Imperial Fortune von Lianait (Persona 4: Social Link 16.3) ================================================================================ Rank 4 ------ Allen Erwartungen zum Trotz hatte sich Naotos Prognose nicht bewahrheitet. Yosuke-senpai war Rise an diesem Morgen nicht zuvor gekommen. Aber Yukiko-senpai. Seit zehn Minuten beobachtete sie, wie Rise vor ihr auf und ab ging und mit sich selbst haderte, obgleich der Stärke ihrer Eifersucht Yukiko-senpai gegenüber. Naoto musste zugeben, dass es durchaus ein amüsantes Schauspiel war, wie Rise versuchte sauer auf ihre vermeintliche Rivalin zu sein, aber ihr gleichzeitig gewisse Schwärmereien entfleuchten. Allerdings hatte sie auf diese Reaktion bis nach der Schule warten müssen, da Souji-senpai während der Pause mit Rise zu Mittag gegessen hatte. Naoto hatte nicht den Frevel begehen wollen, die beiden zu stören. Abgesehen davon war der Phantomdieb in ihren Augen auch nicht wirklich wichtig. „Unsichtbare Tinte“, ertönte just in diesem Moment eine tiefe Stimme hinter ihr. Naoto verfluchte sich innerlich dafür, dass sie zusammenzuckte. Dennoch bemühte sie sich ganz gelassen auszusehen, als sie sich zu Kanji umdrehte, während Rise hinter ihnen immer noch auf und ab ging. „Bitte was?“, fragte sie, als er sich neben sie auf die Bank setzte. Naoto hielt es für außerordentlich unwahrscheinlich, dass Kanji ihr einen neunen Spitznamen hatte geben wollen. „Unsichtbare Tinte“, meinte er und ein verlegenes Grinsen schlich sich auf seine Züge. „Das ist die Lösung.“ Als sie immer noch auf dem Schlauch stand und ihn verwirrt anstarrte, fügte er hinzu: „Für die leere Karte, die nach Citrus riecht.“ „Karte? Citrus? Riechen? Worüber redet ihr überhaupt?“, schaltete sich nun auch Rise ein. Scheinbar war ihr doch nicht vollkommen entgangen, dass Kanji aufgetaucht war. Es war aber auch auf die Dauer zu schwer, einen so großen Kerl wie Kanji einfach zu übersehen, fand Naoto. In kurzen Sätzen fasste Naoto schließlich das ganze Geschehen um die Karten sowohl für Rise als auch für Kanji zusammen. „Keine Sorge! Meinem Großvater ist nichts passiert“, ergänzte Naoto auf Rises geschockte Reaktion hin. Augenblicklich entspannte sie sich. „Und jetzt versucht ihr diesen Phantomdieb zu finden?“, wollte Rise wissen. „Ja“, sagte Kanji. „Nein“, meinte Naoto gleichzeitig. „Was?! Warum denn nicht?“, fragte Rise schon fast entsetzt nach. „Weil es nur ein infantiler Streich ist“, erklärte Naoto. „Ich lasse die beiden Karten dem Sekretär meines Großvaters zukommen und dieser kann sie dann als Beweismaterial an die Polizei weiterleiten. „Naoto Shirogane, du kannst mir nicht sagen, dass dein Interesse nicht geweckt wurde!“ Rise verschränkte die Arme vor der Brust und stellte sich breitbeinig vor Naoto. Sie funkelte sie so lange mit ihren braunen Augen an, bis Naoto seufzte. „Immerhin ist er wirklich bei meinem Großvater eingebrochen. Die Angelegenheit zu ignorieren, könnte den Shirogane-Ruf aufs Spiel setzen…“, gab Naoto zu, „Aber ich will auch nicht auf sein kindisches Spiel einsteigen.“ Sie zog eine Grimasse. „Anderseits macht es mich wirklich wütend, es zu ignorieren!“ Sie war wirklich kurz davor, sich ihre Mütze vom Kopf zu reißen und zu zerknautschen. „Dann lass ihn uns zusammen fassen, Naoto“, meinte Kanji, „und ihm eine Lektion erteilen!“ „Genau“, stimmte Rise zu. „Es ist ja nicht so, als würden wir dich damit alleine lassen. Wozu sind Freunde schließlich da?“ Kanjis Bereitwilligkeit, sie tatkräftig zu unterstützen, und Rises aufrichtiges Lächeln, brachten Naoto dazu, verlegen den Blick zu senken. „O-Okay“, sagte sie und ihre Stimme klang ein wenig höher und unsicherer als sonst. Reiß dich zusammen, Naoto! „Aber unsichtbare Tinte? So etwas Simples? Wirklich?“ Sie war sehr froh, dass ihre Stimme wieder normal klang. „Naja, wenn der Dieb Dinge aus deiner Kindheit gestohlen hat, ist es dann nicht auch wahrscheinlich, wenn er einen kindischen Trick benutzt?