Frei sein. von Jessa_ (Dein Leben ist mein größter Wert.) ================================================================================ Kapitel 10: Erstaunen --------------------- Kapitel 10: Erstaunen Wenn man über jemanden die Wahrheit erfahren will, ist dieser jemand meiner Erfahrung nach der letzte, den ich fragen würde. [Hugh Laurie als Dr. Gregory House] Das erste, was Kakashi tat, nachdem er die Wohnungstür geöffnet hatte, war die Elektronik zu testen. Der Vermieter hatte anscheinend Wort gehalten, denn das Licht im Flur funktionierte. Dort ließ er auch die beiden Reisetaschen, während Iruka den Hund ableinte und in der Küche verschwand, um ihm Futter und Wasser zu geben. Kakashi unterdessen sorgte dafür, dass Sasuke ihm ins Wohnzimmer folgte. Dort setzte er sich in den Sessel und deutete Sasuke zu ihm zu kommen. Auf eine weitere Anweisung hin ließ Sasuke sich dort nieder. Die Hände hielt er im Schoß verschränkt und den Kopf gesenkt. Sein ganzer Körper war auf Spannung. Er fürchtete die neue Situation. "Für die nächste Woche, die du hier verbringst, gelten andere Regeln", begann Kakashi seine Ansprache und Sasuke zuckte zusammen. Dabei war es sinnlos. Kakashi war ihm gegenüber bisher gerecht gewesen. Er hatte ihn mit Nahrung versorgt und seine Wunden behandelt. Dennoch schwand der Argwohn nicht. Zu lange hatte Sasuke dafür als Sklave gelebt. Ein Misstrauen freien Menschen gegenüber - besonders solchen die Gewalt über ihn hatten - war nur zu natürlich. Zu viele Schmerzen und Ungerechtigkeiten hatte er unter Orochimaru erlitten. "Womit fange ich an?", fragte Kakashi in den Raum hinein, fing sich aber schnell, als er Sasukes wachsende Furcht bemerkte und begann einfach irgendwo. Es gab viele so genannte 'neue Regeln'. Und alle hatten sie nur den einen Sinn: Sasuke an das Leben und Handeln eines freien Menschens anzunähern. "Fangen wir mit dem Grundsätzlichsten an. Rechts vom Wohnzimmer ist das Bad. Wann immer nicht abgeschlossen ist, steht es dir frei dich zu erleichtern. Genauso darfst du Hände waschen, Zähne putzen, den Föhn nehmen und die Dusche nutzen, wann immer du möchtest. Du wirst merken, dass Iruka und ich einen gewissen Rhythmus dabei entwickelt haben. Das haben die meisten. Mach aber einfach so wie du dich wohl fühlst, der Rest kommt dann ganz von selbst." Kakashi stoppte, beobachtete Sasuke dabei aufmerksam. Er wollte ihn nicht überfordern, aber er wollte ihm so früh wie möglich mit den ersten Grundrechten eines freien Menschens bekannt machen. Dabei von Wohlfühlen zu sprechen war vielleicht ein wenig weit gegriffen, aber er hoffte, das Sasuke verstand was er ihm damit sagen wollte. Er konnte ihm kein Patentrezept geben, wann er sich duschen sollte und wie oft am Tag er seine Zähne zu putzen hatte. So unterschiedlich wie die Menschen waren, waren auch die Gewohnheiten im Bezug zur Körperpflege. Er selbst putze zweimal pro Tag die Zähne, morgens und abends, jeweils nach dem Duschen. Zweimal am Tag zu duschen hatte Iruka ihm schon ein paar Mal ausreden wollen, besonders im Winter, wenn seine Haut stellenweise rau und rissig war, aber er hatte es gelassen, nachdem Kakashi ihm klar gemacht hatte, dass er sich so einfach wohler fühlte und die raue Haut in Kauf nahm. Iruka selbst blieb bei seiner Dusche jeden Morgen, aber die Zähne putze er häufig öfter als zweimal pro Tag. Er hatte auch keinen Rhythmus dafür, putzte sie, wann immer er sich danach fühlte. Und Kakashi mochte den typisch minzigen Geschmack, wenn er Iruka küsste. Trotz allen bewies dies nur, dass es wahrscheinlich kein Patentrezept für so etwas gab, deswegen hoffte er Sasuke würde sich ausprobieren, wenn man ihm erlaubte frei zu entscheiden, wann er sich wie pflegen wollte. Vielleicht kam er von selbst auf eine gesunde Routine, die Itachis Eltern und seinen Brüdern, mit denen er schließlich einige Wochen unter demselben Dach leben sollte, normal erschien. Wenn nicht mussten Itachi und er ihn da einfach in die richtige Richtung führen, ohne ihm eine vorher gegebene Freiheit wieder zu nehmen. „Auf dem Esstisch drüben wird ab heute immer eine Flasche Wasser stehen. Du kannst dir aus dem Schrank in der Küche ein Glas nehmen und davon trinken, wann immer du Durst hast. Wenn die Flasche leer ist, sagst du mir oder Iruka Bescheid und wir stellen eine neue hin oder du nimmst einfach eine neue aus dem Schrank unter der Spüle. Dort und im Kühlschrank sind auch andere Getränke, von denen du dir nehmen darfst. Das gleiche gilt für Kaffee oder Tee. Meistens ist Kaffee aufgebrüht und du musst dir nur welchen in eine Tasse schütten. Du kannst, wenn die Kanne leer ist, auch frischen aufbrühen. Wenn du Tee möchtest kochst du einfach Leitungswasser im Wasserkocher und nimmst dir einen Teebeutel aus dem Schrank über der Arbeitsfläche.“ Erneut stoppte Kakashi. Er wollte Sasuke die Zeit geben, alles Gehörte zu verarbeiten. Für einen Sklaven, vermutete der Hatake, mussten solche Dinge irritierend sein, denn es waren, mochten sie noch so klein sein, Schritte in Richtung Freiheit. Er wartete eine Weile und bemerkte, dass Sasukes Miene weniger furchtsam war als noch vor ein paar Minuten. Viel mehr war sie jetzt konzentriert. Dennoch glaubte Kakashi, diese Konzentration kam aus jener Angst heraus, er könnte die neuen Regeln falsch oder nur teilweise verstehen. Und genau das erklärte sich mit seiner vorherigen Vermutung. „All die Dinge, die ich dir jetzt zugestehe, mögen dir groß erscheinen, doch für einen freien Menschen sind sie das nicht. Aber ich weiß, dass du schon lange kein freier Mensch mehr gewesen ... bist.“ Das letzte Wort fiel Kakashi schwer, konnte er dem jungen Mann schließlich noch nicht sagen, dass er frei war. Denn er war es nicht. Nicht in der Welt, in der Sasuke als Sklave aufgewachsen war. Dass dies nicht in dem Rechtsstaat in dem sie lebten - und in auch keinem einem anderen dieser Erde - galt, wusste Sasuke nicht. Und das Itachi ihn nach alle dem hier gehen lassen wollte, wusste er auch nicht. Selbst wenn der Uchiha der Meinung wäre, er dürfte es schon wissen, wollte Kakashi nicht derjenige sein, der es ihm sagte. Zu groß war die Sorge, Itachi könnte seine Meinung ändern. Er wollte nicht derjenige sein, der dem Jungen falsche Hoffnungen machte. Das hatte er sicherlich nicht verdient. „Ich möchte dich nicht überfordern“, sagte Kakashi in dem Moment, in dem Iruka das Wohnzimmer betrat. Und während der Mann mit dem braunen Pferdeschwanz sich auf den zweiten Sessel gegenüber dem jungen Sklaven nieder ließ, sprach der Hatake weiter. „Aber ich möchte, dass solche grundlegenden Dinge dir selbstverständlicher erscheinen, denn nur so besteht die Chance, dass Itachis Familie und all die anderen Gäste dich für Itachis Partner halten.“ Und er wollte dies auch für Sasuke selbst, aber das sagte er nicht. Es würde den Jungen nur noch mehr verwirren, fürchtete Kakashi. Deswegen schwieg er erneut, begann dann aber wieder damit Sasuke die neuen Regeln zu erklären. „Morgens frühstücken Iruka und ich gerne zusammen, wenn Zeit dafür ist. Das ist meistens leider nur am Wochenende der Fall, oder wenn wir beide frei haben. Solange du hier bist, können wir gerne zusammen frühstücken.“ Kakashi entschied dazu nicht zu viel zu erklären. Morgen früh würde der Junge schon sehen, wie das ablief und er hatte ja auch schon heute Morgen mit am Frühstückstisch bei Itachi gesessen. „Mittags essen wir nie zusammen. In der Woche sind wir dann normalerweise arbeiten und am Wochenende stehen wir für gewöhnlich zu spät auf und unser Frühstück ist unser Mittagessen. Aber wenn du mittags Hunger hast, können wir was kochen. Abends kochen wir aber sowieso und essen auch zusammen. Jeden Tag. Du kannst dich dazu setzten und mitessen, wenn du Hunger hast. Das wäre an sich ziemlich gut, da es auch gemeinsamer Diner bei Itachis Eltern gibt.“ Wieder stoppte Kakashi um Sasuke die Zeit zu geben, das Gesagte zu verinnerlichen. Doch dieses Mal begann Iruka zu sprechen, als die Stille sich im Raum ausbreitete. „Wir haben auf dem Esstisch immer eine Schüssel mit Obst stehen. Im Kühlschrank sind Lebensmittel, genauso wie im Brotschrank und einigen der anderen Küchenschränken und wir haben auch eine Schublade mit Süßigkeiten hier drüben.“ Iruka wies auf einen kleinen Wohnzimmerschrank und sagte: „Davon können Sie sich nehmen, wann Sie möchten.“ Iruke bemerkte Kakashis Kopfschütteln und stockte. Was sollte das? Wollte Kakashi ihm nicht die Freiheit geben sich selbst zu bedienen? „Duz ihn“, sagte der Hatake dann aber leiser und wandte sich selbst wieder an den jungen Sklaven: „Wie Iruka gesagt hat, von allem Essbaren in der Wohnung kannst du nehmen, wann immer du möchtest.