Der unerwünschte Mieter von Pansy ================================================================================ Kapitel 21 ---------- Kapitel 21 Also ich weiß ja, dass ich es selten realisiere, wenn mich jemand mag. Ich meine maaag, ja!? Und die meiste Zeit, in der ich Aurel kenne, war er in festen Händen. Wie soll ich denn da bitteschön auch auf die Idee kommen, dass er was von mir wollen könnte? Vergebene Männer sind für mich grundsätzlich tabu, weil man sich an ihnen ohnehin nur das Herz zerbricht. Okay, das heißt jetzt nicht, dass ich mich noch nie in einen Mann, der gerade mitten in einer Beziehung steckt, verguckt hätte, seine Gefühle hat man schließlich selten unter Kontrolle, aber … Ungewollt schweift mein Blick wieder auf Joshua und ich rolle mit den Augen. Bei ihm habe ich meine Gefühle eindeutig nie unter Kontrolle. „Nachdem du nun Bescheid weißt...“, Joshua nimmt die Hand von meinem Mund und lächelt mich an, „kannst du dir nun wünschen, was du willst.“ „Ich wünsche ...“, doch die Worte bleiben mir im Halse stecken. „Vergiss es!“, brumme ich und gehe einen Schritt auf Aurel zu, der sich bis jetzt nicht gerührt hat. „Stimmt das?“, frage ich ihn offen heraus. Seine eisblauen Augen blitzen auf. „Weißt du ...“ Während er verstummt, nimmt er seine Hände aus seinen Taschen und legt sie mir auf die Schultern. Dass mich in letzter Zeit immer alle berühren müssen! Haben sie doch sonst nie getan. Doch ich lasse die Berührung nicht weiter beachtend über mich ergehen. „Es gab eine Zeit, in der ich dich … wie soll ich sagen? Begehrte?“ Meine Augen werden wieder einmal riesig. „Ja, ich denke, das trifft es ganz gut. Aber wie heute schon erwähnt, hast du mir deutlich gemacht, dass du Abstand zwischen uns wolltest.“ „Und was war mit Lisa? Schließlich warst du mehr oder minder die ganze Zeit über mit ihr liiert.“ Skeptisch betrachte ich ihn und ignoriere Joshua, der sich zurück auf die Treppe setzt und uns amüsiert beobachtet. „Hättest du mir signalisiert, dass-“ Mit einer harschen Handbewegung bringe ich Aurel zum Schweigen. Dann schüttele ich seine Hände von mir und lasse kurz die Wut in mir aufkochen, die sich mit einem Mal in mir breit gemacht hat. „Du willst mir jetzt allen Ernstes sagen, dass du mit ihr Schluss gemacht hättest, wenn ich dich an mich herangelassen hätte?“ Wenn ich eines nicht leiden kann, dann dass sich ein Mann eine warm hält, während er sich an die nächste heranmacht! „Warst du so feige? Oder ging es dir darum, weiterhin ein bisschen Spaß mit Lisa zu haben, bis ich dir signalisiere“, das Wort betone ich besonders, „dass ich für dich zu haben bin?“ Ahhh! Was ist denn das heute bitte für ein beschissener Tag? „Naja, so kannst du das nicht sehen.“ „Spar es dir!“, fauche ich ihn an. „Raus hier! Alle beide!“ Ich fuchtele mit meinen Händen herum und deute gen Eingangstür. „Ich meine das so, wie ich das sage. Verschwindet! Und zwar beide!“ Als weder der eine noch der andere Anstalten macht zu gehen, packe ich Aurel mit meiner Linken und Joshua mit meiner Rechten und stemme mich mitsamt meines gesamten Körpergewichts gegen sie. „Ich sagte: Raus hier!“, knurre ich schwer atmend. Gut, vielleicht übertreibe ich gerade ein bisschen, aber ich will jetzt meine Ruhe. Ich muss erst mal verdauen, was heute passiert ist. In meinem Kopf dreht sich alles und ich möchte gerade weder den einen noch den anderen sehen. „Lass los, Milly, du tust dir noch weh.