Gefangen von D-Rabbit ================================================================================ Kapitel 1: Flucht ----------------- Sie rannten durch den Schnee. Ihre nackten Füsse waren beinahe erfroren, die dünnen Säcke, welche sie sich übergeworfen hatten halfen nicht sie gegen die Kälte zu schützen. Hinter ihnen konnten sie die anderen hören, aber auch die Verfolger. Sie holten noch weiter aus. Der Junge kam ins straucheln und seine Schwester packte seinen Arm, zog ihn mit sich, sie mussten rennen! Soweit weg wie es nur möglich war, weit weg von diesem Haus! Lauf, lauf, lauf, dachte das Mädchen, manchmal hatte sie das Gefühl, als würde sie fliegen! Die ersten Schüsse fielen. Geschrei folgte. „LAUF!“, sie schrie. Dann kamen Lichter in Sicht; Der Stadtrand! „Robin lauf schneller, nur noch ein kleines Stück, sieh da vorne ist“, es knallt, „der Stadtr- ahaa!“, sie knickte nach rechts weg und lies seine Hand los um sich zu stützen, „Verdammt!“, Tränen schossen ihr in die Augen, sie waren doch so nahe, dieses kleine Stück mussten sie einfach noch schaffen! Mit zusammen gebissenen Zähnen ergriff sie die Hand ihres Bruders! „Oh ihr Götter, helft uns doch!“, sie stiess die Worte hervor und rannte weiter, ihre rechte Hüfte brannte wie Feuer, die Kugel hat sie voll erwischt und sie wusste nicht wie schlimm es war, wollte es lieber auch nicht wissen – wieder fielen Schüsse doch keiner kam ihnen auch nur nahe, es waren noch genug andere Opfer am herumrennen. Der Stadtrand kam näher und näher, niemand stellte sich ihnen in den Weg, sie konnten grade ausrennen. Robin sah die Lichter nun auch und er gewann an Geschwindigkeit, überholte sogar seine Schwester und zog sie hinter sich her, sie verlor an Geschwindigkeit, was er gewann. Nur noch einen Kilometer, dachte er glücklich, während ihm die Hand seiner Schwester entglitt. Die ersten Sekunden fiel es ihm gar nicht auf, dann stoppte er und rannte zurück, sie lag im Schnee, war etwas eingesunken und fror, der Schnee auf ihrer rechten Seite hatte sich rot gefärbt. „Steh auf! Wir müssen weiter!“, er kniete sich zu ihr nieder, legte einen Arm unter ihre Schulter, doch sie stiess ihn leicht von sich weg. „Renn weiter, du hast nicht mehr weit, ich werde es nicht schaffen, aber ich werde ihnen wieder entkommen! Ich werde es noch ein zweites Mal schaffen, lauf du, geh und flieh! Damit hilfst du uns am meisten und irgendwann kannst du uns sogar befreien, wer weiss!“, sie blutete heftig und er begann zu weinen – sie schlug ihm die blutige Hand ins Gesicht! „VERSCHWINDE ENTLICH!! Willst du, dass alles umsonst war! GEH!!!“ Robin war verzweifelt, raffte sich hoch und sah noch einmal auf sie herab, sie sah kalt zu ihm auf, Hass breitete sich auf ihrem Gesicht aus als er noch zögerte. „Wir werden uns nie wiedersehen“, das wussten sie beide, denn die Wächter würden sie nicht am Leben lassen, nicht nach dem sie die ganze Sache geplant und sogar zustande gebracht hatte, sie war eine zu grosse Gefahr. „Lass dich bloss nicht erwischen…“, sie wankte und kippte wieder zur Seite. Sie sah wie sich seine Füsse von ihr abwanden und dann davon rannten – dem Licht entgegen. „Wenigstens einer, für den es sich gelohnt hat.“, damit brach sie zusammen, die Kälte umhüllte sie leitete ihr den Weg in den Schlaf, es war einfach zu verlockend dem Schlaf nach zugeben. Besser als der andere Weg den Tod zu finden, bei diesem Gedanken breitete sich ein erleichtertes Grinsen über ihr Gesicht aus, sie hatte einen Sieg davon getragen, auch wenn es nur ein kleiner war, es war einer! Robin schnappte nach Luft als er die Lichter durchbrach, die Häuser türmten sich rechts und links von ihm auf. Er war beinahe in Sicherheit. Der grösste Feind, den er hier in der Stadt noch hatte, war die Kälte, sie nagte an allem, an jedem Zentimeter seines Körpers. Seine Schritte führten ihn den Häusern entlang, er sucht eine Nische, ein Loch egal was, es musste ihn bloss vor der Kälte schützen! Dann fand er eine Leiter, ihre Sprossen waren aus Holz und sahen nicht mehr sehr stabil aus, jedoch dachte er darüber gar nicht lange nach sondern kletterte empor – drei Stufen gaben unter seinem Gewicht nach, der Rest hielt stand. Auf dem Dach rannte er gegen die Stadtmitte, bei einem der Häuser fand er tatsächlich ein Fenster, welches zerstört war, so konnte er still in das Haus eindringen und auf dem Dachboden verstecken. Er begann zu zittern, und auch zu weinen. Es war nicht gerade warm dort oben, doch es hatte keinen Wind, er fand eine löcherige Decke und der Schnee drang nicht bis zu ihm. Die Decke wärmte ihn leicht, aber es war für ihn mehr als alles was er bisher kannte. Es waren einmal nicht seine Freunde und Mitgefangenen, die ihn wärmten, in dem sie ihre Körper eng aneinander pressten und die nackte Haut sich an einander rieben, nein er hatte eine Decke. Eine Decke ganz für sich allein! Er dachte an seine Schwester. Sie hatte ihn Robin genannt und er hatte ihr den Namen Leila gegeben. Die Kinder haben sich immer gegenseitig Namen gegeben, denn die Wächter kannten nur ihre Nummern, einige Kinder waren sogar so dreist gewesen und hatten sich die gegebenen Namen eintätowieren lassen, einige direkt unter der Nummer der Wächter oder sogar darüber. Diejenigen, welche den Namen drüber geschrieben hatten, wurden zwei Wochen lang jeden Tag ausgepeitscht und ihre Nummer wurde ihnen auf die Stirn tätowiert. Einigen der Jungen wurden sogar kastriert, damit wollten die Wächter erreichen, dass sie mehr gehorchten, bei einigen half es, andere dachten sich danach, dass sie sowieso nichts mehr zu verlieren hatten und es keine Schmerzen gab, welche stärker waren als die der Kastration. Diese Jungen wurden dann den Raubkatzen vorgeworfen, während alle anderen eine Pause machen durften um dem Schauspiel zuzusehen, alles was übrigblieb frassen dann die Raben. Nicht viele Jungen hatten es gewagt zu rebellieren nach der Kastration, nach den vier Pausen für die Fütterung der Raubkatzen gab es gar niemand mehr, der es getan hatte. Bis zu diesem Abend. Leila hatte alles schon seit drei Monaten geplant und sie hat es getan weil ihr Zwillingsbruder kastriert worden ist. Sein Mut war dann weg, er hatte nichts mehr und arbeitete einfach brav weiter. In Robin hatte Leila einen Verbündeten gefunden. Sie planten vieles, Robin gab ihr die Idee, sie setzte sie um. Er lachte kurz auf. Jetzt war sie nicht mehr. Sie würde auch den Raubtieren vorgeworfen werden, er mochte sich nicht daran erinnern, dass jemals so viele Kinder bei einem Fluchtversuch mitgeholfen haben! Sie hatte eine Überzeugungskraft, er schüttelte den Kopf, sie war einfach unvergleichlich gewesen. „Hört mir zu! Wir wurden genug lange tyrannisiert! Viele von euch haben Angst zu fliehen, sie haben gesehen, was den anderen zugestossen ist, aber ich habe einen Plan.“, er flüsterte die Worte mit denen sie so viele von sich überzeugte, sie sprach die Worte vor drei Monaten, keiner wollte ihr damals glauben, doch durch ihre Taten und Handlungen kamen immer mehr dazu, er wiederholte es noch mal für sich: „Dieses Mal wird es funktionieren. Wir älteren werden uns opfern, wir leben schon zu lange hier, für uns wird es niemals eine Hoffnung geben und sollten es doch einige schaffen, seid froh. Mein eigentliches Ziel sind die Kleinen. Es wird zweier Grüppchen geben, immer ein Grosser mit einem Kleinen. Alle, die noch nicht ihr zwanzigstes Arbeitsjahr hinter sich haben zählen zu den Kleinen! Wir Kinder müssen zusammenhalten! Die Grösseren werden die Kleineren beschützen, damit wenigstens einige der Kleinen durchkommen! Versucht die Stadt zu erreichen und versteckt euch dort irgendwo!“ Nun hatte er die Stadt erreicht und er hatte sich auf versteckt, doch was sollte nun weiter geschehen? Er hatte keine Ahnung, nur der Schlaf schlich sich in seinen Kopf und liess ihn alles vergessen, liess ihn träumen… Kapitel 2: Loin --------------- Er öffnete eines der Augen und sah sich irritiert um. Wo bin ich? Wo sind die anderen? Die Decke rutschte von ihm runter als er aufstehen wollte, er starrte sie an – so was hatte er noch nie besessen… dann kamen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Leila… Bitter dachte er an sie, wie sie dort im Schnee gelegen hatte und das Rot, welches den Schnee zierte. Er schüttelte den Kopf, jeder andere hätte es vielleicht in der Dunkelheit nicht als Rot erkannt, sondern als schwarzer Fleck, doch seine Augen sahen selbst im dunkelsten Raum sehr gut, eine Krankheit seiner Familie, deshalb wurden sie auch in die Minen geschickt. Lächelnd griff er mehr nach der Decke und kuschelte sich an sie, es war schön eine Decke zu besitzen, sie war voller Löcher, doch er hatte das Gefühl als hätte er nie etwas Wärmeres getragen. Der Sack, der seine nackte Haut bedeckte kratzte auf dieser, aber er war es sich gewohnt, sie hatten immer solche Kleider tragen müssen, für die Kinder gab es nichts anderes um etwas Wärme zu erhalten und sich einzukleiden. Erschrocken fuhr er zusammen, draussen hörte man Geschrei und es polterte auf dem Dach. Er hielt die Luft an, wollte gerade in eine andere Ecke kriechen, während ein Junge durch die Luke flog, durch die auch er auf den Dachboden gefunden hatte. Der Junge… oder doch eher Mann strauchelte und fiel auf die Knie, er zitterte doch sein Blick hing an der Luke, in seiner Linken hielt er ein Messer. Draussen sprang jemand in die Nähe der Luke. „Loin!“, schweigen „Loin! Du dreckiger Bastard! Zeig dich“, die Stimme trifte vor Zorn und Hohn, „Komm schon, du darfst gegen mich kämpfen, du Sohn einer Hure, beweg dich hier her! Feigling, der du bist! Wenn ich oder einer meine Jungs dich kriegen…“, er sprach nicht weiter, musste auch nicht, Robin wusste, dass Loin nur den Tod in den Händen dieses anderen finden würde. Loin selbst drückte die Augen zusammen, biss sich auf die Lippen und wartete, wartete, bis er hörte wie der andere sich weiter bewegte, dann liess er das Messer fallen und fasste sich an die Schulter. In seiner rechten Schulter steckte ein Bolzen. „Verdammt…“, er errichte ihn nicht. Aus Reaktion stand Robin auf, trat hinter den Mann, der seinen Kopf wieder gesenkt hatte und griff nach dem Bolzen. Der andere fühlte wie Robin ihn erfasst, fuhr mit dem Kopf herum und holte mit dem rechten Arm aus. Als die Faust Robin traf wurde er an die andere Wand geschleudert - er keuchte überrascht auf und fiel in sich zusammen. Loin erhob sich, kam herüber und packte Robin mit beiden Händen am Hals. „Wer bist du“, zischte er. „R-Robin…“, er bekam nicht viel Luft und es wurde immer weniger, „tut… tut dir deine Sc-Schulter nicht weh?“ „Doch!“ „Und jetzt? Es muss dich beinahe umbringen, diese Schmerzen oder nicht?“ wenn er nicht aufhört, bringt er mich zuerst um. Luft!! Er bekam ein Nicken als Bestätigung und die zusammen gebissenen Zähne sagten ihm genug. „Lass mich dir helfen…bitte“ Loin fiel vor ihm auf die Knie – Robin fiel ebenfalls, er hustete. Luft! Dem Himmel sei Dank! Ungeduld machte sich in Loins Augen sichtbar und Schmerzen, grosse Schmerzen. „Halte still, ich muss noch etwas suchen, dass die Blutung stoppen wird“, er wollte sich umschauen, doch Loin winkte ab: „Es wird nicht gross Bluten, glaub mir.