Timing is Everything von PurplePassion (6. Kapitel on! [ZoRo]) ================================================================================ Kapitel 1: Lebensphasen ----------------------- How to Fall Out of Love - 01 Kuina würde sterben; ich sah es ihr am ganzen Leibe an. Ihre weiße Haut bekam eine ungewöhnlich transluzide Qualität und ein Licht erlosch regelrecht nach und nach aus ihren Augen. Ihr Atem war träge und schwer, ging besonders langsam. Ich hatte immer gedacht, dass der Tod gewissermaßen mit Schlaf verglichen werden konnte, zumindest bekam man das überall so zurechtgelegt: Dass man aussähe als würde man schlafen, dass es erschien als würde man bloß in die Traumwelt übergehen. An jenem Morgen musste ich erfahren, dass das gelogen war; ich sah zu wie das Leben in meiner Freundin langsam, aber sicher, ausgesaugt wurde. Ich hielt ihre Hand fest und trotzdem fiel es mir schwer sie anzuschauen. Nicht, weil ihr Tod nahe bevorstand und nicht, weil ich ihr den Schmerz ansehen konnte, sondern aus reinem Scham, Ekel vor mir selbst und eine undefinierbare Wut, die ich niemandem richtig zuordnen konnte. Ihre Nasenlöcher flackerten, wie sie es taten, wenn sie den Tränen nahe war, aber stattdessen war die folgende Reaktion ein schwaches Zucken ihrer Mundwinkel. Ein eiskalter Schauer lief meinen Rücken runter und meine Nase begann zu jucken. Kuina schloß die Augen, ihr mildes Lächeln verblieb. Ich spürte einen leichten Druck auf der Hand und sah auf unsere Hände hinunter bis dieser verging und mich Sekunden später ein lautes, gleichmäßiges Piepsen dazu brachte aufzuschauen. Sie war tot. *** Ohara erschien plötzlich vor mir und ehrlichgesagt blendete ich alles, was zuvor an jenem Tag geschehen war aus. Ich erinnere mich nicht an die Seminare und Vorlesungen, an die ich bis zum genannten Zeitpunkt teilgenommen hatte, nicht wie mein Tag bis dahin abgelaufen war und was für Pläne ich mit meinen Freunden gemacht hatte. Nicht mehr als eine Woche war vergangen seit dem mein achtes Semester in McGill angefangen hatte und ihr Auftauchen war wie ein Neubeginn, ein neuer Abschnitt in meinem Leben. Kaya stand auf Einem neben mir und lächelte breit. „Das ist Nico“, sagte sie mit ihrer milden Stimme, „sie ist neu hier.“ „Robin“, korrigierte sie die Fremde vor mir, „alle nennen mich bei meinem zweiten Namen.“ „Richtig, ich vergaß. Robin wohnt im Zimmer neben mir.“ Ich schaute zu Kaya runter, bevor ich schweigend meinen Blick auf Nico Robin richtete: „Willkommen.“ Es war das wenig überzeugte Zucken ihrer Augenbrauen, welches mich wissen ließ, dass sie einen starken Charakter besaß. Trotz dieser für mich eher erfreulichen Entdeckung, konnte ich mich nicht zu einem Lächeln oder zu etwas mehr Gesprächigkeit überwinden. Seit dem Moment, an dem mein Blick sie auf dem breiten Flur erhascht hatte, wie sie sich stetig auf mich zubewegte, hatte sich ein seltsames Gefühl in mir ausgebreitet, vor dem mich mein Kopf zu alarmieren schien. „Okay... Eigentlich war's das auch schon“, sagte Kaya langsam und brach die mir bis dahin unbewusste Stille, „Ich hätte mir eigentlich etwas mehr Gespräch erhofft, aber...“ „...du hast keine Ahnung wie du nur auf so was Absurdes kommen konntest.“, lächelte die Neue und ich musste schmunzeln. Die Tatsache, dass sie das schaffte, hätte mich eigentlich beunruhigen sollen; stattdessen war ich eher von dem Selbstbewusstsein beeindruckt, das sie dazu verleitete, sich indirekt über mich lustig zu machen. Anscheinend brachte das meine Freundin wohl zur Verwunderung, denn sie schaute mich erstaunt grinsend an und wandte sich zu Robin: „Das ist im Übrigen Zorro. Ich glaube ihr zwei kommt noch prächtig miteinander klar.“ Später am Tag erwischte mich die Blonde ein weiteres Mal. „Lysop ist total von ihr eingeschüchtert“, erzählte sie lachend und ihre ausgedehnte, südländische Intonation kitzelte ein lustiges Gefühl in mir auf, „Aber das war er von dir zu Beginn ja auch, also gehe ich davon aus, dass er sie im Endeffekt ganz gern haben wird.“ „Wieso kümmerst du dich denn überhaupt so darum?“, fragte ich missgelaunt, aber Kaya ließ sich davon nicht entmutigen. „Sie hat was Fesselndes an sich, findest du nicht?“ Ich beantwortete mit einem gelangweilten Brummen. *** „Was ist eigentlich dein Problem mit ihr?“ „Was?“, Ruffy schien durch diese Frage wahrlich etwas verstört, „Wer hat ein Problem mit Robin?“ „Eben! Wir alle mögen sie“, Namis strenge Augen durchbohrten mich, „Auch Kuina.“ Entnervt wand ich mich einfach von ihr ab und widmete stattdessen Ace meine Aufmerksamkeit, der für ein verlängertes Wochenende an jenem Dezember in die Stadt gekommen war. Für Gewöhnlich würde ich ihr auf unnette Weise entgegnet haben und dazu bemerken, dass Kunia dabei nichts zur Sache täte, aber Sanji hatte kürzlich entschlossen, dass er unsterblich in sie verliebt war und ich hatte offengesagt keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit dem liebeskranken Dickschädel. „Ernsthaft“, hakte sie aber gleich nach, „Vielleicht übersehen wir ja etwas...“ „Mmh...müsste was recht Übles sein.“ Auf Ace' Aussage hin grinste Nami siegessicher, denn damit gab er, der ja erst kürzlich mit Robin Bekanntschaft geschlossen hatte, ihr indirekt recht und provozierte mich etwas, aber ihre Frage galt weiterhin, deshalb seufzte ich einmal und meinte: „Es gibt nun mal Leute, die einem auf Anhieb unsympathisch sind. Wisst ihr was ich mein?“ Ein ungläubiges Ächzen war von allen Anwesenden zu vernehmen ehe Lysop einsprang: „So was nennt man Vorurteile, Zoro!“ „Meine Fresse!“, mischte sich Sanji ein und stand zwischen Belustigung und Ungeduld, „Ihr vergesst, dass es sich um Zoro handelt.“ Darauf trat zustimmende Stille ein und ich war mir nicht sicher, ob mich das erfreuen oder beleidigen sollte. „Jedenfalls gehe ich nicht hin. Ich sehe nicht ein, warum ich sie sieben Tage die Woche sehen sollte“, fasste ich den Konflikt nochmals zusammen und Nami ließ ein erschöpftes Stöhnen aus. „Na, schön“, sagte sie pikiert, „Dann komm eben kurz mit, damit ich dir was für Kuina mitgeben kann.“ Damit liefen wir in das Studierendenwohnheim rein vor dem wir uns befanden, während Ace, Sanji, Lysop und Ruffy den Weg zu unserer Stammkneipe fortsetzten. „Ist es ihre Art?“ Ihre Frage trieb mich fast zur Weißglut, aber ich entschloss mich dazu, einfach mitzumachen: „Was soll mit ihrer Art sein?“ „Sie ist kompliziert. Etwas kühl vielleicht. Und distanziert.“ „Dann verstehe ich nicht was ihr so toll an ihr findet.“ „Dass ihr die Not nach menschlicher Nähe trotzdem ins Gesicht geschrieben steht“, erwiderte sie fast beiläufig, während sie umständlich ihren Schlüssel aus der Jackentasche fischte. Nami öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und blieb plötzlich einfach davor stehen: „Mir ist gerade eingefallen, dass sich das mit Kuina erledigt hat.“ Auf meinen verwirrten Ausdruck hin schloss sie die Tür ab und lief an mir vorbei, die Strecke, die wir gekommen waren, einfach zurück. Nami war, so wie Ohara, neu in McGill, mit dem Unterschied, dass Ruffy und Kuina sie schon einige Wochen zuvor, während der Semesterferien, kennengelernt hatten. Dennoch gehörte sie unserer Gruppe, ebenfalls wie Ohara, nur wenige Monate an, aber trotzdem hatte sie schnell ihre Position in ihr gefunden. Wegen dem vertrauten Umgang, den sie eigentlich mit jedem pflegte, vergaß ich oft, dass ich sie gar nicht so lange kannte. Bis sie wieder unverschämt dreist wurde und ich mich fragen musste, wie lange diese Göre wohl schon in meinem Leben sein musste, damit sie sich so was erlaubte. „Du hattest nie was für Kuina“, fiel mir auf einmal auf, als wir im Erdgeschoss angekommen waren. „Nein. Aber ich bin meiner gesuchten Antwort etwas näher gekommen.“ Das Grinsen, das sich dann auf ihr Gesicht ausbreitete, machte mich unruhig, doch ich überspielte es mit einem eisernen Ausdruck: „Ach, ja?“ Die Orangenhaarige trat mir gefährlich nahe, ihr bescheuertes Grinsen verging nicht. Sie nickte langsam. „Robin schüchtert dich ein.“ *** Mein Gelächter hallte im großen Saal wider, ehe ich leicht peinlich berührt diesen abwürgen musste. Es drehten sich Mitstudierende zu mir um, einige wenige schauten mich spießig empört an. Als ich den Blick von ihnen abwand, räusperte ich mich und schaute meine Gegenüber an. Ihre hellblauen Augen lächelten mir zu, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit widmete und ich erschöpft zur nächsten Seite blätterte. Inzwischen kannte ich Robin seit über fünf Monaten, beinahe einem halben Jahr. Aus einem mir nun unerklärlichen Grund, hatte ich mich zu Anfang schnell dazu entschieden, sie nicht zu mögen. Klar, es war eine Entscheidung, die an kindische Torheit erinnerte und trotzdem hatte ich damals auf meinen Verstand gehört und den Kontakt zu ihr auf ein Minimum gehalten. Nun saß ich dort mit ihr auf der Unibib und fragte mich, wie schon so oft in den letzten paar Wochen, warum ich eine solche Entscheidung getroffen hatte. Die Worte meiner Freunde kamen mir in den Sinn, jene, die besagten, dass so was schlicht und einfach bescheuert war, unüberlegt und gar engstirnig, intolerant. Ein gemeinsames Fach im neuen Semester hatte uns dazu veranlasst, recht viel Zeit miteinander zu verbringen, sodass ich nicht um den Umstand herum kam, sie besser kennenzulernen. Und obwohl ich ihre Ausgewogenheit, Intelligenz, Geduld und Freundlichkeit sehr schätzte, war es vor Allem ihr gehaltener Humor, der mich ihr näher brachte. Schon bei unserer ersten Begegnung hatte sie es geschafft mich zu amüsieren, etwas, das wahrscheinlich über die Monate danach noch häufiger vorgekommen war, aber in den letzten paar Tagen, war mir diese Eigenschafft stärker aufgefallen als zuvor. So kam es also, dass an jenem kalten Abend im Februar Nico Robin mich tatsächlich zum Lachen brachte – noch dazu an einem Ort, an dem Lautstärke auf ein Gegrinstes gehalten werden musste. Es war der simple Akt, über meinen blonden Mitbewohner zu kommentieren gewesen, der dies ermöglicht hatte. Eine Einsicht, die wohl jeder unterschwellig über Sanji kannte und die sie zwar etwas veralbernd und übertrieben darstellte, aber dennoch laut aussprach. „So viel zum Zusammenhang zwischen Kompensationsmechanismen und Gesäßgrößen...“, sagte sie dann ruhig, ihre Aufmerksamkeit weiterhin dem Buch vor sich gewidmet, und ich unterdrückte mir ein weiteres Auflachen. Nicht, dass ich die Präzision ihres Kommentars kannte, dennoch hatte sie mit ihm jeden möglichen Witz, den man über diesen Weiberhelden machen konnte, zusammengefasst. Danach verfielen wir wieder in Stille und arbeiteten an unserer Lektüre weiter, aber nach einer geschätzten halben Stunde konnte mein Gehirn nichts mehr über das Verhältnis zwischen Naturrecht und Rechtspositivismus aufnehmen. Deswegen ließ ich seufzend meinen Kulli auf den Tisch fallen und streckte die Arme in die Luft. Nebensächlich schaute ich mich im großen Raum um, bis ich letztlich mit dem Blick auf die Dunkelhaarige fiel. Dieser erreichte sie wohl, denn sie schaute auf und guckte fragend. „Wie wär's mit Kaffee?“, fragte ich einfach, woraufhin sie mich mild anlächelte und anfing ihre Sachen zusammenzupacken. Irgendwie hatte ich immer gedacht, dass sich mir mehr Widerstand aufdrängen würde, wenn ich sie das fragte. Kapitel 2: Labiler Widerstand ----------------------------- How to Fall Out of Love - 02 Namis Nasenlöcher flackerten, ihre Lippen waren fest aneinandergepresst und ihre Augen waren verengt, konnten mich für eine Weile lang nicht ansehen. „Bist du dir sicher?“, erklang es dann aus meiner Linken. Kayas Stimme schien vorsichtig. Ich nickte: „Ziemlich.“ „Das kann ja wohl nicht dein Ernst sein!“, die Faust der Orangehaarigen knallte auf den Tisch, einige Gäste im kleinen Bistro drehten sich erstaunt um, aber das schien Nami nicht zu stören, „Was gibt dir überhaupt das Recht, darüber zu entscheiden?