Timing is Everything von PurplePassion (6. Kapitel on! [ZoRo]) ================================================================================ Kapitel 5: Endlose Sekunden --------------------------- How to Fall Out of Love - 05 Ich betrat meine Wohnung, lies die Tür leise hinter mich ins Schloss fallen und streifte die Schuhe ab, während ich abwesend die Schlüssel auf das Schlüsselbrett hing, das Lysop uns im ersten Jahr angedreht hatte. Eine Weile lang verharrte ich in dieser Position, bis mich irgendwas aus meinen leeren Gedanken riss und ich mich erstaunt in dem kleinen Spiegel zu meiner Rechten wiedererkannte. Der Anblick löste einen seltsamen Emotionswall in mir aus, sodass ich mich hastig davon abwandte und stattdessen zielstrebig auf die Küche zuging. Nebensächlich betätigte ich den Lichtschalter an der türlosen Öffnung, bewegte mich mechanisch auf ein spezifisches Regal zu und kramte mich nach hinten durch, bis ich mit den Händen auf die Sakeflasche stieß, die ich gesucht hatte. Mit einem schweren Seufzer ließ ich mich vor dem runden Frühstückstisch an einer Ecke des Raumes nieder, füllte den ochoko bis zum Rand voll, kippte die klare Flüssigkeit mit einem Schluck runter und schaute sodann auf die sonst stille und dunkle Wohnung hinaus. War Sanji noch arbeiten? Und Jones? Gerade als ich dazu imstande war, mir ein weiteres Glas Sake einzugießen vernahm ich, über die Küchentheke hinaus, im Wohnzimmer, einen Schatten. Ich stockte. „Hi.“ Stumm aber mit einer plötzlichen Verhärtung um die Brust beobachtete ich die dunkle Figur dabei, wie sie sich, einen Bogen um die Theke machend, dem Licht und mir näherte, bis ich schließlich auf das müde Gesicht von Kuina blickte. Ich schaute sie schweigend an und sie erklärte: „Franky hat mich reingelassen.“ Aus meiner dümmlichen Perplexität herausgekommen nickte ich irgendwann und schaute etwas beklommen auf meine Hände hinab wo sich immer noch die Sakeflasche und der ochoko Becher befanden. „Wo sind alle?“, fragte ich und huschte mit dem Blick kurz zu meiner Freundin. „...Schlafen“, kam ihre etwas irritierte Antwort. Instinktiv schaute ich auf die Küchenuhr. 1:13 Uhr. „Es ist spät“, sprach sie meinen Gedanken laut aus und ich kam mir unheimlich dämlich vor. Kuina schaute nun ebenfalls auf den Sake vor mir, kam bedacht auf mich zu und sagte: „Sorry. Ich hab versucht dich zu erreichen...“ Ich schüttelte den Kopf, um ihr zu signalisieren, dass sie sich nicht entschuldigen brauchte und sie setzte sich neben mich. „Akku ist leer gegangen“, erläuterte ich, wies mit einer Kopfbewegung auf das am Tresen angeschlossene Mobiltelefon. Sie nickte. Nach einem fragenden Blick von mir und einer zustimmenden Kopfbewegung ihrerseits, erhob ich mich, holte einen weiteren Becher, den ich vor ihr absetzte, um mich dann wieder auf meinen Platz niederzulassen. Ich schenkte ihr ein. Wir stießen schweigend an und tranken aus. Die Stimmung war bedrückend und die Stille lastete schwer im Raum. Ich realisierte, dass meine bis dahin anhaltende Abwesenheit bloße, wenn auch effektive, Unterdrückung war. Denn Kuinas Anwesenheit zwang mich, mich der Realität zu stellen. Unmerklich richtete ich meinen Blick auf sie und ein scharfer Stich bohrte sich in meine Brust, als ich sie sah. Sie schaute starr auf ihren Schoß runter; eine Träne hatte sich bis zu ihrem Kinn durchgebahnt. Ich spürte auf Einem die Trockenheit in meinem Mund und Rachen und schluckte schwer. Unsicher griff ich nach ihrer Hand, doch sie zog diese, noch ehe die Geste vollbracht war, von mir weg und klammerte sich stattdessen an ihrem Sakebecher. „Was ist mit uns?