Alles nach Plan von Terrormopf ================================================================================ Kapitel 5: Freund ----------------- Matthis wusste, dass Alex den Handball liebte. Es gab keinen Tag an dem er nicht darüber sprach. Er verpasste kein Spiel seiner Mannschaft in der Bundesliga (es sei denn sie hatten selbst ein Spiel) und die Mannschaft war für ihn das wichtigste. So konnte man auch fast schon davon ausgehen, dass Henrik einer der wichtigsten Menschen seines Lebens war, schließlich war der eindeutig der beste und wertvollste Spieler ihrer Mannschaft; würde er gehen, würde ihre Mannschaft definitiv sehr viel schlechter dastehen. Dann kam seine Familie. Dann Matthis. Aber für ihn war das in Ordnung. Er wusste, dass Alex immer für ihn da war. Und mit dem Handball hatte er sich abgefunden. Damit konnte er einfach nicht konkurrieren. Beim nächsten Training wandte sich Alex beim Dehnen leise an David: „Hey, hättest du morgen Zeit für mich?“ Perplex sah der auf und fragte: „Warum?“ „Na ich möcht mich mit dir treffen.“ „Ja das ist mir schon klar“, stellte der Kapitän fest. „Aber wieso willst du dich mit mir treffen?“ „Ich muss mich mit dir unterhalten.“ „Mit mir unterhalten?“ „Ja doch!“ Langsam nervte Davids Nachplapperei. „Ehm, ja, ihr könnt morgen gern vorbeikommen… wann denn?“ „Nur ich, David. Matthis soll nix davon mitbekommen.“ Ob David das wohl machen würde? Schließlich war er Matthis‘ bester Freund und würde sich wohl denken können, worauf das hinauslief. „Und ich könnte erst nach der Arbeit, damit Matthis nichts mitbekommt, dann denkt er ich würde Überstunden schieben.“ Tatsächlich schwieg David einen Moment lang, runzelte nachdenklich die Stirn und musterte Alex argwöhnisch. Doch dann nickte er schließlich und erwiderte: „Gut. Schreibst du mir dann nochmal wann genau du kommst? Reicht auch morgen Mittag noch, nur dass ich mich drauf einstellen kann.“ „Mach ich, danke sehr.“ Er lächelte ihn an und klopfte ihm auf den Oberschenkel. Was die Beiden nicht bemerkt hatten, war dass Matthis sie beobachtet hatte. Und er wunderte sich doch etwas. Worüber unterhielten sich die Beiden, dass sie flüsterten? Normalerweise hatten sie doch nur den Handball gemein… Und ihn natürlich. Würden sie sich über Handball unterhalten, müssten sie nicht flüstern. Also konnten sie nur über ihn sprechen. Matthis schluckte. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Sie hatten ihn beide mit Henrik gesehen… redeten sie jetzt darüber? Sein Blick schweifte automatisch zu ihrem Spitzenspieler. Der wirkte ausnahmsweise mal nur auf seine Übungen konzentriert, sonst machte er gern auf sich aufmerksam, oder begaffte Matthis. Er wirkte groß und klobig, war im Spiel aber trotzdem geschickt und blitzschnell, spielte Gegner mit Leichtigkeit aus und konnte springen als würde er auch Hochsprung trainieren. Kurz bevor Henrik aufsah, musterte Matthis wieder den Boden vor sich, dehnte nun die Innenseite der Waden. Die Sache mit Alex hatte erst durch David angefangen. Der hatte ihm damals erzählt, er müsse unbedingt mit ihm ins Training, weil sie da einen Neuzugang bekommen hätten, der wahnsinnig gut zu ihm passen würde und gleich am Anfang hatte verlauten lassen er sei schwul – damit alle wussten woran sie waren. Eigentlich hatte Matthis nicht viel mit Handball oder Sport allgemein am Hut gehabt, doch er ließ sich breitschlagen und kam mit ins