“ „Du fragst mich doch gra-“ „Ich hab genug davon, hörst du? Die Nase gestrichen voll hab ich!“ Auch die sanfte Blondine wollte einschreiten: „Nami, bitte beruhi-“ „Sie hat absolut nichts, Zoro. Garnichts! Sie ist nicht eingebildet, nicht unfreundlich, nicht hinterhältig. Sie will dir nichts, man; versteh das endlich!“ „Nami, die Leute schauen schon komisch...“ „Was stimmt nicht mit dir? Du störst das ganze Lokal!“ „Was die denken, ist mir doch scheißegal, du Ar-“ „LEUTE!“, übertönte uns unsere Freundin, „Können wir das bitte wie normale Menschen klären?“ Meine Gegenüber und ich atmeten frustriert aus, ehe wir unsere Blicke voneinander ließen, also entschloss sich Kaya dazu ein weiteres Mal das Wort zu ergreifen: „Wenn es Zoro unangenehm ist Robin zur Überraschungsfeier seiner Freundin einzuladen, dann sollten wir ihm diese Entscheidung überlassen.“ „Das ist lächerlich!“, erwiderte Nami schnaubend, „Außerdem hat Kuina überhaupt kein Problem mit ihr, auch wenn sie Robin eher weniger kennt!“ Auf Kayas bittenden Blick hin schloss die jüngere wieder den Mund und ließ sie weiter reden: „Was ich mich aber schon frage ist, warum es dir unangenehm ist.“ Damit richtete sie sich zu mir und schaute geduldig, doch bevor ich darauf antworten konnte, kam mir das Großmaul wieder dazwischen: „Um Gottest Willen, bitte! Bitte kläre uns auf, ich verstehe dich nämlich nicht, Roronoa. Vor vier Tagen war deine Zoro-Robin-Welt noch heil und in Ordnung und jetzt, auf Einmal, ist es so, als hätten die letzten drei Monate nie existiert!“ „Es war nichts als ein 'Robin gut, Robin schlecht, Robin ja, Robin nein' mit dir in den letzten paar Wochen. Kannst du dich bitte entscheiden?“, fragte mich meine Sitznachbarin mit einem entschuldigenden Unterton und ich konnte nicht anders als mich kurzzeitig zu beruhigen. Allerdings ging Namis Gemecker sofort wieder los und eine gewisse Verärgerung stieg in mir auf: „Moment. Habt ihr mich nur deswegen hergeschleppt? Um rauszufinden, wie ich zu Ohara stehe?“ „Ja“, antwortete die aufbrausende Frau vor mir, als wäre es das Natürlichste auf der Welt und ich schüttelte ungläubig den Kopf. „Und ich nehme an, dass ihr euch die Antwort bereits gedacht habt.“ Beide Frauen nickten zustimmend und ich ließ ein frustriertes Seufzen aus: „Macht ihr Witze? Wartet ihr nur darauf mich fertig zu machen, oder so?“ Kaya blickte mich verletzt fragend an, woraufhin ich wieder etwas Mitleid empfand, aber Nami sprang sogleich ein: „Heul nicht! Immerhin ist deine Beziehung mit ihr immer so unstabil.“ „Ach, bitte!“ „Natürlich!“, mischte sich die Andere etwas selbstbewusster ein, „Du sagst du kannst sie nicht leiden und im nächsten Moment versteht ihr euch prächtig. Dann bist du wieder ein totaler Blödmann zu ihr, ihr streitet euch und du kannst schon wieder ihre Anwesenheit nicht haben. Und so geht’s dann immer weiter und weiter und wei-“ „Schon gut, ich hab’s kapiert!“, gab ich, wenn auch gereizt, nach, „Aber das heißt nicht, dass ich jemals meine Meinung ihr gegenüber verändert habe.“ Kaya und Nami sahen mich perplex an, gar etwas empört, und Letztere lehnte sich drohend zu mir vor: „Also, im Klartext: Jegliche Freundlichkeit deinerseits ist dann... gespielt?“ Eine stille Pause trat ein, in der ich bemerkte, wie Morris' Hand zur Faust geballt war, ihr rechtes Lied zuckte und dass die Blonde neben mir große, enttäuschte Augen bekam. Diese zwei Extreme riefen ein nervöses Gefühl in mir auf, aber ich versuchte alles rational zu durchdenken. Gut. Irgendwie hatte ich es geschafft Robin halbwegs okay zu finden, aber immer musste etwas dazwischen kommen, das mich wieder erkennen ließ, warum ich sie eben nicht mochte. Nicht, dass ich dieses Etwas zu dem Zeitpunkt wirklich beim Namen nennen konnte, aber das musste ja keiner erfahren. Über die Monate hatte ich bemerkt, dass es zwei Dinge waren, die mir bei ihr den letzten Nerv rauben konnten: Ihre konstante Höflichkeit Fremden gegenüber und dieses bescheuerte, aufgezwungene Lächeln, das sie Tag ein, Tag aus auf den Lippen trug, sobald sie jemand etwas länger anschaute. Ich verstand nicht, wie sie es eigentlich schaffte so lange die Mundwinkel angehoben zu halten, aber immerzu war es dort, mitten auf ihrem Antlitz. Der alleinige Gedanke daran regte mich auf! Und dann war da noch dieses Heimlichgetue um ihre Vergangenheit und um ihr Leben im Allgemeinen. Mir war schnell aufgefallen, dass sie gerne die Leute ausfragte oder ihnen einfach nur zuhörte, ohne zu intervenieren, wenn sie nicht dazu aufgefordert wurde. Und wenn sie von alleine sprach, waren es immer Fakten, die meistens nichts mit ihr selbst oder ihren Erfahrungen zu tun hatten, demzufolge also nichts über sie als Person aussagten, allerhöchstens einen groben Schatten ihrer Meinungen darstellten. Und genau darin fand ich plötzlich eine von vielen Antworten zu meinem Anliegen. Ich konnte das nicht ab, weil ich ein analytischer Mensch war, mit guten Menschenkenntnissen, der verflucht noch mal nicht in der Lage dazu war, in sie reinzuschauen. Zugegeben, vielleicht machte sie mich deswegen etwas...nervös, aber mich einschüchtern, so wie es Nami vor einigen Monaten behauptet hatte, tat sie sicherlich nicht! Das Räuspern Ebendieser brachte mich wieder in die Gegenwart zurück. Deswegen schaute ich beide abwechselnd an und meinte: „Ihr wollt mir gerade an die Gurgel springen, hab' ich recht?“ *** „Wieso regst du dich auf? Habe ich etwa nicht einfach eine Tatsache ausgesprochen?“ Ich drehte mich entnervt zur Schwarzhaarigen um und schaute ihr penetrant in die Augen. Ich konnte feststellen, dass sie wahrlich mit ihrer Beherrschung rang und ich empfand etwas Stimulierendes daran. Dann drehte ich mich jedoch wieder um und lief weiter. „Ernsthaft?“, hörte ich sie hinter mir rufen. Ich ersparte mir eine Antwort und wartete einfach nur auf ihre Reaktion. Würde sie mir zornig hinterherrufen und mir jedes Schimpfwort im Buche zuweisen oder dort verlassen und gedemütigt zurückbleiben? Ersteres schien mir eigentlich nicht ihre Art zu sein. Während ich mich also gerade damit abfand, sie dort abzuwimmeln, kam mir plötzlich eine andere Frage in den Sinn: Tat ich das nur um sie zu provozieren? Egal. Inzwischen hatte ich bereits die Straße überquert in der Überzeugung, dass ich im Recht lag und dass es mir sowieso egal sein konnte Robin auf irgendeine Art entgegenzukommen. Sobald diese Erkenntnis in mein Kopf gedrungen war, spürte ich Druck auf meinen linken Arm, der mich abrupt umdrehte. Nicos eiskalte, blaue Augen waren weit und ungläubig geöffnet. Sag doch endlich was!, schoss mir durch den Kopf, aber gleichzeitig rief ich aus: „Was?!“ Robin öffnete noch gekränkter den Mund und zog die Augenbrauen zusammen. War sie etwa... „Bist du verletzt?“, fragte ich perplex und ein verärgertes Schnaufen entging ihr. „Ach, so. Ich vergaß, dass diese Tatsache für dich unmöglich ist.“ Wut bahnte sich wieder durch meinen Körper: „Was soll das schon wieder heißen?“ „Oh!“, spielte sie erschrocken, ehe sie wieder etwas zorniger wurde, „Läufst du jetzt wieder weg, ja?“ „Ich brauch mir das wirklich nicht geben“, brummte ich und wand ihr wiederholt den Rücken zu. Ein weiteres Mal wurde ich umgedreht, dieses Mal etwas aggressiver: „Ich will hören was du zu sagen hast!“ „Ich hab nichts zu sagen.“ „Und in einer Woche ist alles wieder okay oder wie?“ Erstaunt hob ich meine Brauen und machte einen Schritt zu ihr vor. Dass sich Robin so aufregte war neu... und irgendwie fand ich Gefallen daran. „Und das soll was bedeuten?“ „Ach, komm schon!“, exklamierte sie unbeeindruckt von meiner Haltung, griff mich am Unterarm und zog mich etwas mit, signalisierte damit, dass wir weiterlaufen sollten, „Du kannst wohl kaum so ignorant sein, Roronoa.“ „Und mir reicht es langsam. Ich brauch mich ja nicht von dir beleidigen lassen.“ „Denk doch mal bitte zurück! Du hast mir eben vorgeworfen eine emotionslose Hexe zu sein!“ „Hexe?“ „Weil sie hinterhältig sind“, erklärte sie murmelnd, aber erboste sich daraufhin wieder, „Fakt ist: So was tust du andauernd und wenn ich darauf hinweise, bist du wieder so... pissig.“ „Ich bin zurecht pissig, verdammt!“ „Ach, ja?“ „Ja!“ „Ach, ja?“ „Ja, doch! Ja! Du gehst nie aus dir heraus, obwohl man dir ansehen kann was du fühlst. Wieso tust du das? Ist es dir so verdammt wichtig von allen gemocht zu werden oder willst du was verstecken? Und dann bist du aber immer so von dir selbst überzeugt, wenn du was Schlaues faselst, oder übertrieben höflich lächelst, weil dir jemand ein Kompliment macht. Gleichzeitig muss ich mich manchmal fragen, ob du irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe hast, weil du gelegentlich ein echter Arschkriecher sein kannst, weißt du das?!“ Das Brüllen hatte meinen Puls in die Höhe getrieben und ich schaute sie gebannt an, bemerkte, dass wir wieder stehengeblieben waren und ihr Gesicht ernst, aber ansonsten regungslos war. Wieder etwas das mich nervte. „Und das ist Grund genug, um mich wie Dreck zu behandeln?“ Ihre stimme war ruhig. Ich verengte die Augen: „Übertreib's nicht.“ Sie seufzte erschöpft und lief weiter: „Ist es etwa gewöhnlich, dass du sauer auf deine Freunde wirst, sie Links liegen lässt und Tage danach so mit ihnen umgehst, als wäre nichts gewesen? Immer und immer wieder?“ „Du regst mich eben auf.“ „Weil du mich nicht verstehst?“, schrie sie nun, „Weil du meine Unsicherheiten siehst, aber dennoch mein Handeln nicht nachvollziehen kannst? Weil ich nicht einfach dahergelaufen komme und mit der nächstbesten Person über meine Traumata rede? Weil ich wie eine... Blöde versuche dir sympathisch zu sein und mich dabei zur kompletten Idiotin mache? Mir alles von dir gefallen lasse?“ „Ja, verdammt!“, bellte auch ich sie an, „Genau deswegen!“ Mit einem zornigen Ausruf drehte sie sich schließlich von mir weg und machte die ersten Schritte in die entgegengesetzte Richtung, Gott, verdammt! fluchend, aber ich griff reflexartig nach ihrem Oberarm, drehte sie mir zu. Ihre ehrliche Wut hatte paradoxerweise Erleichterung in mir ausgebreitet. Endlich hatte sie sich mir widersetzt, sich verletzlich gemacht. „Dann lass mich verstehen, Robin“, sagte ich ihr schlicht und ergreifend mit ruhiger, aber leicht bittenden Stimme, „Ich kann das nicht mehr ab.“ Kapitel 3: Kipp-Punkte ---------------------- How to Fall Out of Love - 03 Ich ließ von meinem Handy ab und legte auf, brummend schaute ich mich um, ehe ich die Straße überquerte. Kuina hatte sich kein bisschen glücklich angehört. Genauer betrachtet war in den letzten paar Wochen das Glück immer mehr von unserer Seite gewichen. Aber was konnte ich dafür? Diese Frage stellte ich meiner langjährigen Freundin immer, sobald diese Diskussion aufkam. Es war Rechtsphilosophie und es lag nicht an mir, die Leute, die dieses Seminar belegten, auszuwählen. Genau so wenig war es meine Schuld, dass kein Nachname der Teilnehmenden mit P oder Q begann, ihrer aber mit O und meiner mit R – prompt waren wir von der Professorin in eine Zweiergruppe gesteckt worden. Erleichtert darüber, endlich der Kälte zu entgehen, trat ich kurz danach in das warme Café ein und setzte meine Mütze ab. Ich entdeckte schnell meine Verabredung und trat bestimmt auf sie zu. „Hey“, begrüßte ich sie eher trocken und ließ mich auf den Stuhl ihr gegenüber plumpsen. Sie lächelte. Ich befreite mich von meiner Regenjacke und strubbelte meine Haare durch, während die Schwarzhaarige ruhig aus ihrem Tee nippte. „Willst du was warmes bestellen?“, fragte sie und schaute dabei auf meine nassen Haare. Ich zögerte: „Eigentlich sollten wir zur Bib und zum Lernen kommen. Wir bleiben immer zu lang.“ Leicht verwirrt, aber belustigt meinte Robin: „Du hast doch erst gegen elf Vorlesung.“ „Darum geht’s nicht!