Imperial Fortune von Lianait (Persona 4: Social Link 16.3) ================================================================================ Rank 2 ------ Naoto war sich durchaus des Grundes bewusst, warum ihre beiden Freunde auf dem Heimweg schwiegen, doch sie sah keinen Fehler in ihrer Logik, also brach sie die Stille auch nicht. Obwohl sie zunehmend unangenehmer wurde. Mit einem Mal blieb Kanji stehen. „Das hab ich voll vergessen!“, rief er aus und schlug sich die Hand vor die Stirn. „Was?“, wollte Rise wissen und drehte sich, ebenso wie Naoto, verwundert zu ihm um. „Heute Morgen“, fing er an zu erklären und kramte in seiner Tasche herum, „hat mir ein Typ, was für dich mitgegeben, Naoto.“ „Für mich?“ Wer sollte Kanji etwas für sie mitgeben? „Ja. Hier.“ Er hielt ihr eine zusammengefaltete Karte hin. Benutzten ihre ominösen Verehrer jetzt schon ihre Freunde als Postboten? Zögerlich nahm sie die Karte in die Hand und streifte dabei leicht Kanjis Finger, welcher seine Hand rasch zurückzog. Doch schon als sie das Papier in ihrem Händen fühlte, wusste sie, dass dieser Zettel von keinem liebestollen Schüler kam; es sei denn er wollte sie mit besonders schönem und schwerem Papier beeindrucken. Als sie wieder aufblickte, hatte er einen seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht, den er jedoch schnell wieder verbarg. „Äh, ich geh dann mal, ich muss meiner Mutter helfen“, murmelte er vor sich hin und stakste steifen Schrittes die Straße entlang, ohne sich noch einmal zu Naoto oder Rise umzudrehen. Naoto wollte ihm gerade hinterherrufen, um Kanji zu fragen, wer ihm die Karte gegeben hatte, doch ihr Handy klingelte und sie schreckte auf. Auf dem Display erschien Yakushijis Name und sie klappte ihr Telefon auf, um den Anruf entgegen zu nehmen. „Ja, ich bin’s“, sagte sie kurz und knapp. „Naoto-sama“, ertönte die Stimme des Sekretärs ihres Großvaters aufgelöst. „es ist etwas ganz Furchtbares passiert!“ „Ganz ruhig“, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Was ist passiert, Yakushiji-san?“ „Es wurde eingebrochen!“ „Was?! Ist Großvater etwas passiert?“ „Nein, das nicht…“, stammelte Yakushiji. „Es wurde auch nicht viel gestohlen, aber Ihr Zimmer…“ Augenblicklich ließ Naoto den Atem aus, von dem sie noch nicht einmal gemerkt hatte, dass sie ihn angehalten hatte. „Ich nehme an, Sie haben die Polizei angerufen?“ „Ja, das schon… „Gut. Beruhigen Sie sich erst einmal“, wies sie Yakushiji an und nach einem kurzen Moment des Überlegens fügte sie hinzu: „Ich versuche, heute nach Hause zu kommen.“ Nach dem der aufgelöste Sekretär noch etwas Unverständliches gemurmelt hatte, legte Naoto auf. „Was ist passiert?“, fragte Rise besorgt. „Bei meinem Großvater wurde eingebrochen. Ihm ist nichts passiert, aber ich werde mir das trotzdem genauer anschauen“, erklärte Naoto. Sie warf dem mittlerweile verschwundenen Kanji noch einen letzten Blick hinterher. Es sah so aus, als würde sie ihn erst morgen fragen können, was es mit dieser ominösen Karte auf sich hatte. „Wir sehen uns“, meinte sie noch, bevor sie sich von Rise abwandte und zur Bushaltestelle hastete, um ihren Bus noch zu bekommen. Die Fahrt zum Haus ihres Großvaters dauerte länger als sie erwartet hatte, da durch einen umgestürzten Baum die Straße gesperrt war, also hatte Naoto genügend Zeit sich mit der gefalteten Karte, die ihr Kanji gegeben hatte, auseinanderzusetzen. Und musste feststellen, dass sie leer war. Das Papier war zwar teuer und fühlte sich schwer in ihrer Hand an, doch rein gar nichts war darauf geschrieben worden. Das einzig Bemerkenswerte war ein schwacher Geruch nach Citrus. Etwas viel Aufwand, nur um ihr einen Streich spielen zu wollen, fand Naoto und steckte die Karte ein wenig verärgert in ihren Kalender. An der Residenz ihres Großvaters angekommen, öffnete ihr Yakushiji die Tür. Er sah immer noch ein bisschen nervös aus, doch schien er sich sehr darum zu bemühen, es sich nicht anmerken zu lassen. „Naoto-sama…“, begrüßte er sie erleichtert und trat augenblicklich beiseite. Sie schenkte ihm ein schwächliches Lächeln. „Was genau ist passiert?