polsterung gut eingesessen anfühlte. Vermutlich das Werk seiner Freunde. „Ich … möchte ohnehin gerne mit dir reden.“, begann er langsam, während er immer noch deutlich bemüht war, die richtigen Worte bzw. den richtigen Anfang zu finden. Aber selbst nach stundenlangem Nachdenken war er zu keinem Ergebnis gekommen. Was blieb ihm also anderes übrig, als es einfach frei heraus zu versuchen. „Du hast dich sicher schon gefragt, warum hier plötzlich ein Waisenkind das Haus unsicher macht.“ So war es gut. Einfach eins nach dem anderen. Zumindest kam er dadurch vorwärts. „Nun, sie ist leider ein Opfer des Kriegs geworden, der zwischen uns und dem Hexenzirkel tobt. Obwohl ich nicht glaube, dass der Zirkel direkt etwas damit zu tun hatte. Mein Eindruck war eher, dass wir jetzt auch noch übernatürliche Kopfgeldjäger am Hals haben. Zumindest gehörte die Schwester des stinkenden Magiers, der dich … manipuliert hat, dazu.“ Ryon sah einen Moment lang hoch, um sicher zu gehen, das Paige verstand, wen er meinte, ehe er wieder ins Feuer starrte. „Amelia, die stellvertretende Leiterin des Waisenhauses, scheint einer Gedankenmanipulation zum Opfer gefallen zu sein. Sie hat Mia einfach von den beiden adoptieren lassen, da sie die Wahrheit offenbar nicht sehen konnte.“ Allein wenn er daran dachte, dass sie glaubte, diese Adresse würde zu einem wunderschönen Familienhaus, anstatt zu einer Ruine gehören, erschauderte er unter der Macht, die so viel Einfluss hervorrufen musste. Aber er hatte ihr zum Glück widerstehen können. „Ich war gerade auf persönlicher Recherche, was unsere Suche angeht, als mich Amelia über Mias Adoption informiert hat. Sie wollte mir eigentlich nur Bescheid geben, weil es mich im Normalfall eigentlich für das Mädchen freuen würde, aber ich hatte anhand ihrer Beschreibung sofort das Gefühl, es sei etwas faul an der Sache und bin dem schließlich nachgegangen. Wie sich herausstellte, hatte ich recht behalten. Es war eine Falle.“ Und wie es das gewesen war. Man hätte Mia wegen ihm ernsthaft schaden können! Ryons Fingerknöchel knackten, als er seine Hände ballte. Wenn er diese verfluchte Hexe nicht schon umgebracht hätte, er würde es sofort wieder tun. Allerdings sagte er zu Paige lediglich: „Die Sache hat sich inzwischen erledigt. Mia droht keine Gefahr mehr und wenn ich einmal den Kopf dafür habe, werde ich auch Amelia eine passende Geschichte zurecht schnitzen, so dass sie die Adoption rückgängig macht und Mia wieder…“ Ins Waisenhaus kam? Allein der Gedanke war wie ein Säurebad für ihn, doch im Augenblick hatte er nicht den Kopf darüber noch weiter nachzudenken. Er musste Paige seine Entscheidung mitteilen. „Da gibt es noch etwas, das ich dir sagen wollte … ich weiß nur nicht genau wie…“ Wie schon so oft an diesem Tag seufzte er schwer, ehe er sich einen Ruck gab. Es hatte keinen Sinn, es noch länger hinauszuzögern. „Ich werde für ein paar Tage weggehen…“ Paige atmete auf, als er sie nicht wegschickte, sondern sie bat zu bleiben. Trotz allem, was in Dublin passiert war, hatte sie nicht damit rechnen können. Bei ihrem kleinen Frühstück und im Flugzeug war noch alles in Ordnung gewesen. Sie hatten sich unterhalten. Über Dinge, die sie mochten, Dinge die sie nicht leiden konnten und sie hatten einfach ein wenig Smalltalk gemacht. Um mehr von einander zu erfahren als das, was sie schon wussten. Ryon hatte ihr erzählt, dass seine Mutter ihm immer Geschichten vorgelesen hatte... Seit sie allerdings wieder in England waren, fühlte sie sich ihm so nahe, wie noch vor ihrem Flug nach Ägypten. Er war ihr aus dem Weg gegangen, hatte nicht mit ihr gesprochen, geschweige denn hatte er ihr durch eine Berührung gezeigt, dass sie mehr war als ein weiterer vorübergehender Gast in diesem Haus. Unbewusst zog Paige ihre Strickjacke ein wenig zu, als Ryon sich zu ihr setzte und umständlich begann. Gespräche, die nach einer offensichtlich gewollten Funkstille mit diesen Worten gestartet wurden, konnten nach Paiges Erfahrung nichts Gutes bedeuten. Er hatte lange überlegt, was er ihr sagen sollte. Das zeigte nicht nur sein Zögern, sondern auch seine Haltung. Er kam ihr nicht nahe, versuchte nicht sie zu berühren oder lächelte sie an. Nein, das würde absolut kein gutes Gespräch werden. Selbst als er von Mia erzählte, blieb ihr nervöses Herzklopfen vorhanden. Und das lag nicht allein daran, dass er den Magier erwähnte. Ryons Blick war völlig überflüssig. Diesen Kerl würde Paige so schnell nicht wieder vergessen. „Eine Schwester? Mit den gleichen Fähigkeiten? Aber wie..?