“ Mein Temperament ließ sich wieder zeigen und ich atmete schwer aus, um mich zu sammeln. Vielleicht hatten mich Kuinas Worte doch mehr getroffen als ich angenommen hatte. In Robins Augen fand ich Skepsis, was ich nur zu gut verstehen konnte, immerhin hatte es uns sehr viel Mühe gekostet, um an diesen Punkt unseres Verhältnisses zu gelangen. Sie hatte Vieles über sich Preis gegeben, um mein Vertrauen zu gewinnen. Auf all dies nicht mehr zu achten wäre für sie wahrscheinlich mehr als nur enttäuschend gewesen. „Um was dann?“, erklang dann auch schon die erwartete Frage auf meine Reaktion. Ich sah kurz zur jungen Frau hinüber und entdeckte nun eine angespannte Besorgnis in ihrem Blick. Mit einem Seufzen schaute ich umher und beruhigte mich. „Es war ein anstrengender Tag, sorry“, log ich, „Vielleicht nehme ich doch einen Kaffee.“ Das glückliche Lächeln, das sie dann erwiderte, erfüllte mich mit Befriedigung. *** „Sie will, dass ich bei ihr einziehe.“ Sanji drehte sich erstaunt zu mir um, als ich in die Wohnung eintrat und auf seine Frage, wie es meiner Freundin ginge, antwortete. Er erholte sich allerdings schnell und seine Miene hellte sich auf: „Hey, das sind tolle Nachrichten!“ „Ich weiß nicht“, sagte ich und ließ mich auf den Sessel neben ihn nieder, „Es ist ein großer Schritt. Ein sehr großer Schritt.“ „Bitte? Seit einem Jahr beschwerst du dich darüber, dass sich in eurer Beziehung nichts tut!“ Der Blonde hatte natürlich Grund dazu verwundert zu sein. Kuina und ich waren seit der High School zusammen. Wir waren gemeinsam nach Montreal gekommen, doch auf ihren Wunsch hin waren wir nicht zusammen eingezogen. Ich hatte ihr diesen Raum gegeben, aber ärgerte mich still darüber. Wir waren zu dem Zeitpunkt bereits vier Jahre lang zusammen gewesen. Schon damals war ich überzeugt davon gewesen, dass ich keine Zweifel über unsere Beziehung bekommen würde, aber so war in mir die Befürchtung gewachsen, dass meine Partnerin sich da nicht so sicher war wie ich. Seit unserer Ankunft hier hatte sie viele Nächte hier verbracht und ich noch mehrere bei ihr. Wir sahen uns praktisch jeden Tag und sprachen mindestens einmal täglich miteinander. Mein innerlicher Wunsch, seit wir vor beinahe vier Jahren hergezogen waren, war, mit ihr zu wohnen. Nun hatte sich mir die Gelegenheit eröffnet diesen zu erfüllen, aber plötzlich fühlte es sich nicht mehr danach an, als würde ich es wollen. Zumindest nicht so eisern und fest, wie ich es nicht allzu lange her gewollt hatte. Als Sanji den Fernseher leiser stellte erklärte ich: „Mir kommt es so vor, als würde sie es aus den falschen Gründen wollen.“ Sanji hob die Augenbraue und kreuzte seine Arme vor die Brust: „Und was für Gründe wären das?“ Damit hatte er eine Frage in den Raum gestellt die ich nicht wirklich beantworten konnte. Ich überlegte für eine Weile und dachte über die letzten Wochen nach an denen Kuina und ich uns mehr gestritten hatten als alle anderen Male zuvor. Zusammen. „Wenn ich das wüsste...“ Da gab es natürlich eine Möglichkeit, die einen Verdacht in mir hätte hervorrufen können. Immerhin hatten unsere Streitereien oft dieselbe Quelle gehabt, aber... das wäre absurd gewesen! So stand ich also schweigend auf und bewegte mich in Richtung meines Zimmers; Sanji wand sich wieder den Nachrichten. Beiläufig rief es mir noch entgegen: „Wie lief eigentlich die Prüfung in Rechtsphilo?“ „Hab ein gutes Gefühl.“ „Dann haben sich die Stunden Paukerei mit Robin also gelohnt, was?“ *** „Wo ist Kuina?“, fragte Kaya und schaute hinter mich. „Sie hatte eine harte Schicht und meinte es täte ihr sehr leid, aber sie wollte nur noch ins Bett. “ Die Blondine nickte verstehend, aber griff mich sofort beim Handgelenk und führte uns ins Innere des Clubs. Dort saßen Ohara und Nojiko, die ihre Schwester besuchen gekommen war, quatschend mit den Köpfen zusammengesteckt, Ruffy und Lysop beim Trinken und Lachen nebeneinander und die weitere Morris mit Goldlöckchen bereits tätschelnd an einer Ecke. Von hinten kam auf einem Franky, unser neuer Mitbewohner, der seit einem knappen halben Monat von New York nach Montreal gezogen war. Er klopfte mir fest und freundschaftlich auf die Schulter, ehe er sich fortbewegte und die zwei tratschenden Ladies und sich selbst mit ein paar Drinks begnügte. „Komm mit“, sagte Smythe fröhlich und zog wieder an meinem Arm, „Wir holen uns was zu Trinken!“ Beim Tresen bestellten wir was und warteten erstmals ein Weilchen. Wir schauten uns um und sahen die tanzenden Leute, sogen die Musik und den hypnotisierenden Beat ein. „Ist alles okay zwischen euch zweien?“ Von der Spontanität der Frage verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen und guckte auf meine Freundin runter. Ich konnte mir das nie ganz erklären, aber Kaya erweckte schon seit unserer ersten Begegnung das Gefühl in mir, dass ich ihr vertrauen konnte. Vielleicht war es ihre Unschuld und Ehrlichkeit, oder einfach nur ihre sanfte, liebevolle Art, die in mir schon immer einen Beschützerinstinkt hervorgerufen hatte, aber ich hatte unglaublich schnell ein Verhältnis zu ihr Aufgebaut, das mich sehr an meine Vorstellung von einem Gemisch zwischen besten Freunden und Geschwisterliebe erinnerte. Vielleicht hatte Lysop deshalb zu Beginn Monate lang Angst vor mir, da ich ihm mit diesem Beschützerinstinkt wohl als eine Bedrohung vorgekommen sein musste. „Nein. Irgendwie überhaupt nicht“, antwortete ich nach einer Weile wahrheitsgemäß. Die Blonde reagierte mit einem erschrockenen und mitleidigen Blick, aber ich winkte ab und grinste sie an: „Alle Paare gehen durch schwere Zeiten.“ Die Getränke wurden endlich vor uns hingestellt, wir nahmen sie und gingen den Weg zurück zu den anderen. Kaya hatte zwar leicht lächelnd genickt, aber ihre Augen offenbarten ihre fehlende Überzeugung. Nach einer Weile Gespräch zwischen den Runden, entschlossen sich die Frauen dazu, zu tanzen. Ruffy und Franky gingen gerne drauf ein, Lysop fühlte sich wohl etwas gezwungen. So blieben Sanji und ich zurück und beobachteten trinkend unsere Freunde. Nicht lange Zeit verging, bevor sich der Blonde zu mir drehte und mich ansprach. „Nami steht auf mich“, sagte er bestimmt, bevor er aber unsicher weitersprach, „Glaubst du sie steht auf mich?“ Ich grinste ihn leicht an: „Als würde eine Frau wie Nami auf so’n Weiberarsch wie dir abfahren können.“ Sanji rammte seinen Ellenbogen in meine Seite und schüttelte belustigt den Kopf. „Du bist doch echt peinlich“, murmelte ich und wies mit dem Kopf auf Nami, die immer wieder zu meinem Freund rüber schielte, „Seit wann nimmst du dir überhaupt so viel Zeit mit 'ner Frau?“ Damit trank er seinen Drink aus und ging letztlich ebenfalls auf die Tanzfläche zu. Franky drängelte sich zeitgleich durch die Menschenmassen und gelang schließlich zu mir. „So allein?“ Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und er klopfte mir auf den Rücken. Ich nippte aus meiner Bierflasche und Franky erzählte mir etwas über das Set, das gerade gespielt wurde. „Und? Wie gefällt dir Montreal bisher?“, fragte ich ihn schließlich irgendwann, als es still zwischen uns wurde. „Als eingefleischter New Yorker hätte ich nicht mehr gedacht, dass ich irgendwo anders landen würde. Aber die Distanz ist überbrückbar, nach L.A. komme ich ohnehin schon seit Jahren nur sehr sporadisch. Und Montreal hat einen sehr eigenen Charme.“ „Dir ist also noch nicht langweilig?“ „Langweilig? Bro, New York saugt dich nur auf, um dich dann brutal auszuspucken! Make or break wie man sich so schön sagt“, hier lächelte er schief, einen nostalgischen Ausdruck im Blick. Dann fuhr er jedoch aufgemuntert fort: „Die Atmosphäre hier ist aber einfach der Wahnsinn! Und die Frauen! Brooo...“ Franky schaute mich vielsagend an während er seine gespielte Ungläubigkeit übertrieb. Zwinkernd schlug er mir dann wieder irgendwo im Bereich Rücken-Schulterblatt. Das schien er wohl ganz gern zu haben. „Aha. Also ist da schon jemand?“ „Ich würde nicht sagen, dass sie da ist, aber, man! würde ich sie nach Hause nehmen, wenn sie mich lassen würde!“ Ich lachte leicht und schaute auf die Tanzfläche hinaus. Franky war manchmal ganz schön abgedreht, ein waschechter Cali-Sunnyboy. Er war gut mit Ruffy zu vergleichen, nur dass er nicht die Reife eines elfjährigen Jungen hatte. Mein neuer Mitbewohner trank ebenfalls von seinem Bier und atmete zufrieden aus. „Ist es so offensichtlich, dass sie es ist?“ Ich drehte mich verwundert zu ihn um und verdaute seine Worte. Die Frau, an die er Interesse hegte, war eine unserer Mädels? Es standen Nami, Kaya, Robin und Nojiko zur Auswahl. Er musste wohl schon wissen, dass die ersten beiden so ziemlich vergeben waren, also blieben nur noch die ältere Morris und Ohara. Aus Impuls heraus sagte ich das erste, das mir in den Sinn kam: „... Robin?“ „Junge, ist sie heiß!“ Zu meiner Irritation, musste ich mir das Lachen diesmal erzwingen und als mir Jones zum vierten Mal an jener Nacht auf den Rücken klatschte, verspürte ich das dringende Bedürfnis ihm meine Faust ins Gesicht zu dreschen. Ebenfalls das Bedürfnis ihn, eher zusammenhangslos und trotzig, daran zu erinnern, dass Robin keine Kanadierin war. „Weißt du ob es da schon Einen gibt?“, fragte er anschließend. Ich schluckte schwer: „Nein, woher auch?“ „Tja, ein Versuch ist sie's dann alle Mal wert.“ Mein Bier trank ich aus und lief sodann wieder auf die Bar zu, während Franky sich wieder mal unter die Menschen mischte, seinen Worten wohl Folge leistend. Ich brauchte was Starkes. „Bourbon on the rocks“, schrie ich dem Barkeeper entgegen und er nickte verstehend. Franky stand also auf Robin. Super. Ich wurde von Minute zu Minute wütender, weil dieses Grummeln in meinem Magen und der aufkommende Würgereiz mit der Zeit nicht vergingen, sondern schlimmer wurden. Der Whisky wurde vor mich gestellt und ich trank ihn in einem Zug aus. „Noch einen. ‘nen Doppelten.“ Der Mann sah mich leicht verstört an, aber machte sich wieder an die Arbeit. Mir war einfach nur nach Kotzen. Diese Tatsache wiederrum verleitete mich dazu, mir den Zorn aus dem Leibe schreien zu wollen und irgendwas kaputt zu treten. Ich schnappte mir also mein zweites Glass dieser goldbraunen Flüssigkeit und begab mich ins Obergeschoss, wo sich die Dachterrasse befand. Dort angelangt atmete ich erstmals tief ein und lehnte mich schwer ans Gelände. Ich musste meine Gedanken und – zu meinem Unwohl – Gefühle in Ordnung bringen. Es war offensichtlich, dass ich eine enorme Frust empfand, die sich durch zwei extreme Gefühle gab. Zum einen war ich unglaublich wütend; wahrscheinlich hätte ich zu dem Zeitpunkt jemanden mit den bloßen Händen umbringen können. Der frustrierende Teil war aber eigentlich nicht der Zorn, sondern seine Ursache, an die ich mit aller Kraft nicht zu denken versuchte. Unterdrückung also. Leider kam ich aber nicht um den Zustand herum es gegebenenfalls zu tun, wenn ich mich beruhigen wollte. Und natürlich auch, weil ich das Gefühl hatte, jeden Moment reiern zu müssen. Ich atmete nochmals tief durch, ehe ich mich abstütze und mich auf einen freien Platz setze. Schon leicht außer Atem trank ich einen Schluck meines Bourbons und ließ den selbstverständlichen Ursprung meiner Erbärmlichkeit langsam in mein Bewusstsein dringen. Diese ganze Sache war mehr als nur außer Kontrolle geraten. Kaya hatte vor Monaten gemeint, dass eine gewisse Person dort drin was Fesselndes an sich hatte, aber ich hatte es damals uninteressiert abgestritten. Die Wahrheit war aber, dass mich dieser Jemand bereits seit unserem ersten Zusammentreffen gefesselt hatte und mit jedem Versuch, den ich tat, um davon weg zu kommen, verhäkelte ich mich nur noch mehr. Schließlich hatte ich also nachgegeben und eine freundliche Beziehung zur Betroffenen aufgebaut. Und damit schienen meine Probleme verschwunden zu sein, wie in Luft aufgelöst. Ich verspürte zu ihr nicht mehr diesen Groll, hervorgerufen durch Unwissen und gelichzeitiger Neugier, sondern tiefe Sympathie. Und bis zu jenem Zeitpunkt an dieser lauwarmen Frühlingsnacht, war alles in Ordnung gewesen. Bis zu jenem, verdammten, Zeitpunkt... Kapitel 4: Grenzen und Übergänge -------------------------------- How to Fall Out of Love - 04 Kuina und ich kannten uns praktisch schon unser ganzes Leben lang. Meine Eltern gingen als ich sieben war durch eine hässliche Scheidung. Heutzutage weiß ich, dass sie eines Tages an einen Punkt gelangt waren, an dem sie sich schlicht und einfach nicht mehr Leiden konnten. Diese Tatsache ist für mich unerklärlich, gar undenkbar, denn wie soll man beinahe fünfzehn Jahre in einer Beziehung, davon zehn in der Ehe, zusammenhalten und sich innig lieben, bevor man sich in wenigen Monaten, nicht mal einem ganzen Jahr, trennen lässt, weil man die bloße Anwesenheit des Anderen nicht ausstehen kann? Warum würde man den ernsten und für das Leben gedachte Kompromiss einer Heirat jemals in Betracht ziehen, wenn die Möglichkeit besteht, den einstigen Lebenspartner auf den Leib nicht aushalten zu können? Es ist zwar allgemein bekannt, dass die Jahre einen Menschen verändern und dass Geschehnisse im Leben jeden auf andere Weise prägen, aber nichts dergleichen ist bei meinen Eltern aufgetreten. Sie hatten schon seit Beginn eine gemütliche Routine, die sie gerne hatten und die sie nicht sonderlich belastete. Mit mir waren sie ohne überschüssigen Stress zurechtgekommen, aber trotzdem kam plötzlich ein Moment, an dem mein Vater und meine Mutter nicht mehr miteinander konnten. Vielleicht übersah ich ja etwas und dies ist mir bis zum heutigen Tage nicht aufgefallen, aber ihre Scheidung bleibt bis jetzt ein Rätsel für mich. Warum meine Mutter beinahe problemlos zuließ, dass ich mit meinem Vater nach Kanada zog, nur unter der Bedingung mich mindestens zwei Mal im Jahr für eine längere Zeit zu sehen, war für mich ebenfalls unverständlich. Gewissermaßen verletzend zwar, aber vor Allem unverständlich. Mit jungen acht Jahren war es dann, dass ich Kuina kennenlernte. Sie wohnte am Ende unserer Straße und ging zudem auch noch auf meine neue Schule. Als Kinder konnten wir uns wenig ab. Sie war mit ihrem alleinerziehenden Vater, ihrem Onkel und dessen zwei Söhne aufgewachsen und hatte folglich einen sehr starken, von Männern geprägten Charakter. Mr. Ando besaß ein Kendo Dojo, dem ich kurz nach meinem Umzug beitrat. Erstaunlich war es für mich, dass ich schnell zum besten Schüler meiner Gruppe wurde, mit Ausnahme von Kuina selbst, die ich nicht zu besiegen schaffte. Daher stand immer eine gewisse Rivalität zwischen uns. Sie ärgerte mich oft damit und zog mich auf; ich – meiner temperamentvollen Natur wegen – wurde fuchsteufelswild und trainierte nur noch härter. Die Wahrheit ist, dass ich nie die Gabe und das Talent in Kendo besitzen werde, mit denen Kuina geboren wurde. Ich bemerkte jedoch nicht, wie der Sieg über mich von Jahr zu Jahr schwieriger für sie wurde. Etwas, dass unsere Konkurrenz in dessen Höhepunkt steigen ließ, denn diese Tatsache beunruhigte und frustrierte meine Freundin sehr. Dann kam die High School. Ich war an einem Sommer mehr gewachsen als in drei Jahren zusammen, mein Testosteronspiegel ließ deutlich grüßen und erst jetzt gab sich mir die Möglichkeit, meine Stärke auf ihr volles Potenzial zu entwickeln. Kuinas erste Niederlage gegen mich war der Beginn unserer Liebe. Bemitleidenswert und ekelhaft zugleich ist also die Tatsache, dass der Gedanke an Kuina inzwischen jedes Mal etwas weiter in die Vergessenheit rückte, wenn ich mich an Robin erinnerte. Mittlerweile ist mir klar, dass dies die Wurzel meines Problems war. Es ist seltsam, wie sich Gefühle einfach so verändern können. Ich wünschte, sie könnten mehr mathematischen Formeln ähneln, dann wäre diese Welt wohl um einiges sorgenfreier. Ich wusste zu jenem Zeitpunkt gar nicht, wie schnell das passieren konnte und vor Allem, wie unerwartet. Rückblickend habe ich einiges aus dieser Zeit meines Lebens gelernt. Zum Beispiel, dass es ganz verschiedene Wege gibt, dem Partner fremdzugehen, es viel eher ein gebrochenes Vertrauen, als beispielsweise Sex ist, was den Betrug so schmerzlich macht. Seit meiner Erkenntnis an jener Nacht, an der mir Franky verdeutlichte, dass er Interesse an Ohara hätte, hatte ich Geschlechtsverkehr als Methode benutzt, um Robin aus meinem Kopf zu verjagen. Weil es zwischen mir und Kuina zu der Zeit nicht gerade gut lief, hatte sie wahrscheinlich gehofft, dass sich dadurch irgendwas in unserem Verhältnis bessern würde. Erst viel später musste ich feststellen, dass Konfliktpunkte nicht im Bett gelöst werden sollten. Dieser Ausweg entfachte nämlich noch weitere Probleme. Einerseits war es für uns nicht mehr ein Weg, um unsere Gefühle zueinander zu zeigen und ich schäme mich zu sagen, dass ich von Mal zu Mal distanzierter, gar rücksichtsloser wurde. Ich sah sie kaum noch vor mich, hoffte einfach nur, dass ich dadurch für einige Minuten abgelenkt werden konnte, aber das klappte mit der Zeit immer schlechter, sodass sich Frust in mir aufstaute. Und weil es immer schwieriger wurde Ohara aus meinem Kopf zu bekommen, passierte es gar, dass sie Mitten im Akt in meinen Gedanken aufpoppte... Erbärmlich! Hier war ich an einen Punkt gelangt, an dem ich nicht mehr mit Kuina schlafen konnte. Doch je mehr Zeit verging ohne, dass ich sexuell aktiv war, desto mehr sah ich Nico Robin auf sexuelle Weise. Und das konnte einfach nicht gut sein. Ich wünschte ich könnte sagen, dass die Dinge anders verlaufen sind. Dass ich als ehrenvolle Person dadrüber gestanden bin und dass ich gut von Liebe und Schwärmerei unterscheiden konnte. Aber dem war nicht so und dass alles mit Kuinas Tod geendet hat, werde ich mein ganzes Leben lang wissen. Und so soll es auch sein, immerhin sollte man für seine eigenen Vergehen büßen. Die ganze Lage war um einiges schlimmer geworden, als plötzlich Sanji begann einen Verdacht zu schöpfen. Seiner Meinung nach war es einfach nur seltsam, wie es immer schlechter zwischen mir und Kuina wurde, aber gleichzeitig immer besser mit Robin. „Junge, du hättest mir von Anfang an sagen können, dass sie dir gefällt. Dann hätte ich mir auch die ganze Anmacherei erspart, man!“, Franky grinste mir versöhnlich zu und verließ die Küche, aber ich schüttelte nur verstört den Kopf. Im Gegensatz zu ihm, der Kuinas und mein Verhältnis nur sehr oberflächlich mitbekommen hatte, schien mein langjähriger Kumpel jedoch wenig amüsiert. „Was um alles auf der Welt spielt sich hier ab?“ Auf Sanjis eher aufgebrachte Frage schaute ich nur verständnislos. Natürlich meinte er damit meinen Umgang mit Robin, die uns kurz zuvor einen kleinen Besuch abgestattet hatte. „Ist es denn so verdammt unmöglich, dass ich freundlich mit jemanden umgehe?“ Sanji atmete ungeduldig aus und erklärte mir: „Zoro. Dein Verhalten mit mir ist freundlich. Wie du mit Ruffy, Nami, Lysop und dem Rest von uns umgehst ist freundlich. Zu Kaya bist du dann sehr freundlich, aber das gerade eben – das überbietet Freundlichkeit, Freundchen.“ „Und worauf wollen Sie hinaus, Detective?“, entgegnete ich etwas drohend. Sanji wank unbeeindruckt von meiner Einstellung ab, schaute mich stattdessen strengt und verärgert an: „Ich hab gerade echt keine Lust hierdrauf, aber ich verlange von dir nur, dass du mich nicht anlügst.“ Damit war er es nun der ohne Verständnis auf mich blickte. „Und noch wichtiger: Lüg dich nicht selbst an, Zoro. Du weißt genau wo dich das früher als später hinführt.“ *** „Wieso fragst du mich das?“ Schweigend lief die Frau weiter und ich betrachtete ihre hochgewachsene Silhouette ein paar Schritte vor mir in der Dunkelheit. „Ich weiß so gut wie gar nichts über dich und Kuina, ich bin bloß neugierig.“ Ich ließ ihre Worte einsinken, während wir bei Rot anhielten. Ehrlichgesagt war mir dieser Gesprächsstoff unangenehm und ich wusste genau, dass sie es sein lassen würde, wenn ich ihr das sagte. Allerdings hatte sie mir auch Sachen anvertraut, über die sie ungern sprach, viel schlimmere. Deswegen erschien mir das bei Robin nicht als Grund genug. „Also?“ Die Antwort zu ihrer Frage hatte ich zum ersten Mal gekannt, als ich realisiert hatte, dass ich in Kuina Ando verliebt war. Sie war überhaupt der Grund meiner Erleuchtung, die ich mit unerfahrenen vierzehn Jahren gehabt hatte. Aber inzwischen schien sie schon beinahe vollkommen aus meinem Blickfeld getreten zu sein. „Ich... weiß nicht.“ Nico drehte sich abrupt zu mir um, ihre dunklen Haare schwangen mit und ich sah wie das Blau ihrer Augen kurz von dem schwachen Straßenlicht reflektiert wurde. Ungläubig grinste sie mich an. „Willst du mir also ernsthaft sagen, dass du nicht weißt, was dich an diese eine Frau schon seit über einem Drittel deines Lebens bindet?“ „Es ist kompliziert“, sagte ich knapp und überholte sie. „Wie auch sonst?“, murmelte sie neckisch und ich hörte das unterdrückte Lachen in ihrer Stimme. „Als würdest du es besser wissen!“, erwiderte ich provozierend und ließ sie mich einholen, „Woher weißt du, wann du jemanden liebst?“ Robins Lächeln verblasste ein klein wenig und ich merkte, wie ich einen schwachen Punkt an ihr gedrückt hatte, aber sie entgegnete mir aufrichtig: „Dazu fehlt mir offengesagt die Lebenserfahrung.“ Ich verlangsamte den Schritt und kam mir wie der letzte Volltrottel vor. Ich war nicht sonderlich tauglich, wenn es darum ging Leute zu trösten, Kuina hatte mir das schon immer vorgeworfen. Nicht, dass sie mich deswegen verurteilte, sie lernte schnell damit umzugehen, mit der Erklärung, ich wäre in heiklen Situationen rücksichtsvoll und besäße plötzliches Taktgefühl. Dass Ohara nie in ihrem Leben wahre Liebe gefühlt hatte, war zwar etwas traurig und erstaunlich, aber mich hätte es dennoch nicht verwundern sollen. „Na und?“ Ich bemerkte, wie Robin belustigt zu mir aufschaute und meine Absichten durchblickte. „Du lenkst grad von dir selbst ab! Wie sind wir jetzt auf mich gekommen?“ „Ich hab dir ja ehrlich geantwortet und du bist so dreist und lachst mich aus“, erwiderte ich entrüstet und Robin lachte laut auf, „Na los! Lass sehen, ob du das jetzt besser hinbekommst.“ Ihr Lachen hallte nach und noch schmunzelnd nahm sie sich einen ehrlichen Moment, ehe sie entgegnete: „Sobald ich merke, dass ich mit ihm glücklich bin.“ „Das war's?“, rief ich unzufrieden, „Du hast wirklich keine Ahnung.“ Robin schaute mich grinsend, aber tadelnd an und stupste ihren Ellenbogen an meinen Arm. „Mal ehrlich“, sagte ich dann ernsthafter, „Das ist ja wohl nicht alles.“ Die Schwarzhaarige seufzte tief und schaute überlegend gen Himmel. Während wir wenige Meter weiterliefen, kamen wir langsam vor ihrer Residenz zum Halt. Langsam und bedacht erklärte sie: „Ich schätze, dass auf einmal ein Moment gekommen ist, wo sich alles um ihn dreht. Ich denke dauernd an ihn, möchte immer bei ihm sein und...“ Wir liefen die wenigen Treppen zum Haupteingang des Gebäudes hinauf und ich blieb eine Stufe vor sie stehen. „... er ist jederzeit das Highlight meines Tages.“ Etwas in mir wurde ruckartig ernst. Ihre Stimme hatte leicht gezittert, sie hatte bei jedem Ansatz gezögert und jetzt wo wir uns gegenüber standen erkannte ich einen schwachen Rotschimmer auf ihren Wangen. „Du hast im Präsens geredet.“ „Was?“ Sie hatte verdammt noch mal im Präsens geredet! Ihre Reaktion versicherte mir, dass dies kein unbedeutender Aspekt war. Und dazu bewegte sie sich nicht vom Fleck. Ihr Atem war etwas unregelmäßig, ihre Hände zitterten unmerklich, sie schien etwas verunsichert. Aber sie bewegte sich dennoch kein bisschen vom Fleck! „Wenn du mich fragst, Robin, dann hast du doch mehr Lebenserfahrung als du denkst.