“, warf Kanji ein. Da war natürlich auch etwas dran, musste Naoto schulterzuckend zugeben. „Also starten wir Mission: Geheimtinte!“, rief Rise enthusiastisch aus. „Zuerst: auf zum Nähclub!“ Kanji stand nicht weniger enthusiastisch auf. Mit vor Tatendrang funkelnden Augen sahen beide Naoto hoffnungsvoll an und sie seufzte erneut. Die beiden haben jetzt schon viel zu viel Spaß an der ganzen Sache… Voller Elan und federnden Schrittes führte Kanji sie beide durch die Schule, bis hin zu dem Raum, in dem sich der Nähclub regelmäßig traf. „Wir brauchen ein Bügeleisen!“, rief er in den Raum hinein, als er die Tür aufriss. Um seine Schulter herum konnte Naoto sehen, wie die Mitglieder des Nähclubs ihn perplex und vielleicht ein bisschen furchtsam ansahen. Kanji schien sich aber nicht sonderlich daran zu stören und ging einfach in den Raum hinein, geradewegs auf ein unbenutztes Bügelbrett und Bügeleisen zu. Als Naoto Rises Blick mit einer hochgezogenen Braue und einem Schulterzucken erwiderte, grinste diese, griff nach Naotos Arm und schleifte sie hinter Kanji in den Raum. Sie murmelte noch ein „Entschuldigt bitte die Störung“ zu den Clubmitgliedern, welche ausschließlich aus Mädchen zu bestehen schienen, während Kanji bereits (sehr fachmännisch) das Bügeleisen eingesteckt hatte und darauf wartete, dass es sich erwärmte. Als Rise und Naoto sich neben Kanji stellten, konnte sie ein schmachtendes Ausatmen vernehmen, dass sich durch den Raum zog. Niemand schien sie bei ihrem unorthodoxen Vorhaben stören zu wollen, aber es schien sich auch niemand mehr sonderlich mit seinen eigentlichen Arbeiten zu beschäftigen. „Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, Kanji-kun?“, fragte Rise als sie die leere Karte begutachtete. „Geschichte war heute wieder sehr langweilig, sodass meine Gedanken abgedriftet sind. Irgendwie musste ich daran denken, wie ich letzten Sonntag für Nanako das Kätzchen gemacht habe. Während ich gearbeitet habe, hat sie mir und Senpai erzählt, dass sie in der Schule Experimente mit Zitronensaft als unsichtbarer Tinte gemacht hat“, erklärte er. „So, ich glaube, das Eisen ist heiß genug.“ Rise legte die Karte wieder auf das Bügelbrett und Kanji ging langsam mit dem Bügeleisen darüber. Als Naoto sich kurz in dem kleinen Clubraum umsah, zuckten einige Schüler kurz zusammen und schienen sich auf einmal sehr für ihre Arbeit zu interessieren, nachdem sie offenkundig Rise, Kanji und Naoto beobachtet hatten. Entgegen Naotos skeptischer Erwartung erschienen schon nach dem ersten Streich schwache Muster auf der Karte und Kanji bügelte noch ein paar Mal über die Karte, bis ein eindeutig lesbarer Text sichtbar wurde. „Uoah!“, rief Rise staunend aus und wollte nach der Karte greifen, doch Kanji hielt sie tadelnd davon ab. „Pass auf, die Karte ist noch heiß!“, meinte er und Naoto musste aufgrund dieser fast mütterlichen Anweisung schmunzeln. Während sie darauf warteten, dass die Karte etwas abkühlte, war Kanji bereits dabei das Bügeleisen wieder auszustöpseln und an einen sicheren Ort zum Abkühlen zu stellen. Während dieser ganzen Episode fühlte Naoto noch immer die verhaltenen Blicke der Clubmitglieder in ihrem Rücken und da sie sich verhältnismäßig sicher war, dass der anfängliche Stupor, den Kanjis plötzliches Auftreten mit sich gebracht hatte, nicht ewig anhalten würde, griff sie schließlich nach der Karte, um sie einzustecken. Sie fühlte sich immer noch warm in ihrer Hand an; Kanji hatte Rise also zu recht gewarnt, sonst hätte sie sich sicher die Finger verbrannt. „Kommt“, meinte sie mit einem Nicken in Richtung Tür. Rise warf noch ein letztes Mal ein strahlendes Lächeln in die Runde, während Kanji sich mit einem düsteren Blick begnügte, und sie setzten sich in Bewegung. An der Tür angekommen, drehte sich jedoch Kanji noch einmal um und rief in den Raum: „Ich solltet die Wassercontainer der Bügeleisen nicht so austrockenen lassen, sonst bekommt ihr Kalkflecken auf den Stoff, wenn ihr es das nächste Mal einschaltet und damit bügeln wollt!