“ Er sprach einfach weiter und wiegelte mit einer nichts sagenden Erklärung ab. Mia war sicher. Natürlich, er hatte sie gerettet und hergebracht. So wie er es auch für Ai und sie getan hatte. Bevor sie diesmal etwas sagen konnte, hielt sie sein verletzter Blick davon ab. Das war doch nicht sein Ernst! Er hütete Mia wie seinen Augapfel. Ließ niemanden an sie heran, solange er sich selbst um sie kümmern konnte. Und da wollte er sie einfach wieder zurück ins Waisenhaus bringen? Paige hatte ihr Gewicht verlagert und wollte ihn am liebsten an den Schultern packen, um ihm in die Augen starren und ihn zur Vernunft bringen zu können. Natürlich, im Moment war alles ungewiss, aber Mia war sicher in diesem Haus. So wie sie alle. Und das würde sie auch noch sein, wenn er denn tatsächlich den Kopf dazu hatte, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Und wenn er dann zur Besinnung kam, würde er hoffentlich auch einsehen, dass Mia diejenige war, die ihm gut tat. Die Kleine hatte ihn um den Finger gewickelt und sorgte dafür, dass er wieder einen Sinn im Leben hatte. Vielleicht war aber auch genau das der Grund, warum sich Paige darüber keine Sorgen machen musste. Mia würde allein dafür sorgen, dass er sie nicht mehr hergab. Das würde er gar nicht mehr können, wenn sie noch länger bei ihm blieb. Also sagte sie nichts dazu. Ihre wäre auch gar nicht die Zeit geblieben. Denn obwohl Ryon erneut zögerte, erhöhte sich die Spannung in der Luft derart, dass es Paige beinahe den Atem raubte. „Da gibt es noch etwas, was ich dir sagen wollte...“ Was seine zögerlichen und dennoch so ernsten Worte nicht vermochten, schaffte das tiefe Seufzen sehr nachdrücklich. Paige lehnte sich wieder zurück. Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass sie sogar die Arme vor dem Bauch verschränkte. Ihre Augen waren aufmerksam, doch an dem Zug um ihren Mund hätte man lesen können, dass ihr sehr wohl bewusst war, dass sie treffen würde, was immer er zu sagen hatte. Als er ihr schließlich die paar Worte vor die Füße warf, versuchte Paige ruhig durchzuatmen. Tausend Fragen, Vermutungen und Reaktionen schossen ihr auf einmal durch den Kopf und sie konnte spüren, wie der Plastikreißverschluss ihrer Jacke unter ihren heißen Fingerkuppen weich wurde. Durchatmen. Mit zusammen gebissenen Zähnen dankte sie Ai für das Gespräch vom Nachmittag. Sonst wäre sie jetzt explodiert, hätte Feuer gefangen und mit einem Streit alles nur noch schlimmer gemacht. Noch nie zuvor hatte Paige sich so am Riemen gerissen. Ihr Herz wollte sich mit ihrer Atmung zusammen überschlagen und ihr Reflex sich zu fragen, was sie bloß schon wieder falsch gemacht hatte, war überwältigend. Aber ihre Angst noch mehr Schwäche zu zeigen – emotionale Schwäche – war größer. „Da du nicht weiter sprichst, nehme ich an, dass ich weder mitkommen, noch erfahren soll, wo du hingehst.“ Sie biss sich auf die Zunge, bloß um sich für den gereizten Unterton in ihrer Stimme zu bestrafen. Wenn er nicht sowieso schon vorgehabt hätte zu gehen, dann wäre es kein Wunder gewesen, wenn er früher oder später sowieso vor ihr geflüchtet wäre. Weiter durchatmen. Wahrscheinlich konnte sie stolz sein, dass sie es schaffte ihm immerhin weiter in die Augen zu sehen. Aber Paige spürte, dass sie genau das nicht mehr lange schaffen würde. „Du hättest es mir nicht sagen müssen. Wenn du etwas zu tun hast, werde ich dich nicht davon abhalten. Das habe ich die ganze Zeit nicht getan.“ Scheiße, hör auf dich zu verteidigen! „Ich hoffe aber, dass du nicht vorhast dem Hexenzirkel allein gegenüber zu treten. Unser Deal besteht noch und solange nicht einer von uns hops geht, wird er auch bestehen bleiben.