“ Es gibt Momente, an die man sich nicht erinnern möchte. Nicht an den Blicken, den frechen, seduktiven Worten, dessen Wichtigkeit und Bedeutung erst im Nachhinein klar werden, und vor Allem nicht an den subtilen, reflexartigen Berührungen. Ab irgendeinem unerwarteten Punkt sieht man nur noch eine Frage in den Augen, etwas, das sich bald in einen Wunsch verwandelt. Die Wärme ergänzt sich durch die des anderen, der Abstand wird verringert, die Augen fallen zu. Und dann – endlich! – spürt man den Druck auf den Mund, die feuchte Hitze, das unvergessliche Gefühl von Lippen auf den eigenen, das Kitzeln der Zunge, den betäubenden Geschmack eines Mundes. Bis diese paar Sekunden, dieser Kuss, schlicht und einfach vorbei sind. Robins Hände wanderten von meinen Haaren, über meinen Nacken, zu meinen Schultern runter und sie drückte mich leicht von sich. Sie lächelte, wie sie es eigentlich immer tat, den Blick undefiniert auf meine Brust gerichtet, und biss sich auf die Unterlippe. Ich fühlte mich wie in Trance. Ich war taub und doch übersinnlich. Alles woran ich denken konnte, war, sie wieder festzuhalten und weiterhin von ihrem süßlichen Geschmack zu kosten. Deswegen stieg ich den letzten Schritt zu ihr rauf, zog sie mit einer Umarmung an mich und küsste sie erneut. Und für einen kurzen Augenblick vernahm ich auch ihre Lust. Etwas intensives in der Weise, in der sie sich mir anlehnte. Das kaum merkbare Zittern ihres Atems. Das unbewusste Kratzen ihrer Nägel an meinem Nacken... Es machte mich fast wahnsinnig! Aber in Wirklichkeit verging nur wenige Zeit, bis Robin ihre Hände sanft an meine Wangen presste und den Kuss wiederholt beendete. „Zoro“, keuchte sie leise und lehnte meine Stirn an ihre. „Was?“, erwiderte ich ungeduldig, nahm ihren Geruch deutlicher wahr als je zuvor, drückte sie an der Taille noch dichter an mich und mein ganzer Körper schien zu beben, weil ich sie sehr bewusst in meiner Nähe spürte. „Kuina...“ Kapitel 5: Endlose Sekunden --------------------------- How to Fall Out of Love - 05 Ich betrat meine Wohnung, lies die Tür leise hinter mich ins Schloss fallen und streifte die Schuhe ab, während ich abwesend die Schlüssel auf das Schlüsselbrett hing, das Lysop uns im ersten Jahr angedreht hatte. Eine Weile lang verharrte ich in dieser Position, bis mich irgendwas aus meinen leeren Gedanken riss und ich mich erstaunt in dem kleinen Spiegel zu meiner Rechten wiedererkannte. Der Anblick löste einen seltsamen Emotionswall in mir aus, sodass ich mich hastig davon abwandte und stattdessen zielstrebig auf die Küche zuging. Nebensächlich betätigte ich den Lichtschalter an der türlosen Öffnung, bewegte mich mechanisch auf ein spezifisches Regal zu und kramte mich nach hinten durch, bis ich mit den Händen auf die Sakeflasche stieß, die ich gesucht hatte. Mit einem schweren Seufzer ließ ich mich vor dem runden Frühstückstisch an einer Ecke des Raumes nieder, füllte den ochoko bis zum Rand voll, kippte die klare Flüssigkeit mit einem Schluck runter und schaute sodann auf die sonst stille und dunkle Wohnung hinaus. War Sanji noch arbeiten? Und Jones? Gerade als ich dazu imstande war, mir ein weiteres Glas Sake einzugießen vernahm ich, über die Küchentheke hinaus, im Wohnzimmer, einen Schatten. Ich stockte. „Hi.“ Stumm aber mit einer plötzlichen Verhärtung um die Brust beobachtete ich die dunkle Figur dabei, wie sie sich, einen Bogen um die Theke machend, dem Licht und mir näherte, bis ich schließlich auf das müde Gesicht von Kuina blickte. Ich schaute sie schweigend an und sie erklärte: „Franky hat mich reingelassen.“ Aus meiner dümmlichen Perplexität herausgekommen nickte ich irgendwann und schaute etwas beklommen auf meine Hände hinab wo sich immer noch die Sakeflasche und der ochoko Becher befanden. „Wo sind alle?“, fragte ich und huschte mit dem Blick kurz zu meiner Freundin. „...Schlafen“, kam ihre etwas irritierte Antwort. Instinktiv schaute ich auf die Küchenuhr. 1:13 Uhr. „Es ist spät“, sprach sie meinen Gedanken laut aus und ich kam mir unheimlich dämlich vor. Kuina schaute nun ebenfalls auf den Sake vor mir, kam bedacht auf mich zu und sagte: „Sorry. Ich hab versucht dich zu erreichen...“ Ich schüttelte den Kopf, um ihr zu signalisieren, dass sie sich nicht entschuldigen brauchte und sie setzte sich neben mich. „Akku ist leer gegangen“, erläuterte ich, wies mit einer Kopfbewegung auf das am Tresen angeschlossene Mobiltelefon. Sie nickte. Nach einem fragenden Blick von mir und einer zustimmenden Kopfbewegung ihrerseits, erhob ich mich, holte einen weiteren Becher, den ich vor ihr absetzte, um mich dann wieder auf meinen Platz niederzulassen. Ich schenkte ihr ein. Wir stießen schweigend an und tranken aus. Die Stimmung war bedrückend und die Stille lastete schwer im Raum. Ich realisierte, dass meine bis dahin anhaltende Abwesenheit bloße, wenn auch effektive, Unterdrückung war. Denn Kuinas Anwesenheit zwang mich, mich der Realität zu stellen. Unmerklich richtete ich meinen Blick auf sie und ein scharfer Stich bohrte sich in meine Brust, als ich sie sah. Sie schaute starr auf ihren Schoß runter; eine Träne hatte sich bis zu ihrem Kinn durchgebahnt. Ich spürte auf Einem die Trockenheit in meinem Mund und Rachen und schluckte schwer. Unsicher griff ich nach ihrer Hand, doch sie zog diese, noch ehe die Geste vollbracht war, von mir weg und klammerte sich stattdessen an ihrem Sakebecher. „Was ist mit uns?“, flüsterte sie, noch weiterhin den Kopf hängend. Ich hörte die erstickten Tränen aus ihrer Stimme raus und fühlte mich langsam elend. Ich fand keine Antwort darauf. „Es ist nicht okay, Zoro“, hauchte sie nach einem unerträglichen Schweigen, während sie sich die eine Träne wegwischte, doch auf diese folgten zwei weitere. Ein leises Schniefen und sie ergänzte etwas lauter: „Wir sind nicht okay.“ Mein Magen verkrampfte bei dem Anblick, dem Klang ihrer weichen, fast gebrochenen Stimme. Einen beinahe unendlichen Augenblick später fand ich schließlich meine eigene wieder. „Ich weiß“, erkannte ich diese Tatsache letztlich, nach so langer Zeit, verbal vor ihr an und Kuina brach endgültig in Tränen aus. Wiedermals, doch diesmal bestimmter, reichte ich nach ihrer Hand und so verweilten wir eine Weile lang in unserer traurigen Labilität. Mein Herz zog sich quälend zusammen, während ich ihrem leisen Schluchzen zuhörte. Ich zwang mich, nicht der schwindelerregenden Dissonanz in mir zu verfallen – die eindringliche Überzeugung, andernfalls verrückt zu werden, überkam mich dabei. Das Schlimmste war aber, dass mir die Worte ausblieben. Und ich fühlte, dass dieser Umstand meine Freundin schlicht verzweifelte. Die menschenkennende, analytische Seite in mir schien sich dabei nur vor bemitleidendem Selbstekel schütteln zu wollen. Sie verstand nämlich, wie wichtig es gewesen wäre, die kleinste, verständniserweisende Rückmeldung auf Kuinas Unsicherheiten zu haben. Diese menschenkennende, analytische Seite wusste, dass ich mich feige davor sträubte das überhaupt zu versuchen. Aber erst jetzt weiß ich: Ich hatte abgrundtiefe Angst davor. Das erlaubte mir nicht, rational und ruhig der Situation gegenüber zu stehen. Stattdessen musste ich feststellen, dass mein erbärmlicher Versuch, die Wahrheit – seit bereits schon Wochen! – zu ignorieren, ersticken, schlicht nicht anzuerkennen vollends gescheitert war, nur um mir mit noch größerer Wucht die Konsequenzen ins Gewissen zu schleudern. Kuina zog plötzlich und verärgert ihre Hand von meiner. Verletzt, aber zumindest ein wenig zu ihrem gewöhnlichen Selbst zurückgekehrt, fragte sie vehement: „Wo warst du, verdammt!“ Die Antwort, die ich schon seit einer Stunde kaum zu verdrängen schaffte, brachte ich immer noch nicht auf. Stattdessen entgegnete ich: „Einige sind noch in der Kneipe was Trinken gewesen...“ Kuina fauchte spottend auf: „Seit vier?“ Ich blieb stumm. Sie kannte meinen Stundenplan sowie die routinisierten Barbesuche unserer Freundesgruppe. „Nein“, verkündete sie sogleich, „Wo bist du an einem Dienstag unerwartet bis ein Uhr früh gewesen, wo doch der Rest deiner Begleitung schon längst nach Hause ist?“ Fest schaute ich meiner Freundin ins Gesicht, doch jegliche Erwiderung auf ihre Fragen und Aussagen blieb weiterhin aus. Kuina schüttelte ungläubig den Kopf und stieß ein verächtliches Schnauben aus. Ruckartig stand sie auf. Ich tat es ihr gleich. Auf ihren mahnenden Blick ging ich nicht ein, stattdessen bewegte ich mich um den Tisch auf sie zu. Und in einem unerwarteten Moment, während ich sie ansah, fand ich ihn wieder. Der Grund, warum ich die Frau vor mir, meine Partnerin, liebte. Langsam nahm ich ihre Hand, verhakte unsere Finger ineinander und legte meinen Arm um ihre Schultern, sodass sich unsere Körper aneinander schmiegten. Kuina stand still. In diesem Moment der Ruhe hauchte ich ihr einen Kuss auf die Stirn, stütze meinen Kinn auf ihren Kopf ab. Ihre Hand legte sich auf meinen Rücken und ich schloss die Augen. Ich liebe sie. Eine bedrückende Rastlosigkeit überkam plötzlich meine Gedanken. Ich liebe sie. Fast krampfhaft, in völliger Hektik, hielt ich mich an dieser Erkenntnis, diesem Gefühl, fest. Ichliebesieichliebesieich- Ich liebe sie! Mein Herzschlag verschnellerte sich. Zaghaft hob Kuina ihren Kopf von meiner hämmernden Brust und ich schaute auf sie runter. Irgendwas Fragendes, Suchendes, stand in ihren Augen. Vorsichtig beugte ich mich zu ihr runter. Unsere Lippen berührten sich, fast schüchtern drückte ich ihr einen Kuss auf den Mund. Sie war unsicher, vielleicht nicht überzeugt, und die Frage in ihrem Blick war nicht gewichen. Meine freie Hand wanderte ihren Rücken runter, an ihrem Kreuz drückte ich sie näher an mich. Unbewusst legte sie den Kopf ein wenig schief, wand ihren fragenden Blick endlich von mir ab, schaute stattdessen meine Lippen an und ich küsste sie. Dann wieder. Und wieder. Ich liebe sie. Eine Steifheit verließ ihren Körper. Während sich mein Arm um ihre Hüfte schlang, strich sie ihre Hand meinen Rücken rauf. Ihr Mund öffnete sich und ich spürte die Feuchtigkeit ihrer Zunge an meinen Lippen, das leicht kitzelnde Gefühl ihrer Finger an meinem Nacken, ein angedeutetes Kratzen- Schlagartig zog ich mich von dem Kuss zurück. Ich schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. Die bebende Erwartung zwischen uns erstreckte den Moment – denn es war nichts mehr als das – in die Länge. Beinahe eine Ewigkeit verging und doch offenbarte sich dabei die Schrecksekunde, die es eigentlich gewesen war, hatte ich ihren Gesichtsausdruck auf meinen Impuls hin nicht einmal wirklich registrieren können. Schon hatte sie sich grob von mir frei gemacht, mir den Rücken gekehrt und sich der Öffnung hin zum Gang zubewegt. An der Schwelle blieb sie aber jäh stehen. Sie zitterte. Ich biss mir auf die Lippen und mein Gesicht zog sich schmerzerfüllt, beschämt, schuldig zusammen. Ein heftiges Schaudern schüttelte noch einmal ihren gesamten Körper bevor sie ihre Schultern stramm nach hinten streckte und rechts in den Eingangsflur bog. Nur verzögert konnte ich ihr endlich nachgehen. „Kuina, bleib“, bat ich sie, während sie in ihre Schuhe stieg, „Es ist spät, bitte bleib!“ Meine Hände langten automatisch nach ihr, aber meine Bewegung erstarrte in der Luft, als Kuina abrupt, fast angewidert, vor meiner Berührung wegzuckte und dabei eine Hand in die Höhe schießen ließ. Sie fixierte mich mit ihrem harten Blick. Ihr Gesicht war von Trauer und Zorn durchzogen und eine erschütternde Angst packte mich, als ich diese Kombination auf ihrem Antlitz identifizierte. Ihre Stimme war kratzig und hasserfüllt als sie sprach: „Wehe du folgst mir.“ Damit riss sie ihre leichte Sommerjacke aus einem der Kleiderhaken neben uns, öffnete nach drei Schritten die Eingangstür, um sie dann laut hinter sich ins Schloss zu werfen. Regungslos schaute ich auf die hölzerne Tür vor mir und merkte nicht, dass ich den Atem angehalten hatte. Gebannt konnte ich nur ihren gehetzten Schritten auf den steinernen Stufen zuhören, bis ich das Zufallen der Eingangstür, mehrere Stockwerke unter uns, erkannte und daraufhin eine schrille Stille einsetzte. Eine bekannte und doch vergessene Feuchtigkeit stieg in meine Augen. Erst ein leises Geräusch irgendwo weiter entfernt löste mich unsanft von meiner Starre und wie in einem Déjà-vu erblickte ich das Spiegelbild neben mir. Ich blinzelte. „-eh da jetzt raus“, vernahm ich eine kaum hörbare, abgedämpfte Stimme gefolgt von einem Rascheln und stumpfen Klopfen auf dem Boden. Mich wieder von meiner Reflektion abwendend, konzentrierte ich mich. „-ji, nein!