“ Kakashi hatte wissentlich noch mal wiederholt, was sein Lebensgefährte gesagt hatte, einfach um sicher zu gehen, dass Sasuke verstand, dass das was Iruka gesagt hatte, galt, obwohl er ihn gesiezt hatte. Dennoch wollte Kakashi jetzt nicht länger auf die Sache mit der Ansprache rumhacken. Irgendwie… fand er es ja auch schön von Iruka, dass er Sasuke bis vorhin siezte. Das hatte was mit Respekt zutun. „Du darfst in jeden Raum dieser Wohnung, auch wenn keiner von uns beiden drinnen ist. Ausnahme ist da unser Schlafzimmer. Da klopfst du einfach vorher und wenn wir dich rein bitten, kannst du auch gerne rein kommen. Das hat nichts damit zu tun, dass du ein Sklave bist und wir… nicht. So handhaben das die meisten Menschen mit ihren Schlafzimmern. Ansonsten darfst du dich hier aber völlig frei bewegen. Das heißt, du musst nicht irgendwo am Türrahmen stehen bleiben, deinen Blick gesenkt halten oder dich irgendwo nieder knien. Du sitzt jetzt auf der Couch und du kannst dich auch sonst wo überall hinsetzten. Du kannst im Bad, wie gesagt, alles benutzen, kannst die Küche nutzen und die Bücher in den Regalen hier und aus dem Arbeitszimmer lesen, wenn du möchtest. Ich kann dir zeigen, wie ein Fernseher funktioniert, das Radio und die Stereoanlage.“ Wieder stoppte Kakashi einen Moment – dieses Mal um zu überlegen, was er Sasuke noch alles erlauben musste, damit dieser wenigstens in das Leben eines freien Mann hineinschnuppern konnte. „Wenn du dir bei irgendetwas unsicher bist, kannst du uns aber auch immer fragen. Wenn du also nicht weiß, ob du irgendwas in der Wohnung benutzen oder anfassen darfst oder wenn du einfach nicht weißt, wie es funktioniert, oder was es ist, dann fragst du einfach“, sagte Iruka dazwischen. Er wollte Kakashi nicht alleine im Regen stehen lassen und augenscheinlich war er mit der Situation überfordert, was Iruka verstehen konnte. Es war hart einem Menschen zu erklären, was er durfte, wenn es so grundsätzliche Dinge waren. „Genau“, meinte der Hatake dann. Er lehnte sich im Sessel zurück. „Damit kommen wir auch schon zu einer der wichtigsten Dinge. Du darfst sprechen, wann du möchtest. Du musst nicht darauf warten, dass dir jemand eine Frage stellt oder dir die Erlaubnis gibt, irgendwas zu sagen. Wenn du was sagen möchtest, sagst du es. Und dir ist erlaubt, alles zu sagen, was du sagen möchtest ohne eine Strafe zu fürchten. Bei uns wird es keine Strafen geben. Für nichts. Nicht für falsche Wörter, nicht für zerbrochene Gläser und für nichts anderes. Hast du das Verstanden?“ „Ja, Sir“, sagte Sasuke. Er hatte zugehört, hatte versucht sich die Dinge zu merken, aber er war voller Angst eine der neuen Regeln missverstanden zu haben. Kakashi sagte zwar jetzt, es würde für nichts eine Strafe geben und er gab ihm, wenn er all das, was Kakashi gesagt hatte, recht verstand, so viele Freiheiten, wie er nie zuvor gehabt hatte – aber er war immer noch ein Sklave und da änderte keine einzige dieser Freiheiten etwas dran. Sein Master besaß einen Vertrag, der ihn zu einem solchen machte. Demnach konnte Kakashi, wann immer er wollte, seine Meinung ändern, ihm diese Freiheiten nehmen und ihn strafen. Und auch sein Master konnte dies. „Du kennst unsere Namen und wir erlauben dir zu sprechen und dich frei zu bewegen. Wir werden dich nicht wie einen Sklaven behandeln, also musst du uns auch nicht als höhergestellt betrachten. Duz uns einfach und lass das ‚Sir’ weg.“ Das würde, schätzte Sasuke, die größte Schwierigkeit sein. Er hatte schon seit Ewigkeiten – seit er ein kleiner Junge war – alle ihm Höhergestellten mit Wörtern wie ‚Sir’, ‚Herr’, ‚Master’, ‚Madam’ oder ‚Herrin’ angesprochen. Es war ihm gar nicht anders erlaubt gewesen und nun sollte er von ein auf den anderen Moment damit aufhören. Das war hart. Egal was diese beiden Männer sagen mochten, es änderte nichts an der Tatsache, dass er ein Sklave war und diese Männer ihm höher gestellt. Es änderte rein gar nichts. Zudem hatte ihm die geregelte Ansprache immer Sicherheit gegeben. Sie war ihm eingeprügelt wurden, denn für jedes Vergessen dieser Wörter hatte es Strafen gegeben. Sasuke hatte früh gelernt, dass es am besten war, den Schmerzen zu entgehen. Deswegen hatte er diese Wörter schnell in seinen Wortschatz aufgenommen. Wahrscheinlich war ‚Sir’ dass Wort, was er in seinem ganzen Leben am häufigsten gesagt hatte. Und seitdem er diese Wörter benutzte, konnte er nur noch halb soviel beim Sprechen falsch machen. Natürlich konnten ihn die Herrn für das strafen, was er sagte, aber selten für die Art, wie er es sagte, denn er hatte sich angewöhnt höchst respektvoll und demütig zu sein, sobald er den Mund aufmachte. Dass eben dies jetzt nicht von ihm gewünscht war, damit die Familie seines Herrn glaubte, dass er frei war, machte ihm Angst. Diese Angst wiederum machte ihn noch verletzbarer, als er ohnehin schon war. „Das war es dann auch erstmal“, sagte Kakashi und setzte ermutigend an: „Alles Weitere erkläre ich dir zwischendurch, im Laufe der Zeit. Aber keine Sorge. Das wird schon alles werden.“ Sasuke, der es noch drin hatte, nur zu antworten, wenn er gefragt oder dazu aufgefordert wurde, blieb still. Als die beiden Männer ihm gegenüber eine Weile lang ebenfalls nichts sagten, senkte er seinen Kopf wieder vollständig. Kakashi hatte ihn heute schon duschen geschickt und er hatte ihm erlaubt zu essen und zu trinken. Sasuke war nicht müde und außer seinen Schmerzen und der immerzu präsenten Unsicherheit, die einher damit ging, gekauft wurden zu sein, war er okay. Niemand sagte etwas anderes, deswegen blieb er auf dem Sofa sitzen, während er auf eine Anweisung wartete. Bestimmt hatte sein Herr Kakashi Aufgaben mitgegeben, die Sasuke zu erledigen hatte, wie die Aufgaben aus den Lehrbüchern. Vielleicht konnte er diese dann auch mal zur Zufriedenheit seines Herrn erledigen, denn Kakashi ließ ihn bestimmt an einem Tisch oder wenigstens auf dem Teppichboden sitzen, um sie zu erledigen. Vielleicht half er ihm ja auch ein wenig und sein Herr wäre wirklich mal zufrieden mit dem was sein Sklave tat. Sasuke fürchtete, nicht gut genug sein zu können. Nicht überzeugend genug einen freien Mann darzustellen; nicht klug genug zu sein, um wie ein solcher zu wirken. Er fürchtete schlicht seinen Herrn bei vor dessen Familie zu enttäuschen und Schuld daran zu sein, dass raus kam, was er wirklich war. Ein wertloser Sklave. Er war nur für diesen einen Zweck gekauft wurden – die Familie seinen Herrn zu täuschen. Würde er diesen Zweck nicht gerecht werden, gab es keinen Gebrauch mehr für ihn. Dann wäre er schlicht nutzlos und sicherlich würde sein Herr ihn dann zurückbringen. Zurückgebrachte Ware… Die war immer weniger begehrt und überhaupt – man wusste nie, was einem im nächsten Ort erwartete. Als sklave hatte man keinen Funken Kontrolle darüber. Man konnte nur hoffen, dass es nicht schrecklich ein mochte. Und natürlich konnte es sein, dass ihn jemand Gutes holte, der auf sein Wohl bedacht war und ihn fair behandelte. Jemand, der war wie Kakashi. Aber es konnte eben auch sein, dass ihn jemand kaufte, der wie Hidan war oder schlimmer. Man konnte nie wissen… Aber hier konnte er wenigstens vorspielen ein freier Mann zu sein. Etwas, wovon Sasuke glaubte, dass es, wenn es nicht so schwer wäre plötzlich nicht mehr wie ein Sklave zu denken, vielleicht ein Privileg sein konnte. Kakashi warf Iruka einen Blick zu. Für sie beide war es hart, dass Sasuke weder hoch schaute, noch sprach, noch sich verdammt noch mal einfach durch den Raum bewegte. Aber er war eben ein Sklave. Er dachte wie einer – wie auch immer ein Sklave denken mochte. Kakashi hoffte, dass Sasuke irgendwann im Laufe des Tages begann eine oder zwei der Freiheiten zu nutzen, die Kakashi und Iruka ihm einräumten. Aber vorerst konnte der Hatake sich darum nicht kümmern. „Ich muss kurz zur Apotheke, ´Ruka“, sagte er während er sich aus dem Sessel erhob. Er musste sich darum kümmern, dass er sich die nächste Woche frei nehmen konnte oder wenigstens seine Stundenzahl soweit runter schrauben konnte, dass es irgendwie lief. Dafür musste er aber mit seinen Angestellten sprechen und das machte er, in einem solchen Fall, lieber persönlich und nicht am Telefon. Praktisch dabei war, dass es seine Apotheke war, die heute Dienst hatte. Das hatte sie jeden zweiten Sonntag im Monat. „Kein Problem“, meinte Iruka, obwohl es vielleicht doch ein Problem werden konnte, mit Sasuke alleine zu bleiben. Iruka drückte sich ein Stück im Sessel hoch, als Kakashi sich runterbeugte um ihm einen Kuss auf den Mund zu drücken. Erst dann wandte Kakashi sich an Sasuke. „Alles okay?“, fragte er, um sicherzugehen, dass es dem Jungen wirklich gut ging, aber auch um ihm zu zeigen, dass er ihn nicht einfach überging. „Ja, Sir.