“ Rise warf Naoto einen amüsierten Blick zu, doch bevor sich Kanji in Rage reden und den Clubmitgliedern weitere Anweisungen geben konnte, griff sie ihn am Arm und schleifte ihn hinter sich und Naoto her. „Was?! Das ist wichtig!“, murmelte er einen verteidigenden Protest, aber Rise hielt erst an, als sie vor den Schuhfächern angekommen waren. „So, was steht jetzt auf der Karte?“, fragte sie neugierig. „So etwas wie ein Rätsel“, antwortete Naoto, die die Karte schon begutachtet hatte, während Rise Kanji noch durch die Gänge geschleift hatte, und verzog das Gesicht. „Ein erwachsener Mann, der sich solch kindischer Tricks bedient!“ Doch obwohl sie sich jetzt am liebsten noch länger über dieses Verhalten und vor allem den Text auf der Karte aufgeregt hätte, riss sie sich erneut zusammen und trat zwischen Kanji und Rise, sodass sie ebenfalls die Karte lesen konnten. Briefe fressend, mit einem roten Gesicht. „‘Briefe fressend, mit einem roten Gesicht‘?“, las Rise skeptisch vor. „Was soll das sein?“, fügte Naoto stirnrunzelnd hinzu. „Ein Briefkasten?“, schlug Kanji unsicher vor. „Tatsächlich…“, meinte Naoto und blickte zu Kanji auf. Irgendwie hatte sie nicht erwartet, dass er gut in der Lösung von Rätseln war und schenkte ihm quasi als wieder Gutmachung ein Lächeln. Kanjis Fieber schien in diesem Moment wieder zu kommen und er senkte hustend und mit geröteten Wangen den Blick. „Zwischen Deidara und unserem Tofu-Laden ist ein roter Briefkasten!“, fügte Rise erfreut hinzu. Naoto musste innerlich schon zugeben, dass sie die Begeisterung der beiden mitriss und sie gerade wirklich ein wenig Spaß bei diesem Fall hatte. Es dauerte nicht lange, bis sie mit dem Bus in der Einkaufsstraße angelangt waren und vor dem in der Tat roten Briefkasten standen. Nach einer kurzen Untersuchung des Briefkastens stellte Naoto fest, dass etwas an der Rückwand des Kastens in einem Gefrierbeutel steckte. Mit einigen schnellen Handgriffen löste sie das Objekt vom Briefkasten. „Ähm, das ist…“, murmelte sie als sie ihr altes Detektiv-Abzeichen in Händen hielt. „Dass er das wirklich noch hatte…“ „Hey, ist doch gut, dass du es wiederhast!“, meine Kanji freudig. Naoto war wieder einmal froh, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte, da sie ihm den Rücken zugewandt hatte, denn ihr kroch schon wieder die Röte in die Wangen. „Was ist es denn?“, wollte Rise wissen und beugte sich über Naotos Schulter. „Ähm… ein Detektivabzeichen“, murmelte Naoto und die Temperatur ihrer Wangen wollte und wollte sich nicht senken. „Es hat aber keine wirkliche Funktion…“ „Aww, das ist aber niedlich, Naoto-kun“, sagte Rise und griff nach dem Abzeichen. Natürlich gelang es Naoto nicht, sie davon abzuhalten und warf während sie sich umdrehte einen Blick auf Kanji. Super, spätestens jetzt hatte er sicher mitbekommen, dass sie wieder so rot wie ein gewisses Gemüse war. Verlegen senkte sie den Blick. Als Rise das Abzeichen in ihren Händen drehte, formte sich in Naotos Gedanken vage Vermutungen, bezüglich der Identität des Phantomdiebes. Aber warum sollte er die Detektiv-Werkzeuge stehlen? Allerdings musste Naoto sich eingestehen, dass der Fall für sie doch wichtiger war, als sie anfangs wahrhaben wollte, obwohl sie eine triviale Herausforderung gestellt bekommen und nur ein altes und dazu noch gestohlenes Abzeichen als Preis erhalten hatte. Doch wenn Rise und Kanji nicht gewesen wären, dann hätte sie sich nie die Mühe gemacht, sich mit diesem Fall auch nur auseinander zu setzen. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie beobachte, wie Rise versuchte einem stammelnden Kanji das Detektiv-Abzeichen anzustecken. Genau für solche Momente war sie Kanji und Rise unglaublich dankbar. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)