“, erkannte ich eine zweite Person nun besser, „Gib ih- ... seinen Raum...“ Unruhig machte ich auf dem Absatz kehrt und lief eilig zur Küche zurück. Nami und Sanji waren anscheinend wach oder aufgewacht. In jedem Fall konnte und wollte ich keinem von beiden entgegentreten. Hektisch gruben sich meine Finger wieder durch das Regal, aus dem ich den Sake geholt hatte und ich fischte bald ein anderes Gefäß raus. Ich richtete mich von meiner hockenden Stellung auf, schnappte das Handy, drehte das Licht am Schalter an der Öffnung zur Küche ab und bewegte mich, diesmal nach links abbiegend, in den kurzen Flurabschnitt hin zum Wohnzimmer rein. Ich hatte einen einzigen Schritt aus der Küche getan, ehe ich unvermittelt stehen blieb. Das schwache Lampenlicht in seinem Zimmer erlosch schrittweise, als Sanji die Tür zu seinem Schlafraum leise zumachte. Ich erkannte trotz der Dunkelheit, die nur schwach von den großen Fenstern im Wohnzimmer hinter ihm verdrängt wurde, dass er mich anschaute. Ansonsten war auch er unbeweglich und hatte immer noch nicht die Hand von dem Türgriff weggenommen. Eine weitere Welle von Unruhe überkam mich als er mir nur ein schwaches „Hey“ entgegenwarf. Doch gleichzeitig erlangte ich dadurch auch wieder Kontrolle über meinen Körper und ich setzte mich in Bewegung. „Nacht!“, brummte ich ihm gepresst zur Antwort entgegen, schon zielstrebig auf mein Zimmer zuschreitend, das tiefer in der Wohnung, direkt am Wohnzimmer angrenzend und neben Sanjis lag. Als ich schon beinahe an ihm vorbeigegangen war, packte er mich am Oberarm und brachte mich abermals zum Halt. Mit meiner Fassung ringend wand ich mich unfreundlich zu ihm, doch sein Ausdruck ließ mich für den kürzesten Augenblick innehalten. Sanji ließ von meinem Arm ab, nicht aber von meinem Blick. Einen Moment lang vergaß ich mich, während ich versuchte mich daran zu erinnern, wann ich diesen Ausdruck schon mal an ihm gesehen hatte. Hatte ich nicht. Langsam löste sich sein prüfender Blick von meinem Gesicht und er schweifte mit diesem stattdessen runter, bis er an der Whiskyflasche in meiner Hand hängen blieb. Wieder suchten mich seine Augen und diesmal erkannte ich die Sorge in ihnen deutlich. Wortlos legte er die Hand auf meine Schulter. Er drückte ein paar Sekunden lang, gab mich anschließend damit frei. Behutsam presste er die Türklinke zu seinem Zimmer runter und ich huschte rasch in meins. Dort schraubte ich sofort die Flasche auf, nahm drei, vier großzügige Schlucke und entledigte mich gestresst meines Shirts. Während ich schon fieberhaft zunächst meinen Schreibtisch, dann den Hocker neben meinem Bett durchwühlte, trank ich aus der Flasche, stellte sie dann auf ersteren ab. Auf dem braunen Sessel an einer Ecke des Raumes fand ich endlich die Kopfhörer, die ich gesucht hatte und tauschte sodann meine Jeans gegen Shorts aus. Unverhofft, aber sehr bewusst, blieb ich zum ersten Mal seitdem ich die Wohnung betreten hatte, still stehen und atmete ein. Die gut verdrängte, schwindelerregende Dissonanz in mir regte sich wieder und damit auch das wahrlich unangenehme Gefühl, durch sie, dem Wahnsinn verfallen zu können. Kurz vernahm ich die zwei Pole, die so gewaltsam an mir, an meinem Verstand und meinen Gefühlen, zerrten. Zwei Frauen. Zwei Geschichten. Zwei Perspektiven. Aber ich konnte einfach nicht. Ich konnte nicht daran denken. Mit einer tiefen Exhalation war meine Entscheidung fundiert. Ich reichte nach der Flasche auf dem Tisch, trank, und ließ meinen Nacken knacken, während ich den Kopf kreiste. Mit freien Händen hakte ich meine Finger ein, drehte die Handflächen von mir weg und streckte die Arme nach vorne aus. Dann zückte ich das Handy, schloss es wieder an eine Stromquelle an und erhaschte dabei zufällig die Uhrzeit: Fünf vor zwei. Vor keine zwei Stunden... Aber ein weiterer Atemzug leitete meine Gedanken bemüht um. Ich tippte auf Play. Meine gesamte Aufmerksamkeit würde in den nächsten Stunden nur noch drei Sachen gewidmet sein: Dem Metal, der nun aus meinen Kopfhörern donnerte und den ich eigentlich schon seit meiner Jugend kaum mehr aktiv hörte. Dem Whisky auf meinem vollgestellten, unordentlichen Schreibtisch. Und den Klimmzügen oder anderen Trainingsaktivitäten, denen ich verbissen nachgehen würde, bis das Stimmengewirr in meinem Kopf endgültig abebbte und in mir nichts anderes mehr zurückblieb, als das Bedürfnis, schlafend in mich einzusacken. Kapitel 6: Curious Cat ---------------------- How to Fall out of Love - 06 Sanji sah niedergeschlagen aus, als er wieder in sein Zimmer trat. Diese Tatsache sowie die kurze Dauer und Stille, die sein Raustreten charakterisiert hatten, ließen mich wissen, dass seine Erwartungen nicht erfüllt worden waren. Mit dieser Einsicht entschloss ich mich, ihn nicht daran zu erinnern, dass er meinen Worten hätte nachgehen sollen. Außerdem war auch ich eigentlich neugierig, obwohl ich ihn davon abgeraten hatte sich in Zoros Beziehungschaos einzumischen. Zumindest nicht so und nicht dann. Dennoch. Ein nicht ganz unbedeutender Teil in mir wollte der Sache nun auf den Grund gehen, jetzt wo sich doch so eindeutig gezeigt hatte, dass irgendwas an diesem mürrischen Eisklotz zu bröckeln begonnen hatte. Als sich Sanji seufzend den seidenen Morgenmantel abstreifte schaute ich ihn deshalb erwartend an. „Whisky“, entgegnete er auf meine wortlose Frage und setzte sich mit mir aufs Bett, „Das ist selten ein gutes Zeichen.“ Wohl noch etwas gedankenverloren reckte er sich über mich, um nach seinem Tabakzeug auf dem Nachttisch neben mir zu greifen. „Sorry“, lächelte er mich krumm an, einen dünnen Filter bereits am Mundwinkel geklemmt. Ich zuckte nur die Schultern. Stumm beobachtete ich, wie er ein milchig-transparentes Blättchen aus dem Inneren des Tütchens rausfingerte, um es sogleich mit Tabak zu besprenkeln. Während er den Klebestreifen der bereits gerollten Zigarette mit einer präzisen Kopfdrehung nach rechts ableckte, richtete er sich auf ein Knie auf, erhob sich zur Hälfte und zog den Griff des Dachfensters über uns nach unten. Eine angenehme Briese empfing uns und Sanji setzte sich wieder neben mich, strich das klebrige Papier mit Daumen und Zeigefinger sanft zusammen. Ich schmunzelte innerlich. Sanji war in fast jeder Hinsicht einfach nur elegant. Ihm dabei zuzusehen, wie er etwas mit seinen schlanken Händen und filigranen Fingern bearbeitete – beim Reden, Kochen, Rauchen – hatte jedes Mal eine Sogwirkung auf mich. Diesen Aspekt seiner Feinmotorik hatte er definitiv gemeistert. Auch seine Körperhaltung hatte etwas Anmutiges, das ihm inhärent innewohnte. Nicht selten kam ich mir neben ihm wie ein regelrechtes Trampeltier vor und es fiel mir manchmal schwer, dadurch nicht in Selbstzweifel zu geraten. Etwas, das mich so gar nicht auszeichnete und mich womöglich zu ihm hinzog, denn er war außerdem gut darin, mich von diesen Sorgen, ohne sie aussprechen zu müssen, zu entlasten. Der krönende Abschluss zu Sanjis Eleganz war sein Geschmack: schlicht und edel. Das verriet bereits ein Blick durch seinen Schlafraum; dezent in sanften Grau- und Beigetönen gehalten und minimalistisch, aber teuer, eingerichtet. Allerdings hatte meine Geduld Grenzen und diese, so wusste ich, waren nicht gerade weitläufig. Eigentlich klammerte ich mich nur angestrengt an mein schon ziemlich verstreutes Taktgefühl und statt den Blonden auf meine sonst so direkte Art gleich mit Fragen zu durchlöchern, tat ich dies mit einem eher aufdringlichen Blick. Sanji vernahm das auf der Stelle und schaute mich offen an. Als ich mir aber immer noch das Verlauten meiner Neugierde verkniff, zog er verwundert eine Braue in die Höhe. Langsam – zu langsam! – entspannten sich seine Gesichtszüge zu einer etwas verständnisvolleren Form des Vorherigen, bis er mich endlich herzlich angrinste. „Was ist, mein Lämmermätzchen?“, fragte er neckisch, aber meine Ungeduld erlaubte mir nicht, darauf weiter einzugehen oder mich darüber zu ärgern. „Es war so leise“, sagte ich nur sachlich, weiterhin den nervösen Drang in mir zügelnd. Sanji lächelte wissend, während er sich von mir abwandte und zog wieder an seiner Zigarette. Kurz schien er zu zögern oder aber nur ehrlich zu überlegen, ehe er, eine Rauchwolke ausstoßend, erklärte: „Es geht ihm glaube ich schon länger nicht wirklich gut und darüber reden tut er ja nicht. Jetzt ist wohl der unvermeidliche Kipppunkt gekommen.“ Ich nickte und entspannte mich etwas mit dieser neuerlangten Information. Nachdenklich rutschte ich von meiner sitzenden Position tiefer ins Bett, bis ich mich mit dem Kopf irgendwo zwischen Sanjis Brust und Bauch niederließ. Seine Hand fuhr augenblicklich meinen Arm entlang, strich über meine Stirn, streifte sanft, aber bestimmt meine Stirnfransen nach hinten und verweilte dann kraulend auf meinem Kopf. Ich genoss seine zärtliche Berührung, aber meine Gedanken waren bereits zu tief in die Ereignisse von vor nur wenigen Minuten versunken und ich war mir sicher, dass es bei Sanji wohl auch nicht anders laufen konnte, schließlich konnte man sagen, dass Zoro, gewissermaßen, sein bester Freund war. Zudem... Seit einer guten Weile hatte sich ein Verdacht in mir eingeschlichen. Es war ein subtiles und eher unauffälliges Gefühl, aber der Gedanke, oder eher die Frage, war in letzter Zeit immer wieder in mir aufgekommen, sodass ich nun eine Gelegenheit erkannte, diesen, selbst wenn nur für mich, auf die Welt zu setzen. „Wie ist er eigentlich? Mit Kuina meine ich. Wie sind sie miteinander?“, fragte ich ihn ehrlich interessiert, fügte aber auf sein knappes „Hm?“ noch hinzu, „Halt... eigentlich?“ Schweigend nippte Sanji an dem glühenden Stängel und wägte seine Antwort ab. „Sie zanken und provozieren sich ständig“, sagte er und ich vernahm das Grinsen in seiner Stimme, „Hitzköpfe eben.“ Hier drückte er mich mit Oberarm und Ellenbogen kurz stärker an seine Seite und ich kicherte, war doch diese temperamentvolle Ader was, das ich mit beiden gemein hatte. „Nicht ernsthaft, natürlich. Das tun sie, wie gerade eben, komischerweise nur auf Japanisch. ... Manchmal sind sie wirklich ein und dieselbe Person und nach so vielen Jahren brauchen sie oft keine Worte, um miteinander zu kommunizieren. Was ich passend finde, da keiner von ihnen sonderlich gut darin ist, über Gefühle zu sprechen. Aber...“ Meinem Freund entging ein aufrichtiges Seufzen und nach einer Weile ergänzte er ernsthafter: „Um ehrlich zu sein: er liebt sie. Würde ich Zoro außerhalb seiner Beziehung mit Kuina kennengelernt haben, würde ich ihn wahrscheinlich immer noch für den miesepetrigen, unbeweglichen, sturen Bock halten, den er so gerne raushängen lässt. Durch sie ist er... sanfter. Eigentlich.“ Mein Kopf rutschte ein wenig rauf, als Sanji sich wieder etwas aufrichtete, um den Aschenbecher auf meiner Seite des Bettes neben sich zu platzieren und seine Kippe darin auszudrücken. Sogleich fand er sich in seine vorherige Position zurück und umschloss mich nun mit beiden Armen. Ich erwiderte die liebevolle Geste, indem ich das Bein um seine warf und mich enger an ihn kuschelte, aber wagte mich bald wieder an mein Vorhaben. „Ja. Zoro ist außerhalb seiner Beziehung sehr selektiv, wenn es darum geht seine sanfte Seite zu zeigen“, setzte ich an, „Die habe ich bisher nur ein paar Mal bezeugen dürfen.“ Diesmal zögerte Sanji eindeutig bevor er, sehr stockend, den Grünhaarigen in Schutz nahm: „Im Grunde ist er ja freundlich... oder zu allermindest höflich. Solange er keinen Grund für das Gegenteil findet. Und nicht gleich genervt ist.“ „Stimmt“, erkannte ich dies prompt an und grinste auf seine Erläuterung hin, kringelte mit dem Finger inzwischen kleine Schleifen auf seinem Bauch, „aber es gibt einen Unterschied zwischen Freundlichkeit und Zuwendung.