“ Als Sasuke nur Sekunden nachdem er es ausgesprochen hatte, bemerkte, dass er Kakashi mit ‚Sir’ tituliert hatte, obwohl dieser das nicht wollte – obwohl dieser das zuvor als eine neue Regel festgesetzt hatte, dass Sasuke diese Wörter nicht zu benutzen hatte. Dennoch wusste der junge Sklave nicht, wie er sich dafür entschuldigen sollte. Er senkte schlicht den Kopf noch ein Stückchen weiter und hoffte nicht zu hart dafür bestraft zu werden. Kakashi hatte zwar gesagt, es würde keine Strafen geben, aber darauf verließ Sasuke sich nicht. Wie sollten sie ihn sonst schelten, wenn er Fehler beging oder Regeln missachtete? Doch Kakashi überging Sasukes Ansprache dieses Mal. Noch war es nicht an der Zeit ihn dafür zurechtzuweisen. Er würde einfach eine Weile warten. Vielleicht titulierte Sasuke ihn beim nächsten Mal schon nicht mehr so und es war nur ein Versehen gewesen. Wenn nicht, konnte Kakashi das immer noch zur Sprache bringen. „In Ordnung. Dann bis später, ihr Beiden. Ich beeil mich“, sagte Kakashi, lächelte Iruka und Sasuke zu, ehe er das Wohnzimmer und daraufhin die Wohnung verlies. Als Kakashi die Wohnung verlassen hatte, öffnete Iruka den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Es war denkbar ungünstig Sasuke danach zu fragen, ob Itachi nett zu ihm war, schalt Iruka sich selbst. Sasuke schien nicht sonderlich selbstbewusst, sondern überaus unterwürfig. Wahrscheinlich würde er eh nichts Böses über Itachi, den er als seinen Herrn ansah, sagen. Konan sagte in Kakashis und seiner Gegenwart auch nichts Böses über Hidan. Außerdem hatte Iruka heute Morgen selbst gesehen, wie wenig sich Itachi um den Jüngeren zu scheren schien. Und da waren Sasukes Verletzungen, von denen Iruka nicht wusste, woher sie kamen. Sie konnten von Itachi stammen. Das war nicht abwegig. Auch Konan hatte oft Verletzungen von Hidan. Selbst jetzt noch, wo sie mit seinem Kind schwanger war. Aber es brachte ja doch nichts darüber nachzudenken. Helfen konnte er ihr eh nicht. Aber vielleicht konnte er Kakashi helfen diesem Jungen beizustehen. Iruka wandte sich ihm zu und hoffte, dass er was sagte. Irgendetwas – und wenn es nur irgendeine Frage war. Der Umino mochte solch eine Stille nicht. Er war es gewohnt wenigstens den halben Tag von Trubel umgeben zu sein, denn in seiner dritten Klasse war es selten still. Und eine solche Stille herrschte nie. Das lag nicht an der Durchsetzungsfähigkeit des Grundschullehrers, sondern daran das dies eine erdrückende Stille war, in der Iruka Mitleid für Sasuke empfand, der vielleicht nur nicht sprach, weil er nicht frei war. Aber wie, fragte Iruka sich erneut im Stillen, sollte dieser junge Mann einen freien Menschen spielen? Wie sollte er sein jetzigen Verhalten ablegen und sich ein komplett neues in so wenigen Wochen zulegen? „Möchtest du Fernsehen?“, fragte Iruka unvermittelt. Es war vielleicht unhöflich einem Gast, anstatt mit ihm zu sprechen, den TV anzubieten, aber hier konnte Iruka nicht in seinen Dimensionen denken. Zwar sah er Sasuke weiterhin als einen Gast an und auch nicht als jemanden der weniger wert war als er, aber er verstand allmählich, dass er Sasuke dennoch anders handhaben musste als alle anderen Gäste, die er je zuvor gehabt hatte. Weil Sasuke anders was. Weil er nicht so aufgewachsen war wie er und weil er deswegen auch jetzt keinen einfachen Smalltalk mit ihm halten konnte. Sasuke wollte zu der Antwort ansetzten, die man ihnen in einem solchen Fall beigebracht hatte. Er wollte sagen, dass er Fernsehen wollte, sofern sein Herr verlange, dass er die Lust dazu verspürte. Denn er selbst, als Sklave, hatte keinen eigenen Willen, außerhalb dem seines Herrn - oder in diesem Falle eines anderen ihm Höhergestellten – zu haben. Aber jetzt verlangte man nicht von ihm ein Sklave zu sein. Man verlangte, dass er lernte, wie ein freier Mensch zu denken. Das war es, was Sasuke unter Kakashis neuen Regeln verstand. Deswegen versuchte er um das Angelernte herum zu denken. Er sollte einen freien Mann spielen. Freie Leute schauten im Normalfall seit ihrer Kindheit fernsehen, dass wusste Sasuke. Man hatte ihnen davon erzählt, hatte die ihnen zugewiesenen Frauen von solchen Dingen erzählen lassen, weil kaum ein Herr einen Sklaven wünschte, der so unwissend war, dass er kaum etwas aus der Welt der freien Menschen kannte. Die Herren mochten es meist nur nicht, dass die Sklaven mit all diesen Dingen wie Fernsehern rumexperimentiert hatten, so erzählte man ihnen davon, aber hielt sie ansonsten fern. Deswegen wusste Sasuke in der Theorie, was ein Fernseher war, was man damit tun konnte und warum Menschen versehen schauten, aber er kannte keine Sendungen, hatte keine Lieblingsfilme. Er sollte sich ein wenig dieses Wissens aneignen, damit er überzeugender auf Itachis Familie wirken konnte. Vielleicht wäre es deswegen nicht schlecht eine Weile lang fernzusehen. Deswegen sagte er: „Ja“, zwang sich das ‚Sir’ wegzulassen und hoffte für keines dieser beiden Dinge – der Meinungsäußerung und dem Weglassen des Honorativum – gestraft zu werden. Iruka unterdessen bemerkte nichts von dieser Furcht, als er zur Fernbedienung griff. Wie auch – nie zuvor hatte sich jemand gefürchtet von ihm gestraft zu werden. Deswegen sorgte der Umino dafür, dass der Fernseher lief, ehe er Sasuke die Bedienung entgegen hielt. Als der junge Mann keine Anstalten machte, sie an sich zu nehmen, lächelte Iruka ermutigend und sagte mit einem Nicken Richtung der Bedienung: „Na, nimm schon.“ Da tat Sasuke dass auch; vorsichtig, nicht Irukas Fingerspitzen zu berühren, griff er nach dem ihm entgegen gehaltenen Ende des länglichen, schwarzen Geräts. Es in der Hand haltend schaute er es sich genauer an. Man hatte ihnen von diesen Teilen erzählt, hatte gesagt, wofür sie gut waren, aber man war nicht soweit gegangen ihnen zu erklären wofür welcher Knopf gut war. Wozu auch – die meisten Sklaven bekamen nie in ihrem Leben die Möglichkeit selbst ein Programm auszuwählen. Sasuke, der ganz beeindruckt von den vielen Knöpfen war, verbrachte eine Weile damit, diese einfach nur anzuschauen. Vom obersten roten Knopf hielt er sich fern. Rot war eine Warnfarbe, Rot bedeutete in vielen Fällen ein Verbot. Über diesem stand zudem noch ‚Power’. Wahrscheinlich würde das Gerät ausgehen, wenn er diesen Knopf drückte. Darunter waren die Ziffern von eins bis neun und die Null. Über der drei stand zusätzlich ein ebenso grauer Knopf mit den Buchstaben AV unter denen Sasuke sich nichts vorstellen konnte. Konnte er genauso wenig unter den meisten dieser grauen und bunten, verschiedenförmigen Dingern. Da waren zig Abkürzungen. Ein P mit einem Pfeil nach oben und einem nach unten, daneben ein komisches Dreieck mit denselben Pfeilen, irgendwo unten stand auf einem Knopf TTX, auf einem anderen ein großes M und irgendwo in der Mitte gab es unter anderem welche mit FAV.CH und CH LIST, was Sasuke nichts sagte weil er nicht wusste was dieses CH bedeuten sollte. Sasuke hob vorsichtig den Blick. Er hatte nicht nur gelernt nie einem ihm höhergestellten Menschen direkt anzuschauen, sondern den Blick generell gesenkt zu halten, sollte ihm nichts anderes angeordnet sein. Doch nun durfte er sich frei bewegen. Kakashi hatte das gesagt. Er hatte auch gesagt, er musste seinen Blick nicht mehr gesenkt halten. Und auch wenn Sasuke das alles noch nicht ganz glauben konnte, riskierte er es dieses eine Mal. Er schaute ja nicht mal einem Menschen ins Gesicht. Er schaute nur auf den Fernseher. Was er sah erschreckte ihn zutiefst. Lauter unecht aussehender Menschen in komischen Stühlen mit einem Bildschirm vor dem Gesicht. Lauter unheimlich fetter Menschen in engen roten Anzügen, mit Getränkebechern in den Händen. Im Hintergrund ein Ton zusammengemischt aus vielen schwatzenden Stimmen und Elektronikgesurre. Wenn das Fernsehen war, dann mochte er es nicht. Den Blick wieder zur Fernbedienung wendet, schaute er sich erneut die Knöpfe an. Er wusste, dass es verschiedene Programme gab und somit einen Knopf – oder mehrere – mit denen man dieses wählen konnte. Diese Knöpfe mit den Pfeilen – einen nach unten, den anderen nach oben - die machten Sinn, glaubte er nach einer Weile. Aber von denen gab es zwei Stück. Einen mit dem großen P, das andere mit dem merkwürdigen Dreieck. Sasuke erlaubte sich noch einen Blick auf den Bildschirm, auf dem immer noch dieselben Menschen zusehen waren, im Hintergrund immer noch derselbe Ton. Deswegen traute Sasuke sich einen der beiden Knöpfe nach oben zu drücken. Weil sich nichts tat, hielt er ihn gedrückt, wenige Sekunden lang. Vielleicht war das die Lösung. Aber die war es nicht. Ganz plötzlich wurden das Geschwatze und Gesurre im Hintergrund lauter und lauter, bis Sasuke erschrocken den Knopf losließ. Er hatte was falsch gemacht. Ganz sicher! Vielleicht war Iruka jetzt böse… aber er traute sich nicht nachzusehen. Und dieser Ton! – Er machte ihn schier verrückt. Sasukes Griff um die Fernbedienung festigte sich, bevor sein Kopf hoch ruckte, als es augenblicklich leiser wurde. Zu sehen waren keine fetten, merkwürdigen, künstlichen Menschen mehr, sondern eine kleine Maschine – Sasuke suchte das richtige Wort – ein kleiner Roboter. Mit seinen großen Augen guckte es neugierig, während es einem anderen, anders aussehenden Roboter folgte. „Du musst leiser machen“, hörte er dann Irukas Stimme und zuckte zusammen. „Gleich kommt bestimmt wieder Ton.