“ Joshua legt seine Hände um meine und löst vorsichtig meine Finger von seinem Hemd. Auch Aurel nimmt meine andere Hand in seine. Na toll, so war das nicht beabsichtigt. Jetzt stehe ich exakt zwischen den beiden und weiß nicht, auf welche Hände ich mich zuerst konzentrieren soll. Einerseits toben die längst besiegt geglaubten Schmetterlinge in mir, andererseits empfinde ich nichts als Zorn. Und obwohl ich nicht will … obwohl es mir alles andere als gut tut … schließe ich die Augen und lasse mich vollkommen auf die Wärme ein, die von Joshua ausgeht. Meine rechte Hand beginnt zu kribbeln und sendet unwillkürlich Hitzefäden in jede Ecke meines Körpers aus. Als sich mein Atem auch noch beschleunigt, reiße ich meine Augen wieder auf. Nein! Ich darf das nicht, ich darf nicht schon wieder in einer seiner von ihm bewusst herbeigeführten Berührungen versinken. Nicht schon wieder! „Ihr klammert euch an mich wie verhungerte Katzen“, versuche ich zu spotten. „Hört endlich auf, um mich herumzuscharwenzeln, das ist ja nicht normal.“ Hätte mir das jemand gesagt, hätte ich denjenigen wohl ausgelacht, aber seltsamerweise lassen mich beide los, als ob sie sich an mir verbrannt hätten. Es dauert ja schon einen Moment, bis ich das wahrhaftig registriere, aber als ich es dann endlich tue, schleicht sich ein diabolisches Lächeln auf meine Lippen. „Entweder ihr schwingt endlich freiwillig eure vier Buchstaben aus meiner Wohnung oder ich rufe die Polizei.“ Ich glaube, ich klinge gerade auch so verrückt wie ich mich fühle. Ich drehe gerade durch, ich geb's zu. Aber immerhin werde ich die beiden tatsächlich just in diesem Augenblick los. Sowohl von dem einen als auch von dem anderen bekomme ich noch einen vielsagenden Blick zugeworfen, ehe sie die Tür hinter sich schließen. Mit bebender Brust stehe ich da und fühle mich mit einem Mal innerlich vollkommen leer. Ich neige zu exzentrischen Gefühlsausbrüchen. Ich bin hier, um das zu ändern, damit ich am Ende nicht jeden um mich herum vertreibe. So oder so ähnlich würde ich es formulieren, wenn ich mich einer Gruppentherapie unterziehen würde. Aber mir wird es auch nicht leicht gemacht. Joshua spielt mir erst was vor, dann lügt er mich auch noch an und ich weiß einfach nicht, woran ich bei ihm bin. Und Aurel gibt mir das Gefühl, nur zweite Wahl zu sein, und setzt dazu alles daran, Joshua in ein schlechtes Licht zu rücken. Das sieht sogar ein Blinder mit Krückstock. Ja, so habe ich mir meinen Feierabend gewiss nicht vorgestellt. Seufzend sitze ich in meinem Erker und starre mal wieder auf die Flugzeuge, die heute aufgrund des auffrischenden Winds in die andere Richtung fliegen und daher gerade drauf und dran sind, an Höhe zu gewinnen und fremde Länder zu bereisen. Eigentlich sind sie nur blinkende Lichter am dunklen Nachthimmel. Keine Ahnung, wo die beiden jetzt stecken, ob sie nun vor meiner Wohnungstür lungern oder andere Frauen anbaggern, es ist mir herzlich egal. Leider habe ich Joshua den Schlüssel immer noch nicht abgenommen, sodass ich jederzeit damit rechnen muss, dass er plötzlich hinter mir steht. Aber soll er doch, ich muss ihm ja keine