“ Abermals wurde meine Aussage mit Schweigen empfangen. Im nächsten Moment fühlte ich jedoch, dass Sanji ruckartig den Kopf in meine Richtung senkte, sodass ich meinen in den Nacken legte, um seinem Blick zu begegnen. Er war ernst, seine seltsam geschwungenen Augenbrauen kaum merklich zusammengezogen und etwas Zweifelndes in den Augen. Nanu? Auch ich schaute ihn nun ein wenig verwundert an. Hatte ich ihn jetzt wirklich... verärgert? „Nami, sprichst du von dir?“, fragte er zwar ruhig, aber weiterhin ernst. Ich verdrehte zur Antwort nur demonstrativ die Augen. Innerlich war ich jedoch ziemlich erleichtert, da mir nicht in den Sinn gekommen war, dass Sanji das so auffassen und davon gekränkt sein könnte. Als sein dringlicher Blick sich allerdings immer noch nicht aufgehellt hatte, wusste ich, dass es ihm doch noch um was anderes ging, er eigentlich zu keinem Zeitpunkt geglaubt hatte, dass ich mich selbst meinte, als ich Zoros Zuneigungstendenzen angeschnitten hatte. Nein, Sanji hatte langsam verstanden, worauf ich hinauswollte. Irritiert richtete er sich grade auf, sodass ich den Kopf von ihm erhob, während er den Oberkörper zu mir wandte: „Warum habe ich das Gefühl, dass selbst Kaya nicht damit gemeint ist?“ Auch ich stützte mich an der Hand ab und setzte mich aufrecht hin, schaute ihm unverhohlen ins Gesicht, aus dem kein Augenblick lang seine wachsende, fast kritische Skepsis gewichen war. Ich zuckte die Schultern. „Was weißt du?“ Seine unvermittelte, trockene Frage traf mich recht unerwartet. „Was weißt du?“ „N-ichts...?“ Ein einziges, nonchalantes Kopfnicken meinerseits: „Okay.“ „Warte... wovon sprechen wir hier eigentlich?“ „Na, von Zoro!“ „Ja, aber...” „Ja, gut. Zoro und ihr halt.“ „...Zoro und Robin?“ Oh, Gott! „Robin?“ Sanji öffnete zur Erwiderung den Mund, stockte aber gerade als er dafür Luft einholte, die ihm dann wortwörtlich im Rachen steckenblieb. Stöhnend schloss er die Augen und schüttelte den Kopf: „Nami!“ „Robin?!“, fragte ich ihn allerdings nur, diesmal lauter und erstaunter, „Was hat sie bitte mit dem zu tun, was gerade zwischen Zoro und Kuina vorgefallen ist?“ An meinem Verdacht war also tatsächlich etwas dran, wenn sogar Sanji mit ihrem Namen rausrückte! Resigniert schnalzte er die Zunge. „Ach...!“, kam seine frustriert klingende Antwort, „Ich weiß ja auch nicht!“ In der Zwischenzeit hatte er sich erneut nach seinem Tabak getastet und war gerade dabei sich eine weitere Zigarette zu drehen. Dass Sanji schon so was wie Entnervung mir gegenüber, oder irgendeiner Frau gegenüber, offenbarte, war ganz und gar untypisch für ihn. Ich wusste allerdings, dass seine gehaltene Verärgerung weniger mir galt als seinem Freund oder eher seiner Sorge um diesen. Außerdem gefiel mir, wenn er – der kleine Casanova der er ja eigentlich war – sich mal nicht nur aus seiner charmantesten Seite präsentierte. Deshalb langte ich nach seiner Hand und suchte auffordernd seine Augen, die mir auch schnell entgegenkamen. Seine nervösen Züge lockerten sich etwas bevor er sich, nun milder gestimmt, die Zigarette zündete. Plötzlich lachte der Blonde amüsiert auf und ich betrachtete ihn verdutzt. „Das sieht mir mal wieder ähnlich“, meinte er, „Mich von einer schönen Frau um den Finger wickeln lassen!“ Auch ich grinste ihn daraufhin breit an, robbte mich näher an ihn und schubste ihn mit der Schulter zur Seite. „Mach dir nichts draus. Ich kriege jeden um den Finger gewickelt, das weißt du doch!“, zwinkerte ich ihm zum Trost zu. Bevor ich mich gefasst machen konnte, nahm mich Sanji spielerisch beim Schwitzkasten und presste mein Gesicht an seine Brust, sodass ich anfing lachende Klagelaute von mir zu geben. „Nur zu genau, du kleine Anstifterin!“, witzelte er grummelnd, den Glimmstängel zwischen den Lippen gepresst, ehe er von mir abließ, „Und jetzt sprich! Du wusstest ganz genau, dass ich Robin im Visier hatte. Hast du mal mit ihr darüber geredet?“ Ich schüttelte, nun aufrichtig, den Kopf: „Nein, beides nicht. Um ehrlich zu sein war das nur ein vager Verdacht von mir. Ein Gefühl. Themen, Lieder, Ausdrücke... Beide wiederholen, unabhängig voneinander, gerne mal die Worte des anderen oder greifen Motive auf, die einer von ihnen schon mal fallen gelassen hat. “ Sanji nickte zustimmend: „Kurze Blicke und betretene Stillen?“ Auch ich bejahte mit einer Kopfbewegung. „Natürlich hätte alles auch nur daran liegen können, dass sie dieses Semester so viel Zeit miteinander verbringen mussten“, gestand ich, „aber irgendwie...“ Meine unfertige Überlegung hängte sich leise im Raum auf, während wir uns schweigend streichelten und unseren Gedanken nachgingen. Wieder ein wenig von der Müdigkeit überkommen, die vor Kuina und Zoros Streit geherrscht hatte, hatte ich mich ein weiteres Mal an Sanjis Seite gelegt und ruhte den Kopf auf seine Brust. Eigentlich konnte ich diesbezüglich weder Zoro noch Robin wirklich deuten. Deren emotionale Unnahbarkeit war ehrlichgesagt auch die einzige richtige Gemeinsamkeit, die ich zwischen beiden bestätigen konnte, doch selbst diese brachten sie unterschiedlich zur Geltung. Zoro verhärtete in zorniger Unfreundlichkeit bevor er dann gar nichts mehr an sich ran ließ, während Robin sich charmant aus solchen Situationen rausschlängelte: Ob eine nette und interessierte Gegenfrage, ein spannender Einfall oder einfach nur ein kryptischer und doch reizvoller Kommentar; immer schaffte sie es irgendwie von sich abzulenken und dabei meistens auch noch das Augenmerk schmeichelnd auf ihr Gegenüber zu verrücken. Ich schmunzelte in mich, als ich realisierte, dass meine kluge Freundin gezielt diese selbstzentrierten Neigungen von Menschen zu ihrem Vorteil nutzte. Ich entschloss, dass ich damit in Zukunft besser umgehen lernen müsste, da ich ebenfalls eher weniger was dagegen hatte im Rampenlicht zu stehen. Mir fiel außerdem ein, dass ich eigentlich sehr schnell gemerkt hatte, wie Zoro häufiger vor ihr in Bedrängnis kam. Vielleicht gerade weil er mit solcher Aufmerksamkeit wenig anfangen konnte, insbesondere, wenn es sich um Fremde handelte. Wahrscheinlich erlaubte ihm gerade das, nicht auf ihre Masche anzuspringen und war zudem eines der Gründe, weswegen er sie zunächst auf fast schon feindselige Distanz gehalten hatte. Bis sich eben etwas änderte... Was war es bloß? Klar, Robin war eine tolle Frau und ich war froh, sie eine gute Freundin nennen zu können. Deshalb hatte ich Zoro anfangs, und zugegebenermaßen sehr aufdringlich, dazu bewegen wollen sie zu akzeptieren; anders wäre sie vielleicht nicht wirklich Teil der Gruppe geworden. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass ich nie ganz verstanden hatte, was die zwei ansonsten miteinander teilten. Erst recht nicht jetzt, wo sich diese neue, potenzielle Dimension zwischen ihnen offenbart hatte. Beide waren ausgesprochen gutaussehend, das konnte man nicht leugnen. Aber reichte das, reine körperliche Anziehung? War es womöglich etwas derart Kindisches wie der Wunsch, zu bekommen was man nicht haben konnte? Oder das Klischee der sich anziehenden Gegensätze? Etwas sagte mir, das nichts dergleichen wirklich ihrer Art entsprechen würde. Insbesondere nicht, wenn da eine dritte Person – eine jahrelange, feste Beziehung! – im Spiel war. Es musste also irgendwas zwischen ihnen liegen das ich schlicht nicht sah. Etliche Minuten waren vergangen und ich merkte erst, dass ich schon längst die Augen geschlossen hatte, als Sanji das Licht neben sich ausknipste. Nun schon völlig von der Müdigkeit gepackt drehte ich mich bemüht auf die andere Seite und spürte sofort Sanjis Wärme an meinem Rücken, als er sich neben mich legte und einen Arm um meine Taille schlang. „Hab ich dir eigentlich schon gesagt wie froh ich bin, morgen neben dir aufwachen zu dürfen?“, flüsterte er und sein Atem kitzelte an meinem Ohr. „Jaa“, gab ich träge und etwas schroff von mir, war aber insgeheim froh, dass er mein peinlich berührtes Lächeln nicht sehen konnte, „schon zum fünften Mal, du Frauenliebling!“ Er lachte leise und hauchte mir einen Kuss auf den Nacken, der einen angenehmen Schauer in mir verbreitete. Ich drückte seinen Arm enger an mich. „Gut!“ *** Die Bar war wirklich voll. Mit so einem Andrang hatte Brook an einem Mittwochnachmittag sicherlich nicht gerechnet, weswegen er sich auch zu Rumba in die Küche gesellen hatte müssen, während Lysop draußen als Kellner und Barkeep so ziemlich auf sich alleine gestellt war. Immer wieder sah man seine pechschwarze Mähne und braune Schürze im Raum vorbeiflitzen, Bestellungen aufnehmend, Getränke ausgebend, Teller abräumend, Rechnungen ausstellend... Kurzerhand hatte sich Ruffy, der sich ursprünglich nur mit uns verabredet hatte, verfügbar gemacht, um zumindest hinter der Kasse auszuhelfen und die Bestellungen an die Küche weiterzuleiten, hatte jedoch schon angekündigt, dass er gleich noch ein Termin mit seinem Großvater hatte. Diese eher informelle Anstellungsart unterhielt Ruffy nicht nur dort in LABOON’s, sondern auch im Baratié, das Sanjis Onkel gehörte. Gegen Trank und Kost, wie der Schwarzhaarige immer sagte. „Da fällt mir ein“, sagte Kaya aufgeweckt an mich gerichtet nachdem Jones uns von seinem Wochenende in New York erzählt hatte und stellte ihre nun leere Tasse auf den Tisch, „Vivi zieht in ein paar Tagen wieder zurück in die Stadt!“ Meine Miene hellte sich auf: „Cool! Sie war mir wirklich sympathisch. Wann ist es denn soweit?“ „Nächstes Wochenende, ich glaube Freitag. Und das muss natürlich in einer ordentlichen Willkommensparty ausarten!“, kündigte sie mit einem erwartungsvollen Lächeln an. „Vivi?“, meldete sich Robin neugierig, „Meinst du die eine Freundin, von der du mir mal erzählt hast, Cobin Nefertaris Tochter?“ Meine blonde Gegenüber nickte ihr bestätigend zu. „Moment“, Franky schluckte bemüht seinen Happen runter, „Cobin ‚the Cobra‘ Nefertari? Wie in ‚Nefertari-Dynastie‘? Der Bürgermeister Torontos?!“ Belustigt quittierte Kaya seinen fassungslosen Blick mit einem: „Jep, genau der!“ „Krass!“ „Krass ist wie die zwölfköpfige Gruppe dort hinten unangekündigt aufkreuzt, jeweils einen fünfundzwanzig Gänge Menü bestellt und dann nur Metall zum Trinkgeld hinterlässt!“ Lysop war sichtlich genervt, als er sich, nach unserer dreiviertelstündigen Wartezeit, endlich mit der Bestellung an unseren Tisch stellte. Er bedankte sich nebensächlich noch für unsere Geduld, aber unser Interesse galt besagter Gruppe, von der er gesprochen hatte. Beinahe zeitgleich drehten wir uns in die Richtung, die er angedeutet hatte und ich erblickte tatsächlich eine große Gruppe, die sich, noch um die Tische stehend, die sie belegt hatte, gerade bereit machte, das Lokal zu verlassen. Sie schienen zufrieden. „Geht’s vielleicht noch auffälliger?!“, zischte uns der Lockenkopf angespannt zu. Daran schien sich allerdings niemand sonst zu stören, sodass er, wahrscheinlich ein wenig rot angelaufen, begann, unsere Getränke und Snacks auf den Tisch zu platzieren. Robin war die erste, die ihm wieder ihre Beachtung schenkte: „Europäer? Würde zumindest das bescheidene Trinkgeld erklären- Danke, Lysop!“ Dieser hatte ihr soeben ihren dritten Kaffee hingestellt. „Mag sein“, nuschelte er immer noch angesäuert, während er weiterhin das große Tablett in seiner Hand leerte. Ich warf ihm ein tröstliches Lächeln zu. Sein Blick huschte wieder kurz zu meiner Sitznachbarin: „Wie ich sehe, bist du heute zwar auf Koffein angewiesen, aber ansonsten umgänglich. Zoro hat mir außer Hns, Hms und Killerblicke nur seine motzende Schokoladenseite präsentiert! Wie lange seid ihr gestern noch geblieben?“ Robin grinste ihn breit an und ich war hellhörig geworden. „Brook hätte wahrscheinlich früher dicht gemacht“, gestand sie mit einem entschuldigenden Unterton, „Dafür hat er sich aber noch ein Weilchen ans Klavier gesetzt. Wusstet ihr, dass er für die ersten zwei Alben der Catnips am Piano gespielt hat? Irre, oder?“ „Hör. Mir. Auf!