“ Neue Gedanken. Hielt er sie nach ihrer völlig bescheuerten Aktion für zu schwach, um ihm zu helfen? Oder für zu dumm? Wenn er wirklich vorhatte den Zirkel allein auffliegen zu lassen, dann hatte er die Rechnung ohne Paige gemacht. Sie hatte sich schon einmal erfolgreich an seinen Arsch gehängt. Das konnte sie auch wieder tun, wenn er sie dazu zwang. Auf jeden Fall würde sie nicht zulassen, dass er sich einfach von diesen Hexen umbringen ließ! Leichter Brandgeruch stieg in ihre Nase und Paige zog schnell ihre Finger von der bereits geschwärzten Wolle ihrer Jacke. Stattdessen verschränkte sie die Finger ineinander, was ihr auch dabei half nicht stürmisch aufzuspringen. Stattdessen harrte sie einer Antwort. Und Paige wäre nicht Paige gewesen, wenn sie sich nicht auf das Schlimmste gefasst gemacht hätte. Auf etwas wie: Ich habe einen Fehler gemacht und bereue alles, was zwischen uns passiert ist. Ihre deutlich fühlbare Anspannung, der Geruch von weichem Plastik und angekokelter Baumwolle und nicht zuletzt der Ausdruck in ihren Augen, hielt ihn davon ab, etwas zu sagen, bis sie zu Ende gesprochen hatte. Was auch immer sie so wütend machte, er verstand es nicht wirklich. Vielleicht die Tatsache, dass er gehen wollte? Alleine, ohne ihr oder anderen zu sagen, wohin? Möglich, aber das alleine wäre für ihn noch lange kein Grund dazu. Es war schwer sich in Paige hinein zu fühlen, da er ihre Beweggründe nicht kannte. Im umgekehrten Fall wäre er wütend gewesen, wenn Paige ihn verlassen würde und zwar auf unbestimmte Zeit. Aber nicht auf sie sondern auf sich selbst. Letztendlich konnte Ryon nur vermuten, dass sie sich Sorgen machte und das würde er an ihrer Stelle auch tun. Aber es war unbegründet. „Paige…“, begann er sehr besänftigend, da er sie nicht noch mehr reizen wollte. „Wenn ich könnte, würde ich dich und all die anderen aus der Sache mit dem Zirkel heraus lassen, aber das kann ich nicht. Dafür bin ich nicht stark genug. Darum werde ich bis zum Ende an deiner Seite kämpfen und auf unsere gemeinsamen Kräfte vertrauen.“ Zugeben zu müssen, dass er zu schwach war, um diejenigen zu beschützen, die ihm alles auf der Welt bedeuteten, war genauso schwer, wie Paige in dieser Nacht verlassen zu müssen. Er wollte nicht gehen, sondern sie stattdessen solange umarmen und küssen, bis er alles um sie herum vergaß, aber das konnte er nicht. „Ich gehe, weil ich gehen muss. Alleine, denn dabei kann mir niemand helfen. Im Augenblick kann ich dir nicht mehr darüber verraten. Aber ich verspreche dir, ich werde weder etwas Dummes tun, noch mich in Gefahr bringen.“ Ryon beugte sich etwas zu Paige hinüber, betrachtete eingehend ihr Gesicht und der Drang sie fest zu halten und bei ihr zu bleiben, wurde mit einem Mal so stark, dass er fast nicht mehr gegen seine Entscheidung ankam. Sein Entschluss wollte bröckeln, weshalb er die Hand, die er erhoben hatte, um sie trotz der Verbrennungsgefahr zu berühren, wieder sinken ließ und stattdessen aufstand. „Ich werde ungefähr eine Woche weg sein und hoffe daher, dass du die Zeit nützt, um dich zu erholen.“ Seine Stimme war leise und rau. Ein Resultat seiner Kehle, die sich immer mehr zu zuziehen begann. Er ging zur Terrassentür und machte sie auf, blieb aber noch einmal mit dem Rücken zu Paige stehen, während er den Kopf hängen ließ. „Zwar kann ich es nicht von dir verlangen, aber ich hoffe wirklich sehr, dass du auf mich warten wirst, denn … du bist der einzige Grund, der mir die Kraft geben konnte, damit ich das hier tue. Gäbe es dich nicht, ich hätte es niemals geschafft…“ Die offene Tür ließ kalte Luft in den wohlig warmen Raum herein strömen, war jedoch nur wie eine dumpfe Empfindung auf seiner betäubten Haut. „Ich … vermisse dich schon jetzt, Paige…“, flüstert er leise, ehe er die Kälte mit sich nahm, die Tür schloss und in der Nacht draußen verschwand. Jeder weit ausholende Schritt, den er durch das feuchte Gras machte und seine nackten Fußsohlen reizte, war, als würde er gegen Wellen ankämpfen. Als wäre er ein Eisbrecher, der sich gegen eine Naturgewalt stemmte. Der Widerstand war so deutlich spürbar, dass er bereits angestrengt keuchte, als er am anderen Ende des Sees angekommen war. Noch einmal drehte Ryon sich um, um durch die Bäume hindurch den schwachen Schein des Wohnzimmers zu betrachten. Der Grund für den Widerstand bei jedem seiner Schritte und zugleich die Energie, die ihn schließlich antrieb, los zu laufen. Tief in den Wald hinein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)