“ Sasuke, der es gewohnt war Befehlen zu folgen, fühlte sich augenblicklich sicherer. Er musste leiser machen. Wenn es mit dem Pfeil nach oben laut geworden war, wurde es mit dem Pfeil nach unten sicherlich leiser. Deswegen drückte er ihn zufällig genau in dem Moment, in dem das Geschwatze und Gesurre wieder einsetzte und konnte verfolgen wie es, sobald er den Knopf gedrückte hielt, leiser wurde. Er machte den Ton nicht ganz aus, obwohl er ihn nicht sonderlich mochte. Ohne Ton machte Fernsehen nur halb so viel Sinn. Wenn er überzeugend einen freien Mann spielen wollte, musste er sich daran eben gewöhnen. Deswegen zwang er sich auf den Bildschirm zu schauen, als Iruka nichts anderes anordnete. Wahrscheinlich war es in Ordnung, was er tat. So blieb er dabei. Währenddessen fiel Irukas Blick auf den jungen Mann. Es war nicht verkehrt ihn in Ruhe fernschauen zu lassen. Vielleicht konnte er dabei für eine Weile vergessen, wie hart das Leben war. Und WALL-E war kein schlechter Film, auch wenn die erste Szene, die Sasuke davon hatte sehen müssen, nicht die friedlichste war. Vielleicht, hoffte Iruka, fand er trotzdem Gefallen daran oder traute sich umzuschalten, wenn er den Film nicht mochte. OO OO OO OO OO OO OO OO Itachi saß in der Küche und aß die letzten Bissen des Essens, dass er sich vom Chinesen hatte bringen lassen. Er hatte weder Lust gehabt sich etwas zu kochen oder vom dem zu essen, dass die Sklaven am Abend zuvor zubereitet hatten. An sich war er froh, dass er seine Ruhe hatte. Mittlerweile wusste er, dass Hidans Idee schlecht gewesen war und er selbst nicht aus so etwas wie einer Laune heraus hatte zustimmen sollen. Er war eine gute Stange Geld für den Bengel losgeworden, die er nicht wert gewesen war. Aber jetzt konnte Itachi nicht mehr zurück. Seine Familie glaubte, er bringe seinen Freund mit. Würde er jetzt sagen, er habe sich getrennt, würden sie zwar nicht unbedingt direkt mit neuen potentiellen Partnern ankommen, aber sie würden ihn mit ihrem Mitleid überschütten. Und vielleicht bekam Kakashi es ja hin, dass der Bengel wenigstens halbwegs glaubhaft rüber kam, wenn er ihn nach Spanien mitnahm. Sei es drum, dachte Itachi. Irgendwie würde das schon laufen. Solange seine Familie nicht raus fand, was der Bengel wirklich war, würde alles irgendwie funktionieren. Sie mussten ihn ja nicht mögen. Danach hatte Itachi nie verlangt. Itachi seufzte. Wenn er das gestern zubereitete Essen schon nicht aß, konnte er es auch gleich wegwerfen. Sein Vater hätte ihn dafür sicherlich gescholten. Er war ein toleranter Mann, und immer gut auf seine Söhne gewesen, aber wenn er eines nicht haben konnte, war es Verschwendung. Nur weil sie Geld hatten und sich somit in diese Richtung nie sorgen mussten, mussten sie Überproduktion in dieser Wegwerfgesellschaft nicht noch zusätzlich fördern. Sei es drum, dachte Itachi, erhob sich und warf die Verpackung der China-Nudeln in den Mülleimer und den Inhalt der Auflaufform und der kleinen Dessertschüsseln in einen anderen. Selbige tat er samt Besteck seines heutigen Essens und einem Glas in die Spülmaschine, bevor er die Küche verlies. Im Wohnzimmer war der Sessel noch immer bis oben hin mit Couchkissen zugestapelt. Itachi konnte sich ein erneutes Seufzen nicht verkneifen und machte sich daran, die Wolldecke auf der Couch zusammenzulegen und über die Lehne, an ihren Platz – zu hängen. Dann nahm er die Kissen und stellte sie so, wie sie immer standen. Der Uchiha strich den Stoff des Sofas glatt und doch war es nicht so wie es immer gewesen war. Denn Itachi wusste, dass der Sklave zwei Nächte auf der Couch geschlafen hatte und der Gedanke gefiel ihm nicht. In seinen Augen war und blieb der Bengel dreckig. Aber er sollte diesen Gedanken verdrängen, sonst könnte er sich selbst nicht darauf einstellen, vor seiner Familie zu tun zu müssen, als würde er ihn lieben. Sich überwindend ließ er sich auf das Sofa sinken. Es war nur eine Frage der Zeit bis wieder alles normal war. Dann konnte auch er wieder zur Ruhe kommen. Itachi lehnte sich zurück und schloss einen Moment lang die Augen. Wenigstens wusste der Bengel, wie man sich wusch. So hatte er, außer an dem Tag, an dem Itachi ihn gekauft hatte, nicht im geringsten gemüffelt. Er hatte sogar die Hände nach dem Toilettengang gewaschen; das hatte der Uchiha an den Wassertropfen im Waschbecken gesehen. Und vielleicht war er gar nicht angefasst wurden… jedenfalls nicht so. Itachi wusste, er konnte das in den Papieren nachlesen, die die Schlange ihm, wie jedem anderen Kunden auch, mitgegeben hatte. Vielleicht würde er das gleich tun. Dann käme er wenigstens umhin, das Sofa binnen der nächsten Tage auszutauschen und den Bengel grün und blau zu schlagen, sollte er es wagen noch einmal darauf zu pennen. Der Uchiha öffnete wieder die Augen und starrte an die weiße Wand gegenüber. Er sah den Blutfleck, den er zuvor noch nicht wahrgenommen hatte, der aber auch nicht so riesig war, dass man ihn sofort erkannte. Aber natürlich wusste er woher er stammte. Der Sklavenjunge war gegen dieses Stück Wand geknallt, als Hidan ihn gestern… Itachi massierte sich die Nasenwurzel und nach einer Weile kräuselte sich eben jene Stelle in Verwunderung. Itachi war über sich selbst erstaunt, dass er keine Wut auf den Bengel empfand. Da war etwas anderes. Ein Gefühl, dass er nicht recht entziffern oder entwirren konnte. Etwas, dass sich wie Mitleid anfühlte. Aber Itachi wollte kein Mitleid mit dem Bengel haben. Und wenn er kein Mitleid haben wollte, hatte er schlicht keins. So einfach war das. Itachi ließ keine Gefühle zu, die er nicht haben wollte. Er hatte gelernt, sie auszuschalten. Das jedenfalls war es, was er sich seit Jahren glauben machte. Dass ihn jetzt ein Funken eines unbekannten Gefühls ergriff, schob er schlicht und ergreifend auf eine Müdigkeit, die sich in seinem Körper breit machte. OO OO OO OO OO OO OO OO Die Wohnungstür hinter sich schließend, schob Kakashi die Schuhe von seinen Füßen und schob sie mit eben diesen in die Ecke, wo auch die anderen Schuhe standen. Während er aus der dünnen Jacke schlüpfte, bemerkte er dass die Wohnzimmertür geöffnet war und er freien Blick auf die Essecke darin hatte. Den Blick nicht davon abwendend hängte er seine Jacke an den Haken und beobachtete gespannt, wie Sasuke den Tisch decke. Kakashi war sich sicher, dass Iruka ihm das nicht befohlen hatte. Wahrscheinlich hatte er gefragt, ob Sasuke das für ihn tun konnte und im schlechtesten Fall hatte Sasuke es als einen Befehl wahrgenommen. Vielleicht verstand Sasuke aber auch das das Tisch decken nichts mit dem Sklave sein zu tun hatte. Es war ganz normal, wenn man nicht alleine wohnte, sich die Aufgaben im Haushalt zu teilen. Iruka und er taten das selbstverständlich auch. Meistens kochte der Jüngere, weil Kakashi länger auf der Arbeit war, dafür war der Abwasch dann immer seine Aufgabe. So wie Iruka lieber Wäsche wusch und Kakashi bügelte. Es war einfach normal für sie geworden sich das so einzuteilen. Routine. Und in diese konnten sie Sasuke ruhig ein bisschen mit einbeziehen, solange er hier wohnte. Auch das konnte ihm helfen, wie ein freier Mann zu denken. Denn auch freie Menschen mussten ihre Wäsche waschen und das Klo putzen. Kakashi fuhr sich durch die Haare. Noch hatte Sasuke ihn nicht bemerkt und er würde den Teufel tun und sich bemerkbar machen; sah er doch, dass der Junge immer noch unsicher in den Dingen, die er tat, war. Auch jetzt wieder als er den dritten Teller, ein drittes Paar Besteck und ein drittes Glas auf den Tisch drapierte. Versucht leise, ging er ein paar Schritte nach vorne und stützte sich an der Kommode ab. Kakashi wollte Sasuke unbedingt zeigen, was es hieß ein freier Mann zu sein, aber wie sollte er das anstellen, wenn diese Kleinigkeiten wie für sich selbst mit zudecken ihn schon so verunsicherten. Vielleicht würde sich all dies in der Woche, die er bei ihm und Iruka verbrachte ändern, aber wie sollte es bei Itachi weitergehen? Dieser, davon war Kakashi überzeugt, würde ihn wieder nur verunsichern und im schlimmsten Fall wie ein Ding behandeln. Kakashi schüttelte den Kopf. Darum musste er sich auch noch kümmern. Zum Glück hatte das mit der Arbeit geklappt und er musste die Woche nur hin und wieder mal nach dem Rechten schauen gehen. Vielleicht, überlegte Kakashi, konnte er Itachi, obwohl Sasuke die Woche bei Iruka und ihm verbrachte, doch irgendwie mit einbeziehen. Darüber musste er noch nachdenken. Aber jetzt wollte er erstmal seinen Freund begrüßen und sich für die Verspätung entschuldigen. Deswegen wandte er sich ab und ging in die Küche, wo Iruka am Herd stand und in einem Kochtopf rührte. Auf leisen Sohlen trat legte seine Hände von hinten um den Bauch des jungen Mannes, genau in dem Moment, in dem dieser ihm sein Gesicht zuwandte. Kakashi lachte leise und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. „Sorry“, wisperte der Hatake, sich ein Stück zurückziehend, seinen Freund aber nicht loslassend. „Ich musste noch paar Medikamente herstellen für die nächsten Tage damit die da klar kommen. Ich wollte dich nicht solange mit ihm alleine lassen. Tut mir Leid, `Ruka.