Gefangen von D-Rabbit ================================================================================ Kapitel 2: Loin --------------- Er öffnete eines der Augen und sah sich irritiert um. Wo bin ich? Wo sind die anderen? Die Decke rutschte von ihm runter als er aufstehen wollte, er starrte sie an – so was hatte er noch nie besessen… dann kamen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Leila… Bitter dachte er an sie, wie sie dort im Schnee gelegen hatte und das Rot, welches den Schnee zierte. Er schüttelte den Kopf, jeder andere hätte es vielleicht in der Dunkelheit nicht als Rot erkannt, sondern als schwarzer Fleck, doch seine Augen sahen selbst im dunkelsten Raum sehr gut, eine Krankheit seiner Familie, deshalb wurden sie auch in die Minen geschickt. Lächelnd griff er mehr nach der Decke und kuschelte sich an sie, es war schön eine Decke zu besitzen, sie war voller Löcher, doch er hatte das Gefühl als hätte er nie etwas Wärmeres getragen. Der Sack, der seine nackte Haut bedeckte kratzte auf dieser, aber er war es sich gewohnt, sie hatten immer solche Kleider tragen müssen, für die Kinder gab es nichts anderes um etwas Wärme zu erhalten und sich einzukleiden. Erschrocken fuhr er zusammen, draussen hörte man Geschrei und es polterte auf dem Dach. Er hielt die Luft an, wollte gerade in eine andere Ecke kriechen, während ein Junge durch die Luke flog, durch die auch er auf den Dachboden gefunden hatte. Der Junge… oder doch eher Mann strauchelte und fiel auf die Knie, er zitterte doch sein Blick hing an der Luke, in seiner Linken hielt er ein Messer. Draussen sprang jemand in die Nähe der Luke. „Loin!“, schweigen „Loin! Du dreckiger Bastard! Zeig dich“, die Stimme trifte vor Zorn und Hohn, „Komm schon, du darfst gegen mich kämpfen, du Sohn einer Hure, beweg dich hier her! Feigling, der du bist! Wenn ich oder einer meine Jungs dich kriegen…“, er sprach nicht weiter, musste auch nicht, Robin wusste, dass Loin nur den Tod in den Händen dieses anderen finden würde. Loin selbst drückte die Augen zusammen, biss sich auf die Lippen und wartete, wartete, bis er hörte wie der andere sich weiter bewegte, dann liess er das Messer fallen und fasste sich an die Schulter. In seiner rechten Schulter steckte ein Bolzen. „Verdammt…“, er errichte ihn nicht. Aus Reaktion stand Robin auf, trat hinter den Mann, der seinen Kopf wieder gesenkt hatte und griff nach dem Bolzen. Der andere fühlte wie Robin ihn erfasst, fuhr mit dem Kopf herum und holte mit dem rechten Arm aus. Als die Faust Robin traf wurde er an die andere Wand geschleudert - er keuchte überrascht auf und fiel in sich zusammen. Loin erhob sich, kam herüber und packte Robin mit beiden Händen am Hals. „Wer bist du“, zischte er. „R-Robin…“, er bekam nicht viel Luft und es wurde immer weniger, „tut… tut dir deine Sc-Schulter nicht weh?“ „Doch!“ „Und jetzt? Es muss dich beinahe umbringen, diese Schmerzen oder nicht?“ wenn er nicht aufhört, bringt er mich zuerst um. Luft!! Er bekam ein Nicken als Bestätigung und die zusammen gebissenen Zähne sagten ihm genug. „Lass mich dir helfen…bitte“ Loin fiel vor ihm auf die Knie – Robin fiel ebenfalls, er hustete. Luft! Dem Himmel sei Dank! Ungeduld machte sich in Loins Augen sichtbar und Schmerzen, grosse Schmerzen. „Halte still, ich muss noch etwas suchen, dass die Blutung stoppen wird“, er wollte sich umschauen, doch Loin winkte ab: „Es wird nicht gross Bluten, glaub mir.“ Robin kannte solche Verletzungen, die gehörten in den Minen fast zu den täglichen von den Kindern hatte normalerweise mindestens eines eine tiefe Schulterverletzung und es blutete immer. Hier wollte er jedoch nicht wieder sprechen und griff nach den Bolzen, als er ihn umschlang zog Loin scharf die Luft ein, er zischte etwas von töten vor sich hin; Robin zog es vor nicht zu wissen, was er gesagt hat. „Es wird schmerzen“, dann zog er. Der Bolzen kam ziemlich schnell raus, Loin krümmte sich, gab dennoch keinen Ton von sich – dafür bohrte er seien Nägel ins Handfleisch, bis es blutete und biss sich in die Unterlippe. Robin betrachtete die Wunde, es war ein Loch, doch sie blutete nicht. Irritiert fuhr er darüber und sie fing an sich zu schliessen. „Danke…“ kam mürrisch von Loins Lippen, die zwar Bisswunden aufwiesen, aber auch da kaum bluteten. „Wo ist dein Blut?