“ Robin kannte solche Verletzungen, die gehörten in den Minen fast zu den täglichen von den Kindern hatte normalerweise mindestens eines eine tiefe Schulterverletzung und es blutete immer. Hier wollte er jedoch nicht wieder sprechen und griff nach den Bolzen, als er ihn umschlang zog Loin scharf die Luft ein, er zischte etwas von töten vor sich hin; Robin zog es vor nicht zu wissen, was er gesagt hat. „Es wird schmerzen“, dann zog er. Der Bolzen kam ziemlich schnell raus, Loin krümmte sich, gab dennoch keinen Ton von sich – dafür bohrte er seien Nägel ins Handfleisch, bis es blutete und biss sich in die Unterlippe. Robin betrachtete die Wunde, es war ein Loch, doch sie blutete nicht. Irritiert fuhr er darüber und sie fing an sich zu schliessen. „Danke…“ kam mürrisch von Loins Lippen, die zwar Bisswunden aufwiesen, aber auch da kaum bluteten. „Wo ist dein Blut?“ „Tote können nicht mehr bluten“, er sagte es als wäre es etwas Alltägliches. Robin fielen beinahe die Ohren ab. TOTE?!! „W-was meinst du mit tot?“, er begann zu zittern. „Tot, wenn dich jemand tötet, dann bist du tot.“ „Du lebst aber noch“ „Liegt an meiner Familie, die kann irgendwie nicht sterben, ausser im Alter, aber wenn sie ermordet werden oder einen Unfall haben, überleben sie es, beziehungsweise, sie sind tot, aber sie können noch stehen, gehen, reden, lachen – einfach alles, was sie davor auch konnten. Im Normalfall sterben wir dann so zwischen achtzig und neunzig Jahren.“ Toll, dachte Robin bitter, ich fliehe vor den Wächtern und lande bei einem lebenden Toten, wirklich, besser konnte es kaum noch werden. „Sag mir, was du für deine Hilfe willst, ich besorge es dir und dann verschwindest du“, die Kälte war wieder da. Robin dachte kurz nach. „Darf ich die Decke behalten“, er deutete auf das zerlöcherte Ding, „und noch eine Nacht hier an der Wärme verbringen? Das wäre alles, was ich mir wünsche…“, er senkte den Blick. Demut, dass kannte er gut und er wusste auch wie spielen, man lernte es in den Mienen, wenn man sich den Wächtern widersetzten wollte und sich nichts anmerken lassen durfte. Belustigt sah Loin zu der Decke. „Das ist ein Mantel, ein uralter Mantel“ Robin sah ihn an, dann den Mantel, welcher er für eine Decke gehalten hatte. „Er gab war und da bin ich von einer Decke ausgegangen.“ „Warum? Das Ding?“, Loin musterte ihn mit zusammen gekniffenen Augen, „Woher kommst du, dass du Decke und Mantel verwechselt und behauptest das Löcherige Ding hätte dich auch noch gewärmt?“ Ein kurzes Zögern, sollte er die Wahrheit sagen? Würde Loin ihn verraten und zurück schicken, in den sicheren Tod? Er musste jemandem vertrauen, warum also nicht der erste Person, die ihm hier begegnet ist, vielleicht hatte er ja Glück. Wenn es so etwas überhaupt gab… „Aus den Minen. Wir sind gestern geflohen und von den Minen bis hier hin gerannt, unser Ziel war einfach die Stadt.“ Loin massierte sich die Schulter, drehte sich ein paar Mal im Kreis. „Von den Minen, das sind etwas… zwölf Kilometer“, eine leere trat in seine Augen, „ Du darfst zwei Nächte hier bleiben.“, er lächelte leicht. Es war mehr als Robin verlangt hatte, er nickte dankbar. „Pass nur gut auf, falls dich jemand verfolgt, wenn du über die Dächer wanderst, hau ihm ab, niemand darf wissen, wo ich wohne.“ „Wieso? Du kannst ja nicht sterben.“ „Nein, aber wenn sie mich töten und ich dann immer noch herum wandle, wie sieht das dann aus? Und der Schmerz ist trotzdem da, es ist eine höllische Qual, ich bin schon zwei Mal gestorben und es ist die Hölle, andere sterben und merken nichts mehr, ich habe am Ende noch alle Qualen.“, er schüttelte sich als würde es ihm eiskalt den Rücken runter laufen. Einige Sonnenstrahlen fanden den Weg durch die Luke und beschienen Loin. Robin fiel erst jetzt auf, dass der Junge wunderschön war. Er hatte dunkle Haare, blaue Augen, einen leichten karamellfarbenen Teint und unter seiner Haut deuteten sich starke Muskeln an. Er erinnerte ihn an Leilas Bruder. Seine Lippen waren leicht geschwungen und nicht nur dünne Striche, wie die seinen. Die Wimpern waren lang und schwarz. Hätte er etwas bessere Kleidung getragen, hätte Robin geschworen, dass vor ihm ein junger Mann aus reichem Hause sass. „Du erinnerst mich an eines der Kinder. Der Bruder einer Freundin.“ „Wieso?“ „Er hat einen ähnlichen Körperbau wie du“ „Aber er ist noch ein Kind, also ist er jünger als ich und wird noch kräftiger“ „Wie alt bist du denn?“ „17 Jahre“ „Er hat… 29 Jahre hinter sich schon bald 30 Jahre“ Loin sah ihn verdutzt an. „Du hast doch gesagt, ich erinnere dich an ein KIND!“ „Wir werden von den Wächtern Kinder genannt und wir nennen uns selbst auch so. Ich bin zum Beispiel zwei Jahre älter wie du.“ Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete Loin Robin. Es konnte hinkommen. Bevor Robin noch etwas sagen konnte unterbrach Loin ihn mit einer Handbewegung. „Ich will jetzt schlafen, war die ganze Nacht auf den Beinen.“, er ging zu einer Truhe, die Robin noch gar nicht bemerkt hatte, sowieso, jetzt wo die Sonne ihr Licht in den Dachboden warf, fiel ihm auf, dass dieser gar nicht so klein war, wie er dachte und eigentlich sehr schön Hergerichtet war. Loin musste schon sehr lange hier wohnen, in der Ecke gegenüber derer er gelegen hatte, sah er eine Matratze auf dem Boden, darauf lag eine grosse Decke – es war wirklich eine Decke. Einige Bücher lagen auf dem Boden, andere standen in einem Regal. Er fühlte sich zu Hause. Langsam ging Loin zur Matratze, er liess sich nach hinten fallen und schlief auf der Stelle ein. Robin war sich nicht sicher, doch er vermutete, dass Loin ihm vertraute, falls er das Wort überhaupt kannte. Wie er auf den Gedanken kam, wusste er selbst nicht, doch er war sich dessen einfach sicher, wer würde sonst in der Gegenwart eines Fremden einfach einschlafen? Er hätte dem anderen Mann von vorhin alles sagen können, aufs Dach hinaus klettern und schreien können. Warum nicht? Vielleicht bekam er Geld dafür. Dann schüttelte er den Kopf, jeder der in der Mine aufgewachsen war, würde niemand anderen verraten, jedenfalls nicht so kurz nach der Flucht. Denn jeder wusste, in den Minen musste man den anderen Kindern vertrauen, es gab nur wenige, die sich die Wächter zu Freunden gemacht haben und diese würden später auch Mal Wächter werden, und genauso brutal sein wie die alten Wächter. Jedes andere Kind verriet niemanden und hielt alles unter seiner Zunge, selbst bei der Folterung, sie nahmen die Schmerzen in Kauf, verrieten lieber sich selbst und klagten sich selbst an als jemand anderen an zu schwärzen. Nur bei den ganz kleinen, die noch keine dreizehn Jahre in der Mine verbracht haben, bei ihnen wurde verstanden, wenn sie andere verrieten. Traurig dachte er wieder an Leila. Ob sie gefangen wurde? Haben sie sie gleich an auf der Stelle getötet oder sie zurück in die Mine geschleppt? Wie würde sie bestraft werden? Kastrieren ging nicht, nicht bei einer Frau. Vielleicht stachen sie ihr die Augen raus… er neigte den Kopf und presste die Augen zusammen während es ihm kalt den Rücken runter lief. Er durfte nicht mehr an solche Sachen denken, das lag hinter ihm! Vor ihm lag die Zukunft. Sein Blick wanderte zu Loin, er war vielleicht seine Zukunft… jedenfalls für die nächsten zwei Nächte und Tage. „Wenn du schon die Decke anstarrst“, Loin hob ein Augenlied, „Dann komm her, wir können sie teilen, du wirst auch nicht gerade viel geschlafen haben oder? Auf dem harten Boden.“ Robin lächelte. Harter Boden? Er war weich, im Gegensatz zu anderen Orten, doch er liess sich das Angebot nicht entgehen. Loin hob die Decke an und Robin bemerkte, dass sich der Junge bis auf die Unterhose ausgezogen hatte… er war kein Wächter, er würde ihm nichts tun! Zögernd legte er sich auf die Matratze zu dem anderen – er würde sich nicht ausziehen! Sie lagen nahe bei einander, die Matratze war nicht sehr gross, aber es ging gerade, sie berührten sich überall ein wenig, doch es schien Loin nicht zu stören. „Wenn wir aufstehen, wirst du andere Kleidung anziehen, der Sack kratzt beinahe schlimmer als die verfluchten Katzenviecher!“, zeternd und murmelnd schlief Loin wieder ein, er schnarchte leicht. Robin lag auf der Seite und betrachtete den Jungen. Wie konnte er all dies nur wieder gut machen? Er hatte nichts und würde wohl auch in den nächsten zwei Tagen nicht besitzen… Er lag einfach da und lauschte der Stille. Genoss die Sonnenstrahlen, die nun schon bis zum Bett reichten und seine Füsse, welche unter der Decke hervorschauten kitzelten. Es war wunderschön. Kapitel 3: Eine Geschichte -------------------------- Die Sonne stand im Zenit, ihre Strahlen warfen sich auf die Stadt als gäbe es nur diese eine. Pino lag im Schatten einer der grossen Parusbäumen. Sie waren die Grössten, die es auf der Welt gab und einer stand bei ihnen im Garten. Im normal Fall liebte er die Sonne, aber das haute war einfach übertrieben. Müde wälzte er sich von der rechten auf die linke Seite. „Zu heiss…“, er trank einen Schluck Wasser aus einem Behälter, denn er vom Haus mit in den Garten genommen hatte. Wasser ran ihm den Hals hinab, über seine Oberkörper und verdampfte noch auf dem Weg zum Boden. Bevor er noch einmal ansetzen konnte, hörte er ein Geschrei; es kam vom Dach. Neugierig schaute er nach oben, hinauf zu Luke und hätte beinahe den Behälter fallen lassen, als er dann die zweite Person sah schenkte er sich wieder ein Glass Wasser ein, lehnte sich zurück und bestaunte das Dach Szenario. Ein ihm unbekannter Mann rannte auf das Dach raus und blieb abrupt stehen. Dann kam der zweite, er war beinahe nackt, sah man mal von seinen Unterhosen ab und schrie den anderen Lauthals an! „Ich hab gesagt, ES TUT MIR LEID!!“ Der andere antwortete zuerst nicht. „Was ist!?“, wütend ballte Loin die Faust. „Du hast mich geschlagen!“ „Ich hab geschlafen!“ „Hast du nicht! Warum sagst du nicht einfach, dass ich verschwinden soll!“ Pino konnte selbst von unten sehen, wie es in Loin brodelte. Er trank einen Schluck aus seinem Glass. Schön kühl. „Na und!? Ich kann dich nicht einfach auf die Strasse stellen! Du würdest verrotten!“ „Vielleicht ist das besser als bei dir zu wohnen!“ Harter Schlag unter die Gürtellinie, ging es Pino durch den Kopf. Loin stand einfach nur verdutzt da und schwieg. „Ich werde keine Nacht länger bei dir schlafen!“ „Die, die du bei mir verbracht hast, hast du alleine bei mir verbracht! Schon vergessen?“ „Wie könnte ich, sie war das schönste, was ich je erlebt hatte, jedenfalls der Schlaf - bis du kamst!“ „Du konntest dich unter meine Decke kuscheln! Bist mir sogar mit deinem Sack angekommen! Kratzbürste!“ „Wollt ihr euren Streit nicht lieber auf dem Boden weiter führen? Es könnten sonst einige auf euch aufmerksam werden. Oder noch besser, ich gebe euch Geld und ihr lasst eure Wut, euren Zorn und eure Liebe in einem heissen Liebesspiel in einem Gästehaus oder ähnlichem aus? Wie wäre es?“, Pino lächelte und fügte noch etwas lauter hinzu, „Ich wusste ja schon immer, dass du auf Männer stehst, Brü-“, ein Ziegelstein brachte ihn zum Schweigen. „Dich hat niemand gefragt, Bruder!“ Pino grinste und rieb sich den Kopf, sein Blick fiel auf das Wurfobjekt. „Böser Ziegel“, er wandte sich wieder den anderen beiden zu, „Wer ist der Bursche eigentlich?“ Robin ergriff die Situation und sprang in den Garten – natürlich nicht direkt, er wollte sich ja nicht die Beine brechen, sein erstes Ziel war das kleine Vordach, dann der Garten. Vor Pino baute er sich auf und neigte leicht den Kopf. „Ich heisse Robin und war bei Loin zu Gast“ „Dann sei nun in meinem Haus Willkommen, ich bin Pino, Loins älterer Bruder und bei mir darfst du wohnen, solange du willst, hast dein eigenes Bett und ich werde dich nicht anfassen“ „Ich habe ihn nicht angefasst!