“, brüllte Franky mal wieder ungläubig und beide verfielen sofort in eine angeregte Diskussion. Auch mir war diese Information neu, aber meine Aufmerksamkeit galt bereits was Anderem. Während Lysop sich lachend von uns trennte, um sich wieder an die Arbeit zu machen, konnte ich nur perplex den Kopf schütteln. Wie hatte Robin das schon wieder hinbekommen?! Ich konnte nun schlecht auf das Thema zurücklenken, das mich eigentlich interessierte, also widmete ich mich meiner Gegenüber, aber stockte bei dem Anblick. Kaya hatte die Augen ernst auf unsere Freundin fixiert. Überraschung durchfuhr mich, als ich das merkte, die Blondine hatte allerdings meinen Blick wohl schon auf sich gespürt und schaute mich ebenfalls an. Eine gewisse Nervosität lockte mir ein Lächeln raus das sie auf gleiche Weise erwiderte. Beklommen wandten wir uns den Körbchen mit Essen zu, die wir zu dritt geordert hatten und lauschten stumm dem Gespräch unserer Freunde. Unverzüglich vernahm ich Robins Intellekt, während ich ihren Worten folgte. Meine Güte, gab es eigentlich irgendein Gebiet der Menschheitsgeschichte, in dem sie sich nicht auskannte? Ob Musikikonen aus der 70er-Nischenszene, die Entstehungshintergründe hinter Hegels Dialektik oder eine leichtfertige Verbindung zwischen beiden – diese Frau wusste anscheinend alles! Nach und nach akzeptierte ich, dass der Zeitpunkt einfach verflogen war, aber dass sich mir später sicherlich noch die Gelegenheit bieten würde, sie auf Lysops Kommentar anzusprechen. Als ich mich also doch auf das neue Gesprächsthema einließ, staunte ich, wie so oft, über die junge Frau neben mir. Fasziniert merkte ich, dass sie mich mit ihrem Wissen in den Bann gezogen hatte und ich begann, mich ebenfalls im Dialog einzuschalten. Ein paar Debatten und Lacher später trank Franky seinen letzten Schluck Cola aus, wischte sich mit einer Serviette über den Mund und schaute auf seine Armbanduhr. „So“, verkündete er und stand dabei auf, „ich muss mich jetzt auch mal aus dem Staub machen. Muss noch was aus‘m Büro abholen.“ Er grinste zum Abschied in die Runde. „Ladies. War mir wie immer ein Vergnügen!“, sagte er galant, warf sich, mit einem Zwinkern an die Dunkelhaarige, seine Jeansjacke um, winkte Ruffy und Lysop noch aus der Ferne zu und verließ die Bar. Kaya und ich grinsten uns an und warfen uns auffällig vielsagende Blicke zu. Franky hatte von Anfang an kein Geheimnis daraus gemacht, dass er von Robin angezogen war. Und obwohl sie seinen Annäherungsversuchen immer spielerisch aus dem Weg gegangen, er irgendwann diese Tatsache akzeptiert hatte, war dieser kokettierende Umgang bestehen geblieben. Robins gelassenem Ausdruck nach zu urteilen, war sie wohl auch zufrieden mit diesem Arrangement. Zu dritt führten wir unsere Gespräche fort, Kaya präsentierte uns ein paar Ideen für Vivis Willkommensouting und wir beobachteten den ein oder anderen Gast, denn LABOON’s war dafür bekannt, die skurrilsten Kombinationen von Leuten anzulocken. Schließlich stieß mein Blick auf Ruffy und Lysop, die sich hinter der Theke unterhielten; sie schlugen in die Hände und ersterer zog seine Schürze aus. Er gesellte sich wieder zu uns. „Ich muss jetzt los!“, sagte er und setzte sich den Strohhut auf, der bis eben noch am Kopfende des Tisches gelegen hatte. Glücklicherweise war der Andrang inzwischen etwas gesunken. „Esst ihr das noch?“ Aber seine Frage war eine gänzlich rhetorische, denn er langte währenddessen schon nach den Resten in den zwei Körben und stopfte sie sich sofort in den Mund. Kaya und Robin lachten. „Warum fragst du überhaupt?!“, schimpfte ich. „If brauf dof nua ne Ftärgung!“ „Keiner versteht ein Wort, du Vielfraß!“ Ruffy schluckte und stieß einen zufriedenen Seufzer aus: „Das war gut!“ Ich rollte die Augen und versuchte dabei nicht über das Geschmiere auf seinem Gesicht zu lachen. Langsam steckte er sich Geldbeutel, Schlüssel, Handy und Kopfhörer nacheinander in die Hosen- und Jackentaschen und ich erklärte Robin noch, woher ich Vivi kannte. Als sich Ruffys Gestalt zu meiner Rechten aber immer noch nicht wegbewegt hatte, schaute ich wieder zu ihm rüber und stellte irritiert fest, dass er, dümmlich lächelnd, Robin anstarrte. Bevor ich ihn darauf ansprechen konnte, fasste er das Wort. „Hey, Robin“, sagte er und die Angesprochene sah ihn erwartend an, „Komm doch mit mir mit!“ Die Schwarzhaarige blinzelte ein wenig verwirrt: „Zu deinem Großvater?“ Er nickte. „Ja, das ist eine tolle Idee!“, sagte er begeistert, wenn auch eher zu sich selbst, ging dann um den Tisch rum und setzte sich ihr gegenüber, „Er will mir eigentlich nur einen Jungen vorstellen, um zu sehen, ob er vielleicht in das Programm integriert werden kann, bei dem ich mithelfe. Anscheinend wurde er beim Stehlen erwischt.“ „Oh“, machte Robin nur, immer noch nicht ganz verstehend. „Opa sagt, dass er ein etwas sonderbarer Fall ist. Der Kleine ist wohl sehr verschlossen, aber hochbegabt oder so.“ „Und du denkst ich kann dir da irgendwie... helfen?“ „Ja, bestimmt sogar! Ich glaube du würdest prima mit den Kids in unserem Programm zurechtkommen! Die meisten kommen aus schwierigen Verhältnissen und da du ja selber als Waise in einem Heim aufgewachsen bist, bin ich mir sicher, dass sie sehr gut auf dich anspringen würden. Du verstehst sie bestimmt anders... Besser!“ Mein Herz rutschte mir für einen Moment in die Hose und ich lief rot an, während der Schwarzhaarige erwartungsvoll meine Freundin anlachte. Irgendwo war ich entsetzt, dass Ruffy so unbekümmert, fast im Nebensatz, auf Oharas wirklich traurige Vergangenheit zu sprechen kam. Ich wusste, dass es nichts war, wofür sie sich zu schämen hatte, aber als Person, die ein sehr enges und liebevolles Familienleben genoss, war das tatsächlich ein Thema, mit dem ich nur schwer umgehen konnte. Erleichtert sah ich wie Robin, nach einer kurzen Überlegungspause, die Grinsebacke vor sich anlächelte. „Klar“, sagte sie entschlossener, „warum nicht.“ „Nice!“ Beide erhoben sich vom Tisch, Robin packte ihre Tasche zusammen, legte uns ein paar Scheine hin und sie verabschiedeten sich von uns. Lysop tauchte auf Einem neben uns auf, um den Tisch abzuräumen. „Dann waren’s nur noch zwei...“, merkte er an, doch ein Blick aus dem Fenster hinter mir verzog sein Gesicht, „Aber nicht mehr lang!“ Nervös schnappte er sich die letzten Gläser und Tassen und schlich eilig davon. Verwundert drehte ich mich um und erkannte sofort den Impuls hinter Lysops Verschwinden. Zoro lief, auf sein Handybildschirm starrend, auf den Eingang der Kneipe zu, aus dem Ruffy und Robin gerade raustraten. Sie unterhielten sich. Robins Kopf war von Zoros Richtung weggedreht, da ihre Konzentration voll und ganz auf Ruffy gelenkt war. Dieser schaute im letzten Moment noch über sie hinweg, weitete freudig die Augen als er den Grünhaarigen erkannte, der das Handy in die Hosentasche steckte und soeben aufguckte – doch zu spät. Robin hatte zielstrebig die ersten Schritte in Zoros Richtung gemacht, er wiederum hatte sein brüskes Tempo nicht verlangsamt, folglich stießen beide mit vollster Wucht aufeinander. Autsch! Der heftige Stoß an Zoros Sternum konnte nur schmerzhaft für sie gewesen sein. Sie prallte an Ruffys Seite auf, aber in ihren Keilabsatzsandalen verlor die Schwarzhaarige dennoch die Balance. Ruffy war es auch, der sie an den Armen stabilisierte, um sie mit ein wenig zu viel Schwung auf zwei Beine zu bringen. In einer Art Schockzustand taumelte Robin nach vorne, stützte sich an Zoros Schultern ab und seine Arme empfingen sie instinktiv mit einem Griff zwischen Ellenbogen und Oberarmen. Roronoa schien besorgt und sagte ihr was, während Robin sich lachend die Augen verdeckte. Als sie ihn wieder ansah, nickte sie zur Antwort, doch der Stoß schien sie nicht ganz unversehrt hinterlassen zu haben. Eher passiv taste sie sich leicht an den Lippen. Augenblicklich entfernte Zoro vorsichtig, aber ausdrücklich ihre Hand, hob ihr Gesicht am Kinn zu sich hoch, um sie besser betrachten zu können und sagte wieder was. Mir wurde unmittelbar wärmer, als ich sah, wie Zoro seinen Mittefinger sanft und umsichtig über Robins Unterlippe strich. Ein paar Herzschläge lang verschränkten sich ihre Blicke und es war, als würden sie erst dann realisieren, was für eine Szene sie gerade boten, da sich plötzlich Verblüffung zwischen ihnen breit machte. Übereilt ließen sie voneinander ab. Ich erkannte den Grünschopf etwas murmeln, während er sich, sichtlich beschämt und verstreut, an der Wange kratzte; Robin verneinte mit einem trägen Kopfschütteln. Auf Einem unterbrach das Dritte Rad im Bunde das Bild, das die zwei anderen von meiner Position aus abgegeben hatten und er klopfte seinem Kumpel fest auf die Schulter. Zu Zoros verschämten Ausdruck mischte sich sofort seine charakteristische Genervtheit. Verärgert fuhr er Ruffy an und schnippte ihm den Strohhut aus dem Haupt, den der Schwarzhaarige jedoch auf Anhieb auffing, um daraufhin herzhaft zu lachen. Robins Peinlichkeit war nur aufgrund eines Kicherns hinter vorgehaltener Faust erahnbar. Mit weiten Gesten fing der Jüngere an vor sich hin zu plappern. Ich vermutete, dass er dem Dazugestoßenen gerade von ihren Plänen erzählte, aber meiner Meinung nach verweilten Zoros Blicke immer ein paar Sekunden länger auf die junge Frau vor ihm, als nötig gewesen wäre. Diese hingegen hatte ihre Augen kein einziges Mal von ihm losgemacht. Bald hoben alle locker die Hände und setzten ihre Wege fort. Zoro verschwand kurz in dem Bereich zwischen Straße und Barinneres, sodass ich mich verwildert zu Kaya umdrehte: „Was für ein Chaos!“ Zum zweiten Mal an diesem Tag ließ mich Kayas so fremder Gesichtsausdruck innerhalten. Diesmal war er an mich gerichtet. Ihre sonst warmen, großen Augen nagelten mich förmlich an die Wand und etwas spannte um ihren Kiefer. Ich zog die Brauen schockiert zusammen, aber das leise Läuten des Glöckchens an der Tür riss sie wohl aus ihren Gedanken und mit einem Blinzeln wurden ihre Züge wieder weicher. So schauten wir in Richtung des Eingangs aus dem Zoro zum Vorschein gekommen war. Seine Augen suchten immer noch die Straße ab, auf der Ruffy und Robin entlanggingen. „Zoro!“, hörte ich die Blonde alarmiert rufen und sah dann, dass er kurz davor war ein weiteres Mal jemanden umzulaufen: Lysop. Dieser hatte sich glücklicherweise rechtzeitig gewappnet und machte einen ausweichenden Schritt nach hinten, wodurch er aber die zwei Getränke auf seinem Tablett stabilisieren musste, indem er blitzschnell seine andere Hand hinzuzog. Das kleine Heftchen, in dem er die Bestellungen notierte, ließ er dafür allerdings zu Boden fallen. „Alter!“, stieß er zwischen Erleichterung und Gereiztheit aus, sobald die Situation gerettet zu sein schien, „Bist wohl immer noch nicht aufgewacht, was?“ Zoro guckte ihn nur teilnahmslos an, antwortete etwas und bückte sich ruckartig runter, um das Notizheft aufzuheben, das er ihm dann sogleich übergab. Lysops Worte schienen an Zoro abzuprasseln, trotzdem deutete er in unsere Richtung, bevor er davonschritt und der Grünhaarige uns endlich entdeckte. Erst dann bemerkte ich, dass mein Herz die ganze Zeit über wie wild geschlagen hatte und ich versuchte mich mit einem Schlucken zu beruhigen. Fast ängstlich schaute ich wieder zu Kaya. Ihr Ausdruck ähnelte meinem, doch sie lächelte mir unsicher zu. Und mit einem Mal verstand ich, dass Kaya womöglich dem gleichen Verdacht nachging, wie ich, sie wahrscheinlich schon länger die gesamte Situation verfolgte. Das war nur naheliegend, denn Zoro war ihr wichtig. Unter ihren Freunden behielt er einen besonderen Platz. Die Reaktion der Blondinen, ihre Blicke, ihre starre Miene, ihre so untypische Strenge – sie vergewisserten mich nun. Zoro und Robin hatten sich tatsächlich ineinander verknallt. Idioten!, dachte ich während Roronoa uns abwesend begrüßte und sich zwischen uns setzte, Arme, arme Idioten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)