“ „Shhshht“, machte Iruka, stahl sich einen zweiten Kuss und sagte schmunzelnd: „Ich arbeite den ganzen Tag mit kleinen, frechen Zwergen. Traust du mir jetzt nicht mal zu mich einen Nachmittag um einen fast erwachsenen Jungen zu kümmern?“ „So war das nicht gemeint“, entgegnete Kakashi und hauchte einen entschuldigenden Kuss seitlich auf Irukas Hals. Er hatte nicht besorgt sein müssen, diesen Mann mit Sasuke allein zu lassen. Iruka war wundervoll. Er war der einzige Mensch dieser Erde, mit dem Kakashi es sich vorstellen konnte, eine Familie zu gründen. Ja, er wollte Iruka in naher Zukunft bitten sein Mann zu werden. Außerdem schloss Kakashi es nicht aus, dass er mit Iruka über Kinder sprechen wollte. Sie waren noch jung, aber eine Adoption war langwierig und schwierig, weswegen sie nicht mehr zu lange mit den Gesprächen warten sollten. Bis dahin hoffte Kakashi schlicht, dass sich die dazu gültige Rechtsprechung änderte, dass bei eingetragenen Lebenspartnerschaften – anders als in der herkömmlichen Ehe – nur einer das Kind adoptieren durfte. Auch wenn es keinen Zweifel daran gab, dass dies genau das war, was Iruka in den nächsten Jahren wollen würde, galten seine Gedanken dem momentan nicht. Iruka drehte an den Knöpfen des Herdes und schob den Topf auf eine Herdplatte, die nicht heiß war, ehe er sich in Kakashi Umarmung umwandte und seine Hände auf die Schultern des Älteren legte. Er übte leichten Druck aus, bis er merkte, dass Kakashi sich entspannte und machte noch ein bisschen weiter. „Ich weiß, dass du gestresst bist“, sagte er zwischendurch. „Aber du musst mir vertrauen, Kakashi. Ich hätte nie zugestimmt, dass wir ihn für eine Woche zu uns nehmen, wenn ich der Meinung wäre, es keine paar Stunden mit ihm alleine aushalten zu können.“ Iruka nahm seine Hände von Kakashis Schultern und lies sie zu seinen Seiten wandern. Seinen Kopf lehnte er auf die Schulter des älteren und etwas größeren Mannes. „Er ist ein guter Junge“, flüsterte er gegen Kakashis Ohr und küsste eine Stelle seines Kiefers, die er erreichte, ohne seinen Kopf zu bewegen. „Ja“, sagte Kakashi nur, abgelenkt von Irukas Küssen, die er begann zu erwidern, als der Umino von der Haut über seinem Kiefer abließ und dessen Mund frei für ihn war. Spielerisch leckte Kakashi über die Lippen des Anderen, ehe dieser sie öffnete und begann mit seiner Zunge Kakashis Mundhöhle zu erkunden. Dass sie aneinander immer noch Dinge zu erkunden hatten, sollte Kakashi wundern, aber das tat es nicht. Auch er wurde nie überdrüssig Irukas Körper aufs Neue zu entdecken. Er liebte diesen Mann. Iruka spürte Kakashis Hände an seinen Hüften und lies seine eigenen, gedankenlos, ein stück unter das Shirt des Älteren wanden. Sanft fuhr er mit seinen Fingern über dessen Bauchdecke, hörte währenddessen nicht auf, Kakashi erneut und erneut zu küssen. Er spürte die Hitze in seinem Körper und er wusste, dass sie es nicht tun sollten – hier miteinander rummachen, während Sasuke im Nebenraum war. Und Iruka wusste auch, dass Kakashi sicherlich genauso dachte, aber aufhören konnten sie beide nicht. Zu groß war die Leidenschaft des Momentes, die wie aus dem nichts gekommen war und ihre Körper einnahm. Kakashi spürte Irukas Finger über seine Bauchdecke hinauf zu Brust wandern und wieder hinunter. Währenddessen wanderten auch dessen Lippen. Von seine Wange, zu seinem Kiefer bis hin zu einer Stelle am Hals, an der Iruka verweilte. Dort küsste er ihn, fuhr mit der Zunge über die weiche Haut und saugte wenige Sekunden lang, ehe er sie wieder federleicht küsste, dann von ihr abließ, seine Lippen hitzig gegen Kakashis drückte. Ohne dieses Mal ihre Zungen mit ins Spiel zu bringen, wanderten seine Hände an der Brust seines Liebsten hinunter. Sie verweilten kurz, um über die aufgestellten Brustwarzen zu streicheln. Iruka bemerkte, wie Kakashi schluckte um sich jeglichen Laut zu verkneifen. Zu Anfang ihrer Beziehung hatte er das oft versucht, auch wenn im Nebenraum niemand war, der sie hätte hören können. Doch Iruka wollte Kakashi hören, konnte momentan keinen weiteren Gedanken an Sasuke verschwenden, also löste er eine seiner Hände von Kakashis Brust und fuhr beherzt über die wachsende Erektion des Älteren, die man vielleicht noch nicht unbedingt sah, die man aber dafür umso besser fühlte. Dabei konnte Kakashi ein Aufstöhnen gegen Irukas Lippen nicht mehr verhindern. OO OO OO OO OO OO OO OO Sasuke warf einen Blick auf den gedeckten Tisch. Schaute ganz genau auf die Teller aus weißem Porzellan, stellte sicher dass er keines seiner Haare darauf hinterlassen hatte. Er schaute auf die Gläser, kontrollierte auf Fingerspuren, dabei war es sinnlos. Wären welche drauf, könnte er es nicht ändern und natürlich waren keine auf dem Glas, weil er sich nie trauen würde den Tisch mit dreckigen oder fettigen Fingern zu decken. Dennoch wanderte Sasukes Blick auch noch zu den Löffeln, die er neben die Suppenteller gelegt hatte, kontrollierte ob sie auch alle auf der richtigen Seite lagen, im richtigen Abstand. Er hatte schon in Kindertagen gelernt, dass es fatal war Fehler zu machen. Aber das hatte ihn nie davon abgehalten, sie zu begehen. Er war ein Mensch, keine Maschine. Menschen machten Fehler. Er hatte da nie etwas für gekonnt. Doch hier konnte er, wie immer in seinem Leben zuvor, mit allem was in seiner Macht stand, versuchen Fehler zu umgehen. Deswegen war es wichtig, dass die Teller in der Mitte des Platzdeckchens standen und selbiges nicht in Falten lag. So viele Dinge würden ab heute am Tisch wichtig sein! Kakashi hatte gesagt, es wäre gut, wenn er hier schon dem Abendessen beiwohnte, weil sie auch in Itachis Familie gemeinsam dinieren würde. Da hatte er sich zu verhalten wie ein freier Mann um diese Menschen nicht ahnen zu lassen, was er wirklich war. Von ihm würde erwartet werden, dass er sich bewegte wie ein freier Mensch, dass er sprach und aß wie ein freier Mensch… Er hatte Manieren, so war es nicht, aber er wusste nicht ob sie genügten. Die Frauen hatten ihnen schon früh beibringen müssen, wie man anständig mit Messer und Gabel aß, er wusste in vielen Fällen wofür welchen Glas und wofür welches Besteck war, einfach weil sie es, um ihren Herrn gut dienen zu können, wissen mussten. Er konnte gerade sitzen und trotzdem den Kopf gesenkt halten, er konnte essen ohne zu kleckern, wusste, dass man nicht rülpste oder sonst irgendwas Abstoßendes oder Unpassendes am Esstisch von sich gab. Er würde dennoch lernen müssen, wie sich freie Menschen zu Tisch verhielten. Sasuke fuhr sich durch die Haare. Und er würde höllisch aufpassen müssen, keinen Fehler zu machen. Tief durchatmend wandte Sasuke sich von dem Tisch ab. Iruka hatte gesagt, wenn er fertig wäre, könne er ruhig zurück in die Küche kommen und Sasuke war schon einige Minuten lang fertig. Auf Socken ging er durch den Flur und blieb in dem Türrahmen der geöffneten Küchentür stehen. Erschrocken wich Sasuke einen Schritt zurück in den Flur. Alte Erinnerungen stiegen in ihm auf, als er Kakashi und Iruka so an der Küchentheke stehen sah. In jenen Erinnerungen war er noch klein, noch kein Teenager, aber schon Jahre im Haus der Schlange. So lange, dass er wusste, wie es da lief. Aber noch nicht lange genug, um weg von den Frauen – weg von Konan – zu sein. Doch war er schon alt genug um von den Frauen in der Küche, denen er beim Essenmachen half, geschickt zu werden, den Müll auf den Komposthaufen zu werfen. Die Last vom Müllsack losgeworden, war er auf dem Weg zurück in die Küche gewesen, schon vorbei an zwei Paaren Wärtern, die es überall im Haus, im Keller, auf den Feldern, auf dem ganzen Gelände gab. Auf dem Weg zur Küche wurden die Gänge dunkler und öfter gab es Abzweigungen. Da eine Treppe, die in den Keller führte, da einen Gang zu einer Tür, hinter der Waschräume