“, brauste Loin auf, er sah sich böse um und knurrte irgendetwas. Pino lächelte, es war ein Lächeln, dass vieles wusste – zu vieles. Robin sah Pino an. Er sah seinem Bruder sehr, sehr ähnlich… beinahe wie Zwillinge, er warf Loin einen Blick zu, es mussten Zwillinge sein. Doch sie hatten eine ganz andere Ausstrahlung; Loin wirkte kindlich, draufgängerisch und unhaltbar. Pino strahlte das genaue Gegenteil aus, Gelassenheit, Erwachsensein und er wirkte auch brav. Nein, dachte Robin, er war nicht brav, er setzte dies gerne zur Schau, der brave, liebe Sohn, doch hinter seinem Lächeln verbirgt er so manche dunkle Sache, er könnte der Anführer irgendeiner Rebellion sein und zur Gleichen Zeit der Berater des Königs, den er fällen will. Er konnte Dinge gut verbergen, doch es gab Leute die wussten davon, oder jedenfalls einer; Loin. Robin wurde sich dieser Tatsachen innert Sekunden bewusst und wusste auch, dass Loin einem niemals einen Dolch in den Rücken rammen würde, wenn man gerade nicht hinsieht – bei Pino könnte das dagegen der Fall sein. Eine interessante Bruderschaft, der den alle für brav und lieb hielten oder halten mussten, war ganz bestimmt, der Schlimmere. „Du denkst viel, erkennst viel und sagst doch nichts“, Pino lächelte, wieder dieses wissende Lächeln. Robin kam es vor wie Pino einfach in ihm Lesen konnte, er musste das Buch noch nicht einmal aufschlagen, er lass durch den Deckel hindurch. So einem Menschen war er noch nie begegnet, Gnade demjenigen Gott, der einen solchen Menschen als Feind hat. Ich will ihn jedenfalls nicht als Feind! „Ich sehe, setzte zusammen, vermute und denke“ Loin hob eine Augenbraue und musterte die beiden – seine Wut war verflogen. Pino wandte sich an seinen Bruder, „Da hast du dir einen klugen Hund geholt, mein Kleiner.“ Sie sahen sich alle an, jeder schwieg und ging seinen eigenen Gedanken nach. Der erste, der den Mund aufmachte, war Loin. „Er ist nicht mein Hund. Er ist mein Freund“, dabei warf er Robin einen vielsagenden Blick zu, „und ich wäre froh, wenn wir beide in deinem Haus schlafen könnten, mein Zimmer ist ja noch immer vorhanden.“ „Das dürft ihr natürlich, ich werde euch auch ein zweites Bett reinstellen lassen.“ „Ich muss aber noch weiter, ich kann nicht für immer hier bleiben“, warf Robin ein, es kam ihm vor wie als würden die beiden alles über ihn hinweg entscheiden, ohne ihn zu fragen oder einzuweihen. Er hasste das! „Das habe ich auch nicht erwartet“, meinte Pino schnell. „Gut“ „Aber was hast du denn sonst vor?“ Sie sahen sich an, Pinos Augen bohrten sich in die Seinen. Es war wie ein kleiner Kampf und er verlor ihn schon nach wenigen Sekunden. „Meine Familie retten“ „Interessant, dass hatte ich auch einmal vor, dann haben sie uns weggejagt“, etwas flammte kurz in seinen Augen auf, verschwand aber so schnell wieder, dass sich Robin nicht sicher, ob es überhaupt aufgetaucht war oder es nur eine Einbildung gewesen ist. „Meine Familie würde das nie tun. Sie sind die Ärmsten, die es gibt und werden gefangen gehalten, gefangen in der Hölle!“ „Die Minen, vermute ich“, seine Stimmte war kalt geworden, eisig um genau zu sein. Loin zuckte nur leicht zusammen. Hatte er nicht auch schon komisch reagiert, als ich es ihm gesagt habe, woher ich komme?, dachte Robin interessiert. Er nickte um Pinos Frage zu beantworten, wobei es mehr eine Feststellung war. „Glaub mir, es gibt noch mehr Höllen, die Stadt mag von aussen lieb und gut erscheinen, doch es täuscht, wenn ich ehrlich zu dir sein will, vertraue einem Bettler oder einem Dieb mehr als einem Lord. Sie sind hinterlistig.“, er nahm noch einen Schluck Wasser. „Und was die Familie angeht, ich kenne die Minen, von innen wie von aussen. Ich bin auch geflohen, mich gab damals meine Familie weg, weil ich komisch war als Kind. Dann erschien eines Tages mein Vater in den Minen, bei ihm war mein Bruder, wir sahen uns, Vater bekam das nicht mit.“, Pino sah Loin an und dieser nickte kaum merklich, so als wolle er ihm das weitersprechen erlauben. „Loin erzählte mir, wie er die Familie hasse, wie sehr er sich wünschte, dass ich endlich wieder zurückkommen würde oder er würde Vater und Mutter töten. Ich war damals elf Jahre alt. Sein Zorn steckte mich an, seinen Mut Vater davon zu rennen, in die Minen zu kommen und mich zu suchen, unter all diesen Kindern, ich war überwältigt und wusste, dass er der einzige war, dem ich vertrauen konnte, nebst den Kindern. Er meinte, ich sei der bessere Denker, wäre es schon immer gewesen und einige Sekunden später stand er nackt vor mir, streckte mir die Kleider entgegen und meinte, er würde es auch aushalten, hier zu arbeiten, wenn ich es auch geschafft habe. So tauschten wir die Rollen. Zu Hause musste ich rausfinden, dass die Minen gar nicht so schlecht waren. Wir wurden immer geschlagen ja, doch wir erhielten Nahrung, hatten Freunde und eine riesige Familie, doch im eigenen Heim war dies nicht so. Die Mutter betrog den Vater, dieser trank sich jeden Abend in den Abgrund und fiel Mutter her. Ich wollte ihr einmal helfen, danach konnte ich drei Wochen nichts sehen, lag im Bett und weinte, meine Augen waren blau, ich konnte von Glück reden, dass ich überhaupt jemals wieder etwas sah. Mutter hatte sich nie dafür bedankt, dass ich ihr helfen wollte, im Gegenteil, sie schrie mich immer an, wenn sie in mein Zimmer kam, sie meinte, ich sei ein Nichtsnutz, sie schäme sich so etwas wie mich zur Welt gebracht zu haben! Sie würde mich auch in die Minen schicken, genau wie meinen Nutzlosen Bruder.“ Loin setzte sich ins Gras und sagte nichts, lauschte nur den Worten seinen Bruders und machte sich wohl eigene Gedanken, dachte an seine Erfahrungen bei den Eltern und in den Minen. Pino fuhr fort. „Ich war ein Jahr ausserhalb der Minen und jeden Tag an dem ich draussen war, wünschte ich mir damals, wieder zurück zu kehren. Am Anfang hasste ich sogar Loin, denn ich dachte, dass er mit mir gewechselt hat, damit er sich von unseren Eltern erholen konnte. Eigentlich ein gemeiner Gedanke, doch ich war zwölf. Zu dieser Zeit entschloss sich Vater wieder einen Besuch in der Mine zu machen. Ich sah meine Chance von zu Hause zu fliehen, zurück ins Paradies, nein, nicht Paradies, aber etwas Besseres als bei den Eltern. Loin war grösser geworden, stärker und er hatte Menschen um sich geschart. Ich musste erkenne, was ihm gelang, war mir nie gelungen, eine feste Familie stand um ihn herum, ich hatte zu meinen Zeiten auch dazugehört, doch konnte ich die anderen nie beschützen, machte nie den Mund auf um mich gegen die Wächter zu wehren, er hatte das getan, weil es nicht so schlimm war, wie wenn Vater einem schlug oder auspeitschte. Ich vergass den Tausch, er wollte auch nicht, er hatte sich mit mir getroffen und meinte, ob ich einen Plan hätte, wie wir hier rauskommen und er entschuldigte sich, dass er mich in diese Hölle geschickt hatte, er hätte gedacht, die Minen seien schlimmer, doch er war überrascht gewesen, wie schön es sein konnte, mit anderen Kindern zu spielen und mit ihnen zu lachen. Die Wächter waren zwar lästig, aber es gab auch Momente, in denen sie lachten und einem nicht schlugen sondern meinten, man habe etwas gut gemacht. Ein halbes Jahr später brachte ich Vater dazu noch einmal in die Minen zu gehen, er meinte, es wäre eine grossartige Idee, warum er sich am Schmerz anderer so belustigen konnte, verstand ich einfach nicht. Gemeinsam mit Loin und ein paar anderen Kindern riefen wir Chaos hervor und konnten fliehen. Ich muss sagen, ich hätte niemals gedacht, das es funktioniert, alle Wächter liefen an diese eine Stelle, selbst die auf der Mauer waren damit beschäftig den raufenden Kindern zuzusehen, als sich auf ihre eigentliche Arbeit zu konzentrieren. Loin, ich und die anderen flohen, auf dem Weg begegnete ich noch Vater, doch dieser erkannte keinen von uns, wir trugen beide Säcke und ich hatte mein Gesicht in Russ getunkt um nicht erkannt zu werden, doch der eigene Vater?“ Pino schüttelte den Kopf. „Wie wir dann wirklich noch entkamen weiss ich nicht mehr, es ist wie weggeblasen. Wir standen wohl irgendwie unter Schock… oder ähnlichem.“, er zuckte nur mit den Schultern. „Vor wie langer Zeit war das?“, kaum hatte Robin die Frage gestellt, kam ihm in den Sinn, dass es etwa vor vier Jahren gewesen sein musste, sie waren Zwillinge, Pino hatte dies mit zwölfeinhalb vollbracht, und Loin meinte gestern Abend zu ihm, er sei siebzehn Jahre alt, so musste Pino genau gleich alt sein. „Vor vier Jahren“, antwortete der Gefragte. „Damals war ein riesen Aufstand und einer der Jungen hielt den Kopf hin… und damals… damals verschwand ein Junge, mit dem ich mich immer sehr gut verstanden habe… in der Nacht zumindest.“, sein Blick wanderte zwischen Loin und Pino hin und her. War es möglich, dass einer von ihnen…? „War es Balad? Ich hoffe nicht.“ Robin sah Pino entsetzt an. „Balad? Nein, Hayek war es, wobei sich alle sicher waren, dass er nicht dazu in der Lage gewesen sein kann, wir vermuteten, dass es eben Balad war.“ „Er hat nur einen kleinen Teil dazu beigetragen, aber hauptsächlich war ich es mit Loin. Wie geht es Balad den? Immer noch so aufstachelnd und mutig?“ Robin schüttelte den Kopf; „Nein, er hat seinen Mut verloren, nun ist er ein Hund ohne Zähne, er wird nicht mehr beissen, sondern nur noch vor seinen Herren im Dreck kriechen.“, Robins Hände wurden zu Fäusten. Wut stieg in ihm auf. Er konnte nur nicht genau sage, auf wenn er wütend war. Pino sah ihn entgeistert an und hackte nach. „Wieso hat er seinen Biss verloren?“ „Sie haben ihn kastriert…“ „Wann?“ „Vor etwa vier bis fünf Monaten, so genau kann ich das nicht sagen, warum interessiert es dich, wann er kastriert wurde?“ Pino lachte und trank wieder etwas Wasser, er leerte das Glas und füllte noch einmal nach. „Weil ihr euch irrt, er wurde nicht vor so kurzer Zeit kastriert.“ „Woher willst du das wissen?“, Robin warf Loin einen fragenden Blick zu doch dieser schüttelte nur stumm den Kopf und sah weiter seinen Bruder an. Robin fragte sich, ob das was Loin nicht miterlebt hatte auch für ihn neu ist, oder ob er seinem Bruder einfach immer lauschte, wenn er diese Geschichte erzählte. „Weil wir gemeinsam kastriert wurden. Wir waren im selben Raum, weinten, bluteten und Schrien zu zweit, weil wir einen kleinen Aufstand angezettelt hatten. Jeder andere wäre nicht kastriert worden, doch sie Wächter erkannten unser Feuer und wussten, wenn sie uns nicht zu bändigen versuchten, dann würden sie mit uns eines Tages böse auf den Kopf fallen; sie fürchteten uns schon mit sieben Jahren, Balad war bereits zwölf.“ „Aber nach dem letzten Aufstand, den er angezettelt hatte, schleppten sie ihn mit, er grinste breit und als er zurückkam, war er ruhig, sonderte sich etwas von der Gruppe ab und beantwortete kaum Fragen. Wir liessen ihn dann in Ruhe, liessen ihm seine Ruhe. Wenn es nicht die Kastration war, was war es dann?“ Loin zuckte zusammen und sah den beiden anderen in die Augen, Angst machte sich in den seinen breit. „Was ist dir in den Sinn gekommen, Bruder?“ „Ich habe es nur einmal gehört, ein Wächter hatte mit einem anderen Witze gemacht als sie mich wieder einmal erwischten. Sie meinten, wenn das so weiter geht, werde ich nicht nur kastriert sondern auch vollkommen entmannt.“, er sah zu Boden. Robin zog scharf seine Luft ein und setzte sich neben Loin auf das Gras. „Sie haben ihn vollkommen entmannt, ja das wäre eine Möglichkeit, doch dann hätte er jetzt nichts mehr zu verlieren.