Beachtung schenken. Vielleicht halten sie mich nun für verrückt und lassen mich künftig in Ruhe. Hat was Verlockendes an sich, aber glücklich stimmt mich dieser Gedanke auch nicht. Hach ja, ein eindeutiger Fall für Jessi. Oh man, ich hoffe, sie denkt nicht, ich melde mich nur noch bei ihr, wenn es um Joshua geht. Innig seufzend nehme ich mein Festnetztelefon zur Hand und lasse es bei ihr klingeln. „Du hast keine Ahnung, wie lange ich schon auf den Anruf warte, nachdem ich keine E-Mail von dir bekommen habe! Weißt du eigentlich, wie spät es ist? In letzter Zeit lässt du mich aber ganz schön lange zappeln. Jetzt schieß schon los! Was hat der Kerl jetzt schon wieder angestellt? Du kannst mir nicht in einer SMS schreiben, dass er gelogen hat, und mich dann so lange vor meinem Computer verharren lassen!“ Da sie kurz auflacht, weiß ich, dass sie mir im Grunde nicht böse ist. Zum Glück! Das hätte mir jetzt an diesem perfekt verlaufenen Abend noch gefehlt. „Hi Jessi.“ „Überspringen wir das Gegrüße, ich bin neugierig.“ Ich muss schmunzeln und dafür liebe ich sie einfach. Sie bringt mich immer in den unmöglichsten Situationen dazu zu grinsen. „Okay, eine Schnellzusammenfassung: Bei Joshua weiß man einfach nicht, was an ihm echt und was geschauspielert ist. Und Aurel hat eben zugegeben, früher auf mich gestanden zu haben, obwohl er sich nur von Lisa getrennt hätte, wenn er mich hätte haben können.“ „Äh, Milly, seit wann geht es hier um zwei Männer?“ Beruhigend, dass sie genauso irritiert ist wie ich. „Seit heute?“, antworte ich fragend. „Aurel kennst du ja noch, oder?“ „Natürlich, diese Augen prägen sich einem ein.“ Was finden nur alle an diesen eisblauen Augen? Vermutlich bin ich die einzige Frau auf der Welt, die ihnen nicht erlegen ist. „Wie es der Zufall so wollte, habe ich ihn heute im Theater getroffen. Er hat mich ein bisschen herumgeführt, bis ich mit Joshua redete. Doch der log nur das Blaue vom Himmel, ich war durcheinander, Aurel fuhr mich heim, wo aber Joshua schon auf mich wartete. Und eben habe ich beide vor die Tür gesetzt.“ „Mit dir macht man vielleicht was mit.“ Ein leises Lachen dringt durch die Leitung, doch sie fährt ernsthaft fort: „Was hat dein Herz gesprochen, als du Joshua gegenübergetreten bist?“ „Meinst du zu dem Zeitpunkt, als ich bei den Proben zusah? Oder als er mir gegenübersaß und ich drauf und dran war, ihm zu glauben? … Aber im Grunde ist das egal, denn in beiden Fällen hat es sich nach ihm gesehnt und sich gleichzeitig gekrümmt vor Schmerz. Ich sollte ihn nach allem, was er sich geleistet hat, hassen, ihn verabscheuen und ihn zum Teufel jagen, doch ...“ „Du kannst es nicht.“ Ich schüttele den Kopf. „Irgendwie schaffe ich das immer noch nicht.“ Wäre er nicht in meiner Wohnung aufgetaucht, hätte ich es vielleicht gekonnt. Aber er hat was gesagt, was mich einfach nicht loslassen möchte. Etwas, das mich hellhörig machte. Etwas, das ich einfach nicht vergessen kann. „Wäre Aurel was für dich?“ „Wie? Wo? Was?“ „Aurel?“ „Ich weiß nicht, so habe ich noch nie über ihn nachgedacht. In seiner Gegenwart hatte ich nie dieses extreme Herzflattern, diesen Wunsch, ihn hier und jetzt an mich zu ziehen und zu küssen.“ „Was nicht ist, kann ja noch werden.