“, fragte sie den Sekretär noch während sie in das Foyer eintrat. „Dein Zimmer wurde durchsucht und ein paar von meinen eigenen Sachen wurden gestohlen“, ertönte eine weitere bekannte Stimme. Naoto wandte sich um und sah ihren Großvater neben einer Gruppe von Koffern stehen. Obwohl er schon älter war, hielt sich Naoyuki Shirogane immer noch aufrecht, während seine Hand auf seinem verzierten Gehstock ruhte. Als ihr Großvater ihr ein warmes Lächeln schenkte, das seine Falten hervortreten ließ, breitete sich ein warmes Gefühl in ihr aus. Nachdem ihre Eltern früh bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, wurde Naoto von ihrem Großvater aufgenommen und aufgezogen. Dieses Haus und seine Bewohner waren also für Naoto alles, was sie an Familie je gekannt hatte. „Als Yakushiji-kun meinte, dass du so schnell wie möglich herkommen würdest, haben wir alles so gelassen, wie wir es vorgefunden haben“, erklärte ihr Großvater, als sie gemeinsam die Treppe in den oberen Stock erklommen. Naoto war zwar der Meinung, dass Yakushiji wahrscheinlich wieder mit seinem ‚so schnell wie möglich‘ maßlos übertrieben hatte, sodass es sicher so geklungen hatte, als könne sie es nicht erwarten nach Hause zu kommen, doch sie ließ die Behauptung dennoch einfach im Raum stehen und konzentrierte sich auf das Wesentliche. „Weißt du schon, was gestohlen wurde?“ Ihr Großvater seufzte. „Ich bin mir nicht sicher, ob aus deinem Zimmer überhaupt irgendetwas fehlt, aber mir wurden die die Detektiv-Werkzeuge gestohlen, die du als Kind gemacht hast.“ Naotos Kopf schnellte zu ihrem Großvater herum. Als sie sah, dass er sie mit einem warmen Lächeln bedachte, fühlte sie, wie ihr die Wärme in die Wangen hinaufkroch und sie senkte rasch den Blick wieder. „Ich weiß gar nicht, warum du die alten Dinger noch hast…“, murmelte sie verlegen. „Oh, ich kann einfach nichts wegwerfen“, antwortete er leichthin. Auch wenn sie wusste, dass das nur die halbe Wahrheit war, war sie ihm gegenüber dankbar, dass er nichts übermäßig Sentimentales wie etwa ‚weil du sie gemacht hast‘ gesagt hatte. Mittlerweile hatten sie ihr Zimmer erreicht und Naoto stieß die Tür auf. Dort, wo sich einst ihr Zimmer befunden hatte, hatte sich nun heilloses Chaos eingenistet; Schubladen waren aus den Schränken gezogen und geleert, Regale ausgeräumt und ihr penibel sauberer Schreibtisch verwüstet worden. Auf den allerersten Blick sah es katastrophal aus, aber auf den zweiten bemerkte Naoto, dass nichts wirklich beschädigt worden war. „Kann ich…?“, wandte sie sich an ihren Großvater. Er nickte. „Ja, wir haben Fotos gemacht. Oder vielmehr die Polizei.“ Sie watete durch das Chaos und versuchte herauszufinden, was gestohlen worden war, doch fand natürlich nichts, ohne sich genauer umzusehen. Sie räumte ein bisschen hier und dort herum, stellte etwas Ordnung wieder her und suchte dabei nach Hinweisen, die der Täter hinterlassen haben könnte. Doch sie fand nichts und bevor sie sich versehen hatte, war es schon so spät, dass Moriyama, die Haushälterin ihres Großvaters, tadelnd im Türrahmen stand, um sie dazu zu drängen, endlich etwas zu essen. „Du siehst schon wieder so blass und dürr aus, Liebes“, kommentierte sie Naotos Aussehen und zwang sie hinunter zu kommen. Naoto fügte sich einfach, denn sie wusste aus Erfahrung, dass es zwecklos war, allein zu versuchen Moriyama zu wiedersprechen. Wenigstens nahm sie ihr Abendessen nicht einsam und alleine zu sich, dann ihr Großvater saß bereits am dunklen Esstisch, seinen Gehstock an den Tisch gelehnt. Dennoch sagte sie kaum etwas; ihre Gedanken waren noch zu sehr mit dem Einbruch beschäftigt. „Hast du herausgefunden, was fehlt?“, brach ihr Großvater schließlich das Schweigen. „Hä?“, entfleuchte es ihr wenig eloquent. „Oh. Nein. Ich glaube, es fehlt gar nichts.“ „Hmmm“, machte er. „Dann wird es wohl besser sein, wenn sich die Polizei weiter darum kümmert.“ Naoto sah ihn verwundert an. „Warum?“ „Du bist immer noch mitten in diesem Fall in Inaba und ich fliege immerhin morgen in die Staaten, um Charles zu besuchen. Es ist also keiner von uns beiden hier, um sich darum zu kümmern“, erklärte er gütig. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass ihr Großvater schon seit Monaten geplant hatte nach Amerika zu fliegen. Sie schalt sich ebenfalls innerlich eine Närrin, da sie einfach dieses klitzekleine Detail der fünf Koffer im Foyer übersehen hatte, neben denen ihr Großvater bei ihrer Ankunft noch gestanden hatte. Unter diesem Aspekt betrachtet, war der Vorschlag ihres Großvaters natürlich mehr als nur logisch, dennoch wurmte es sie, dass eine Detektivfamilie, wie ihre, einen Fall an die Polizei übergeben musste, anstatt sich selber darum zu kümmern, weil niemand da war. Dennoch nickte sie. Allerdings wurde ihre ach-so-logische Planung über den Haufen geworfen, als sie an diesem Abend zu Bett gehen wollte. Da ihr kompletter Boden mit Dingen überhäuft gewesen war, hatte sich ihre Aufmerksamkeit darauf gerichtet und so hatte sie schon zum zweiten Mal an diesem Abend etwas Entscheidendes übersehen. Auf ihrem Kopfkissen lag eine zusammen gefaltete Karte. Sehr geehrter Detektiv, ich halte Ihre wertvollen Besitztümer in meiner Hand; sind Sie in der Lage sie sich zurückzuholen? Das Spiel hat begonnen. Der Phantomdieb Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)