“, Pino verstand es nicht. Robin zitterte und dachte an Balad, es wäre eine Möglichkeit gewesen. Es würde einiges erklären, aber haben sie das wirklich getan? „Ich werde ihn besuchen.“ Die beiden anderen warfen sich viel sagende Blicke zu. „Du willst ihn besuchen?“, Loin klang so, als zweifle er an Pinos verstand. „Ja.“, er stellte eine weitere Frage, die für Robin bestimmt war, „Was war dein Ziel, nach dem du ausgebrochen bist? Was willst du unbedingt tun?“ „Meine Familie befreien.“ „All die armen Kinder, die in den Minen leben müssen, zu essen haben, trinken bekommen, sogar ein Arzt schaut ab und an vorbei. All sie müssen gerettet werden richtig?“ „Ja“ „Wenn du sie draussen hast, was machst du denn?“ „Ich lasse sie gehen…“, er war über die Ausfragerei irritiert, was bezweckte Pino damit. „Du lässt sie in die Stadt, alleine, ohne Freunde, ohne Halt, keine Familie, kein Geld, kein Essen, guter Plan… so sterben sie nicht etwas unterernährt, aber ernährt in den Minen, nein sie verhungern qualvoll in den Strassen der Stadt, das ist sehr weit überlegt, muss ich zugeben.“ Robin spürte wie er rot wurde, soweit hatte er nicht gedacht. Dann wurde er über Pino wütend, der Junge war jünger wie er, aber es kam ihm so vor, als wäre der andere viel älter. Wieso wirkte Pino so erwachsen? Wie konnte das sein? Er versuchte die Wut zu verdrängen. Es war eine schlechte Eigenschaft und machte einem oftmals Blind für die wahren Tatsachen, zum Beispiel diese, dass Pino Recht hatte. Was würde aus den Kindern auf der Strasse werden? „Was schlägst du vor?“ Ein Grinsen überzog das Gesicht des Jüngeren. „Lass mich mit Balad reden, lass ihn die Kinder aufrütteln und sieh zu wie die Mine fällt.“ „Dann sind wir wieder beim gleichen Punkt! Was wird aus den Kindern?“ „Es gibt, nicht weit von hier, einige Dörfer, sie sind klein, brauchen aber einige Arbeiter, ich habe den Leuten dort schon oft geholfen und ich denke, die Frauen dort würden sich darüber freuen, wenn neue Männer kämen, sie würden bestimmt auch die Mädchen aufnehmen und mit ihnen weiter Dörfer erstellen, einige werden dann vielleicht ausziehen, wenn sie genug alt waren oder wissen, dass sie in ein anderes Gebiet wollen. So werden wir es machen, ich werde ihnen die Möglichkeit geben, ein eigenes Leben aufzubauen, zuerst mit der Hilfe anderer Menschen, dann werden sie für sich selbst sorgen können.“ Loin sah seinen Bruder schräg an. Zuvor, war er nie grosse Schritte gegangen um die Kinder zu befreien oder hatte er das nur nicht mitbekommen? Sein Bruder war immer der gewesen, der es wichtig fand, dass er einen guten Eindruck in der Bevölkerung hinter liess, er hatte ihn ausgeschickt um die Reichen zu bestehlen, damit sie sich dieses Haus leisten konnten und so sah es aus, als wäre er der Sohn einer reichen Familie. Andere Adlige haben ihm sofort Einladungen geschickt, damit er an ihren Bällen teilnahm, Loin musste dabei immer den Diener spielen, aber so erfuhr er vieles. Pino gab das Geld oft aus für irgendwelche Menschen, von den Dörfern hatte er auch schon gehört, doch nie hatte er erfahren, dass sein Bruder diesen Menschen dort geholfen hatte. Wie weit, hatte er all das vorher geplant? War Robin auch geplant oder war er ein zu guter Zufall? Es musste ein Zufall sein, denn es wäre doch ein zu grosses Risiko, dass der Mann dann tatsächlich in dem Haus landet, in dem er und Pino wohnen, dass hätte dieser nicht planen können. Er sah die beiden an. Es stand wohl fest, sie würden die Kinder dort rausholen. Er sah hinauf in den blauen Himmel, keine Wolke weit und breit. Möge uns das Glück hold sein! Wobei er sich mehr Gedanken um Robin und seinen Bruder machte, wie um sich selbst, er hatte das Familienerbe in sich, er war verflucht, er war ein lebender Toter. Eigentlich hatte das jeder aus der Familie, ausser Pino. Keiner wusste jedoch warum. Loin dachte kurz an seinen Vater; eine Verachtungswürdige Person. Pino stand auf, trank sein Glas in einem grossen Schluck aus und ging ins Haus. „Er war es nicht, aber du…“, beinahe hätte Loin, in Gedanken versunken, nicht begriffen, dass Robin mit ihm redete. „Was?“ „Du hast mich immer in der Nacht in den Arm genommen und mich getröstet, hast immer gesagt, ich solle mich nicht fürchten, auch ich würde einmal rauskommen.“ Loin lächelte und nickte. „Dann bin ich abgehauen, doch ich habe dir Leila geschickt, ich sagte ihr, sie solle gut auf die Acht geben, du seist zwar älter als ich, aber du wärst noch ein richtiges Kind. Ich habe mich immer gewundert, wie du dieses Kind in dir aufrecht halten konntest. Und was die Aufstände angeht, dass niemand jemals geglaubt hat, Hayek hätte den Aufstand angezettelt und doch wart ihr verwirrt, weil er die Schuld auf sich nahm, dass lag an einer Wette mit mir. Stur wie er war, wollte er nicht glauben, dass ich und Pino länger als einen Tag draussen bleiben könnten, ich erhöhte seine Wette auf zweit Tage, wollte ihm eine kleine Chance geben, obwohl ich meinem Bruder blind vertraute und wenn er meinte, wir könnten fliehen, dann können wir das auch. Unsere Wette war, falls wir innert zwei Tagen wieder in den Minen waren, nahm ich die Schuld auf mich, wäre dies nicht der Fall, würde er sich am dritten Tag stellen.“ Loin grinste und schloss kurz die Augen. Robin tat es ihm gleich. Er fühlte sich irgendwie… zufrieden. Kapitel 4: Wem vertrauen? ------------------------- Loin zog seinen schwarzen Mantel an und winkte ihnen Lächelnd während er sich auf die Strasse begab. Das war sein zu Hause, jedenfalls die eine Hälfte. Die andere war sein Bruder. Glücklich ging er die Strassen hinab und lies den Wind unter den Mantel Wähen, es waren nicht viele Menschen zu sehen, einige Kinder die einer Katze nachjagten drei Männer und noch ein paar ältere Frauen, die sich gerade über die jungen Damen auf der anderen Strassenseite unterhielten und traurig den Kopf schüttelten. Ihm war dies alles vertraut, aus den Augenwinkeln sah er noch hinauf zum Himmel, beobachtete die Dächer der Häuser, egal wie ruhig es auf den Strassen war, auf den Dächern war immer etwas los und auch dieses Mal sollte er nicht endtäuscht werden. Er beschleunigte seine Schritte um in einen Schatten zu gelangen, der von einem grossen Haus geworfen wurde, welches gebaut war und nicht so ganz zu den anderen, etwas älteren Gebäuden passen wollte. Loin setzte sich auf die unterste Treppenstufe und wartete. Gelangweilt spielte er mit der Kette um seinen Hals; es war das erste Geschenk von Pino und auch das einzige. Er schloss die Hand um den kleinen Stern und lauschte in sich hinein – manchmal hatte er das Gefühl, wenn er die Kette berührte und wartete, passiere etwas in ihm drin. Dieses Mal war es nicht so, endtäuscht neigte er den Kopf zum Dach hoch. Komm schon! Du bist sonst auch nie zu spät, genervt wickelte er die Kette um seinen Zeigfinger, er hasste es zu warten. Während er sich aufregte kam Bewegung zwischen die Dächer, zwei Schatten sprangen von Kante zu Kante, schwer zu sagen, ob sie einander folgten oder einander verfolgten. Wie ein Schatten erhob sich Loin, streckte sich und ergriff einen Fenstersims, zog sich daran hoch und angelte sich zum nächsten Fenster, bis er nach drei weiteren auf dem Dach war, im Schatten des Schornsteins, damit die beiden anderen ihn nicht sahen. Er liess sie einige Meter Vorsprung gewinnen und folgte ihnen dann quer über die Dächer. Vielleicht hätte er aus Pino hören sollen und sich zuerst um die Waren gekümmert, bestellen und warten, doch er wollte Informationen. Informationen, die am Ende nichts mit ihrem Plan zu tun hatten, er grinste als er von einer Dachkante zur anderen sprang, Plan… es war ein komisches Wort, weil sie ja im Grunde keinen wirklichen Plan hatten, oder besser er und Robin wussten nichts, nur Pino, wenn wirklich etwas existieren sollte, Loin zweifelte nicht daran, dass sein Bruder sich etwas vorstellte. Aber wie weit würde er gehen? Brauchte er die Ware dazu? Wenn ja, wie schnell… oder wollte er nur erfahren, ob der Betroffene so etwas überhaupt lieferte? Loin folgte noch immer den beiden Personen bis sie sich trennten, der grössere Schatten ging Richtung Osten der andere ging weiter gerade aus. Er überlegte kurz und folgte dem nach Osten. Sein Ziel war grösser so musste es dieser sein. Nach einigen Minuten liess die Person sich zurück fallen, Loin holte auf, dann waren sie gleich auf. „Hey“ Loin nickte nur und sprang vom einen Dach auf ein höheres - er hasste diese Gegend. „Was willst du?“ „Wir brauchen Pulver“, er sprang, hielt sich an einem Fensterbrett fest und zog sich aufs Dach, der andere wartete auf ihn. „Du brauchst hier mehr Übung“, dann ging es weiter, „Wie viel Pulver?“ „Puh, schwer zu sagen. Drei Kilo etwa“ Nun kam die Person ins Stolpern und hielt an. „Drei Kilo? So richtig Kilo oder meintest du Gramm? Was willst du mit drei Kilo?“ „Frag meinen Auftraggeber“ Ein Kopfschütteln folgte. „Folg mir“ Er gehorchte und liess sich über die Dächer führen, hinauf zur Villen gegen dann den Hügel hinab zum Rathaus. Dort verliessen sie die Dächer um auf der Strasse voran zu schreiten, wenn auch nicht weit. Sein Führer deutete ihm in eine Gasse zu kommen; es war dunkel und eng. Loin war sich sicher, dass es nach Tod roch; verdrängte den Gedanken jedoch sofort wieder. Er wollte es nicht so genau wissen, was alles um das Rathaus herum lag und vor sich hin moderte. Vielleicht modere ich auch bald vor mich hin, dachte er bedrückt. „Angie! Kundschaft“ Sie betraten einen kleinen Gang und mussten drei Treppen hinauf über ihnen tauchte bereits das Gesicht der jungen Frau auf. „Loin! Schön dich zu sehen, dachte schon du seist abgekratzt, weil ich schon lange nichts mehr von dir gehört habe.“, sie lächelte und er schmolz beinahe dahin. Sie trug ihr blondes Haar zu einem Zopf gebunden und einige Strähnen vielen ihr in die Stirn. „Freut mich auch dich zu sehen“, er küsste ihre Wange, wie gerne hätte er dasselbe bei ihren vollen Lippen gemacht! „Was willst du von mir?“ „Drei Kilo Pulver, falls du so viel überhaupt hast“, er lächelte und folgte ihr ins Zimmer, der andere blieb draussen und hielt wache. „Drei Kilo“, sie drehte sich um und versicherte sich, dass die Tür zu war, dann legte sie ihm die Arme um den Hals und grinste, „Was wollt ihr mit so viel Pulver? Die ganze Stadt in die Luft jagen?“ „Die Hälfte vielleicht, dein Haus lassen wir natürlich stehen“, er liess zu das sie ihm über die Wange streichelte. „Wieso bist du nur so verdammt erwachsen, genau wie dein Bruder. Wobei er schlimmer ist.“, sie schüttelte mürrisch den Kopf, „Könnt ihr nicht einfach normale Männer sein, die ich lieben kann, so wie ich will und die nicht immer irgendetwas planen?