“, flüsterte sie, noch weiterhin den Kopf hängend. Ich hörte die erstickten Tränen aus ihrer Stimme raus und fühlte mich langsam elend. Ich fand keine Antwort darauf. „Es ist nicht okay, Zoro“, hauchte sie nach einem unerträglichen Schweigen, während sie sich die eine Träne wegwischte, doch auf diese folgten zwei weitere. Ein leises Schniefen und sie ergänzte etwas lauter: „Wir sind nicht okay.“ Mein Magen verkrampfte bei dem Anblick, dem Klang ihrer weichen, fast gebrochenen Stimme. Einen beinahe unendlichen Augenblick später fand ich schließlich meine eigene wieder. „Ich weiß“, erkannte ich diese Tatsache letztlich, nach so langer Zeit, verbal vor ihr an und Kuina brach endgültig in Tränen aus. Wiedermals, doch diesmal bestimmter, reichte ich nach ihrer Hand und so verweilten wir eine Weile lang in unserer traurigen Labilität. Mein Herz zog sich quälend zusammen, während ich ihrem leisen Schluchzen zuhörte. Ich zwang mich, nicht der schwindelerregenden Dissonanz in mir zu verfallen – die eindringliche Überzeugung, andernfalls verrückt zu werden, überkam mich dabei. Das Schlimmste war aber, dass mir die Worte ausblieben. Und ich fühlte, dass dieser Umstand meine Freundin schlicht verzweifelte. Die menschenkennende, analytische Seite in mir schien sich dabei nur vor bemitleidendem Selbstekel schütteln zu wollen. Sie verstand nämlich, wie wichtig es gewesen wäre, die kleinste, verständniserweisende Rückmeldung auf Kuinas Unsicherheiten zu haben. Diese menschenkennende, analytische Seite wusste, dass ich mich feige davor sträubte das überhaupt zu versuchen. Aber erst jetzt weiß ich: Ich hatte abgrundtiefe Angst davor. Das erlaubte mir nicht, rational und ruhig der Situation gegenüber zu stehen. Stattdessen musste ich feststellen, dass mein erbärmlicher Versuch, die Wahrheit – seit bereits schon Wochen! – zu ignorieren, ersticken, schlicht nicht anzuerkennen vollends gescheitert war, nur um mir mit noch größerer Wucht die Konsequenzen ins Gewissen zu schleudern. Kuina zog plötzlich und verärgert ihre Hand von meiner. Verletzt, aber zumindest ein wenig zu ihrem gewöhnlichen Selbst zurückgekehrt, fragte sie vehement: „Wo warst du, verdammt!“ Die Antwort, die ich schon seit einer Stunde kaum zu verdrängen schaffte, brachte ich immer noch nicht auf. Stattdessen entgegnete ich: „Einige sind noch in der Kneipe was Trinken gewesen...“ Kuina fauchte spottend auf: „Seit vier?“ Ich blieb stumm. Sie kannte meinen Stundenplan sowie die routinisierten Barbesuche unserer Freundesgruppe. „Nein“, verkündete sie sogleich, „Wo bist du an einem Dienstag unerwartet bis ein Uhr früh gewesen, wo doch der Rest deiner Begleitung schon längst nach Hause ist?“ Fest schaute ich meiner Freundin ins Gesicht, doch jegliche Erwiderung auf ihre Fragen und Aussagen blieb weiterhin aus. Kuina schüttelte ungläubig den Kopf und stieß ein verächtliches Schnauben aus. Ruckartig stand sie auf. Ich tat es ihr gleich. Auf ihren mahnenden Blick ging ich nicht ein, stattdessen bewegte ich mich um den Tisch auf sie zu. Und in einem unerwarteten Moment, während ich sie ansah, fand ich ihn wieder. Der Grund, warum ich die Frau vor mir, meine Partnerin, liebte. Langsam nahm ich ihre Hand, verhakte unsere Finger ineinander und legte meinen Arm um ihre Schultern, sodass sich unsere Körper aneinander schmiegten. Kuina stand still. In diesem Moment der Ruhe hauchte ich ihr einen Kuss auf die Stirn, stütze meinen Kinn auf ihren Kopf ab. Ihre Hand legte sich auf meinen Rücken und ich schloss die Augen. Ich liebe sie. Eine bedrückende Rastlosigkeit überkam plötzlich meine Gedanken. Ich liebe sie. Fast krampfhaft, in völliger Hektik, hielt ich mich an dieser Erkenntnis, diesem Gefühl, fest. Ichliebesieichliebesieich- Ich liebe sie! Mein Herzschlag verschnellerte sich. Zaghaft hob Kuina ihren Kopf von meiner hämmernden Brust und ich schaute auf sie runter. Irgendwas Fragendes, Suchendes, stand in ihren Augen. Vorsichtig beugte ich mich zu ihr runter. Unsere Lippen