waren, ein weiterer Gang, der zu mehreren Krankenzimmern führte. Hier standen auch immer Wärter, damit auch kein Sklave wagte sich irgendwo zu verstecken oder Wege zu gehen, die er nicht zu gehen hatte, aber schon als er die Küche beladen mit dem schweren Müllsack verlassen hatte, waren hier keine Wärter gewesen. Sasuke ging weiter mit zu Boden gesenktem Blick, bis er ein Stöhnen hörte. Da war er aufgeschreckt, hatte hochgesehen und zuerst nach links in einen leeren, dunklen Gang, zu dem er nicht wusste, wohin er führte, gesehen und dann nach rechts. Auch dort war einer der düsteren Gänge, doch in diesem konnte er zwei Menschen ausmachen. Wärter, weil sie keine Klamotten trugen, die die Sklaven am Leib hatten. Und wegen den Schlagstöcken an ihren Gürteln. Aber sie taten nicht das, was Sasuke von Wärtern gewohnt war. Stattdessen stand er da, der Große mit den dunklen Stoppelhaaren und presste den Blonden gegen die Wand. Diese hatte seine Beine um die Hüften des Hünen geschlungen. Und beide küssten sie sich mit einer Inbrunst, während ihre Hände auf Wanderschaft gingen. Sie hatten Sex, schoss es Sasuke durch den Kopf. Hier erfuhr man früh was Sex war, aber es war das erste Mal, dass Sasuke zwei realen Personen dabei zusah. Nur einen Moment lang starrte Sasuke geschockt auf die beiden Männer, aber das genügte, damit der Hüne seinen Kopf drehen konnte und ihn dort stehen sah. Sofort hielt er in seinen Bewegungen inne, löste die Beine des Blonden um seine Hüften und bedeutete ihm in Richtung des Jungen zu blicken. Dann hatten sie einen Moment gebraucht, hatten einen Blick gewechselt und waren auf ihn zugekommen. Sasuke war die ganze Zeit unfähig gewesen sich zu bewegen. „Wen haben wir denn da?“, spottete der Blonde. Ein breites Grinsen zog sich durch sein Gesicht. Heute wusste Sasuke, dass er Spaß an der Situation gehabt hatte. „Ein kleiner Spanner, würde ich sagen“, erwiderte der Hüne trocken. Sein amerikanischer Akzent war unverkennbar. Aber das hatte Sasuke damals nicht bemerkt. „Aww, aber das können wir doch so nicht durchgehen lassen. Was meinst du, Big Boy?“ Deswegen hatte er auch nicht verstanden, warum der Blonde seinen Partner ‚Big Boy’ nannte. Und sowieso wusste er nicht, warum Wärter miteinander Sex machten. Ein Kind… verstand so was nicht. „Auf keinen Fall“, entschied der Hüne und ließ die Hand zu seinem Schlagstock gleiten. „Sasuke“, hörte er seinen Namen und riss sich los aus der Erinnerung, an die er sowieso nicht denken wollte. Zu präsent waren die Schmerzen die er gehabt hatte. Sie hatten solange auf ihn eingeschlagen, bis ein paar Frauen aus der Küche gekommen waren und erst dann hatten sie aufgehört, aber er hatte über eine Woche auf den Krankenstationen verbracht. Zurück in der Gegenwart, stand Kakashi vor ihm und sagte erneut seinen Namen. Auch Iruka war nicht weit weg, aber die besorgte Miene übersah Sasuke. Verängstigt trat er noch einen Schritt zurück. Seine Arme zuckten. Er wollte sie zum Schutz heben, aber er besann sich eines Besseren. Vielleicht würden Kakashi und Iruka dann noch wütender werden. Er hätte den Blick gesenkt halten sollen und klopfen, obwohl die Tür offen gewesen war. Er hätte es, verdammt noch Mal, besser wissen müssen! „Hey, Sasuke.“ Wieder Kakashis Stimme. Aber Sasuke hörte nicht, dass er nicht erbost klang. Die Furcht seiner Kindheit steckte ihm in den Knochen. „Sir, es tut mir Leid. Ich… ich wollte nicht schauen… ich hab nichts gesehen, Sir.“ Vergessen, die neuen Regeln. Vergessen aber auch, dass ein Sklave nicht ohne Erlaubnis zu sprechen hatte. Kakashi warf einen hilflosen Blick rüber zu Iruka, doch auch der wusste nicht, was zu tun und konnte nicht anders als ebenso hilflos den Kopf zu schütteln. Also atmete Kakashi tief durch, versuchte sich selbst zu beruhigen. Seine Erregung hatte sich genau in dem Moment in Luft aufgelöst, als er Sasuke so verängstigt im Türrahmen hatte stehen sehen. Aber beruhigen musste er sich trotzdem; war er solche Situationen nicht gewohnt. „Es ist alles in Ordnung, Sasuke“, fing er an und zwang sich den Jungen aufmerksam zu beobachten. Es war wichtig, dass er die Kontrolle behielt, ohne Sasuke dabei noch mehr zu verängstigen. Doch noch zitterte der Junge und schien sich zwingen zu müssen, nicht weiter zurückzuweichen oder die Arme zum Schutz heben. „Hörst du Sasuke? Was auch immer du glaubst, falsch gemacht zu haben, war nicht falsch. Du… hast nicht wissen können, dass…“, da verlor Kakashi den Faden, obwohl er Sasuke nur weiter hatte beruhigen wollen. Aber was sollte er auch sagen? Es war sein Fehler und der von Iruka. Sie hatten nicht so unbedacht mitten in der Küche miteinander rummachen dürfen. Wer wusste schon, was der Junge in seiner Kindheit und Jugend alles gesehen oder was man alles mit ihm angestellt hatte. Sie hatten einfach nicht so fahrlässig sein dürfen. „Es war unser Fehler, Sasuke“, warf Iruka unterschützend ein. Auch er schien die gleichen Gedanken wie Kakashi zu hegen. Sie waren Erwachsene. Sie hatten nachzudenken, bevor sie handelten. Das war das Mindeste. Gerade wenn er sah, wie verängstigt der junge Mann dort stand. Aber sein zittern schien sich zu mindern. Vielleicht drangen sie zu ihm durch. „Genau.“ Kakashis Stimme war ruhig, als er Irukas Aussage bekräftigte. Er wollte Sasuke nicht aufwühlen. „Ich habe eben gesagt, dass es für nichts Strafen geben wird. Und mein Wort steht. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Den Blick weiterhin fest auf Sasuke gerichtet, konnte Kakashi beobachten wie er den Kopf ein kleines Stück hob. Er schaute weder dem Hatake noch dessen Freund in die Augen, aber er schaute auch nicht mehr starr zu Boden. Langsam, bemerkten die beiden Männer, ließ auch Sasukes Zittern weiter nach, bis es gänzlich aufhörte. Sie sahen, dass Sasuke sich zur Ruhe zwang. Aber das war schon in Ordnung so. Es war verständlich, dass Sasuke sich nicht von ein auf den anderen Moment entspannen konnte, aber solange er sich selber unter Kontrolle hatte, war die Situation nicht mehr bodenlos. „Ihr… werdet mich nicht schlagen, Sir?“, fragte Sasuke. Obwohl er keinen der beiden Männer gesondert ansah, wusste Kakashi, dass er gemeint war. „Nein. Wir werden dich nicht schlagen“, bekräftigte Kakashi. Dass Sasuke eine Frage stellte, ohne vorher um Erlaubnis gebeten zu haben, zeigte Kakashi gleichermaßen, dass der Junge noch nicht komplett wieder in Ordnung war, wie es der Fakt tat, dass er ihn dennoch so förmlich ansprach. Er hielt sich weder an die alten Regeln, die man ihm vor mehr als zehn Jahren im Haus der Schlange beigebracht hatte, noch hielt er sich an die neuen Regeln, die Kakashi und Iruka ihm nur wenige Stunden zuvor nahe gelegt hatten. Aber dass er gegen Regeln verstieß und nicht gleich wieder verängstigt zurück zuckte oder begann um Vergebung zu betteln sah Kakashi als einen Fortschritt. Weil er darauf aber nicht weiter rumhacken wollte, und Sasuke wieder aufnahmefähig erschien, bedeutete er dem Jungen ihm ins Wohnzimmer zu folgen. Dort sorgte er dafür, dass Sasuke sich an den Esstisch setzte und ging zurück in die Küche um Iruka dabei zu helfen, den Topf, ein Holzbrettchen, eine Flasche Wasser und das frische Brot aus dem Ofen ins Wohnzimmer zu tragen. Als alles auf dem Tisch stand, gab Kakashi zuerst dem Jungen etwas von dem Chili auf den Suppenteller, dann sich, bevor er den Schöpflöffel an Iruka reichte. Die Erwachsenen wünschten sich und dem Jungen einen guten Appetit, bevor sie ruhig begangen zu essen. Sie hatten sich scheinbar schweigend darauf geeinigt, Sasuke nicht durch irgendwelche Gespräche weiter zu verunsichern. Doch als sie nach etlichen Minuten bemerkten, dass Sasuke nicht begonnen hatte zu essen, kam Kakashi nicht umher, die Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. „Du kannst ruhig essen“, sagte er. „Dafür brauchst du keine Erlaubnis mehr.“ Dennoch griff Sasuke nicht nach dem Löffel, sondern starrte weiterhin schweigend auf seinen Schoss. Nun hatte er die Erlaubnis, aber er tat es trotzdem nicht und Kakashi wusste nicht, ob er es gut fand, wenn Sasuke – aus welchen Gründen auch immer – nicht aß. Klar, auch dies einzuschätzen – ob man essen wollte oder nicht – gehörte dazu, eine eigene Meinung zu entwickeln. Aber der Junge war so mager! Er musste ein bisschen was auf die Rippen bekommen. Und vielleicht aß Sasuke auch nur nicht, weil er sich nicht traute, oder weil er nicht wusste, was sie ihm vorsetzten. „Das ist Chili con Carne“, erklärte Kakashi. „Aber wir machen das nie besonders scharf.