“ Nun musste er grinsen. „Wir sind, wie wir sind“, wenn Blicke töten könnten, dachte er in sich hinein lächelnd, würde ich jetzt drei Mal sterben, vielleicht auch vier Mal. Aber es wäre ein schöner Tod durch die Augen einer solchen Frau. Sie knurrte noch etwas vor sich hin, er zog es vor gar nicht erst danach zu fragen, was sie gesagt hatte. Sie setzte sich auf einen der drei Stühle und deute ihm sich ebenfalls zu setzten. „Wo ist Pino? Er hat mir versprochen bald vorbei zu schauen, was mir noch nicht aufgefallen ist“ „Er ist auf dem Weg zu Vater“ Sie hielt inne, senkte die Hände auf ihre überkreuzten, schlanken Beine und sah ihn still an. Es arbeitet hinter ihrer Stirn, er konnte es beinahe den Rauch sehen. Anscheinend kam sie zu keiner befriedigenden Antwort, schüttelte nur wieder den Kopf – etwas das bei ihr auf Hilflosigkeit hindeutet – und blickte zum Bücherregal hinüber, dass die ganze Westseite des Zimmers einnahm. „Da plant ihr etwas ganz Grosses. Ich kann es fühlen und fast berühren. Pulver, euer Vater; beides Dinge die ihr bisher immer gemieden habt. Was hat eure Meinung geändert? Wie will er mit Eric reden? Er wird sich nicht darauf einlassen“ „Er hat eine Einladung erhalten, es gibt ein grosses Fest in Vaters Haus“, er beobachtete ihre Miene und jede kleine Bewegung ihres Körpers. Pino hat ihm gesagt er müsse sich vor Angie in Acht nehmen, ihr könne man vertrauen, aber nicht bis zum äussersten Punkt der Linie. Es gab niemandem dem man bis zu äusserst trauen konnte ausser sich selbst. Pino hatte ihm das einmal gesagt als Loin ihm versichern wollte, dass er ihm vertrauen konnte und er alles tun würde was er konnte. Sein Bruder sagte dort, er würde ihm sogar blind vertrauen, aber nicht vollkommen. Für Loin war das sehr viel, anderen Menschen trauten sie nicht blind. Angie konnte man halbblind vertrauen, meinte Pino. Loin hob die Hand an den Kopf und hoffte darauf, dass ihm auf der Stelle Lösungen einfielen, was natürlich nicht geschah. Er hoffte nur Pino und Robin ging es gut, die beiden hatten sich die letzte Woche kaum aus den Augen gelassen und immer mit einander etwas besprochen, Loin war sich immer als Aussenseiter vorgekommen. Robin hatte sich in diesen Tagen merkwürdig verändert, er war ruhiger, dachte manchmal ähnlich wie Pino und genau das machte Loin am meisten Angst. Wieso war Robin seinem Bruder auf solche Art ähnlich? Er war älter, aber sein Bruder war gleich alt, warum kam sich dann nur Loin als kleiner Junge vor, der die beiden grossen Männer störte, wenn sie zusammen sprachen und hektisch gestikulierten? Er lächelte und Angie sah ihn schräg an. „Hab nur gerade daran gedacht, dass es Situationen gibt, in denen ich der Erfahrener bin als mein Bruder“, sie nickte und strich ihm über die Wange. „Aber nicht viele“. Autsch! Sein Lächeln wurde etwas bitter, verschwand aber nicht. „Gut. Zurück zum Geschäftlichen. Drei Kilo sind machbar, aber Pino muss sie bezahlen. Er soll in spätestens in fünf Tagen bezahlt haben und das persönlich!“, Loin nickte und drehte sich um, um das Zimmer zu verlassen. „Pass gut auf dich auf, Loin“, etwas zwang ihn stehen zu bleiben und er drehte den Kopf in ihre Richtung, „Die Dächer sind dein Zuhause, aber alles andere ist dein Feind. Verstehst du? Vertrau im Moment niemandem, es sind merkwürdige Dinge geschehen und einige sind noch am Laufen. Ich würde es bereuen dich zu verlieren.“ Sie redete von ihm als wäre er ihr Besitz, doch er nickte leicht und zog die Tür auf. Zurück zu den Dächern, dort konnte er alles überblicken und würde vieles erfahren, wenn die Richtigen oben waren. Angie sah die sich schliessende Tür an. Ihr lag viel an den beiden Brüdern, dass musste sie sich selbst eingestehen. Loin war immer der aufgeweckte, verspielte kleine Bruder gewesen, den sie sich stets gewünscht hatte oder der Sohn und Pino… Pino war ein ganz eigener Fall in ihrem Leben. Er war früher immer dort aufgetaucht wo sie war und er hatte Dinge gesagt, an die sie noch nicht einmal gedacht hatte. Er war viel jünger als sie, fast zwanzig Jahre, aber er kam ihr älter vor. Seine Gedanken und Überlegungen waren komplex und einzigartig in ihrem Sinn. Nun sass sie auf ihrem Stuhl und nippt an dem Gals, welches schon den ganzen Tag auf ihrem Tisch steht. Es war ein starkes Getränk, gut um ihre Müdigkeit fortzuwischen und ihrem Körper stärke zu schenken. Stärke die er noch brauchen würde, in den nächsten Tagen. Ich sollte mich eigentlich schlafen legen, nur für ein paar Stunden, aber in ein paar Stunden konnte so viel geschehen., ihr war bewusst, wie sie ihrem Körper schadete, aber es musste sein. Jedoch hatte sie Loin so verwirrt, dass sie zu dem Gedanken kam vielleicht etwas zu schlafen und ebenfalls das Haus des Festes auf zu suchen – auch sie hatte eine Einladung bekommen. Oder besser ihr Maske; Emilia Sal’Envior hatte eine Einladung bekommen. Es war immer gut, in dieser Stadt zwei Gesichter zu tragen, eines das die Öffentlichkeit und der Adel kannten und das wahre, welches der Untergrund und Käufer kannten. Niemand bis auf die Brüder und ihr treuster Freund, der draussen vor der Tür stand, zog von ihr zu Emilia oder den anderen Weg eine Verbindung. Pino hatte sie einmal gesehen auf einem Fest, sie war sich sicher niemand würde sie erkenne, den sie trug immer eine Perücke und viel Schminke, doch er hatte unter diesem Anzug die Frau erkannt, mit der er zwei Wochen zuvor einige Geschäfte erledigt hatte. Sie hatte sich zu Anfang genervt, bis ihr klar wurde, dass die beiden schweigen würden. Sie nippt wieder an dem Glas, es würde nichts helfen, sie hielt die Luft an, hob es an und trank alles in einem gewaltigen Schluck. Sie hätte sich am liebsten übergeben, doch konnte es noch im letzten Moment zurückhalten. Ihr Verstand war wieder da und mit ihm kam ihr in den Sinn wie idiotisch sie sich Loin gegenüber verhalten hatte. Sie hatte Probleme und wenn sie ihn diese Nacht hier behalten hätte wäre sie noch sicherer gewesen, nicht das sie Pelin nicht vertrauen würde, aber wenn beide da wären, wäre sie sich einfach sicher, dass ihr nichts geschehen könnte. Wie als hätte sie es laut ausgesprochen wurde die Tür geöffnet und Pelin blickte ihnen. „Alles gut bei dir?“, sorge schwang in seiner Stimme. „Ja, kannst du mir einen Gefallen tun?“ „Welchen?“ „Geh Loin nach und bitte ihn heute Nacht hier her zu kommen, ich will schlafen, aber ich will es nicht nur dir überlassen und Loin ist der einzige, dem ich nebst dir noch traue.“ Pelin grinst und nickte verständlich – was würde sie nur ohne ihn machen. „Er wird noch nicht so weit sein, diese Dächer sind nicht so sein… Gebiet“, damit schloss er die Tür und huschte davon. Angie sah auf ihre Hände hinab. Pino, was du auch immer vorhast, dachte sie, pass auf dich und Loin auf… Kapitel 5: Erstgeborener? ------------------------- Robin trat hinter Pino aus der Kutsche hinaus. Sie hatten einige Strassen vor dem Fest angehalten, damit nicht gesehen wird, wie sie gemeinsam anreisen. Pino wollte mit ihm auf das Fest – oder Ball, wie es die adeligen Damen nannten, aber sie würden sich erst dort kennen lernen, wenn überhaupt. Er wartete einige Minuten, danach folgte er Pino. Robin hoffte für sich, dass alles gut läuft, wobei er ein ungutes Gefühl in seinem Bauch hatte. Ein sehr schlechtes… Die Musik hörte man schon von weitem, es war nicht weiter schwierig das richtige Gebäude zu finden, nur die Grösse erstaunte ihn. Seit eineinhalb Wochen wohnte er in dieser Stadt, hat die Dörfer besucht, in die sie die Kinder bringen wollen und einige grössere Häuser gesehen, er war nur niemals in diesem Gebiet gewesen; die Häuser waren riesig und überall gab es Lichter, Brunnen, Blumen, er musste sich zusammen reissen um nicht alles mit offenem Mund anzustarren. Pino wartete am Ende einer kleinen Schlange, die trotzdem ziemlich schnell voranging. Sie nickten sich freundlich zu. Sein Herz raste, etwas musste schief gehen. Er war nahe dran einfach umzudrehen und davon zu spazieren. Nahe dran – tat es dann doch nicht. Die beiden Wachen sahen Pino lange an, keine Gesichtsregung verriet ihre Gedanken. Er gab ihnen die Einladung und durfte eintreten. Robin lächelte die Wachen an und suchte in seinen Taschen nach dem Brief. Nervös griff er noch einmal in alle Taschen hinein als er nach dem ersten Mal nichts fand. „Meine Herren, ich muss meine Einladung verloren haben, doch ich habe eine!“ Sie sahen ihn nur kalt an und schüttelten den Kopf. Verflucht! Hilfe von fast vergessener Seite rettete ihn. „Er hatte vorhin wirklich eine. Wenn ihr wollt, kann ich ihm meine Einladung geben, so wie ich aus unserem Gespräch erfahren habe, ist er von weit hergekommen und nun wollt ihr ihm den Zutritt verweigern? Ein Lord aus den Hohen Tälern sollte man nicht auf eine solche Art kränken!“, Pinos Stimme klang kalt, aber das Wichtigste war, dass ihm die Wachen zu glauben schienen. „Dann tretet ein. Mein Herr“ „Es heisst Lord!“, hörte sich Robin dem Mann korrigieren und stockte selbst nach den Worten, er sollte sich nicht noch länger mit diesen Männer aufhalten, bis sie doch zum Schluss kamen ihn nicht hinein zu lassen. „Ihr habt mir geholfen, ich nun ihnen, man wird sich sicher auf dem Fest noch einige Male sehen“, somit stolzierte Pino mit elegantem Schritt davon. Robin konnte ihm nur bewundernd nachschauen. Das hat ja ganz gut Angefangen! Er ging gemütlich durch den langen Gang und achtete sich auf seine Umgebung. Sein Weg war reich verziert; Ausländische Blumen, viele kleine Teppiche, sowohl an den Wänden wie auf dem Boden, Bilder, Tierfelle, sogar einige Statuen aus weissem Stein standen auf ihren kleinen Säulen. Die Wände waren schneeweiss, kein Hauch von Dreck lag auf ihnen. Fasziniert ging er weiter, es hatte viele Türen und er hoffte, das Fest wäre am Ende des Ganges und nicht hinter einer dieser Türen. Noch während diesen Gedanken hatte hörte er die Stimmen und das Geschrei. Er wusste genau, er sollte es sein lassen, doch er konnte nicht ein Mädchen dermassen schreien hören, so öffnete er eine der Türen von wo aus er die Schreie am besten hörte. Der Raum dahinter war hell erleuchtet, zwei Männer in dunklen Kleider zerrten ein Mädchen an den Haaren über den Fussboden und es wehrte sich mit Händen und Füssen, doch ihre Kraft reichte einfach nicht aus gegen diese beiden Männer. Der eine hob den Blick und sah Robin etwas verwirrt an. „Was wollt ihr hier?“, fragte er lauernd. „Ich suche das Fest“, es war die Wahrheit, wenn nicht die ganze. „Das ist am Ende des Gang – Au!“, er konnte nicht weiter sprechen, denn die Kleine biss ihm in die Hand. „Du verdammtes Miststück“, seine Hand knallte auf ihr Gesicht, irgendetwas brach und sie wurde vollends zu Boden geworfen. „Gebt sie mir“, er befahl es. Die beiden Männer sahen ihn überrascht an, dann das Mädchen und wieder ihn. „Wieso?“ „Sie braucht Erziehung und meine Sklavin ist vor kurzer Zeit ausversehen gestorben. Somit bin ich auf der Suche nach etwas Neuem und sie hat viel Feuer in sich. Darf ich sie haben“, er sagte zwar darf, aber es klang doch wie ein Befehl – er wusste selbst nicht, wie er das zustande brachte. Der Mann mit der angebissenen Hand nickte und zog das Häufchen Elend auf die Beine, sie wimmerte und meinte etwas von wegen, sie sei keine Sklavin! „Ich danke euch“ „Macht nur, dass sie keinen Ärger anrichtet!“, damit drehten sie sich um und gingen tiefer in den Raum hinein – dort waren noch mehr Menschen eng aufeinander gedrängt. Robin griff nach dem Kind und zog es hinter sich aus dem Raum. Sie weinte nicht, sondern warf ihm finstere Blicke aus ihren gelb-grünen Augen zu. Wieso war sie so zu ihm? Er hatte sie gerade gerettet! „Wie geht es deiner Nase?“ „Gut“, gab sie schnippisch zurück. „Wie heisst du?“ „Eli“ „Komm mit, du wirst jetzt meine Dienerin spielen“ „Das entspricht nicht meinem Rang, ich bin eine adels Tochter und ich lasse mir nicht etwas von einem Möchtegern sagen“. Er sah sie an. Sie sah ihn an. Er schlug zu… Der Schlag kam selbst für ihn unerwartet, obwohl er ihn ja ausführte, doch danach sah er seine Hand an und das Mädchen. Ihre Nase war wohl wieder in der richtigen Position, es hatte wieder geknackst. „Gehorche oder du gehst zurück!