nächste Training. Da hatte er Alex das erste Mal gesehen. Wie er sich mit den anderen unterhalten, wie er gelacht, wie er trainiert hatte. Verschwitzt war er gewesen, als David dazu gekommen war sie einander direkt vorzustellen. Er hatte ihm die Hand gereicht, gelächelt und gesagt, dass es ihn freute. Seither war Matthis fester Bestandteil der Mannschaft. Aber er hatte es Alex nicht leicht gemacht. Er wusste genau wie beliebt Alex war und fühlte sich auch geschmeichelt, dass Alex sich offensichtlich für ihn interessierte, dennoch verkaufte er sich nicht unter Wert. Ihm war da schon aufgefallen, dass es Alex leicht fiel die Leute von seiner Meinung zu überzeugen, ja sie fast schon zu manipulieren. Aber Matthis schien dagegen immun zu sein. Und er hatte gemerkt, dass genau das der Weg war Alex von sich zu faszinieren und ihn an sich zu binden. Und nun musste er aufpassen. Er konnte Alex nicht darauf ansprechen, schließlich hatte der ihn auch nicht auf die Sache mit Henrik angesprochen. Also blieb ihm nur am nächsten Tag seinen Freund mit einem Kuss zu verabschieden und ihm zu sagen: „Mach nicht zu lange, Schatz. Ich liebe dich.“ Alex erwiderte den Kuss nur halbherzig und murmelte. „Jaja, mach ich schon nich. Ich dich auch, bis heut Abend dann!“ Auf der Arbeit war er selten so unkonzentriert gewesen wie an diesem Tag er überlegte die ganze Zeit wie er das Gespräch mit David beginnen sollte. Der kannte Matthis länger als sie sich kannten und nahm als sein bester Freund eine besondere Rolle ein. Wie stellte er es am geschicktesten an, dass David ihm möglichst viel verriet? „Hey Mann, die Leute an dem Tisch da vorn wollen schon seit mindestens fünf Minuten zahlen! Was is‘n heut los mit dir?“ Luka rempelte ihn unsanft an und holte ihn wieder in die Realität zurück. Er kam heute noch nicht mal dazu den Kerl zu provozieren. War es am Besten mit der Tür ins Haus zu fallen? Oder sollte er sich erst vorsichtig an David herantasten? Immer wieder kamen ihm Gedanken an Matthis in den Weg. Für gewöhnlich wusste er ja genau wie er mit Menschen umspringen musste, damit sie ihm sagten, was er wollte. Aber jetzt da Matthis ihm durch den Kopf geisterte, konnte er kaum klare Gedanken fassen. Er sorgte sich. Er hatte sich früher nie gesorgt. Höchstens mal um einen Sieg war er besorgt gewesen. Nicht mal seine Familie hatte ihm je Sorgen bereitet. Seine Mutter und Mia kämpften sich immer durch. Und nun musste er sich um Matthis Sorgen machen. Und das verwirrte ihn. Das verwirrte ihn gewaltig. Bei sich zuhause saß Matthis auf der braunen Ledercouch vorm Fernseher, den Laptop auf dem Schoß und vor sich einen Kaffee. Es hatte ihn sehr verlockt seinen Freund mal wieder im Café besuchen zu kommen, aber zur Zeit war er nicht wirklich in der Position das zu tun. Ihm war sterbenslangweilig. Eigentlich hätte er jetzt gerne David angerufen und sich mit dem verabredet, aber das ging ja jetzt auch nicht. Und Henrik kam schon dreimal nicht in Frage. Also nahm er sein Handy zur Hand und tippte eine SMS ein. „Hey Schatz! Sitz hier allein rum und langweile mich schrecklich! :( Vermiss dich! Lieb dich! Matthis“ Dann gab er Alex‘ Nummer ein und schickte sie ab. Vielleicht wusste er ja einen Weg, wie er sich beschäftigen konnte. Alex allerdings hatte die SMS lediglich zu Kenntnis genommen und noch die letzten Stunden im Café ausgeharrt, bis er dann pünktlich Schluss machte und sich auf den Weg zu David machte. „Hey, komm rein“, sagte der, als er ihm die Tür aufmachte. Alex kam der Aufforderung nach, zog sich Schuhe und Jacke im Hausflur aus. Davids Eltern hatten ein schönes Haus. Nicht sehr groß, aber immerhin ein Haus. „Kann ich dir was zu trinken anbieten? Kaffee? Limo? Wasser?