“ Er nahm einen Löffel, um Sasuke zu zeigen, dass das Essen wirklich okay war. Dann schnitt er zwei Scheiben von dem warmen Brot ab, gab eine an Sasuke, nahm eine an sich selbst. „Wenn du das Chili nicht probieren möchtest, dann kannst du auch einfach etwas Brot essen“, bot Kakashi an und spürte Irukas Blick auf sich selbst. Sasuke riss eine kleine Ecke des Brotes ab. Die behielt er eine Weile lang in den Fingern und versuchte sich dazu zu bringen, zu essen. Aber momentan konnte er einfach nicht. Es war nicht so, dass er keinen Hunger hatte – den Hunger war seit Jahren ein ständiger Begleiter – aber gerade deswegen störte es ihn momentan nicht. Er hatte schließlich am Morgen noch ein ganzes Brötchen mit Marmelade gegessen. Die Erinnerungen von damals, die ihm eben unfreiwillig durch den Kopf gegangen waren, waren noch zu präsent als dass er einfach so essen könnte, als wäre nichts gewesen. Er wusste, dass er einfach nichts runter bekommen würde, ohne sich sofort übergeben zu müssen und das wollte er nicht. Denn irgendwann würde auch Kakashi die Geduld mit ihm verlieren. „Möchtest du etwas anderes? Wir haben genügend da – Obst, ein Toast…?“ Sasuke wusste, dass er essen musste, sonst würde Kakashi nie aufhören. Aber warum kümmerte es ihn so? Er war nur ein Sklave – es war doch egal, ob er aß oder nicht, solange er einsatzbereit blieb. Sasuke starrte auf das Stück Brot in seiner Hand und versuchte sich zu überwinden, als er Irukas Stimme hörte: „Lass ihn, Kakashi. Du kannst ihn doch nicht zum Essen zwingen.“ „Aber…“, drang nun die Stimme des älteren Mannes an Sasukes Ohr, während der Junge schlicht dankbar war, nicht essen zu müssen. Vorsichtig legte er die Brotscheibe und das Stück, dass er abgerissen hatte, auf das Platzdeckchen, auf dem auch der mit dem Chili gefüllte Teller stand. Sasuke sah Kakashi aus dem Augenwinkel nicken und entspannte sich ein Stück weit. Er machte nichts falsch, wenn er nicht aß. Kakashi und Iruka waren ihm deswegen nicht böse. Das beruhigte ihn, denn es versicherte ihm, dass er wenigstens für den Moment wirklich keine Strafe zu fürchten hatte. „Wenn du möchtest, kannst du auch schon schlafen gehen“, bot Iruka ihm an und auch dafür war Sasuke dankbar. Schlafen gehen bedeutete, das er für sich war, in Ruhe nachdenken konnte und versuchen mit allem klar zu kommen. Deswegen schob er den Stuhl vorsichtig zurück und erhob sich. Dennoch blieb er für den Moment an der Stelle stehen. Kakashi hatte zwar eben gesagt, er dürfe sich frei bewegen, aber er wusste dennoch nicht, ob er wirklich einfach gehen durfte. Sasuke war schlicht und einfach unsicher. „Du kannst ruhig gehen, Sasuke“, hörte er Kakashi sagen. „Du musst auf keine Erlaubnis mehr warten, einen Raum zu verlassen. In Ordnung?“ „Ja“, antwortete Sasuke artig und zwang sich kein ‚Sir’ anzuhängen. Er wollte nicht wieder den Eindruck vermitteln, als hätte er alle von Kakashi und Iruka aufgestellten Regeln vergessen. Dann ging er in Richtung der Tür, die zum Flur führte und kurz bevor er sich öffnete, hörte er, dass die beiden Männer ihm eine gute Nacht wünschten. Weil er nicht darauf zu erwidern wusste und das vielleicht gar nicht von ihm verlangt wurde, nutzte er die Möglichkeit den Raum zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen. Im Flur blieb er stehen und schaute sich eine Weile lang um. Kakashi hatte gesagt, er bräuchte keine Erlaubnis mehr den Raum zu verlassen und vorher hatte er auch gesagt, er dürfe sich frei bewegen, dennoch traute Sasuke sich nicht in einfach irgendeine Tür zu öffnen, um einen Platz zum schlafen zu suchen. Außerdem war im Flur ein heller Teppichboden ausgelegt; er würde also nicht zu kalt sein. Und auf einem harten Untergrund hatte Sasuke schon oft schlafen müssen. Sasuke schaute zu dem kleinen Mops der ruhig in seinem Körbchen neben dem Schuhschrank schlief. Irgendwie war Sasuke dennoch traurig. Er hatte zu hoffen gewagt, dass Kakashi und Iruka ihn nicht irgendwo auf dem Boden schliefen ließen oder ihm wenigstens eine Decke geben würden. Aber beschweren würde er sich nie. Er machte den beiden sicherlich schon genug Ärger. Deswegen suchte er sich eine Ecke, in der er keinem im Weg war und setzte sich dort auf den Boden. OO OO OO OO OO OO OO OO Ohne den Tisch abgeräumt zu haben, hatten die beiden Männer sich faul auf die Couch gelümmelt um eine Weile lang gemeinsam fernzusehen. Sie genossen es, abends manchmal eine Stunde oder zwei auf dem breiten Teil der Couch nebeneinander zu liegen und ohne viel nachzudenken eine Show oder einen Film anzusehen. Doch heute lief der Fernseher mehr oder weniger nebenher. Kakashi hatte hin und wieder auf den Bildschirm gesehen, aber die meiste Zeit über hatte sein Blick auf Iruka gelegen, während er dessen Arm und dessen Seiten gestreichelt hatte, ohne ihn sexuell zu erregen. Das war gar nicht seine Absicht gewesen. Iruka glaubte, vielleicht wollte Kakashi mit seinen Berührungen Entschuldigung dafür sagen, dass er Sasuke mit her gebracht hatte und Iruka in die ganze Sache mit rein zog, aber dafür musste er sich nicht schuldig fühlen. Iruka war okay damit, dass Sasuke bei ihnen war. Er war, wie er Stunden zuvor zu Kakashi gesagt hatte, ein guter Junge. Dennoch brachte es nicht darüber mit Kakashi zu diskutieren. Er würde sich trotzdem noch schuldig fühlen, denn er zog Iruka mit in eine Welt, in der er ihn eigentlich gar nicht haben wollte, weil – und genauso dachte Kakashi – Iruka viel zu gut dafür war. Doch irgendwann hatte Kakashi aufgehört ihn zu streicheln und sie hatten entschieden, langsam mal zu Bett zu gehen. Morgen würde wieder ein harter Tag für sie beide werden, denn Iruka musste früh zur Arbeit und Kakashi wollte sich um Sasuke kümmern und dem Jungen vielleicht ein bisschen die Stadt zeigen. Sie nahmen das schmutzige Geschirr und den fast leeren Topf vom Tisch und wollten damit durch den Flur, um es in der Küche abzustellen, damit Kakashi es morgen abspülen konnte, doch soweit kamen sie nicht. Im Flur sahen sie Sasuke, der sich in der Ecke neben der Eingangstür zum Schlafen zusammengerollt hatte. Kakashi gab Iruka, der im ersten Moment wirklich sehr geschockt aussah, die beiden Teller und das Besteck dass er in der Hand hielt und nickte in Richtung Küche. Dort konnte er sich beruhigen. Es war sicherlich nicht leicht für seinen Lebensgefährten zu verstehen, dass ein Junge so wenig von sich selbst hielt, dass er es nicht wagte sich beschweren, wenn er glaubte auf dem Boden schlafen zu müssen, sondern es einfach hinnahm. „Ich kümmere mich um ihn“, sagte er noch leise, um den schlafenden Jungen nicht zu erschrecken, aber seinen Lebensgefährten dazu zu bewegen in die Küche zu gehen. Denn auch dies war sein Fehler, dass Sasuke nun hier schlief, anstatt friedlich auf dem gemütlichen Schlafsofa im Gästezimmer zu liegen. Er hatte nicht davon ausgehen dürfen, dass Iruka Sasuke irgendwann im Laufe des Tages gezeigt hatte, wo er schlafen könnte. Iruka hatte sicherlich auch gedacht, Kakashi habe Sasuke dies schon gesagt, als er ihm auch die anderen Regeln mitgeteilt hatte. Aber der Hatake war seinem Freund nicht böse. Er war ja erst später dazu gekommen und hatte es nicht besser wissen können. Außerdem war Iruka nicht verantwortlich für Sasuke, auch wenn Kakashi ihm auf eine verkorkste Art und Weise dankbar war, dass er ihm so half. Kakashi ging neben Sasuke in die Hocke und schaute einen Moment auf das schlafende Gesicht des Jungen. Es war entspannt, obwohl er ohne Decke oder Kissen auf dem Boden lag. Doch das stimmte Kakashi traurig. Er warf einen Blick hoch zu Iruka, der gegen den Rahmen der geöffneten Küchentür lehnte und ebenfalls auf Sasukes zusammengerollten Körper blickte. Kakashi sah, wie Leid der Junge seinem Lebensgefährten tat. Deswegen – und noch vielmehr, weil Sasuke ihm auch Leid tat und er nicht auf dem Boden schlafen sollte – legte Kakashi mit aller Vorsicht, die er aufbringen konnte, eine Hand auf Sasukes Schulter und sagte leise seinen Namen. Allein von dieser sachten Berührung wurde der Junge wach und öffnete seine dunklen Augen. Kakashi weckte ihn – also war sicherlich schon der nächste Morgen angebrochen. Sasuke unterdrückte ein Gähnen. Er war müde. Er wollte noch nicht, dass es morgens war. „Weißt du, du musst nicht auf dem Boden schlafen, Sasuke“, sagte Kakashi ruhig, als er die Hand von Sasukes Schulter genommen hatte und sich sicher war, dass der Junge wach genug war, um ihm zuzuhören. Der Junge fuhr sich mit der Hand über die Augen, was in Kakashis Augen nur bewies, dass Sasuke doch noch ziemlich müde sein musste. Deswegen erhob er sich. Der Junge brauchte seinen Schlaf. Kakashi konnte beobachten wie Sasuke Anstalten machte sich hinzusetzten und nickte ihm zu. „Komm mit“, sagte er ruhig und deutete auf eine Tür die zu einem Zimmer führte, dass Kakashi und Iruka gleichermaßen als Gäste- und Arbeitszimmer nutzten. Der Hatake öffnete sie öffnete sie und betrat den Raum. Er hockte sich vor der Couch auf den Boden und zog sie mit geübten Handschritten aus. Nur wenige Sekunden später kam Iruka mit einer frisch bezogenen Bettdecke und einem passenden Kissen aus dem gemeinsamen Schlafzimmer und legte beides auf das Sofa, bevor er den Raum wieder verlies und stattdessen Sasuke, der knapp neben der geöffneten Tür gewartet hatte, in den Raum zu gehen. „Du kannst dich hinlegen“, sagte Kakashi und fügte an: „Wenn du morgen früh wach wirst, musst du nicht in dem Raum hier bleiben. Aber ich werde eh Zuhause sein, also kannst du dann ruhig zu mir kommen und wir frühstücken, wenn du möchtest. Und wenn du über Nacht auf Toilette musst, kannst du das tun, okay?