“ Sie sagte nichts, nur wieder diese Blicke und er wurde sich bewusst, dass er ihr gedroht hatte und sie geschlagen hat. Was würde er sonst noch tun? Mühsam unterdrücke er ein zittern. Was geschah mit ihm? Seit einer Woche war er so, seit er so viel Zeit mit Pino verbrachte. Und Loin kam ihm komisch vor, beinahe kindisch und nicht brauchbar, da er die Regeln der Spiele nicht kannte, die gespielt wurden. Spiele mit dem Leben anderer Menschen, vom Adel geführt. Er schüttelte in Gedanken den Kopf. Was hatten sie da nur vor? Eli ging neben ihm her, den Kopf erhoben und ihre Augen sprühten nur so vor Arroganz bis ihnen ein Mann mit einem langen dunkelbraunen Mantel über den Weg lief. Ihr Gesicht hellte sich auf und ein leichtes Lächeln breitete sich darauf aus. „Vater!“, Robin fuhr erschrocken zusammen, genau wie der Mann. Er drehte sich um und musterte das Mädchen kalt. Seine braunen Augen zeigten keine Reaktion und das erkannte nicht nur Robin, sondern auch seine neue Begleiterin. „Vater?! Erkennst du mich nicht? Ich bin es, Eli! Bitte!“, dann verdrängt die Hoffnung die Verzweiflung als er zu ihr heran Schritt. Robin erkannte es zu spät und konnte Eli nicht mehr zurückziehen - der Mann gab einem seiner Wachen einen Wink und diese schlug dem Mädchen in den Magen. Sie ging wimmernd zu Boden und würgte. „Ist sie euer Eigentum, Fremder?“ „Ja, mein Herr. Verzeiht, ich habe sie gerade erst bekommen und muss sie noch richtig erziehen, habt etwas Nachsicht.“ Der Mann sah ihn ein Weile still an, nickte jedoch und fragte mit Plauderstimme als läge vor ihm nicht ein Kind: „Wer seid ihr? Ich habe euch noch niemals auf einem der Feste hier gesehen“ „Ich komme aus den Hohen Tälern, ich bin ein Lord von Evir’ol“ „Dann seid Willkommen und geniesst euren Abend, es warten viele Frauen im Ballsaal und jede wird sich um einen Fremden Lord reissen, ob verheiratet oder nicht.“, damit ging er weiter, seine beiden Wachen folgten ihm. Das Mädchen kämpfte sich auf die Knie und sah ihm Hasserfüllt hinterher. „Erkennt nicht einmal seine eigene Tochter! Dieser verfluchte Bastard! Wenn hat er den immer gevögelt, wenn Mutter gerade nicht zu Gegend war?! Wer musste zusehen, wie er sich am Ende doch an die Hausdamen rann machte? Dieser verdammte Bastard und nur dieses eine Mal steckte ich all meine Hoffnungen in ihn! Man sollte ihn auf der Stelle töten…“, sie verstummte als ihr bewusst wurde, dass sich Robin zu ihr niedergekniet hatte und sie mit leerem Blick ansah. Ihr wurde auch klar, dass sie alles was sie nur denken wollte laut ausgesprochen hatte und nun lief sie rot an. „Folge mir und tu was ich dir sage, schweige wenn dich niemand zum Reden auf fordert und du wirst frei sein“ „Was ist schon Freiheit, am Ende sind wir immer gefangen, egal was kommt und wohin wir gehen“, sie erhob sich schwanken und sah auf ihn herab. Er tat es ihr gleich und sie gingen nebeneinander zur letzten Tür, sie stand weit offen und Lärm drang an ihre Ohren. Sie gingen hindurch und überall waren Menschen in wunderbaren Kleidern und ihre Frisuren, vor allem die der Frauen waren majestätisch hergerichtet. Robin musste kurz Schlucken, dann kam ein kleiner Mann auf sie zu mit einer langen Liste. Er fragte nach ihren Namen und Robin musste sich wieder etwas einfallen lassen, er hatte nicht damit gerechnet vorgestellt zu werden, doch der kleine zog ihn hinter sich her auf eine kleine Tribüne und verkündete mit lauter Stimme, damit es auch ganz sicher der Hinterste im hintersten Ecke des Saales hörte, das Lord Ravien Hou’Relin aus der Stammfamilie Weliniis, aus Evir’ol aus den Hohen Tälern nun angekommen sei und sich wünsche etwas unter die Adligen dieses Reiches zukommen. Robin wusste nicht wie er es schaffte, aber er wurde nicht rot, sondern hob den Blick und musterte die Menschenmenge, die sich nun zu ihm umgedreht hatte und genoss sogar das Gefühl angesehen zu werden. Hou’Relin, dachte er bitter, hoffentlich vergesse ich diesen Namen nicht! Eli folgte ihm als er die Tribüne verliess und sich zu den anderen im Saal gesellte. Einige junge Damen warfen ihm vielsagende Blicke zu und kicherten dann hinter erhobener Hand als er ihren Blick erwiderte und als er ihnen ein Lächeln schenkte liefen sie knallrot an und versteckten sich hinter ihren grossen Fächern. Eine Frau fiel ihm sofort ins Auge. Sie war schlank, dort etwas besser Ausgebaut wo es sein musste und ihre Augen waren grau. Er konnte es trotz der Entfernung sehen und sie sah ihn ebenfalls an, errötete jedoch nicht, das übernahm er dieses Mal. Ihr schwarzes Haar war schön aufgetürmt und ein paar Haare fielen lose auf ihre Schulter. Ihre Augen waren schwarz umrandet und liessen das Grau noch mehr hervortreten. Ihre Haut war nicht ganz so weiss, wie die der meisten anderen Frauen, sondern hatte etwas leicht Goldenes an sich. Ihre Lippen waren keine dünnen Striche sondern voll und glänzten sanft. Ihr Kleid zeigte einen tiefen Einschnitt, wobei es bei ihr nicht komisch wirkte und als sie ihm leicht den Rücken zudrehte um sich bei einem der grossen Fenster niederzulassen konnte er ihren freien Rücken erkennen und das zog ihn nun zu ihr hin. Die grün-blaue Seide lagen eng an ihrem Körper und bei den Beinen lief sie etwas nach aussen um das gehen angenehmer zu machen. Sie lächelte ihn an und nickte als er sich auf den noch freien Stuhl gegenüber von ihr setzte. Du Narr! Du bist nicht hier um dich mit einer Frau zu unterhalten und sie muss etwas Hohes sein! Haub ab, steh auf!, doch er bleib sitzen und gab Eli zu verstehen sich hinter ihn zustellen und alles um sie herum zu beobachten. Sie knirschte etwas mit den Zähnen, gehorchte aber. „Von den Hohen Tälern kommen sie also?“, ihre Stimme klang wie Gesang und er hätte alles dafür gegeben sie einmal singen zu hören. War sie ein Mensch oder etwas anderes? Sie musste fast ein Engel sein. „Ja“, brachte er heraus. „Ich war noch nie dort und auch wenige Kuriere“, sie strich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und legte ihre Hand wieder auf den Tisch, „Ist es dort schön? Und weshalb seid ihr hier?“ Er überlegte, sah sie genauer an und musste über sich selbst grinsen, sie war einfach eine Frau, keine Spionin oder so! „Es ist sehr schön ja, aber ich wollte auch andere Teile der Welt sehen und bin deshalb hergekommen. Nun werde ich wohl ein Jahr oder zwei hier bleiben und dann weiter ziehen, es gibt noch viel mehr was man alles entdecken kann!“, er breitete die Armen aus und umschloss in dieser Bewegung einfach die ganze Welt. „Einst träumte ich wie ihr, davon die Welt zu sehen und allen zu helfen. Heute muss ich erkennen, dass es nicht möglich ist das zu erreichen“ „Ich will nur die Welt sehen, was die Menschen betrifft, denen ich helfen kann, werde ich helfen, die anderen müssen selbst schauen. Ich habe bemerkt, dass man den Menschen nicht zu viel helfen sollte, sonst werden sie von einem abhängig und denken nicht mehr selbst“ Sie nickte anerkennend und er konnte spüren wie sich Eli in seinem Rücken über seine Worte wunderte. „Was habt ihr diese Nacht noch vor?“ „Ich will den Adel hier kennenlernen und den Herren des Hauses“, er nippte an einem Glas mit Wein darin, dass ein Diener ihnen auf den Tisch gestellt hatte. „Der Herr des Hauses ist dort drüben“, sie deutete über einige Köpfe zu einer Gruppe von neun Männern die etwas heftiger Diskutierten, jedoch so, dass sie nicht gehört werden konnten. Robin musterte sie und erkannte den Hausherr sofort, was ihn noch mehr verblüffte war der Mann der neben ihm stand; Pino. „Dem jungen Herren neben dem Hausherren, bin ich heute Abend schon zwei Mal begegnet, er hat mir geholfen hier rein zu kommen, da ich ja keine Einladung hatte. Er wollte ihr gegenüber nicht erwähnen, dass er eine gehabt hatte, sie nur nicht mehr fand. „Herr Aylba“, sie sah Pino eingehend an, „Er ist noch jung, aber ich glaube aus ihm wird einmal ein guter Herr. Nun denn, wollt ihr euch sicher dieser Gesellschaft dort drüben anschliessen oder nicht?“ Er zögerte, wollte er sie verlassen wegen dem Hausherren? Er hatte wollte den Mann nicht so schnell kennenlernen, aber es musste irgendwann doch sein. Die Frau würde ihm nicht so schnell davon laufen – hoffte er. „Meine Dame, wie darf man sie den nennen?“ „Varin Maldera“, sie nahm einen grossen Schluck aus ihrem Glas und kleckerte ganz wenig. Robin wurde sich dadurch bewusst, dass sie auch nur eine normale Frau war und am Ende nun kein Engel. „Ich wünsche ihnen einen schönen Abend, Frau Maldera, ich hoffe sehr, wir werden uns noch ein weiteres Mal sehen“, dann stand er auf, Eli trat bei Seite und folgte ihm Richtung der Männer. Er war froh darüber sie bei sich zu haben, es war nur verwunderlich, dass sie nicht einfach weglief. Es waren weniger Männer als zuvor und das war besser so. Robin trat zu ihnen hin und hörte zuerst etwas zu. Pino warf ihm einen langen Blick zu, wandte sich dann wieder einem etwas dickeren Mann zu und meinte, er habe zwar Recht, doch es sei die falsche Art. Der Hausherr trug eine Scherbe, die ihn als Festherr auszeichnete, deshalb hatte Robin ihn vorhin auch erkannt. „Lord Hou’Relin, wie erfreut ich bin, sie hier bei unserer kleinen Gruppe zusehen“, er neigte den Kopf etwas und grinste. Robin erkannte das Grinsen, Pino hatte viel von seinem Vater geerbt, wenn man nur auf das Äussere schaute. „Die Ehre euch persönlich kennen zu lernen, durfte ich mir nicht entgehen lassen, da ich viele Adlige aus den verschiedenen Reichen später nennen will, wenn mein Vater mich nach ihnen fragt.“ „Dann nennt ihm auch den Namen Aalen Gormen, den so lautet der meine“, seine blauen Augen huschten innert Sekunden über Robin und schienen jedes kleine Detail in sich aufzusaugen und zu verarbeiten. Er war ein gefährlicher Mann, schlimmer als es Pino im Moment war und sehr hinterlistig. Aalen legte einen Arm um Robin und sie entfernten sich etwas von den anderen Männern, nur Eli folgte ihnen, was ihr einen bösen Blick vom Herrn einbrachte. Sie hob zur Antwort nur ihren Kopf und reckte das Kinn etwas vor; kampflos würde sie sich nie ergeben. „Verzeiht ihr, sie ist noch nicht lange in meinem Dienst und weiss nicht wie man sich als Diener zu benehmen hat, vielleicht sollte sie bei einer Sklavin beginnen“, er schenkte ihr den kältesten Blick den er zustande brachte und er musste wirklich kalt gewesen sein, den sie zuckte willkürlich etwas zurück und senkte ihren Blick. „Ich werde mich nicht zurückhalten sie auch zu schlagen, wie ihr Gesicht mir sagt, muss man dies wohl bei ihr von Zeit zu Zeit anwenden“, die beiden funkelten einander an. Robin fragte sich weshalb sie es wagte gegen Aalen zu kämpfen, auch wenn es nur ein Blickkampf war und vor ihm zog sie sich zurück. Aalen führte sie in sein Arbeitszimmer und liess auch Eli hinein. „Einer der Herren draussen meinte, sie wollten etwas über die Minen erfahren, stimmt das?“ Pino! Er hat sofort angefangen wie es Robin schien. „Ja, das ist korrekt. Ich bin an diesen Gebäuden vorbei gekommen und die Wachen liessen mich nicht hinein und in der Stadt fragte ich danach, nur wenige wollten etwas sagen und die, die etwas sagten sprachen von den Adligen und das Fussvolk hätte nichts mit diesen Dingern dort draussen zu schaffen.