“ „Ich nehm ein Glas Wasser, danke.“ Er lächelte und folgte David durch das Wohnzimmer, begrüßte seine Eltern, wartete bis er wieder aus der Küche kam. „Wir gehen am Besten hoch in mein Zimmer.“ Er wartete gar nicht auf eine Reaktion Seitens Alex, sondern ging ihm einfach voraus die Treppe hinauf. Als sie in seinem Zimmer auf dessen Sofa saßen und eine Weile über die Bundesliga gesprochen hatten, schwiegen sie. Bis schließlich Alex das Wort ergriff: „Pass auf, David. Du kannst dir ja sicher denken, dass ich wegen Matthis hier bin. Weißt du was mit ihm los ist?“ Er hatte sich dazu entschlossen die Sache mit Henrik erst mal nicht anzusprechen, vielleicht war Henrik ja nur ein Symptom für eine ganz andere Krankheit. „Er redet in letzter Zeit auch nicht wirklich offen mit mir. Hast ja beim letzten Spiel gesehen, was passiert ist, als ich ihn auf was angesprochen hab.“ David schüttelte den Kopf und blickte in Richtung Fenster. „Und worauf hast du ihn angesprochen, dass er so überreagiert hat?“, fragte Alex, sah, wie sein Kapitän kaum merklich zusammenzuckte. Er schien einen Moment mit sich zu ringen, bis er schließlich erwiderte: „Sorry, ich glaub das kann ich dir nicht erzählen.“ Er kratzte also an der richtigen Stelle. „Okay…“ Er wurde von seinem Handy unterbrochen, das piepste um ihn auf eine eigegangene SMS aufmerksam zu machen. Alex seufzte und sah auf das Display. Matthis. Wer sonst? Er war geradezu SMS-süchtig. „Blöde Überstunden! :( Mach nicht zu lang, ich vermiss dich!“ Wie frisch verliebt… „Sorry… Matthis“, entschuldigte er sich und David änderte etwas unruhig seine Sitzposition. So konnte er ihm also kommen. „Er fragt schon wann ich heim komme. Ich kann also nicht mehr all zu lange bleiben, sonst schöpft er Verdacht.“ David nickte nur. „Wir hatten‘s grad davon, dass Matthis in letzter Zeit schnell überreagiert…“ David sagte immer noch nichts, also wurde Alex drängender: „Kannst du mir wirklich nicht erzählen was da los war? Ich mach mir schließlich wirklich Sorgen um ihn.“ Die Masche mit dem besorgten Freund würde hinhauen. David befeuchtete sich schon angespannt die Lippen. „Mensch, ich will ihm doch helfen, David, verstehst du? Und ich kann ihm nicht helfen, wenn ich nicht weiß was mit ihm los ist und mit mir redet er ja nicht.“ „Alex… ich kann‘s dir wirklich nicht sagen, Matthis würde…“ Nicht ausreden lassen, nun musste er direkt angreifen. Also unterbrach er ihn, indem er aufgebracht erzählte: „Ich hab ihn neulich mit Henrik gesehen. Die beiden sind am Magellan vorbei spaziert und Henrik hatte seinen Arm um Matthis. Hat es irgendwas mit Henrik zu tun? Gib mir halt wenigstens einen Tipp, wie ich mich verhalten soll…“ Er hatte wohl genau das richtige Maß an Verzweiflung in die Stimme gelegt, denn David presste die Lippen aufeinander, sah auf die Sitzfläche des Sofas und schien mit sich zu ringen. Nun musste er ihm Zeit lassen. Und seine Taktik zahlte sich aus, denn nun rückte David langsam mit der Sprache heraus. Er sah ihm mitleidig in die Augen und sagte: „Ich weiß gar nicht, wie ich am besten anfange… aber ich… ich glaube, Matthis hat eine Affäre mit Henrik.