berührten sich, fast schüchtern drückte ich ihr einen Kuss auf den Mund. Sie war unsicher, vielleicht nicht überzeugt, und die Frage in ihrem Blick war nicht gewichen. Meine freie Hand wanderte ihren Rücken runter, an ihrem Kreuz drückte ich sie näher an mich. Unbewusst legte sie den Kopf ein wenig schief, wand ihren fragenden Blick endlich von mir ab, schaute stattdessen meine Lippen an und ich küsste sie. Dann wieder. Und wieder. Ich liebe sie. Eine Steifheit verließ ihren Körper. Während sich mein Arm um ihre Hüfte schlang, strich sie ihre Hand meinen Rücken rauf. Ihr Mund öffnete sich und ich spürte die Feuchtigkeit ihrer Zunge an meinen Lippen, das leicht kitzelnde Gefühl ihrer Finger an meinem Nacken, ein angedeutetes Kratzen- Schlagartig zog ich mich von dem Kuss zurück. Ich schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. Die bebende Erwartung zwischen uns erstreckte den Moment – denn es war nichts mehr als das – in die Länge. Beinahe eine Ewigkeit verging und doch offenbarte sich dabei die Schrecksekunde, die es eigentlich gewesen war, hatte ich ihren Gesichtsausdruck auf meinen Impuls hin nicht einmal wirklich registrieren können. Schon hatte sie sich grob von mir frei gemacht, mir den Rücken gekehrt und sich der Öffnung hin zum Gang zubewegt. An der Schwelle blieb sie aber jäh stehen. Sie zitterte. Ich biss mir auf die Lippen und mein Gesicht zog sich schmerzerfüllt, beschämt, schuldig zusammen. Ein heftiges Schaudern schüttelte noch einmal ihren gesamten Körper bevor sie ihre Schultern stramm nach hinten streckte und rechts in den Eingangsflur bog. Nur verzögert konnte ich ihr endlich nachgehen. „Kuina, bleib“, bat ich sie, während sie in ihre Schuhe stieg, „Es ist spät, bitte bleib!“ Meine Hände langten automatisch nach ihr, aber meine Bewegung erstarrte in der Luft, als Kuina abrupt, fast angewidert, vor meiner Berührung wegzuckte und dabei eine Hand in die Höhe schießen ließ. Sie fixierte mich mit ihrem harten Blick. Ihr Gesicht war von Trauer und Zorn durchzogen und eine erschütternde Angst packte mich, als ich diese Kombination auf ihrem Antlitz identifizierte. Ihre Stimme war kratzig und hasserfüllt als sie sprach: „Wehe du folgst mir.“ Damit riss sie ihre leichte Sommerjacke aus einem der Kleiderhaken neben uns, öffnete nach drei Schritten die Eingangstür, um sie dann laut hinter sich ins Schloss zu werfen. Regungslos schaute ich auf die hölzerne Tür vor mir und merkte nicht, dass ich den Atem angehalten hatte. Gebannt konnte ich nur ihren gehetzten Schritten auf den steinernen Stufen zuhören, bis ich das Zufallen der Eingangstür, mehrere Stockwerke unter uns, erkannte und daraufhin eine schrille Stille einsetzte. Eine bekannte und doch vergessene Feuchtigkeit stieg in meine Augen. Erst ein leises Geräusch irgendwo weiter entfernt löste mich unsanft von meiner Starre und wie in einem Déjà-vu erblickte ich das Spiegelbild neben mir. Ich blinzelte. „-eh da jetzt raus“, vernahm ich eine kaum hörbare, abgedämpfte Stimme gefolgt von einem Rascheln und stumpfen Klopfen auf dem Boden. Mich wieder von meiner Reflektion abwendend, konzentrierte ich mich. „-ji, nein!“, erkannte ich eine zweite Person nun besser, „Gib ih- ... seinen Raum...“ Unruhig machte ich auf dem Absatz kehrt und lief eilig zur Küche zurück. Nami und Sanji waren anscheinend wach oder aufgewacht. In jedem Fall konnte und wollte ich keinem von beiden entgegentreten. Hektisch gruben sich meine Finger wieder durch das Regal, aus dem ich den Sake geholt hatte und ich fischte bald ein anderes Gefäß raus. Ich richtete mich von meiner hockenden Stellung auf, schnappte das Handy, drehte das Licht am Schalter an der Öffnung zur Küche ab und bewegte mich, diesmal nach links abbiegend, in den kurzen Flurabschnitt hin zum Wohnzimmer rein. Ich hatte