“ Aalen lächelte. Er liess sich auf einen gepolsterten Stuhl fallen und überschlug seine Beine. Mit einer Bewegung machte er seinen Besucher auf den anderen Stuhl aufmerksam, Robin kam der Aufforderung nach und setzte sich auch. Der Stuhl war aus Leder und man sass sehr bequem darin. „Ich werde euch einige Sachen über die Minen erzählen, doch es bleibt unter uns. Ihr macht einen starken und auch kalten Eindruck, Männer wie euch braucht die Welt an der Spitze um sie zu führen“ Robin erfuhr Sachen, die er nicht gedacht hätte. Zum einen wurde ihm bewusst, dass ihn seine Eltern freiwillig weggegeben haben und dass er wohl oder übel einen jüngeren oder älteren Bruder haben musste. Und auch in seinen Adern floss Blut, das nicht ganz normal war. Aalen hatte ihm erklärt, dass die Eltern ihre Kinder einfach so weggaben, bei Zwillingen wurde immer ausgewählt, wer gehen musste, aber bei den anderen wurde der erstgeborene weggegeben, da er meistens nicht das spezielle Gen der Familie in sich trug und somit für das Haus Erbe keine gute Wahl sei. Die erst Geborenen blieben solange in den Familien bis das zweite Kind auf der Welt ist und sechs Monate überlebt hat. Bei Zwillinge mussten sie etwas länger zu warten damit man sah, welcher der beiden das Gen hatte und welcher nicht. Robin verdaute das Gespräch langsam und sah Eli kurz an. War sie also eine Zweitgeborene? Ihre Blicke trafen sich für einige Sekunden, dann sah sie wiederweg. Hatte sie das gewusst? Lernten die Zweitgeboren, dass ihre Geschwister in den Minen lebten? Er musste sich zwingen die Hände nicht zu Fäusten zu ballen. Wieder wurde alles in seiner erst vor einer Woche neu entdeckter Welt, auf den Kopf gestellt. Wie viel wussten Pino und Loin davon, schoss es ihm durch den Kopf… Kapitel 6: Hass --------------- Eli stand immer in der Nähe von Robin, bewegte sich wie sein Schatten und hasste sich selbst dafür, denn sie konnte nicht erklären was sie so an ihn zog. Er sah durchschnittlich aus, benahm sich merkwürdig und schien von dieser Welt keine grosse Ahnung zu besitzen. Sie hätte am liebsten eines ihrer schönen Kleider angezogen und wäre mit denen durch den Saal gewandert, hätte allen Männer den Kopf verdreht und vor allem diesem Fremden. Wieder musterte sie ihn eingehend. Er hatte etwas, aber was wusste sie nicht. Ihre Hände zitterten leicht und sie versteckte sie hinter ihrem Rücken. Wieso musste sie da hineingezogen worden sein? Sie war eine Tochter des Adels, eine Cousine des Hochherrn und nun war sie die Dienerin eines Fremden? Wut flammte in ihr auf, ihr Vater hatte sie sogar ins Gesicht geschlagen – dafür würde er noch bezahlen, dazu zu entschloss sie sich innert Sekunden. Er würde ihren Hass kennenlernen und beten er hätte ihre Mutter nie kennen gelernt! Ein abschätzendes Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht, doch sie hatte es schon nach einigen Herzschlägen wieder unter Kontrolle! Sie würde zu ihrer Rache kommen, wann war egal, solange es geschah… Mit diesem Gedanken wandte sie sich wieder ihrer Umwelt zu und achtete auf ihren neuen Herrn. Robin erhob sich gerade und dankte Aalen für das Gespräch, er hatte wieder einiges erfahren und konnte seine weiteren Schritte planen, überlegte sich aber, wie viel er den beiden Männern vertrauen konnte. Er wusste bloss eines; Loin konnte man eher trauen als Pino. Zu dritt gingen sie einen schmalen Gang entlang, Robin war sich sicher, nicht hier durchgekommen zu sein und stellte eine entsprechende Frage. „Aufmerksam“, stellte Aalen kühl fest und neigte den Kopf leicht nachvorne, „Ich will dir zeigen, was es bedeutet wen man aus den Minen flieht und sich dann gegen die Regeln stellen will. Folge mir“ Mit einem flauen Gefühl im Magen folgte Robin dem Mann. Immer wieder sah er zu seiner Begleiterin – oder Dienerin, was sie auch für ihn sein mochte - und sie sah ihn aus ihren grossen Augen an. Als er sie so betrachtete fiel es ihm auf und er stocke einen Moment. Eli blieb ebenfalls stehen und sah ihn erschrocken an, auch Aalen blieb stehen als ihm auffiel, dass die anderen ihm nicht folgten und runzelte die Stirn. „Es ist nichts!“, Robin zwang sich von ihr abzusehen und grinste den Älteren schief an, „Mir ist nur gerade etwas eingefallen, aber es ist nicht so wichtig…“ Der andere nickte und ging weiter. Dem Jungen wurde nun bewusst warum er das Mädchen gerettet hatte, sie sah Leila einfach zum Verwechseln ähnlich! Er war von sich selbst beschämt, dass es ihm nicht eher aufgefallen ist. Sie durchquerten einige grosse Räume und schritten dann durch eine kleine, aber massive Holztür. Was ihn dort erwartete, schockte ihn. Beinahe hätte er etwas gesagt, was seine Verkleidung auffliegen gelassen hätte, doch der Blick, mit dem ihn Pino durchbohrte liess ihn alles vergessen, was er hätte sagen können. Er konnte spüren wie sich Kälte und Gleichgültigkeit seine Gesichtszüge einnahmen. Eli zog die Luft ein und wollte zurück treten, doch die Tür wurde verschlossen. „Ihr kennt ihn, oder?“, Aalens Stimme war eisig. Es war nur eine kleine Kopf Bewegung, nicht mehr und Aalen fuhr fort: „Er ist mein Sohn. Ein kleiner Flieher. Er dachte wenn er aus der Mine entkäme, wäre er frei, aber damit lag er falsch, nun trat er ganz offen an meine Brust und ich schlang die Arme um ihn. Wie ihr seht halten ihn meine Männer auch ganz fest, nicht mehr an meine Brust gepresst, aber doch so, dass wenigstens ich ihn anfassen kann, damit er schmerzen spüren wird und am Ende wartet ein kleiner Misthaufen auf ihn“, er sagte all dies als würde er über das Wetter sprechen. Pino stand zwischen zwei Männern, die ihn gefesselt hatten und er hatte einige blaue Flecken an den Armen und im Gesicht, die Kleidung war auch nicht mehr so wie sie einmal war. „Ihr wollt euren eigenen Sohn töten?“ „Ja“ „Ich will zusehen, so werde ich vielleicht eure Regeln und eure Gebräuche noch besser kennen lernen“, er stockte selbst über das, was er eben gesagt hatte und sah Pino direkt in die Augen. Es stand keine Furcht darin, keine Angst – diese Gefühle hatten keinen Platz, denn der Hass frass jeden Platz in seinen Augen. Ein Hass der nicht auf ihn gerichtet war, wie Robin beinahe erleichtert feststellte sondern auf Aalen. Robin war sich sicher, müsste entscheiden, wen wer als Feind lieber hätte, Aalen oder Pino, würde er sich für den Vater entscheiden! Kapitel 7: Versprechen! ----------------------- Loin rannte durch die Dunkelheit und bemerkte zu spät wie er über den Rand des Daches trat. Panisch wollte er sich umdrehen und den Sims ergreifen, doch da war nichts zum Ergreifen! Er wollte einfach fallen als ihn doch noch etwas erfasst. Nicht er erfasste es sondern, es erfasste ihn! Sein Blick ging hoch zum Dach Rand und Pelin grinste ihn blöde an. „Ein Glück hat mir meine Herrin befohlen dich zu begleiten“ „Lass mich los“, gab Loin giftig zurück! Ihn begleiten – pah! „Das“, Pelins Blick ging an Loin vorbei in die Tiefe, Loin folgte seinem Blick, „wäre wohl keine so brillante Idee. Aber ein kleines bisschen verlocken-“ „Hilf mir hoch!“, unterbrach ihn der andere und zerrte an Pelins Arm. Ein knacken erklang und Pelin kam gerade noch dazu die Augen aufzureissen als die Hauskante abstürzte. Loin packte Pelin und zog ihn an sich. Ihm würde der Aufschlag nicht viel machen, etwas schmerzen, aber nicht mehr, ob es Pelin überleben würde, war da eine ganz andere Frage. Ich könnte auch sterben, wenn ich mich genug schnell heilen kann… eine Stange mitten durch die Brust? Was würde mich töten? Er presste die Augen zusammen und lauschte auf die Schreie seines ‚Begleiters‘. Der Schmerz durch fuhr seinen Körper beim Aufprall, doch es bohrte sich nichts in ihn hinein und auch Knochen brache – was ihn beinah verwirrte. Bei einer solchen Tiefe, hätte er sich etwas brechen müssen! Aber man will das Schicksal nicht noch mehr herausfordern! „Pelin, bist du in Ordnung?“ Er spürte wie sich der andere regte und sein Kopf ins Blickfeld kam. „Ja, danke“, damit stand er auf und reckte sich, um zu schauen ob es ihm wirklich nichts gemacht hatte, danach streckte er Loin die Hand hin und zog ihn auf. Der jüngere lächelte Pelin an und deutete die Strasse hinab. Pelin nickte und gemeinsam gingen sie neben einander die Strasse zum Haus entlang. Pelin erklärte Loin, Angie wolle, dass er die Nacht bei ihr übernachte, da sie sonst nicht schlafen könnte. Für ihn war das eine Überraschung, da Angie im normal Fall nach Pino verlangte und sicher nicht nach ihm, aber er wollte dieser Frau nichts abschlagen. Vor dem Haus blickte er sich um, sprang mit Pelin über die Mauer und ging durch die Terrassentür ins Haus. Wenn er direkt vor die Haustür getreten wäre, hätte er das Licht aktiviert und die Nachbaren mussten nicht wissen, wann er nach Hause kam oder wann er ging – sie erfuhren es nur, wenn sie das Haus genauer betrachteten. Pelin trat nach ihm ins Haus ein und blickte sich in dem grossen Gebäude um. Er wirkte faszinierte auf seine Weise. Loin hatte nie gesehen, dass Pelin viele Gefühlsregungen zeigte ausser vielleicht Angie gegenüber. Sie waren alleine, die anderen waren noch nicht wieder zurückgekehrt. Loin war sich nicht sicher ob ihn das nun beängstigen sollte oder eher wütend stimmen; sie hatte abgemacht, dass sie nicht länger als zwei Stunden dort sein werden, es war gefährlich und das sollte Pino wissen! Noch während er diesem Gedanken nach ging knallte die Eingangstür auf und Pelin konnte noch so ausweichen als Eli reingestürmt kam und dicht hinter ihr folgte Robin. Beide waren ausser Atem und mussten nach Luft schnappen, nach diesen Sekunden richtete sich Robin keuchend auf und deutete zur Tür. „Pino liegt auf dem…“, er holte Luft“, …dem Mist!“ Die Aussage musste sich zuerst in Loin manifestieren, dann konnte er reagieren. Er ergriff Robin, schüttelte ihn und versucht aus dem Mann etwas Genaueres heraus zu bekommen, die Antwort kam jedoch vom Mädchen. „Sein Vater hat ihn gefoltert und dann auf den Misthaufen hinter dem Haus geworfen, damit er dort stirbt im Gestank“, ihre Augen glühten fast vor Eifer Loin alles zu erzählen. „Ihr bleibt hier“, dabei schaute er Pelin an, „Du auch, ich gehe alleine!“, damit rannte er aus dem Haus, Robin wollte ihm noch etwas nach rufen, doch Loin war einfach zu schnell. Er angelte sich geschickt auf eines der Dächer und rannte. Hier konnte ihn niemand aufhalten und wenn sich ihm jemand in den Weg stellen würde, würde er doch zu seinem Bruder kommen! Wut stieg ihn ihm auf. Wut auf seinen Bruder und seinen Vater. Er hatte es ihm immer wiedergesagt, der Mann sein ein Monster und gefährlich, Pino war aber noch nie der Typ gewesen, der auf einem hörte, selbst wenn er wusste; der andere hat Recht! Wenn er wieder auf den Beinen war, würde er eine Standpauke einfahren! Er spürte wie sich seine Fingernägel in die Handfläche gebohrt hatten und öffnete die Fäuste. Er sollte die Kontrolle über sein tun nicht verlieren! Dann kamen die hellen Lichter des Hauses in Sicht – er wusste auch wo der Mist gelagert wurde, so sprang er über drei weitere Dächer, dann in ein Fenster, wo niemand wohnte und schlich sich bei dem Haus unten aus der Tür. Er schlich am Haus seines Vaters entlang, musste über einen Zaun springen und fand sich wenige Minuten später vor dem Misthaufen wieder. Leise klettere er darüber. Der Gestank war bestialisch, er bemerkte ihn kaum. Wo war Pino?! Mühsam arbeitete er sich nach oben, dort rief er nach dem anderen, bekam aber keine Antwort. Verzweiflung keimte in ihm auf. Was wenn er tot war? Nein! So was durfte er noch nicht einmal denken! Pino konnte man nicht so leicht töten auch wenn er keine Kräfte hatte. „Wer bist du?!