“ Ein Moment der Stille verging. „Eine Affäre?“, fragte Alex. Er begann erst jetzt das Wort einzuordnen. David nickte, traute sich jetzt nicht mehr seinem Mannschaftskameraden in die Augen zu sehen. „Er bleibt doch manchmal nach dem Training länger in der Halle, jedes Mal ist Henrik bei ihm. Letzten Donnerstag hab ich sie gesehen und Henrik war wieder bei ihm. Sie schienen sich doch schon recht nahe zu sein. Und hast du schon mal beobachtet, wie die beiden sich anschauen? Beim Spiel am Wochenende hab ich Matthis drauf angesprochen und seine Reaktion war ziemlich eindeutig. Und dass du ihn jetzt mit Henrik gesehen hast… es kann nicht anders sein.“ Alex‘ Kopf wehrte sich gegen diese Anschuldigung. Matthis betrog ihn nicht. Matthis war nicht der Mensch, der andere betrog. Matthis war immer ehrlich. Matthis trug sein Herz auf der Zunge. Matthis betrog ihn nicht. So einfach war das. Seine Innereien zogen sich schmerzhaft zusammen und Zorn kochte in ihm hoch. Er presste die Kiefer fest aufeinander, dass ihm die Zähne und die Schläfen schmerzten. Er hatte sich unter Kontrolle! Doch selbst er hatte sich nicht so gut unter Kontrolle wie er es gern hätte, denn im nächsten Moment schon sprang er schier auf und brüllte: „Bist du eigentlich behindert oder was? Du solltest Matthis eigentlich besser kennen! Du bist sein scheiß bester Freund und unterstellst ihm sowas? Ich glaub‘s ja nicht! Und dann bist du auch noch so falsch und erzählst mir so einen Mist! Du reitest ihn damit voll in die Scheiße, ist dir das überhaupt bewusst?“ „Alex, es tut mir leid! Wenn du jemanden brauchst, ich steh hinter dir und der Rest der Mannschaft auch…“ „Wenn ICH jemanden brauche?“ Er keuchte, war fassungslos, wie weit die Loyalität der anderen zu ihm wirklich reichte. „Hast du sie noch alle? Wenn dann braucht Matthis jemanden! Und zwar nen besseren besten Freund als dich! Du solltest gefälligst zu ihm stehen, selbst wenn der Mist stimmen würde, den du da verbreitest! Alter ich raff‘s nich! Du bist sein bester Freund! Sein Freund! Wie kannst du ihm so dermaßen in den Rücken fallen? Ey du bist echt das Letzte! Das Allerletzte!“ Damit stampfte er immer noch wutentbrannt aus dem Zimmer, schlüpfte im Flur nur kurz in seine Schuhe und schnappte sich seine Jacke. Bloß schnell raus aus diesem Haus. Weg von dem Kerl. Die stechende Kälte draußen tat ihm gut. Sie kühlte ihn im wahrsten Sinne des Wortes wieder etwas ab. Er zog sich bald seine Jacke an, steckte die Hände in die Taschen und vergrub die Hälfte des Gesichts in seinem Schal. Matthis tat ihm leid. Wie konnte sein bester Freund ihm nur so in den Rücken fallen? Er hatte Matthis nie schlecht über David sprechen hören. Und wie dankte der es ihm? Als er zur Wohnung von Matthis‘ Vater kam und Matthis ihn einließ, begrüßte Alex ihn mit einem leidenschaftlichen Kuss und drängte ihn nach hinten gegen die Wand, an der die Garderobe angebracht war, sodass Matthis halb zwischen den Jacken versank. Er hielt sein Gesicht zwischen seinen Händen, ließ es nicht zu, dass mehr als einige Millimeter Abstand zwischen ihre Lippen kam und flüsterte: „Ich liebe dich! Über alles!“ Matthis lächelte. „Ich dich auch! Aber womit hab ich das verdient?“ „Du existierst“, antwortete Alex, schloss ihn in eine feste Umarmung. Er würde nichts und niemanden an seinen Matthis lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)