“ „Tote können nicht mehr bluten“, er sagte es als wäre es etwas Alltägliches. Robin fielen beinahe die Ohren ab. TOTE?!! „W-was meinst du mit tot?“, er begann zu zittern. „Tot, wenn dich jemand tötet, dann bist du tot.“ „Du lebst aber noch“ „Liegt an meiner Familie, die kann irgendwie nicht sterben, ausser im Alter, aber wenn sie ermordet werden oder einen Unfall haben, überleben sie es, beziehungsweise, sie sind tot, aber sie können noch stehen, gehen, reden, lachen – einfach alles, was sie davor auch konnten. Im Normalfall sterben wir dann so zwischen achtzig und neunzig Jahren.“ Toll, dachte Robin bitter, ich fliehe vor den Wächtern und lande bei einem lebenden Toten, wirklich, besser konnte es kaum noch werden. „Sag mir, was du für deine Hilfe willst, ich besorge es dir und dann verschwindest du“, die Kälte war wieder da. Robin dachte kurz nach. „Darf ich die Decke behalten“, er deutete auf das zerlöcherte Ding, „und noch eine Nacht hier an der Wärme verbringen? Das wäre alles, was ich mir wünsche…“, er senkte den Blick. Demut, dass kannte er gut und er wusste auch wie spielen, man lernte es in den Mienen, wenn man sich den Wächtern widersetzten wollte und sich nichts anmerken lassen durfte. Belustigt sah Loin zu der Decke. „Das ist ein Mantel, ein uralter Mantel“ Robin sah ihn an, dann den Mantel, welcher er für eine Decke gehalten hatte. „Er gab war und da bin ich von einer Decke ausgegangen.“ „Warum? Das Ding?“, Loin musterte ihn mit zusammen gekniffenen Augen, „Woher kommst du, dass du Decke und Mantel verwechselt und behauptest das Löcherige Ding hätte dich auch noch gewärmt?“ Ein kurzes Zögern, sollte er die Wahrheit sagen? Würde Loin ihn verraten und zurück schicken, in den sicheren Tod? Er musste jemandem vertrauen, warum also nicht der erste Person, die ihm hier begegnet ist, vielleicht hatte er ja Glück. Wenn es so etwas überhaupt gab… „Aus den Minen. Wir sind gestern geflohen und von den Minen bis hier hin gerannt, unser Ziel war einfach die Stadt.“ Loin massierte sich die Schulter, drehte sich ein paar Mal im Kreis. „Von den Minen, das sind etwas… zwölf Kilometer“, eine leere trat in seine Augen, „ Du darfst zwei Nächte hier bleiben.“, er lächelte leicht. Es war mehr als Robin verlangt hatte, er nickte dankbar. „Pass nur gut auf, falls dich jemand verfolgt, wenn du über die Dächer wanderst, hau ihm ab, niemand darf wissen, wo ich wohne.“ „Wieso? Du kannst ja nicht sterben.“ „Nein, aber wenn sie mich töten und ich dann immer noch herum wandle, wie sieht das dann aus? Und der Schmerz ist trotzdem da, es ist eine höllische Qual, ich bin schon zwei Mal gestorben und es ist die Hölle, andere sterben und merken nichts mehr, ich habe am Ende noch alle Qualen.“, er schüttelte sich als würde es ihm eiskalt den Rücken runter laufen. Einige Sonnenstrahlen fanden den Weg durch die Luke und beschienen Loin. Robin fiel erst jetzt auf, dass der Junge wunderschön war. Er hatte dunkle Haare, blaue Augen, einen leichten karamellfarbenen Teint und unter seiner Haut deuteten sich starke Muskeln an. Er erinnerte ihn an Leilas Bruder. Seine Lippen waren leicht geschwungen und nicht nur dünne Striche, wie die seinen. Die Wimpern waren lang und schwarz. Hätte er etwas bessere Kleidung getragen, hätte Robin geschworen, dass vor ihm ein junger Mann aus reichem Hause sass. „Du erinnerst mich an eines der Kinder. Der Bruder einer Freundin.“ „Wieso?“ „Er hat einen ähnlichen Körperbau wie du“ „Aber er ist noch ein Kind, also ist er jünger als ich und wird noch kräftiger“ „Wie alt bist du denn?“ „17 Jahre“ „Er hat… 29 Jahre hinter sich schon bald 30 Jahre“ Loin sah ihn verdutzt an. „Du hast doch gesagt, ich erinnere dich an ein KIND!