“, die Stimme hallte über die ganze Müllhalde und Loins Kopf fuhr herum, hoch zum Fenster, das weit aufgerissen war und das Licht umhüllte eine Gestalt. Eigentlich konnte er sie nicht erkennen, die Stimme war jedoch unverkennbar. „Was suchst du auf meinem Grundstück! Du kleiner Bast-“, seine Stimme erstarb als ein Licht auf das Gesicht des Jungen gerichtet wurde. Loin konnte beinahe sehen wie der Mann kurz leer schluckte. „Wer bist du?“, fragte er zögerlich. „Pino! Wer sonst, denkst du wirklich, ich würde einfach so vor dir auftauchen. Meinst du wirklich ich bin so blöd?“, Loin lachte auf und suchte mit den Augen den Müll ab; wo lag sein Bruder?! Dann sah er die Bewegung, es war nur ein kleines rutschen des Mülls und doch musste sich dort etwas bewegt haben. Mit erhobenem Haupt marschierte er über den Müll, so gut es eben ging und verdrängte den Gestank als er in das Zeug hinein griff und zu seiner eigenen Überraschung tatsächlich einen menschlichen Arm erfasste. „Wieso willst du ihn mitnehmen? Du hast ihn doch nur benutzt! Und er lebt nicht mehr lange, wenn er den noch am Leben ist!“ Loin sah hoch. Blickte die Gestalt an die dort im Fenster stand und zitierte etwas, dass Pino ihm vor zwei Jahren einmal sagte. „Es gibt Menschen, die werden respektiert weil sie Macht besitzen. Die anderen bekommen Macht, weil sie respektiert werden. Sag mir Vater, liegt zwischen diesen beiden Sachen ein Unterschied?“ Er konnte hören wie sein Vater lachte und etwas murrte. „Nur Menschen, die Macht besitzen können respektiert werden. Was du wissen solltest, Geld ist Macht. Besitzt zu Geld, besitzt du die Welt. Und die Schwachen sollte man liegen lassen, solcher Abfall ist nichts für die Gesellschaft“ Loin wollte ihm erklären, dass es „seine“ Gesellschaft war, die nur auf der unteren Schicht aufbaute, ohne die untere Schicht wäre die Gesellschaft, von der er sprach ein Nichts, doch er konnte fühlen wie sich Pino bewegte; er lebte noch. Mit grosser Anstrengung konnte er seinen Bruder ganz herausholen und hievte ihn über seinen Rücken. Es würde nicht mehr lange dauern und die Wachen seines Vaters würden erscheinen. Er rutschte den Müll hinab, rannte über den Rasen und wurde sich erst vor dem Haus der Höhe dessen bewusst. Er würde es niemals schaffen sich mit Pino hoch zu ziehen und auf dem Fenstersims konnte er nicht mit Pino am Rücken stehen. Nervös sah er sich nach rechts und links um, einen Ausweg musste es geben. Wut kroch in ihm hoch! Wie naiv war er gewesen, blind in dies alles rein zu rennen ohne zuvor die Fluchtmöglichkeit zu untersuchen – das entsprach so gar nicht seiner Arbeitsmethode, wobei man hier nicht von Arbeit sprechen konnte, es ging um das Leben seines Bruders! „Loin“, es war nur ein Flüstern und er dachte beinahe er hätte sich verhörte, als sein Name noch einmal erklang. Er sah hoch zur Dachkante – dort war niemand, dann nach unten und sah die kleine Einlassung im Boden. „Willst du Wurzeln schlagen oder kommst du?!“, Pelin klang nicht gerade glücklich, was Loin dazu antrieb schnell zu handeln, er gab dem Mann Pino in den Schacht hinab und meinte, er gehe über die Dächer, damit man ihn fliehen sah. Pelin knurrte etwas vor sich hin, hinderte ihn aber auch nicht an seinem Vorhaben. Während er über die Dächer rannte dachte er an Pelin, dieser Mann hatte ihm nun schon zum zweiten Mal in einer Nacht geholfen und es war fast unheimlich, dass er immer dort auftauchte, wo Loin Hilfe benötigte. Obwohl er ihm sehr dankbar dafür war. Er konnte fühlen, wie sich etwas in ihm veränderte. Bisher hatte er seinen Vater einfach als ein ‚Ding‘ aus seiner Vergangenheit angesehen, etwas das Schuld an allem war, aber doch keinen weiteren Einfluss auf ihre Zukunft haben würde – diese Gedankens weisse hatte sich nun verändert. Ab diesem Augenblick musste er seinen Vater auch in die Pläne miteinbeziehen oder ihn von Anfang ausschalten! Eli sah zum Fenster raus und betrachtete den Himmel. Es war noch immer Nacht, jedoch konnte man die Sterne in dieser klaren Nacht gut erkennen und leise sang sie etwas vor sich hin. Robin sass auf einem Stuhl und starrte an die Wand vor ihm. Noch immer konnte er nicht glauben, was Aalen seinem eigenen Sohn angetan hatte und die Melodie von Elis Lied drang leise in seinen abgeschotteten Geist. Sonne. Mond. Einsam verloren. Sterne. Wolken. Nun gefroren. Das Lied drang tiefer in ihn ein. Er kannte es, früher hatte er es oft gehört. Wer hat es ihm dazumal vorgesungen? Leila? Sein Gesicht wandte sich langsam zu Eli um. Der Mond schien durch das Fenster und beleuchtete das Mädchen. Ihre Haut wirkte glatt und es sah aus als würde sie leuchten. Ihr Haar hatte eine andere Farbe als sonst – es war schwarz und reichte ihr bis tief in den Rücken. Nun war er wach und trat geschwind auf sie zu. „Was ist mit deinem Haar passiert?!“ „Meine Gabe ist die Verwandlung. Diese Macht kann ich aber nur im Mondlicht vollbringen, ohne ihn ist es mir nicht möglich“, sie sah auf seine Hand herab die auf ihrer Schulter ruhte und lächelte sanft. „Danke, dass du mich da rausgeholt hast, ich war nicht gerade nett zu dir“, sie sah wieder hinaus und ihre Stimme wurde kühler, „Ich würde gerne meinen Vater töten. Ihm ein Messer über die Kehle ziehen und zusehen wie er ausblutet. Sehen wie sich das Blut langsam mit dem Regen vermischt, der vom Himmel fällt und sich dann in den Fluss fortbewegt, der sein Blut weit weg treiben wird“ „Ich möchte die Kinder der Minen befreien“, er nahm seine Hand nicht von ihrer Schulter und sah wie sie hinaus in den Himmel. Die Nacht war wirklich schön… etwas von Ironie musste in dieser Nacht liegen. „Ich würde das nicht tun“, sie wollte die Worte wohl mehr zu sich selbst sagen, aber er konnte sie hören und sah sie von der Seite her an. Sie drehte den Kopf und sah ihn an – sie war wirklich wunderschön. „Sie werden es nicht überleben und alles wird sich nur noch erschweren, die Menschen hier werden so aufgezogen, dass sie noch Geschwister haben, die zu Kriegern ausgebildet werden und eigentlich später an der Seite der Zweitgeborenen stehen sollten und sie beschützen, doch sie kommen kaum jemals her und wenn dann haben schon einige Erstgeborenen die Zweitgeborenen getötet oder ihre ganze Familie, dennoch schicken sie immer wieder Kinder dort hin, damit sie genug Erz und Gold bekommen um Handel zu treiben. Was passiert wenn du alle Kinder freilässt und sie dann erkennen wozu sie bisher in den Minen waren, was wenn sie ihre Familien töten wollen? Du würdest hunderte von hasserfüllten Menschen auf die Stadt los lassen und dann hast du vielleicht hunderte von Mörder, die auch Unschuldige töten wie die Zweitgeborenen, die am Ende doch nichts dafür können, dass sie geboren wurden“ Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus. Robin verstand sie, aber wenn er dieses Ziel aufgab, was wollte er dann in dieser Welt? Er brauchte etwas, sonst hatte er nichts zu tun. Seine Gedanken gingen zu Pino und Loin, was war ihr Ziel? Loin lebt nun auf der Strasse und gibt sich mit diesen Menschen ab, Pino dagegen wandert im Adel umher, aber was ist ihr Ziel? Was wollen sie mit ihren Rollen in dieser Welt erreichen? Bevor sich dieser Gedanke weiter in ihm ausbreiten konnte, klopfte es an die Tür. Eli sprang auf und rannte zur Tür. Robin war es nicht darum, dass die Tür geöffnet wurde, sie hatte es aber schon getan und nun standen beide von Überraschung da. Robin konnte sehen wie sich Eli versteifte und rannte beinahe zu ihr hin und befahl ihr sich in ihr Zimmer zurück zu ziehen. Sie gehorchte mit einem wütenden Blick auf ihn. Die Mordlust in ihren Augen sagte ihm, er hatte die richtige Entscheidung getroffen. „Herr..“, er hatte seinen Namen vergessen oder hatten sie sich noch gar nicht vorgestellt? Robin wusste es nicht mehr. „Ewehood“, meinte der ändere Lächelnd, „wie ich sehe gehorcht die Kleine schon etwas besser“, Robin hatte dem Mann am liebsten eine geschlagen! Es war seine Tochter und er behandelte sie, als wäre sie ein Nichts! „Was verschafft mir das Vergnügen um diese Uhrzeit?“, er lächelte ebenfalls, hoffte es wirke nicht zu aufgesetzt. „Nun, sie sind auf einmal verschwunden und ich hätte ihnen gerne meine Tochter vorgestellt. Sie ist klug, hübsch und einfach hinreissend“ Nun konnte Robin fühlen wie sein Herz anfing zu pochen. Und es sprang ihm beinahe aus der Brust als Leila die Treppen empor stieg. Sie hatte ihr blondes Haar hochgesteckt und trug ein rotes Kleid, welches mit goldenen Mustern verziert war und sie hatte ein so schönes Lächeln, welches jedoch nicht ihre Augen erreichte, das Robin kurz nach Luft schnappen musste. Leila war schon immer schön gewesen, doch nun war sie einfach ein Traum. Sie trat an ihrem Vater vorbei und berührte sanft Robins Wange, ihre Lippen kamen den seinen nahe und er sah ihr direkt in die blau-grünen Augen. „Lord Hou’Relin“, sie sprach den Namen mit Hohn aus, „Ich bin Elvira oder auch Eli genannt und würde mich sehr über einen Heiratsantrag von eurer Seite erfreuen“, ihre Finger fuhren über seine Brust und sie fuhr mit ihren Lippen sanft über die Seinen. Robin konnte hören wie Ewehood die Luft einzog. Er war wohl von der Aufdringlichkeit seiner Tochter überrascht. Dafür kam Robin wieder zur Besinnung und hielt sich Leila eine Armspanne vom Leib. Sie sah ihn fragend an und er sah sie lange an. „Es tut mir leid, Elvira, aber ich habe bereits jemand anderes im Auge“ „Aber ihr seid noch nicht mit ihr Verlobt oder?“, sie sah ihn kalt an. Er schüttelte den Kopf. „Dann lässt mich mit euch heute Nacht das Bett teilen und ich versichere euch, ihr werdet nie wieder eine andere Frau haben. Ich werde so gut sein, dass ihr immer wieder vor Lust stöhnen werdet und ihr wollt immer mehr von mir. Ihr werdet nicht mehr loskommen, wenn ich euch einmal gedient habe“, sie sah ihn kurz an und küsste ihn dann Leidenschaftlich. Robin konnte sich nicht erwehren und genoss für einige Sekunden diesen einen Kuss. Er musste sich gegen sie stellen und trat einen Schritt zurück. Sie sah ihn enttäuscht an und hob die Augenbrauen fragend. „Ihr habt hier wohl keine Sitten!“, damit trat er ins Haus und schlug die Tür vor ihrer Nase zu, es folgte Schweigen und dann schrie sie. „Du hast es nicht anders gewollt! Am Ende wirst du in deiner eigenen Scheisse kriechen, so wie früher, wenn ich dir nicht geholfen habe! Und jeder deiner Freunde wird einer nach dem anderen verrecken oder sich als dein Feind herausstellen! Ich verspreche es dir!“ Robin lehnte sich an die Tür und fasste sich mit den Händen an den Kopf. Was sollte er jetzt tun? Er kannte Leila und wusste, was immer sie sich auch vornahm, sie würde nichts unberührt lassen um es zu erreichen! Eli sank neben ihm auf die Knie und sah ihn lange schweigend an. Dann lahm sie seine Hand, führte sie zu ihrem Gesicht und meinte: „Ich werde nicht sterben bevor mein Vater tot ist und ich werde nicht zu deiner Feindin! Ich verspreche es dir!“, dann legte sie ihre Arme um ihn und umarmte ihn. „Wir sind jetzt alleine. Ich eine ausgestossene meiner Familie und du ein verlorener Sohn der Minen. Gemeinsam werden wir aber einiges schaffen“ „Uns darfst du nicht vergessen“, erklang Loin Stimme und Eli sah zu ihm hinüber. „Was ist mit deinem Bruder?“ „Ich weiss es nicht, Pelin hat ihn zu einem Arzt gebracht, aber nun ist es an der Zeit einige Köpfe rollen zu lassen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)