“ „Man weiß nie, was die Zukunft bringt“, ich zucke mit den Schultern, „aber ich bin für ihn doch ohnehin keine Frau, um die er ernsthaft kämpfen würde. Und außerdem hat er nicht gesagt, dass er heute noch Gefühle für mich hat.“ „Hm und was machen wir nun mit Joshua?“ „Weißt du, was er sagte?“ „Nein, aber ich hoffe, du erzählst es mir gleich.“ „Aurel hätte ihn zum Kampf um mich herausgefordert.“ Jetzt ist es raus und ich habe nichts besseres zu tun, als mir durch die Haare zu fahren und den Kopf zu schütteln. Ich habe diese Worte gehört, ja. Ich kann sie auch nicht vergessen. Aber er will mir doch nicht wirklich glaubhaft machen, dass ich gerade freie Wahl habe? „Soll es der Künstler mit den kurzen, hellbraunen Haaren und den eisblauen Augen sein, der nicht aus Liebe mit einer Frau zusammenbleibt? Oder doch lieber der Schauspieler mit dem braunen Wuschelkopf und den tiefgrünen Augen, der für seine Karriere über Leichen geht?“, frage ich Jessi. Zwei weitere Lichter entfernen sich vom Flughafen und verschwinden alsbald in der Ferne. Die Bäume am Straßenrand unter mir wehen hin und her und einzelne Blüten schweben orangefarben durch das Laternenlicht. „Und was wäre, wenn etwas dran ist?“ „Woran?“ „Dass dich beide lieben, jetzt in der Gegenwart?“ Stirnrunzelnd sehe ich dabei zu, wie ein Auto unten vorüberfährt. Schon wieder eine Geste, die Jessi nicht sehen kann. „Das war doch nur wieder einer von Joshuas Sprüchen, um mich kirre zu machen. Aurel habe ich schließlich drei Jahre lang nicht gesehen und währenddessen kaum gesprochen. Wieso sollten in ihm dann solche Gefühle hausen? Die hätte er ja ewig unterdrücken müssen. Sehr unwahrscheinlich also. Und bei Joshua bin ich mir nicht mehr sicher, ob er überhaupt fähig ist, jemanden zu lieben.“ Moment, Moment! Stopp! Stand nicht in dieser vermaledeiten Broschüre, dass Lukas die Fähigkeit zu lieben verloren habe? Auf einmal werde ich ganz blass und meine Hand, die das Telefon hält, beginnt zu zittern. „Jetzt malst du aber zu schwarz, findest du nicht?“ Ach ja? Tue ich das? Vielleicht hat sich Joshua ja so in Lukas' Rolle versteift, dass ihm wirklich die Liebe abhanden gekommen ist? „Milly, ich weiß, dass du bisher immer Pech mit den Männern hattest, aber vielleicht ist dieses Mal ja doch jemand für dich dabei. Du kannst mir ruhig vorwerfen, dass ich als deine beste Freundin nun an deiner statt ausrasten sollte und die beiden verfluchen sollte, vor allem Joshua, aber dann frage ich mich, warum er immer noch bei dir auftaucht, obwohl er schon lange aufgeflogen ist. Und Aurel hätte dich doch nicht nach Hause gefahren, wenn er dich nicht zumindest mögen würde.“ Muss Jessi immer so rational sein? Ich stelle einen Fuß auf meine kleine Bank im Erker und bette meine Stirn auf mein Knie. „Da muss er sich aber was Besonderes einfallen lassen, um mein Vertrauen zurückzugewinnen“, hauche ich. „Weißt du, Milly, ich ...“ „Du?“, bohre ich, als sie selbst gefühlte Stunden später nicht weiterspricht. „Versprichst du mir zu verzeihen?“ Ruckartig richte ich mich auf, sitze mit geradem Rücken da und lasse meinen Blick hin- und herschweifen. „Was verzeihen?“ „Versprich es mir.“ Was soll das jetzt? „Okay, ich verspreche es“, murmele ich. Sie holt tief Luft. „Ich habe mit ihm letzte Nacht telefoniert.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)