“ „Wir werden von den Wächtern Kinder genannt und wir nennen uns selbst auch so. Ich bin zum Beispiel zwei Jahre älter wie du.“ Mit hochgezogener Augenbraue betrachtete Loin Robin. Es konnte hinkommen. Bevor Robin noch etwas sagen konnte unterbrach Loin ihn mit einer Handbewegung. „Ich will jetzt schlafen, war die ganze Nacht auf den Beinen.“, er ging zu einer Truhe, die Robin noch gar nicht bemerkt hatte, sowieso, jetzt wo die Sonne ihr Licht in den Dachboden warf, fiel ihm auf, dass dieser gar nicht so klein war, wie er dachte und eigentlich sehr schön Hergerichtet war. Loin musste schon sehr lange hier wohnen, in der Ecke gegenüber derer er gelegen hatte, sah er eine Matratze auf dem Boden, darauf lag eine grosse Decke – es war wirklich eine Decke. Einige Bücher lagen auf dem Boden, andere standen in einem Regal. Er fühlte sich zu Hause. Langsam ging Loin zur Matratze, er liess sich nach hinten fallen und schlief auf der Stelle ein. Robin war sich nicht sicher, doch er vermutete, dass Loin ihm vertraute, falls er das Wort überhaupt kannte. Wie er auf den Gedanken kam, wusste er selbst nicht, doch er war sich dessen einfach sicher, wer würde sonst in der Gegenwart eines Fremden einfach einschlafen? Er hätte dem anderen Mann von vorhin alles sagen können, aufs Dach hinaus klettern und schreien können. Warum nicht? Vielleicht bekam er Geld dafür. Dann schüttelte er den Kopf, jeder der in der Mine aufgewachsen war, würde niemand anderen verraten, jedenfalls nicht so kurz nach der Flucht. Denn jeder wusste, in den Minen musste man den anderen Kindern vertrauen, es gab nur wenige, die sich die Wächter zu Freunden gemacht haben und diese würden später auch Mal Wächter werden, und genauso brutal sein wie die alten Wächter. Jedes andere Kind verriet niemanden und hielt alles unter seiner Zunge, selbst bei der Folterung, sie nahmen die Schmerzen in Kauf, verrieten lieber sich selbst und klagten sich selbst an als jemand anderen an zu schwärzen. Nur bei den ganz kleinen, die noch keine dreizehn Jahre in der Mine verbracht haben, bei ihnen wurde verstanden, wenn sie andere verrieten. Traurig dachte er wieder an Leila. Ob sie gefangen wurde? Haben sie sie gleich an auf der Stelle getötet oder sie zurück in die Mine geschleppt? Wie würde sie bestraft werden? Kastrieren ging nicht, nicht bei einer Frau. Vielleicht stachen sie ihr die Augen raus… er neigte den Kopf und presste die Augen zusammen während es ihm kalt den Rücken runter lief. Er durfte nicht mehr an solche Sachen denken, das lag hinter ihm! Vor ihm lag die Zukunft. Sein Blick wanderte zu Loin, er war vielleicht seine Zukunft… jedenfalls für die nächsten zwei Nächte und Tage. „Wenn du schon die Decke anstarrst“, Loin hob ein Augenlied, „Dann komm her, wir können sie teilen, du wirst auch nicht gerade viel geschlafen haben oder? Auf dem harten Boden.“ Robin lächelte. Harter Boden? Er war weich, im Gegensatz zu anderen Orten, doch er liess sich das Angebot nicht entgehen. Loin hob die Decke an und Robin bemerkte, dass sich der Junge bis auf die Unterhose ausgezogen hatte… er war kein Wächter, er würde ihm nichts tun! Zögernd legte er sich auf die Matratze zu dem anderen – er würde sich nicht ausziehen! Sie lagen nahe bei einander, die Matratze war nicht sehr gross, aber es ging gerade, sie berührten sich überall ein wenig, doch es schien Loin nicht zu stören. „Wenn wir aufstehen, wirst du andere Kleidung anziehen, der Sack kratzt beinahe schlimmer als die verfluchten Katzenviecher!“, zeternd und murmelnd schlief Loin wieder ein, er schnarchte leicht. Robin lag auf der Seite und betrachtete den Jungen. Wie konnte er all dies nur wieder gut machen? Er hatte nichts und würde wohl auch in den nächsten zwei Tagen nicht besitzen… Er lag einfach da und lauschte der Stille. Genoss die Sonnenstrahlen, die nun schon bis zum Bett reichten und seine Füsse, welche unter der Decke hervorschauten kitzelten. Es war wunderschön. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)