einen einzigen Schritt aus der Küche getan, ehe ich unvermittelt stehen blieb. Das schwache Lampenlicht in seinem Zimmer erlosch schrittweise, als Sanji die Tür zu seinem Schlafraum leise zumachte. Ich erkannte trotz der Dunkelheit, die nur schwach von den großen Fenstern im Wohnzimmer hinter ihm verdrängt wurde, dass er mich anschaute. Ansonsten war auch er unbeweglich und hatte immer noch nicht die Hand von dem Türgriff weggenommen. Eine weitere Welle von Unruhe überkam mich als er mir nur ein schwaches „Hey“ entgegenwarf. Doch gleichzeitig erlangte ich dadurch auch wieder Kontrolle über meinen Körper und ich setzte mich in Bewegung. „Nacht!“, brummte ich ihm gepresst zur Antwort entgegen, schon zielstrebig auf mein Zimmer zuschreitend, das tiefer in der Wohnung, direkt am Wohnzimmer angrenzend und neben Sanjis lag. Als ich schon beinahe an ihm vorbeigegangen war, packte er mich am Oberarm und brachte mich abermals zum Halt. Mit meiner Fassung ringend wand ich mich unfreundlich zu ihm, doch sein Ausdruck ließ mich für den kürzesten Augenblick innehalten. Sanji ließ von meinem Arm ab, nicht aber von meinem Blick. Einen Moment lang vergaß ich mich, während ich versuchte mich daran zu erinnern, wann ich diesen Ausdruck schon mal an ihm gesehen hatte. Hatte ich nicht. Langsam löste sich sein prüfender Blick von meinem Gesicht und er schweifte mit diesem stattdessen runter, bis er an der Whiskyflasche in meiner Hand hängen blieb. Wieder suchten mich seine Augen und diesmal erkannte ich die Sorge in ihnen deutlich. Wortlos legte er die Hand auf meine Schulter. Er drückte ein paar Sekunden lang, gab mich anschließend damit frei. Behutsam presste er die Türklinke zu seinem Zimmer runter und ich huschte rasch in meins. Dort schraubte ich sofort die Flasche auf, nahm drei, vier großzügige Schlucke und entledigte mich gestresst meines Shirts. Während ich schon fieberhaft zunächst meinen Schreibtisch, dann den Hocker neben meinem Bett durchwühlte, trank ich aus der Flasche, stellte sie dann auf ersteren ab. Auf dem braunen Sessel an einer Ecke des Raumes fand ich endlich die Kopfhörer, die ich gesucht hatte und tauschte sodann meine Jeans gegen Shorts aus. Unverhofft, aber sehr bewusst, blieb ich zum ersten Mal seitdem ich die Wohnung betreten hatte, still stehen und atmete ein. Die gut verdrängte, schwindelerregende Dissonanz in mir regte sich wieder und damit auch das wahrlich unangenehme Gefühl, durch sie, dem Wahnsinn verfallen zu können. Kurz vernahm ich die zwei Pole, die so gewaltsam an mir, an meinem Verstand und meinen Gefühlen, zerrten. Zwei Frauen. Zwei Geschichten. Zwei Perspektiven. Aber ich konnte einfach nicht. Ich konnte nicht daran denken. Mit einer tiefen Exhalation war meine Entscheidung fundiert. Ich reichte nach der Flasche auf dem Tisch, trank, und ließ meinen Nacken knacken, während ich den Kopf kreiste. Mit freien Händen hakte ich meine Finger ein, drehte die Handflächen von mir weg und streckte die Arme nach vorne aus. Dann zückte ich das Handy, schloss es wieder an eine Stromquelle an und erhaschte dabei zufällig die Uhrzeit: Fünf vor zwei. Vor keine zwei Stunden... Aber ein weiterer Atemzug leitete meine Gedanken bemüht um. Ich tippte auf Play. Meine gesamte Aufmerksamkeit würde in den nächsten Stunden nur noch drei Sachen gewidmet sein: Dem Metal, der nun aus meinen Kopfhörern donnerte und den ich eigentlich schon seit meiner Jugend kaum mehr aktiv hörte. Dem Whisky auf meinem vollgestellten, unordentlichen Schreibtisch. Und den Klimmzügen oder anderen Trainingsaktivitäten, denen ich verbissen nachgehen würde, bis das Stimmengewirr in meinem Kopf endgültig abebbte und in mir nichts anderes mehr zurückblieb, als das Bedürfnis, schlafend in mich einzusacken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)