“ Dieses Mal wollte er sicherstellen, dass Sasuke nicht darunter litt, dass er sich nicht klar genug ausdrückte oder vergaß ihm irgendwas zu erlauben. Das hatte er nicht verdient. „Ja“, antwortete Sasuke artig und setzte sich auf das Sofa. Von dort aus konnte er unbemerkt von Kakashi und Iruka einen Blick auf die Digitaluhr werfen, die gegenüber auf dem Schreibtisch stand. Er war froh, dass es Mitten in der Nacht war. So konnte er noch schlafen und musste sich nicht sorgen irgendwann im Laufe des Tages schlapp zu machen und so die Wut Kakashis oder Irukas auf sich zu ziehen. Beide Männer waren bisher so nett zu ihm gewesen und hoffte so sehr dies noch eine Weile lang genießen zu können. Außer Konan und wenigen anderen Sklaven, war selten jemand wirklich nett zu ihm gewesen. „Schlaf gut“, hörte er Kakashis Stimme und konnte nicht anders als seinen Kopf ein kleines Stück weit zu heben. Er sah das zuversichtliche Lächeln in Irukas Gesicht, als auch dieser ihm eine gute Nacht wünschte. Diese beiden Männer erstaunten Sasuke Stunde um Stunde mehr. Und als die beiden das Licht löschten und den Raum verließen, legte Sasuke sich hin, rollte sich ein bisschen ein und zog die Decke über sich. Er wünschte er sich, er könne hier bleiben. OO OO OO OO OO OO OO OO Mit einer Zigarette zwischen den Fingern und dem Aschenbecher auf der Fensterbank, stand er an der breiten Fensterfront seines Wohnzimmers und schaute in die Nacht hinaus. Er hatte nicht schlafen können und schob es auf das chinesische Essen, das ihm sonst immer so leicht bekam. Aber das machte nichts. Er genoss es, alleine zu sein. Er brauchte keine anderen Menschen um sich herum. Ein paar akzeptierte er in seiner Nähe, weil er mit dem Gefühl groß geworden war, dass sie Familie waren und dass er sie liebte. Aber er brauchte sie nicht. Gedankenverloren wandte er seinen Blick vom Fenster ab und schaute auf den Bilderrahmen neben dem Aschenbecher, in dem er seine Zigarette ausdrückte. Mit der nun freien Hand fuhr er, ohne zu realisieren, was er im Begriff zu tun war, über das Foto hinter dem Glas. Vor drei Jahren an Weihnachten war es entstanden. Seine ganze Familie. Nicht nur der Teil, mit dem er durch Blut verwandt war. Itachi verbrachte eine Weile damit die Menschen auf dem Polaroid anzusehen. Seine Eltern, seine Brüder und Kakashi mit Rin und Iruka. Seine Paten mit ihrem Sohn Naruto, Rins Eltern und ihre kleine Schwester Sakura. Auch wenn er Großeltern, Tanten und Onkel hatte und seine Brüder auch Paten waren diese Menschen auf dem Bild jene, die für seine Eltern und seine Brüder als engste Familie galten. Aber er brauchte sie alle nicht. Itachi wandte sich von dem Bild ab und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer. Oh, wie gerne er sich selbst glauben würde… OO step backward OO Kakashi OO Kakashi warf einen Blick zu Mann rechts von sich, zwei Barhocker weiter. Der junge Kerl war mit einer Gruppe Männern und Frauen gekommen, die sich zum Tanzen verzogen hatten. Und Kakashi war mit zwei alten Kumpeln vom Bund da, die ihn hier hatten sitzen lassen, um auf der Tanzfläche ein paar Mädchen aufzureißen. Anders als er, waren sie erst vor einer Woche zum Heimurlaub nach Deutschland zurückgekommen und in dem Drecksloch in dem er noch vor ein paar Monaten mit ihnen stationiert gewesen war, waren Frauen eine Rarität. Dennoch hatte Kakashi es irgendwie gemocht, dort zu sein; etwas Nützliches zu tun, auch wenn es viele Menschen – Pazifisten voran – als einen Akt des Bösen ansahen, was die USA mit Hilfe Soldaten aus dem eigenen Land, aber auch ausländischen Soldaten wie er einer war im Nahen und Mittleren Osten trieben. Dass sie ihnen damit vielleicht den Arsch retteten, checkten viele von denen nicht. Das jedenfalls war die Meinung, die Kakashi sich angeeignet hatte. Aber er sah sich nicht als Helden. Soweit ging er nicht. Kakashi beobachtete, wie der junge Kerl einen Gin Tonic bestellte und schaute in sein fast geleertes Wasserglas. Alkohol war für ihn tabu. Noch immer nahm er leichte Schmerzmittel und betrunken wollte er sowieso nicht sein. Zu lange hatte er dafür in den letzten Monaten keine richtige Kontrolle über seinen Körper gehabt. Er war froh, dass es bergauf ging. Es hätte ihn noch viel schlimmer treffen können. Kakashi wollte gar nicht an Rollstühle oder Prothesen denken. Sich davon ablenken wollend, fand Kakashi keine andere Lösung als erneut den jungen Braunhaarigen anzusehen, der seinen Freunden nicht auf die Tanzfläche gefolgt war, sondern nur hin und wieder mit einem Schmunzeln auf den Lippen zu denen rüberschaute. Kakashi konnte seinen Blick dennoch nichts abwenden. Oder gerade deswegen – weil er sich in dieser vollen Bar so unbeobachtet fühlte. Bis auch der andere Mann seinen Kopf drehte und ihm geradewegs in die Augen blickte. „Hey“, sagte Kakashi dümmlich. Das waren die Schmerzmittel – ganz sicher, redete der ehemalige Soldat sich selbst ein. „Hey“, machte der Jüngere zurück. Kakashi mochte das Schmunzeln um seine Lippen. „Wie geht’s?“ Der Hatake konnte nur nicken – ihm ging’s gut - , schluckte und fragte zurück: „Dir?“ „Auch.“ Die Mundwinkel des Jüngeren zogen sich noch ein Stück weit in die Höhe, ehe er zu Kakashi aufrückte. „Ich bin Iruka Umino“, sagte er und reichte seine recht Hand. Kakashi drehte seinen Barhocker ein Stück, griff die angebotene Hand und kam nicht umher, auch zu grinsen. „Kakashi Hatake“, sagte er und lockerte seinen Griff ein paar wenige Sekunden später als es die Etikette eigentlich vorschrieb. Eine Weile lang grinsten sie sich schweigend an, doch Kakashi wollte mit dem Mann sprechen, auch wenn ihm alles was er bisher von sich gegeben hatte, eher dümmlich vorkam. Er nickte zur Tanzfläche rüber und fragte, warum Iruka nicht mit seinen Freunden dorthin gegangen war. „Ach“, tat der junge Kerl das ab, „Ich bin nicht so für Tanzen. Ich kann’s nicht.“ Er schwieg eine Weile, trank einen Schluck, aber sein Grinsen ebbte nicht ab. „Und warum hast du deine Kumpels ohne dich ziehen lassen?“, fragte er dann und Kakashi musste sich zwingen nicht verwundert zu schauen. Er hatte nicht geglaubt, dass Iruka sich schon vorher für das interessiert hatte, was neben seiner Gruppe Freunde abging. „Ich bin froh, dass ich überhaupt wieder laufen kann. Da will ich es nicht mit Tanzen übertreiben“, antwortete er ehrlich. „Oh“, machte Iruka. Sein Grinsen verschwand. „Sorry… ich wollte nicht…“, stotterte er rum, aber Kakashi tat das mit einem Handschlag ab. „Kein Grund sich zu entschuldigen.“ „Yeah, aber…“, find der Jüngere wieder an, wobei Kakashi auffiel, dass Iruka vielleicht doch nicht so viel jünger war als er selbst. Vielleicht drei, höchstens fünf, sechs Jahre – oder er vertat sich gehörig. „Magst du noch was trinken?“, versuchte der Hatake die Gedankengänge des Jüngeren auf was anderes zu lenken. „Ja, gern“, sagte der. „Was darf ich dir bestellen?“ „Ich nehme das, was du nimmst.“ „Okay, du wolltest es so.“ Kakashi grinste und wandte sich an den Barkeeper. „Zwei mal Cola, bitte.“ Er erntete einen erstaunten Blick seitens Iruka und musste lachen. Was er in dem Moment nicht gewusst hatte, war, dass er schon in dem Moment in Irukas Augen der interessanteste Mann gewesen war, der ihm je begegnet war. Als Iruka es ihm Jahre später erzählt hatte, glaubte Kakashi voller prickelnder Glücksgefühle, wenigstens diese eine Sache in seinem Leben komplett richtig gemacht zu haben. _____________________________________________ Hallo, Es hat also doch wieder einen ganzen Monat gedauert, aber das Kapitel hat ungeahnte Maße angenommen. In Word hat es über 11.000 Wörter, was mein persönlicher Kapitelrekord ist. Umso mehr hoffe ich, dass euch dieses Monster-Umfang-Kapitel gefällt und auch mal die sonst eher stillen Leser ihre Meinung abgeben. Ich jedenfalls würde mich riesig darüber freuen ;) Kleine Info noch, für die, denen es nicht klar geworden ist, welchen Film Sasuke geschaut hat. Es war der Animationsfilm WALL-E, denn ich wirklich toll finde. Liebe Grüße Jessi ;) ____________________________________________________ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)